Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Rosi Steinberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20.01.2016 Mitarbeiter der Münchner Schlachthof Betriebs GmbH II Immer wieder berichten die Medien über Ausbeutung, Dumpinglöhne und miserable Arbeitsbedingungen in Deutschlands Schlachthöfen. Auch bei der Münchner Schlachthof Betriebs GmbH, wo laut Homepage (http://www.schlachthof -muenchen.de/dienstleistung.htm) pro Stunde 70 Rinder geschlachtet werden können, sollen die Bedingungen nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) In welcher rechtlichen Form sind die Mitarbeiter im Bereich Abladen, Eintreiben, Betäuben und Entbluten organisiert? b) Trifft es zu, dass die Angestellten als Teilselbstständige beschäftigt sind? c) Sind die Bedingungen für eine Teilselbstständigkeit erfüllt ? 2. a) Wie wird die Entlohnung geregelt? b) Wie wird sichergestellt, dass der Mindestlohn eingehalten wird? c) Wie ist die Zeiterfassung geregelt? 3. a) Trifft es zu, dass Bandstandzeiten von der Arbeitszeit abgezogen werden? b) Welche anderen Zeiten werden von der Arbeitszeit abgezogen ? c) Wie werden Überstunden erfasst? 4. a) Wie wird sichergestellt, dass die Mitarbeiter den ihnen zustehenden Urlaub nehmen können? b) Gibt es Springer, die bei Arbeitsausfall eines Mitarbeiters eingesetzt werden können? c) Trifft es zu, dass Mitarbeiter bei Ausfall von Kollegen deren Arbeit mitmachen müssen? 5. a) Trifft es zu, dass die Mitarbeiter in einem Gebäude des Besitzers übernachten können/müssen? b) Welche Summe wird den Mitarbeitern für die Übernachtung vom Lohn abgezogen? 6. a) Welche Gerätschaften und Arbeitsmaterialien müssen von der Belegschaft gestellt werden? b) Trifft es zu, dass die Mitarbeiter Arbeitsmaterialien vom Besitzer kaufen müssen? c) Ist diese Regelung in Schlachthöfen üblich? 7. a) Wie sieht die Besitzstruktur des Schlachthofes München Abteilung Rinderschlachtung aus? b) Welche Befähigung muss die Geschäftsführung eines Schlachthofes nachweisen? 8. a) Wie ist die Reinigung des Schlachthofs organisiert? b) Gab es in den letzten Jahren Beanstandungen der Reinigungsleistung? c) Gab es in den letzten Jahren einen Wechsel des Reinigungsdienstes aufgrund von Beanstandungen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 30.03.2016 Die Schriftliche Anfrage wird − soweit staatsanwaltschaftliche Verfahren zugrunde liegen im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz − wie folgt beantwortet: 1. a) In welcher rechtlichen Form sind die Mitarbeiter im Bereich Abladen, Eintreiben, Betäuben und Entbluten organisiert? b) Trifft es zu, dass die Angestellten als Teilselbstständige beschäftigt sind? c) Sind die Bedingungen für eine Teilselbstständigkeit erfüllt? 2. a) Wie wird die Entlohnung geregelt? b) Wie wird sichergestellt, dass der Mindestlohn eingehalten wird? c) Wie ist die Zeiterfassung geregelt? 3. a) Trifft es zu, dass Bandstandzeiten von der Arbeitszeit abgezogen werden? b) Welche anderen Zeiten werden von der Arbeitszeit abgezogen? c) Wie werden Überstunden erfasst? 4. a) Wie wird sichergestellt, dass die Mitarbeiter den ihnen zustehenden Urlaub nehmen können? b) Gibt es Springer, die bei Arbeitsausfall eines Mitarbeiters eingesetzt werden können? c) Trifft es zu, dass Mitarbeiter bei Ausfall von Kollegen deren Arbeit mitmachen müssen? Zu den Fragen 1–4 teilte das Staatsministerium der Justiz Folgendes mit: Die in der Schriftlichen Anfrage aufgeworfenen Fragen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.05.2016 17/10720 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10720 waren bislang weitgehend nicht Gegenstand von Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I. Insbesondere führte die Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen wegen des Verdachts von Straftaten in Zusammenhang mit Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsbedingungen im Münchner Schlachthof. Soweit der Staatsanwaltschaft München I partiell Erkenntnisse zu den angesprochenen Themen vorliegen, resultieren diese aus Ermittlungsverfahren, die sich mit anderen Fragen befassten. Gesicherte oder gar umfassende Erkenntnisse zu den in der Anfrage thematisierten Sachverhalten liegen der Staatsanwaltschaft München I daher nicht vor. Für die Beantwortung der Anfrage wurden bei der Staatsanwaltschaft München I die Akten gesichtet, bei denen nach der Erinnerung der Sachbearbeiter und/oder aufgrund der in der Aktenverwaltung gespeicherten Verfahrensdaten davon auszugehen war, dass sie möglicherweise relevante