6. Liegen der Staatsregierung Zahlen über die Häufigkeit der Anwendung von unterbringungsähnlichen Maßnahmen (Fixierung, Medikation etc.) gegenüber Minderjährigen bzw. Jugendlichen in den verschiedenen Unterbringungseinrichtungen vor? 7. Welche speziellen Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung des Personals in den entsprechenden Unterbringungseinrichtungen für Minderjährige bzw. Jugendliche werden getroffen und welche zur Qualifizierung von Ärzten sowie zur Einführung von Mindeststandards in der Erstellung von Sachverständigengutachten ? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 21.03.2016 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Unterbringungsanordnungen erfolgten seit dem Jahr 2011 gegenüber Minderjährigen a) auf Grundlage des § 1631b BGB? Zunächst ist klarzustellen, dass es sich bei Maßnahmen des Familiengerichts nach § 1631 b BGB nicht um Unterbringungsanordnungen handelt, sondern um die Genehmigung einer Unterbringung des Kindes durch den Sorgeberechtigten . Die Maßnahme des Familiengerichts muss also stets mit einer entsprechenden Entscheidung des Sorgeberechtigten einhergehen. Eine Statistik über die Zahl der Unterbringungsgenehmigungen nach § 1631 b BGB liegt der Staatsregierung nicht vor. Aus der jährlichen Justizstatistik in Zivilsachen, Familiensachen , Straf- und Bußgeldverfahren sowie in Ermittlungsverfahren , Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und sonstigen bei den Staatsanwaltschaften zu erledigenden Geschäften ergibt sich lediglich die Zahl der erledigten Verfahren, bei denen Verfahrensgegenstand eine Unterbringung nach § 1631 b BGB war, ohne dass daraus ersichtlich wird, aus welchem Grund die Erledigung erfolgte: 2011 2012 2013 2014 erledigte Verfahren mit dem Gegenstand „Unterbringung nach § 1631 b BGB“ 2.258 2.619 2.691 3.046 Die Zahlen für das Jahr 2015 liegen noch nicht vor. 17. Wahlperiode 18.05.2016 17/10683 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 22.01.2016 Unterbringung von Minderjährigen und Jugendlichen - Zahlen und Praxis Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Unterbringungsanordnungen erfolgten seit dem Jahr 2011 gegenüber Minderjährigen a) auf Grundlage des § 1631b BGB? b) auf Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes (bitte aufgelistet nach den jeweiligen Rechtsgrundlagen , dem Alter der Betroffenen und den entscheidenden Gerichten mit jeweiliger Begründung hinsichtlich Anzahl und Entwicklung)? 2. Wie viele Unterbringungsanordnungen erfolgten seit dem Jahr 2011 gegenüber Jugendlichen aufgrund jugendstrafgerichtlicher Entscheidungen (bitte aufgelistet nach dem Alter der Betroffenen und den entscheidenden Gerichten mit jeweiliger Begründung hinsichtlich Anzahl und Entwicklung? 3. a) Wie viele Minderjährige bzw. Jugendliche waren bzw. sind seit 2011 in Bayern untergebracht, (bitte aufgelistet nach den jeweiligen Rechtsgrundlagen in Nr. 1 und 2, den Unterbringungseinrichtungen und dem Alter der Untergebrachten? b) Liegen der Staatsregierung Kenntnisse über die durchschnittliche Verweildauer der untergebrachten Minderjährigen bzw. Jugendlichen in den verschiedenen Unterbringungseinrichtungen vor? c) Wie verhält sich die Entlassungspraxis in den einzelnen Einrichtungen, insbesondere in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs? 4. Wie liegt Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern gemessen an der Zahl der nach Nr. 1 und Nr. 2 erfolgten Unterbringungsanordnungen und der nach Nr. 3 untergebrachten Minderjährigen bzw. Jugendlichen? 5. a) Welche Defizite sind der Staatsregierung in der Praxis der Unterbringung betreffend Minderjährige bzw. Jugendliche bekannt? b) Sind der Staatsregierung insbesondere Vorwürfe bekannt, wonach bei der Entscheidung über die Unterbringung häufig eine Prüfung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes , ob andere geeignete Möglichkeiten öffentlicher Hilfe in Betracht zu ziehen sind, unterbleibt bzw. mangelhaft durchgeführt wird? