Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 18.03.2016 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet : 1. a) Welches Prozedere durchlaufen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umFs) nach ihrer Ankunft in Bayern? Meist werden unbegleitete Minderjährige (uM) durch die Bundespolizei aufgegriffen. Unbegleitete junge Menschen, die behaupten minderjährig zu sein oder von der Bundespolizei als minderjährig eingestuft werden, werden von dieser dem Jugendamt am Aufgriffsort übergeben. Im Ausnahmefall ist es auch möglich, dass ein Minderjähriger direkt bei einem Jugendamt oder einer Aufnahmestelle vorstellig wird und um Inobhutnahme bittet. Das zuständige Jugendamt nimmt den jungen Menschen vorläufig in Obhut und führt, wenn keine Ausweisdokumente vorgelegt werden können, eine Alterseinschätzung im Rahmen einer qualifizierten Inaugenscheinnahme durch. Bei Feststellung von Minderjährigkeit verbleiben die Minderjährigen in der Inobhutnahme des Jugendamtes und werden über die Landesstelle Bayern zur bundesweiten Verteilung angemeldet. Ebenfalls sehr zeitnah erfolgt ein gesundheitliches Kurzscreening (damit auch Feststellung der Verteilfähigkeit). Bei Verdacht auf behandlungsbedürftige Erkrankungen oder Infektionen erfolgt eine weitergehende Untersuchung und ggf. Einleitung entsprechender ärztlicher Behandlung. Bis zum Vollzug der bundesweiten Verteilung, die lt. Gesetz innerhalb von max. 4 Wochen erfolgen soll (Ziel bayerischer Jugendämter in der Regel: 2–3 Wochen), verbleiben die uM in Obhut des zuständigen Jugendamtes. Dies ist auch das Zeitfenster zur Beantwortung der Frage, ob eine kurzfristige Familienzusammenführung eingeleitet werden kann. Nach Festlegung des aufnahmepflichtigen Bundeslandes und Zuweisung zu einem Jugendamt in diesem Bundesland wird der uM durch das Aufgriffsjugendamt zeitnah zum Aufnahmejugendamt verbracht, wo die endgültige Inobhutnahme und Einleitung konkreter Jugendhilfemaßnahmen erfolgt. b) Wie hat sich die Zahl der registrierten umFs im vergangenen Jahr entwickelt? Die Zahlenentwicklung im Bereich uM wurde durch das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) in erster Linie über die seit Mai 2014 regelmäßig durchgeführten Abfragen jeweils zum Monatsende bei den bayerischen Jugendämtern erhoben. Im Rahmen der bundesweiten Verteilung von uM erhebt nun auch das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Form von Tages- 17. Wahlperiode 18.05.2016 17/10674 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Doris Rauscher SPD vom 11.02.2016 Vermisste unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welches Prozedere durchlaufen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umFs) nach ihrer Ankunft in Bayern ? b) Wie hat sich die Zahl der registrierten umFs im vergangenen Jahr entwickelt? 2. a) Welche Kenntnisse liegen der Staatsregierung hinsichtlich vermisster umFs in Bayern vor (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen unter 13 Jahren, zwischen 14 und 18 Jahren und über 18 Jahren)? b) Wie hat sich diese Zahl im vergangenen Jahr entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen unter 13 Jahren, zwischen 14 und 18 Jahren und über 18 Jahren)? c) Wie hoch schätzt die Staatsregierung die Dunkelziffer von umFs, die zwar verschwunden, aber nicht als vermisst registriert sind? 3. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung, was mit den vermissten umFs passiert? 4. Wie stellt die Staatsregierung bei der Verteilung der umFs im Bundesgebiet nach dem Königsteiner Schlüssel sicher, dass die Kinder und Jugendlichen auch am Zielort eintreffen und von den zuständigen Stellen entsprechend betreut werden? 5. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bereits ergriffen bzw. gedenkt sie zu ergreifen, um die vermissten umFs zu finden und entsprechend der geltenden Standards zu betreuen? 6. a) Wie bewertet die Staatsregierung die derzeitige Situation , dass viele umFs als vermisst gelten und teilweise nicht wieder auftauchen, hinsichtlich der Maßgabe, den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Ausbeutung sicherzustellen? b) Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Staatsregierung erforderlich, um den Schutz der umFs zukünftig sicherzustellen? c) Welche Maßnahmen gedenkt die Staatsregierung zu ergreifen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10674 meldungen der Jugendämter die aktuellen Bestandszahlen . In der regelmäßigen Monatsabfrage des StMAS sind zum 31.12.2014 insgesamt 4.465 uM inkl. junger Volljähriger (ehemalige uM) ausgewiesen. Die Abfrage des BVA zum 04.01.2016 (zum 31.12.2015 erfolgte keine Abfrage) weist 15.951 uM (inkl. junger Volljähriger) zum Jahresende 2015 für Bayern aus. Im Lauf des vergangenen Jahres ist damit ein Anstieg der Bestandszahlen in Bayern um ca. 11.500 uM (inkl. junger Volljähriger) oder ca. 350 % zu verzeichnen. 