Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 15.03.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Wie stellt sich nach Informationen der Staatsregierung die zahlenmäßige Entwicklung bei Verkehrsunfällen mit Lkw-Beteiligung im Freistaat Bayern dar? Die Zahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Schwerverkehr ist 2015 insgesamt um 3,6 % auf 17.524 angestiegen (2014: 16.920). Die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden reduzierte sich dabei jedoch um 1,5 % auf 4.246 (2014: 4.311). Es wurden bei diesen Unfällen 146 Menschen getötet (2014: 165) und 5.859 verletzt (2014: 5.932). 2. Wie werden die Ursachen für die Unfälle vornehmlich beurteilt? Knapp zwei Drittel der Verkehrsunfälle mit Personenschaden (2.790 von 4.246) und rund die Hälfte der tödlichen Verkehrsunfälle (73 von 140) wurden 2015 von den Schwerverkehrsfahrern verursacht. Die häufigste Ursache für schwere Unfälle ist dabei ungenügender Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Im vergangenen Jahr stellte die Polizei diese Unfallursache bei knapp 20 % der Unfälle mit Personenschaden fest. Danach folgen Missachtungen der Vorfahrt und Fehler beim Abbiegen. Bei den tödlichen Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Schwerverkehr war die häufigste Unfallursache bei den Lkw-Fahrern Fehler beim Abbiegen und bei den anderen Beteiligten Fehler, die zum Zusammenstoß mit einem Lkw im Gegenverkehr führten. 3. In welchem Umfang erfolgt die Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten bei den beschäftigten Fahrern im Transport- und Speditionsgewerbe? Der Überwachungsumfang für Lenk- und Ruhezeiten durch Kontrollorgane der Mitgliedstaaten wird durch die Richtlinie 2006/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (für den Bereich der Europäischen Union ) festgelegt. Der vorgeschriebene Kontrollumfang innerhalb jedes (einzelnen) Kalenderjahres beträgt 3 Prozent der anfallenden Arbeitstage. Die Anzahl der Arbeitstage ergibt sich dabei als Produkt aus Fahrzeugbestand und 240 – als Durchschnittswert herangezogenen – Einsatztagen der Fahrzeuge. Im Jahr 2014 mussten in Bayern 744.242 Arbeitstage kontrolliert werden. Die bayerischen Kontrollorgane (Polizei und Gewerbeaufsicht) haben in diesem Zeitraum jedoch insgesamt 1.009.295 Arbeitstage überprüft. 17. Wahlperiode 18.05.2016 17/10658 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Unterländer CSU vom 05.02.2016 Schwere Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Lkws Nach Informationen der Kraftfahrergewerkschaft und diesbezüglichen Petitionen im Deutschen Bundestag haben die Zahl und der Umfang schwerer Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Lkws zugenommen. Ich frage in diesem Zusammenhang die Staatsregierung: 1. Wie stellt sich nach Informationen der Staatsregierung die zahlenmäßige Entwicklung bei Verkehrsunfällen mit Lkw-Beteiligung im Freistaat Bayern dar? 2. Wie werden die Ursachen für die Unfälle vornehmlich beurteilt ? 3. In welchem Umfang erfolgt die Überwachung der Lenkund Ruhezeiten bei den beschäftigten Fahrern im Transport - und Speditionsgewerbe? 4. Wie beurteilt die Staatsregierung auch im Hinblick auf die Zuständigkeiten die Möglichkeit von Schwerpunktaktionen im Rahmen der Gewerbeaufsicht? 5. Welche Maßnahmen zur Vermeidung von schweren Lkw- Unfällen werden ergriffen? 6-.Wie beurteilt die Staatsregierung den Vorschlag der Kraftfahrergewerkschaft zur Durchführung eines „Runden Tisches wegen schwerer Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Lkws“ auf Bundesebene unter Beteiligung der Vertreter der verladenden Wirtschaft, der Transportbranche und der Kraftfahrergewerkschaft? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10658 4. Wie beurteilt die Staatsregierung auch im Hinblick auf die Zuständigkeiten die Möglichkeit von Schwerpunktaktionen im Rahmen der Gewerbeaufsicht? Die Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten – in Betrieben des Transport- und Speditionsgewerbes – gehört zu den Daueraufgaben der Gewerbeaufsicht. Die Gesamtzahl der durch die Gewerbeaufsicht im Jahr 2014 überprüften Arbeitstage wurde zu 94 Prozent in Betrieben des Transportund Speditionsgewerbes erbracht. Eine Schwerpunktaktion würde zu einer noch stärkeren Berücksichtigung dieser Branchen zulasten von Überprüfungen in Omnibusbetrieben führen. 5. Welche Maßnahmen zur Vermeidung von schweren Lkw-Unfällen werden ergriffen? Zur Reduzierung der Verkehrsunfälle und zur Optimierung der Verkehrssicherheitsarbeit hat das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr bereits im Jahre 2013 erneut ein Verkehrssicherheitsprogramm „Bayern mobil, sicher ans Ziel“ aufgelegt. In diesem werden die Maßnahmen noch stärker als bisher auf die verschiedenen Gruppen der Verkehrsteilnehmer, auf die unterschiedlichen Unfallursachen und saisonale Entwicklungen ausgerichtet. Neben der Fortführung bewährter Maßnahmen werden mit dem neuen Programm bewusst neue Wege beschritten. Hierbei wurden auch zur Verbesserung der Unfallsituation mit Beteiligung von Lastkraftwagen umfassende Maßnahmenpakete geschnürt . Hierunter fallen unter anderem • Ausbau elektronischer Steuerungs- und Leitsysteme im Autobahnnetz Mit dem Ausbau von Streckenbeeinflussungsanlagen, Wechselwegweisung und Standstreifenfreigabe insbesondere an hoch belasteten und unfallgefährdeten Strecken wird der Verkehr zielgerichtet gelenkt, die Stauanfälligkeit bestimmter Abschnitte reduziert und so die Verkehrssicherheit erhöht. • Aktuellere und genauere Verkehrsmeldungen in Rundfunk und Navigationsgeräten Mit punktgenauen Warnungen vor Gefahrenstellen lassen sich Unfälle vermeiden. Hierzu wird die bisherige TMC- Technik schnellstmöglich auf den TPEG-Standard umgestellt . Dies führt zu einer Verbesserung des Angebots von Verkehrsmeldungen durch Fortführung der Kooperation mit allen Beteiligten (Polizei, Verkehrsmeldestelle, Verkehrsinformationsagentur Bayern, Rundfunk, ADAC). Warnungen und Informationen können sofort abschnittsgenau an die Nutzer, zu denen bevorzugt auch die Berufskraftfahrer gehören , übermittelt werden. • Unterstützung bei der Einführung zusätzlicher Fahrassistenzsysteme zur aktiven und passiven Sicherheit Die beständige Erhöhung der Verkehrssicherheit bei gleichzeitiger Zunahme des Verkehrsaufkommens ist ganz wesentlich auf die Entwicklung der Fahrzeugsicherheit zurückzuführen . Auch in Zukunft werden neue Assistenz- und Sicherheitssysteme dazu beitragen, dass Mobilität auf der Straße noch sicherer wird. So können z. B. durch passive Schutzsysteme an Kraftfahrzeugen die Unfallfolgen für Fußgänger und Radfahrer reduziert werden. Die Entwicklung dieser Systeme wird z. B. durch Beteiligung der Polizei bei der Unfallforschung aktiv unterstützt. Soweit es rechtlich vertretbar ist, werden auch den Herstellern von Lastkraftwagen entsprechende Ausnahmen erteilt, damit nach erfolgreicher Erprobung der Systeme auf dem Versuchsgelände diese auch unter realen Bedingungen erprobt werden können. Derzeit werden z. B. Versuche mit einem Notbremsassistenten durchgeführt. Mithilfe dieser Systeme können zukünftig schwere Unfälle vermieden werden. • Ausbau des Lkw-Parkleitsystems im Autobahnnetz Die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten trägt wesentlich zur Verkehrssicherheit im Lkw-Verkehr bei. Hierzu müssen aber auch ausreichend Lkw-Parkplätze an Autobahnen zur Verfügung stehen. Neben dem Ausbau von Parkplätzen können durch die Einführung eines Lkw-Parkleitsystems auf Autobahnen die bestehenden Kapazitäten besser genutzt werden. Derzeit wird entlang der Autobahn A 9 München – Nürnberg ein Pilotleitsystem erprobt. An der Strecke zwischen München und Nürnberg wird auf 21 Rastanlagen und 2 privaten