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10683 b) auf Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes (bitte aufgelistet nach den jeweiligen Rechtsgrundlagen, dem Alter der Betroffenen und den entscheidenden Gerichten mit jeweiliger Begründung hinsichtlich Anzahl und Entwicklung)? Eine Statistik über die Zahl der Unterbringungsanordnungen auf Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes liegt der Staatsregierung nicht vor. 2. Wie viele Unterbringungsanordnungen erfolgten seit dem Jahr 2011 gegenüber Jugendlichen aufgrund jugendstrafgerichtlicher Entscheidungen (bitte aufgelistet nach dem Alter der Betroffenen und den entscheidenden Gerichten mit jeweiliger Begründung hinsichtlich Anzahl und Entwicklung )? Der Staatsregierung liegen Zahlen zur Anzahl der verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden in Bayern vor, bei denen als Maßregel der Besserung und Sicherung eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt angeordnet wurde: Unterbringung von Heranwachsenden im psychiatrischen Krankenhaus Unterbringung von Heranwachsenden in Entziehungsanstalt Unterbringung von Jugendlichen im psychiatrischen Krankenhaus Unterbringung von Jugendlichen in Entziehungsan - stalt 2011 19 58 3 4 2012 16 50 3 9 2013 9 49 1 4 2014 7 43 1 11 Die zur Verfügung stehende Strafverfolgungsstatistik differenziert zwischen Jugendlichen (Personen, die zum Zeitpunkt der Tat das 14. Lebensjahr vollendet, das 18. Lebensjahr jedoch noch nicht vollendet haben) und Heranwachsenden (Personen, die zum Zeitpunkt der Tat das 18. Lebensjahr vollendet, das 21. Lebensjahr jedoch noch nicht vollendet haben). Weiter differenzierende Daten liegen der Staatsregierung nicht vor. Auch Angaben dazu, welches Gericht entschieden hat, und damit auch, wie die jeweilige Entscheidung begründet wurde, liegen der Staatsregierung nicht vor. Zahlen für das Jahr 2015 liegen der Staatsregierung noch nicht vor. 3. a) Wie viele Minderjährige bzw. Jugendliche waren bzw. sind seit 2011 in Bayern untergebracht (bitte aufgelistet nach den jeweiligen Rechtsgrundlagen in Nr. 1 und 2, den Unterbringungseinrichtungen und dem Alter der Untergebrachten)? Der Staatsregierung liegen keine Daten vor, wie viele Minderjährige bzw. Jugendliche in Bayern auf Grundlage einer Unterbringungsgenehmigung nach § 1631 b BGB oder auf Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes untergebracht sind. b) Liegen der Staatsregierung Kenntnisse über die durchschnittliche Verweildauer der untergebrachten Minderjährigen bzw. Jugendlichen in den verschiedenen Unterbringungseinrichtungen vor? Die durchschnittliche Verweildauer in den stationären Einrichtungen der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung betrug im Jahr 2014 38,2 Tage. Dabei handelt es sich um die durchschnittliche Verweildauer in den stationären Einrichtungen der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen. Auf welcher Grundlage der jeweilige Aufenthalt erfolgt, lässt sich aus diesen Daten nicht entnehmen. c) Wie verhält sich die Entlassungspraxis in den einzelnen Einrichtungen, insbesondere in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs? Es wird davon ausgegangen, dass in diesem Zusammenhang gefragt wird, wie Minderjährige und Jugendliche selbst auf die Entlassung vorbereitet werden. • Vorbereitung auf die Entlassung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) Untergebrachte Jugendliche in der KJP verbleiben im Regelfall nach einem unter geschützten bzw. geschlossenen Bedingungen durchgeführten Behandlungsabschnitt nach der Aufhebung der Unterbringung unter offenen Bedingungen in der Klinik, bis die Behandlung abgeschlossen ist. Die Dauer der Unterbringungsabschnitte schwankt je nach Krankheitsbild. Sie kann zur Abklärung von Suizidgefährdung ein bis wenige Tage betragen und bei der länger dauernden Behandlung schwerer Erkrankungen mit Lebensgefahr und Krankheitsuneinsichtigkeit auch über mehrere Wochen anhalten . Die Aufhebung der Unterbringung führt daher im Regelfall nicht zur Entlassung. Die Entlassungspraxis unterscheidet sich nicht grundsätzlich von zuvor nicht untergebrachten Jugendlichen, sondern richtet sich nach dem individuellen Bedarf. • Vorbereitung auf die Entlassung im Maßregelvollzug Im bayerischen Maßregelvollzug werden vorrangig suchtkranke Jugendliche untergebracht. Zur Entlassungspraxis gehört in diesen Fällen die Schaffung eines tragfähigen sozialen Empfangsraums im Rahmen der Resozialisierung. Die Therapiegesamtdauer beträgt je nach Verlauf 12 bis ca. 18 Monate, die Resozialisierungsphase beträgt hiervon ca. 4 bis 8 Monate. In einem gemeinsam mit dem Patienten erstellten Resozialisierungsplan werden die einzelnen Schritte vorbesprochen und geplant. Anschließend werden im Rahmen von Übernachtungslockerungen bis hin zu sogenannten Serienbeurlaubungen die Wohnsituation, eine Tagesstruktur und die Arbeit bzw. Ausbildung erprobt. Weitere wichtige Bestandteile der Entlassungsvorbereitung sind Klärung von tragfähigen sozialen Kontakten, Schuldenregulierung , Freizeitgestaltung und die ambulante Nachsorge . Wenn sich die Resozialisierung als tragfähig erweist , wird von Klinikseite ein Antrag auf Entlassung bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer gestellt. Es gibt für die Patienten selbst eine umfangreiche Beschulung , vor allem zur Erreichung des qualifizierten Hauptschulabschlusses . 