Informationen enthalten. Diese Auswertung kann nicht den Anspruch der Vollständigkeit erheben, da nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass sich in anderen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I noch einzelne weitere einschlägige Daten oder Materialien finden ließen. Mangels entsprechender Recherchemöglichkeiten lässt sich dies in dem umfangreichen Aktenbestand der Staatsanwaltschaft München I jedoch nicht feststellen. Auf dieser Grundlage hat der Leitende Oberstaatsanwalt München I dem Generalstaatsanwalt in München am 15. März 2016 zu den Fragen 1 bis 4 Folgendes berichtet: „In Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I wurden zwei mit Schlachthofmitarbeitern geschlossene Arbeitsverträge bekannt, wobei ein Vertrag ein Beschäftigungsverhältnis vom 21.02.2012 bis 20.02.2013, der andere Vertrag ein Beschäftigungsverhältnis seit 10.09.2015 betraf. Beide Mitarbeiter waren aber nicht in den in der Schriftlichen Anfrage genannten Bereichen „Abladen, Eintreiben, Betäuben und Entbluten“ tätig, sondern gemäß den Verträgen als Metzger in der Abteilung Fleischbearbeitung/Verpackung bzw. Fleischbearbeitung/Schlachtung angestellt. Den vorliegenden Arbeitsverträgen zufolge betrug die vereinbarte monatliche Vergütung 1.400 Euro brutto bzw. 1.430 Euro brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Der jährliche Erholungsurlaub wurde in beiden Verträgen mit 24 Werktagen, basierend auf einer Arbeitswoche von sechs Werktagen von Montag bis Samstag, vereinbart . Weitergehende Erkenntnisse liegen hier nicht vor.“ 5. a) Trifft es zu, dass die Mitarbeiter in einem Gebäude des Besitzers übernachten können/müssen? b) Welche Summe wird den Mitarbeitern für die Übernachtung vom Lohn abgezogen? Das Staatsministerium der Justiz teilte Folgendes mit: Der in der Antwort auf die Fragen 1 bis 4 zitierte Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts München I vom 15. März 2016 teilt dazu Folgendes mit: „In einem bereits abgeschlossenen Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2012 wurde durch Zeugenvernehmungen bekannt, dass Schlachthofmitarbeitern zur Miete Wohnunterkünfte in einem in München gelegenen und im Privateigentum stehenden Wohnhaus zur Verfügung gestellt wurden . Dem Eigentümer des Wohnanwesens wurde in dem Ermittlungsverfahren unter anderem vorgeworfen, sich des Mietwuchers strafbar gemacht zu haben, indem er an die meist ausländischen Mitarbeiter Zimmer, die zu zweit zu nutzen waren, für eine monatliche Miete von 200 Euro vermietet habe, wobei die Miete vom Lohn einbehalten worden sei und der Mietzins unter Berücksichtigung der Größe der bereitgestellten Mieträume in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung gestanden habe. Gegen den Angeschuldigten , dem neben dem Mietwucher auch andere Tatvorwürfe zur Last lagen, erhob die Staatsanwaltschaft München I Anklage . Das Landgericht München I ließ die Anklage jedoch nicht zur Hauptverhandlung zu, sondern stellte das Verfahren gemäß § 153 a Abs. 2 StPO ein. Hinsichtlich des Vorwurfs des Mietwuchers erachtete das Landgericht eine Verurteilung als nicht wahrscheinlich. Die in diesem Verfahren gegenständlichen Mietverhältnisse bestanden im Zeitraum April 2010 bis Mai 2011. Aus einem derzeit anhängigen Ermittlungsverfahren, das nicht den Tatvorwurf des Mietwuchers zum Gegenstand hat, ist aufgrund der Angaben von zwei Schlachthofmitarbeitern bekannt, dass an Mitarbeiter in dem genannten Anwesen Zimmer vermietet werden. Nach den Angaben der Mitarbeiter werden für die zur Verfügung gestellten Zimmer monatlich 250 Euro vom Lohn abgezogen. Einer der Mitarbeiter gab außerdem an, dass in den ersten drei Monaten seiner Beschäftigung zusätzlich monatlich ein Abzug von 100 Euro als Kaution erfolgt sei. Die Vermietung des Zimmers sei an die Arbeitsstelle gebunden. Ein schriftlicher Mietvertrag sei nicht vorhanden. Die Angaben zu den Abzügen vom Lohn stimmen mit einer der Staatsanwaltschaft vorliegenden Gehaltsabrechnung überein.“ Zur Frage der Belastbarkeit der der Staatsanwaltschaft München I vorliegenden Erkenntnisse wird auf die allgemeine Vorbemerkung zu den Fragen 1 bis 4 Bezug genommen. 