Autohöfen über Sensoren die Belegung der Parkstände erhoben. Die Lkw-Fahrer können schon im Fahrzeug mittels App freie Parkplätze abrufen und somit gezielt noch aufnahmefähige Parkplätze ansteuern. • Ausbau der Parkmöglichkeiten für Lkws im Bereich der Autobahnen Neben einer optimalen Nutzung der bestehenden Parkmöglichkeiten erfordert die Zunahme des Lkw-Verkehrs auch eine Erweiterung des Parkangebots an Autobahnraststätten und Autohöfen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten nicht an fehlenden Parkplätzen scheitert oder verbotswidrig abgestellte Lkws den Verkehr behindern oder gefährden. Derzeit werden mehrere Parkplätze für Lkws ertüchtigt. Zusätzlich wird mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und der Bundesanstalt für Straßenwesen ein innovatives System erprobt, mit dem die derzeitigen Parkflächen noch besser genutzt werden können. An der A 3 an der Rastanlage Jura-West erfolgte am 19.02.16 der Auftakt für das sogenannte Kompaktparken. • Verlängerung von Beschleunigungsstreifen an Autobahnen Insbesondere an Steigungsstrecken kann durch längere Beschleunigungsstreifen die Differenzgeschwindigkeit zwischen auffahrenden Fahrzeugen und nachfolgendem Verkehr reduziert und damit die Sicherheit erhöht werden. Für die Führer der Lkw wird das Einfahren in die Autobahn erleichtert und gefährliche Bremsmanöver oder sogar Auffahrunfälle können vermieden werden. • Verkehrsüberwachung durch Polizei Die Einhaltung der Verkehrsregeln ist Grundvoraussetzung für ein hohes Maß an Verkehrssicherheit. Insbesondere dort, wo fehlende Regeleinhaltung zu Unfällen führt, ist eine konsequente Überwachung – auch im Rahmen von Schwerpunktaktionen – erforderlich. Vor allem im Bereich Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen sowie Abstand wird die Verkehrsüberwachung unter Einsatz modernster Technik intensiviert. Aber auch die Überwachung der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten, von Überholverboten, des technischen Zustands sowie der Vorschriften zur Ladungssicherung und zum Gefahrguttransport im Bereich des Schwerverkehrs soll auf einem hohen Niveau fortgeführt werden. Daher werden für diesen Tätigkeitsbereich bei der Polizei Spezialisten ausgebildet. Im letzten Jahr musste alleine die Polizei von den über 100.000 kontrollierten Schwerfahrzeugen rund 25 % beanstanden. Die Kontrollen werden auch Drucksache 17/10658 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 weiterhin im Rahmen der personellen und materiellen Ressourcen durchgeführt. • Fehlerverzeihender Seitenraum an Landstraßen Der Straßenseitenraum hat insbesondere im Bereich von Landstraßen besondere Bedeutung für die Verkehrssicherheit . Standfeste Bankette sorgen dafür, dass Fahrzeuge beim Abkommen von der Fahrbahn nicht ins Schleudern geraten oder abrutschen. Durch die Beseitigung von Hindernissen im Seitenraum oder deren Absicherung durch Schutzeinrichtungen lassen sich die Unfallfolgen deutlich abmildern. Im Rahmen der Aktion „Fehlerverzeihender Seitenraum “ werden Hindernisse an Seitenrändern beseitigt oder abgesichert und die Bankette weiter verbessert. Hierfür wurden in den letzten 3 Jahren bei 268 Maßnahmen rund 3 Mio. € investiert. • Aktion „Toter Winkel“ Immer wieder ereignen sich tragische Unfälle, weil sich Radfahrer oder Fußgänger kurz vor dem Unfall in einem für den Lkw-Fahrer nicht einsehbaren Bereich, dem sogenannten „toten Winkel“, befanden. Zwar sind für die ab 2007 neu zugelassenen Busse und Lkws über 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht neue Spiegelsysteme zur Minimierung des toten Winkels vorgeschrieben, wodurch die Gefahr verringert werden konnte. Dennoch sind immer wieder schwere Unfälle zu verzeichnen , zumal eine Nachrüstpflicht für ältere Fahrzeuge nicht besteht. Derzeit laufen von der Fahrzeugindustrie mehrere Forschungsvorhaben, eine technische