4. Wie liegt Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern gemessen an der Zahl der nach Nr. 1 und Nr. 2 erfolgten Unterbringungsanordnungen und der nach Nr. 3 untergebrachten Minderjährigen und Jugendlichen? Ein solcher Vergleich ist nicht möglich. Der Staatsregierung liegen keine Daten über die Zahl der Unterbringungen nach Nr. 1 bzw. Nr. 2 in anderen Ländern vor. 5. a) Welche Defizite sind der Staatsregierung in der Praxis der Unterbringung betreffend Minderjährige bzw. Jugendliche bekannt? Drucksache 17/10683 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Der Staatsregierung sind im Zusammenhang mit der Praxis der Unterbringung betreffend Minderjährige bzw. Jugendliche keine Defizite bekannt. b) Sind der Staatsregierung insbesondere Vorwürfe bekannt, wonach bei der Entscheidung über die Unterbringung häufig eine Prüfung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ob andere geeignete Möglichkeiten öffentlicher Hilfe in Betracht zu ziehen sind, unterbleibt bzw. mangelhaft durchgeführt wird? Der Staatsregierung sind keine Vorwürfe bekannt, wonach bei der Entscheidung über die Unterbringung eine Prüfung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ob andere geeignete Möglichkeiten öffentlicher Hilfe in Betracht zu ziehen sind, unterbleibt bzw. mangelhaft durchgeführt wird. Soweit im vorläufigen Verfahren eine Entscheidung bzgl. der Unterbringung durch die Polizei erfolgt, erfolgt auch eine Einschätzung der Polizei, ob anderweitige Maßnahmen zielführend erscheinen und im konkreten Einzelfall umsetzbar sind. Sofern dies der Fall ist, unterbleibt die Unterbringung in einem Krankenhaus. Insbesondere bei Minderjährigen wird grundsätzlich geprüft, ob die Abwehr einer Gefahr bereits durch die Verständigung und die anschließende Inobhutnahme durch die Eltern bzw. den Vormund erreicht werden kann. Auch die Hinzuziehung von Hilfsorganisationen im Sinne des Art. 3 Unterbringungsgesetz (UnterbrG) kann sich nach einer Einzelfallprüfung durch die Polizei als Alternative zur Unterbringung in einem Krankenhaus eignen. Dies wird im Besonderen bei minderjährigen Personen angestrebt, um eine weiterführende (psychische) Belastung des Betroffenen infolge der Unterbringung zu vermeiden. 6. Liegen der Staatsregierung Zahlen über die Häufigkeit der Anwendung von unterbringungsähnlichen Maßnahmen (Fixierung, Medikation etc.) gegenüber Minderjährigen bzw. Jugendlichen in den verschiedenen Unterbringungseinrichtungen vor? Der Staatsregierung liegen keine Daten über die Häufigkeit der Anwendung von unterbringungsähnlichen Maßnahmen gegenüber Minderjährigen bzw. Jugendlichen vor. 7. Welche speziellen Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung des Personals in den entsprechenden Unterbringungseinrichtungen für Minderjährige bzw. Jugendliche werden getroffen und welche zur Qualifizierung von Ärzten sowie zur Einführung von Mindeststandards in der Erstellung von Sachverständigengutachten ? • In der Kinder- und Jugendpsychiatrie Die ärztlichen wie auch die nichtärztlichen Mitarbeiter werden regelmäßig und fortlaufend durch in- und externe Angebote weitergebildet. Im Rahmen der innerbetrieblichen Fortbildung (IBF) werden alle notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten geschult, so auch alle relevanten Themen des Freiheitsentzugs. Diese Inhalte sind zudem in der ärztlichen Weiterbildungsordnung enthalten, die in einem speziell für Ärzte in der Facharztweiterbildung durchlaufenden internen und klinikübergreifenden Curriculum geschult werden. Schließlich verfügen die Fachkliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik auch über ein Qualitätsmanagement , in dem Dienstanweisungen, Standards und Leitlinien entwickelt, vermittelt, gepflegt und auf dem aktuellen Wissensstand gehalten werden. • Im Maßregelvollzug Für die Mitarbeiter steht ein umfangreiches, internes und externes Fort- und Weiterbildungsangebot zur Verfügung, dessen Schwerpunkt auf die Besonderheiten der Behandlung von Jugendlichen und Heranwachsenden ausgerichtet ist. Zu nennen sind hier z. B. Fortbildungen zu Bindungsstörungen oder ADHS und die Zusammenhänge mit späterer Delinquenz und Suchtentwicklung, Fortbildungen zu Persönlichkeitsentwicklungs- und Traumfolgestörungen und spezifische Behandlungsprogramme zu Aggressivität und Gewalt.