6. a) Welche Gerätschaften und Arbeitsmaterialien müssen von der Belegschaft gestellt werden? b) Trifft es zu, dass die Mitarbeiter Arbeitsmaterialien vom Besitzer kaufen müssen? c) Ist diese Regelung in Schlachthöfen üblich? Das Staatsministerium der Justiz teilte zu Frage 6 Folgendes mit: Der Leitende Oberstaatsanwalt München I hat in seinem Bericht vom 15. März 2016 dazu Folgendes mitgeteilt: „Die beiden der Staatsanwaltschaft München I vorliegenden Arbeitsverträge (s. Antwort zu Frage 1) enthalten folgende Regelung zu Gerätschaften und Arbeitsmaterialien: „Das Arbeitsmaterial wie Sicherheitskleidung und Arbeitsschuhe sind vom Mitarbeiter zu stellen. Hygienekleidung wie Hose, Mantel und Kopfbedeckung werden vom Arbeitgeber gestellt.“ Ein Mitarbeiter, der im Bereich der Reinigung beschäftigt war, hat in derzeit anhängigen Ermittlungsverfahren angegeben , dass zumindest keine Handschuhe und Masken für die Reinigungsarbeiten bereitgestellt würden. Anders sei dies nur im Umgang mit der „Shampoo-Maschine“ (Apparat mit drei Schläuchen, jeweils für das Reinigungsmittel, das Wasser und den Hockdruck) bei Verwendung eines bestimmten Reinigungsmittels; bei deren Einsatz werde eine Atemschutzmaske übergeben und benutzt. Weitergehende Erkenntnisse liegen nicht vor.“ Wegen der Aussagekraft der Erkenntnisse, die nicht den Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren betreffen, wird ergänzend auf die allgemeine Vorbemerkung zu den Fragen 1 bis 4 Bezug genommen. Drucksache 17/10720 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 7. a) Wie sieht die Besitzstruktur des Schlachthofes München Abteilung Rinderschlachtung aus? Im Handelsregisterauszug sind Frau Andrea Attenberger als Geschäftsführerin und Herr Ludwig Attenberger als alleiniger Gesellschafter eingetragen. b) Welche Befähigung muss die Geschäftsführung eines Schlachthofes nachweisen? Schlachthöfe bedürfen einer lebensmittelrechtlichen Zulassung . Nach § 9 Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung muss der Lebensmittelunternehmer im Rahmen der Zulassung Nachweise über die Zuverlässigkeit vorlegen. Das Staatsministerium der Justiz teilte zu Frage 7 Folgendes mit: Der Leitende Oberstaatsanwalt München I hat insoweit Folgendes berichtet: „Soweit bekannt, ist Eigentümerin des gesamten Areals, auf dem der Schlachthof München betrieben wird, die Landeshauptstadt München, die das Gelände zum Betrieb der Schlachtungen an die Münchner Schlachthof Betriebs GmbH verpachtet hat. Zu Einzelheiten der Verpachtung liegen hier keine näheren Erkenntnisse vor. Es ist insbesondere nicht bekannt, ob speziell für den Bereich der Abteilung Rinderschlachtung eigenständige vertragliche Regelungen bestehen. Zur Gesellschaftsstruktur der Münchner Schlachthof Betriebs GmbH liegen keine näheren Erkenntnisse vor.“ Auf die allgemeine Vorbemerkung zu den Fragen 1 bis 4 wird ergänzend Bezug genommen. 8. a) Wie ist die Reinigung des Schlachthofs organisiert ? Laut Mitteilung der Landeshauptstadt München wird die Reinigung und Desinfektion aktuell von Mitarbeitern des Betriebs durchgeführt, die speziell für die Reinigungstätigkeit eingestellt wurden. Die Überwachung der Reinigung und Desinfektion erfolgt durch die betriebseigene QS-Abteilung. Aufgabe der zuständigen Behörde ist es, in diesem Zusammenhang , eine Kontrolle der Eigenkontrolle des Betriebs bzw. eine Überprüfung der Plausibilität durchzuführen. b) Gab es in den letzten Jahren Beanstandungen der Reinigungsleistung? Laut Mitteilung der Landeshauptstadt München werden im Rahmen der amtlichen Routinekontrollen bisweilen Reinigungsmängel festgestellt und in der Folge die notwendigen Maßnahmen zur Mängelbehebung veranlasst. Gegen einen Bescheid der Landeshauptstadt München vom 18.02.2016, mit dem Maßnahmen zur Vermeidung der Kontamination von offenen Lebensmitteln während der Reinigung der Kühlräume angeordnet wurden, hat die von der Münchner Schlachthof Betriebs GmbH beauftragte Rechtsanwaltskanzlei am 19.02.2016 Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht München eingereicht. c) Gab es in den letzten Jahren einen Wechsel des Reinigungsdienstes aufgrund von Beanstandungen ? Die Beauftragung des Reinigungsdienstes liegt grundsätzlich in der Verantwortung des Betriebes. Über Beweggründe hinsichtlich der Organisation und des Wechsels des Reinigungsdienstes kann seitens der Behörde keine Auskunft erteilt werden. Das Staatsministerium der Justiz teilte zu Frage 8 Folgendes mit: Der Leitende Oberstaatsanwalt München I hat in seinem bereits genannten Bericht Folgendes ausgeführt: „Aus einem aktuell geführten Ermittlungsverfahren ist lediglich bekannt, dass die Reinigung der Schlachträume – zumindest auch – durch Beschäftigte der „Attenberger Fleisch GmbH & Co. KG“ erfolgt, die eine Abteilung Reinigung unterhält.“ Auf die allgemeine Vorbemerkung zu den Fragen 1 bis 4 wird ergänzend Bezug genommen.