Lösung des Problems voranzutreiben. Damit insbesondere Kinder, Radfahrer und ältere Menschen diesbezüglich sensibilisiert werden, weist die Polizei bei den Verkehrsunterrichten oder Infoveranstaltungen wie etwa dem Landestag der Verkehrssicherheit auf die Gefahrenbereiche hin. Weiterhin werden ein entsprechendes Lehrvideo und die Broschüre „sehen und gesehen werden“ zur Verfügung gestellt. • Digitales Testfeld A 9 Aber auch bei Innovationen zur Erprobung des automatisierten Fahrens, das letztendlich eine deutliche Verbesserung der Verkehrssicherheit bedeutet, wirkt Bayern aktiv mit. So wird derzeit auf der A 9 das Digitale Testfeld erprobt. Unter Beteiligung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, dem Freistaat Bayern, dem Verband der Automobilindustrie und der BITKOM (Digitalverband Deutschlands) werden der Betrieb und die Nutzung des digitalen Testfeldes erprobt. Hierzu wurde eine gemeinsame Kommunikations- und Koordinierungsplattform für das automatisierte Fahren eingerichtet. Für die Datenübermittlung in Echtzeit und den Datenaustausch zwischen den Fahrzeugen (Car-to-Car und Car-to-Infrastructure Kommunikation) werden leistungsfähige Mobilfunknetze errichtet. Zusätzlich werden spezielle Fahrstreifenmarkierungen zum Test von Laserscannern aufgebracht und eigene Kameras zur Verkehrsflusserfassung und zur Übertragung der Bremswegermittlung installiert. In einem ersten Schritt werden folgende Systeme erprobt: – Intelligente Glättevorhersage: Entwicklung eines Verfahrens, welches unter Zugrundelegung der gemessenen querschnittsbezogenen Informationen aus den Glättemeldeanlagen, ergänzt mit Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD), eine Aussage zum streckenbezogen Zustand auf einem konkreten Abschnitt der BAB ermöglicht. Diese werden in das mit modernster Sprühtechnik ausgestattete Winterdienstfahrzeug übermittelt und in das Straßenwetterinformationssystem SWIS eingespielt, sodass diese abschnittsgenau für alle Verkehrsteilnehmer zur Verfügung stehen. – Mithilfe von dynamischen Verkehrsinformations-Apps soll eine Vielzahl von Daten für jeden abrufbar sein. Beispielhaft sind Informationen zu aktuellen Baustellen, Unfällen und anderen Störungen verfügbar. Somit können Lkw- Fahrer frühzeitig vor Stauungen und Unfällen gewarnt werden. – Weiterhin soll eine Verbesserung der Verkehrsführung vor und in Baustellen realisiert werden. Aus Untersuchungsergebnissen zum Verkehrsablauf im Vorfeld von Baustellen mit Fahrstreifenreduktionen lassen sich wirksame Beeinflussungsmaßnahmen ableiten und in ein „intelligentes Reißverschlussverfahren“ umsetzen. So können längere Stauungen und unfallträchtige Situationen vermieden werden. – Das Testfeld soll aber auch dazu dienen, Fahrerassistenzsysteme zu erproben. Wir erwarten hier insbesondere vom Notbremsassistent, vom Spurhalteassistent, Spurwechselassistent und vom Totwinkelassistent, um nur einige der vielen Innovationen zu nennen, eine deutliche Reduzierung der Unfälle insgesamt und insbesondere der schweren Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Lastkraftwagen. Auch hier soll das Testfeld dazu beitragen , Optimierungsmaßnahmen zu erforschen. Nicht zuletzt werden auch intelligente Falschfahrerwarnsysteme getestet, die ihre Warnung nicht nur an die falsch fahrenden Verkehrsteilnehmer richten, sondern im Endausbau auch an alle Straßennutzer. 6. Wie beurteilt die Staatsregierung den Vorschlag der Kraftfahrergewerkschaft zur Durchführung eines „Runden Tisches wegen schwerer Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Lkws“ auf Bundesebene unter Beteiligung der Vertreter der verladenden Wirtschaft, der Transportbranche und der Kraftfahrergewerkschaft? Die Staatsregierung ist für jeden Vorschlag offen, Themenschwerpunkte „an einem Runden Tisch“ unter Beteiligung der betroffenen Interessenverbände zu erörtern.