2. a) Welche Kenntnisse liegen der Staatsregierung hinsichtlich vermisster umFs in Bayern vor (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen unter 13 Jahren, zwischen 14 und 18 Jahren und über 18 Jahren)? Im Jahr 2015 wurden in Bayern insgesamt 4.452 (2014: 442) uM, also Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres , als vermisst gemeldet, wobei 1.090 (2014: 68) uM im Bundesgebiet sowie in den skandinavischen Ländern wieder aufgegriffen werden konnten. Zu den angefragten Altersgruppen ist keine Aufschlüsselung möglich. b. Wie hat sich diese Zahl im vergangenen Jahr entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen unter 13 Jahren, zwischen 14 und 18 Jahren und über 18 Jahren)? Siehe Antwort zu Frage 2 a. c. Wie hoch schätzt die Staatsregierung die Dunkelziffer von umFs, die zwar verschwunden, aber nicht als vermisst registriert sind? Hierzu liegen der Staatsregierung keine entsprechenden Erkenntnisse vor. 3. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung, was mit den vermissten umFs passiert? Der weit überwiegende Teil der Vermisstmeldungen betrifft uM, die relativ kurz nach ihrer Inobhutnahme und erfolgter Erstversorgung oder kurz vor einer beabsichtigten Verlegung innerhalb Bayerns oder in ein anderes Bundesland ihre Reise zum ursprünglich geplanten Ziel fortsetzen oder eigenständig ein ihnen günstiger erscheinendes Ziel ansteuern . Nach den Erkenntnissen des Bayer. Landeskriminalamtes (BLKA) kehren die uM entweder nach einiger Zeit freiwillig in ihre zugewiesene Jugendschutzeinrichtung zurück oder werden auf der Durchreise im Bundesgebiet oder im Ausland von Polizeibehörden aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. Teilweise melden sich die uM in anderen Bundesländern oder im Ausland bei den Ausländerbehörden und ersuchen um Asyl und werden dort in Obhut genommen . Im Jahr 2015 konnten 1.090 (2014: 68) uM im Bundesgebiet sowie in den skandinavischen Ländern wieder aufgegriffen werden. Darüber hinaus liegen derzeit keine weiteren Erkenntnisse vor. 4. Wie stellt die Staatsregierung bei der Verteilung der umFs im Bundesgebiet nach dem Königsteiner Schlüssel sicher, dass die Kinder und Jugendlichen auch am Zielort eintreffen und von den zuständigen Stellen entsprechend betreut werden? In Bayern ist die Heimaufsicht der Regierungen für die Überprüfung der unterschiedlichen Unterbringungsformen innerhalb der Jugendhilfe zuständig. Der Transport der uM zum Zieljugendamt erfolgt mit einer durch das Aufgriffsjugendamt beauftragten Begleitperson. Auf die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Betreuung der uM am Zielort in anderen Bundesländern hat das StMAS keinen Einfluss. 5. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bereits ergriffen bzw. gedenkt sie zu ergreifen, um die vermissten umFs zu finden und entsprechend der geltenden Standards zu betreuen? Von den örtlichen Polizeidienststellen werden die Vermisstenmeldungen entgegengenommen und notwendige Sofortmaßnahmen wie z. B. örtliche Suchmaßnahmen getroffen . Die als vermisst gemeldeten Jugendlichen werden als Vermisstenfälle behandelt und dementsprechend als uM zur Ingewahrsamnahme im Informationssystem der Polizei (INPOL) national und im Schengener Informationssystem international bis zum 18. Lebensjahr zur Fahndung ausgeschrieben . Soweit möglich werden durch die Polizeidienststellen weitere vorhandene personenbezogene Daten wie z. B. Fingerabdrücke, Lichtbilder und DNA-Material erhoben. Diese Daten werden durch das BLKA in die bundesweite Datei „Vermisste, unbekannte Tote“ (VERMI/UTOT) recherchefähig eingegeben, um dadurch eine Identifizierung der vermissten Personen im In- und Ausland zu ermöglichen . Bei Antreffen/Auffindung einer unbekannten Person werden die vorhandenen Daten in der Datei VERMI/UTOT recherchiert. Vermisstenfahndungen und Erkenntnisanfragen werden durch das BLKA in Einzelfällen gezielt sowohl bundesweit als auch an ausländische Polizeidienststellen gesteuert. Werden uM erneut aufgegriffen oder bei einem anderen Jugendamt vorstellig, so sind sie erneut im Rahmen der Jugendhilfe in Obhut zu nehmen. 6. a) Wie bewertet die Staatsregierung die derzeitige Situation , dass viele umFs als vermisst gelten und teilweise nicht wieder auftauchen, hinsichtlich der Maßgabe, den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Ausbeutung sicherzustellen? Die Bayer. Polizei beobachtet die Entwicklung und geht jedem Einzelfall einer polizeilich bekannt gewordenen Vermissung eines uM durch Einleitung geeigneter Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die uM nach. Siehe hierzu auch Beantwortung der Frage 3. b) Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Staatsregierung erforderlich, um den Schutz der umFs zukünftig sicherzustellen? Siehe Antwort zu Frage 3. c). Welche Maßnahmen gedenkt die Staatsregierung zu ergreifen? Siehe Antwort zu Frage 3.