Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.02.2016 Was brachte Seehofers Putin-Reise? Während Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer konstatiert , es gäbe in der Bundesrepublik eine „Herrschaft des Unrechts“, gibt es keine gleichermaßen kritischen Äußerungen gegenüber Wladimir Putins Regime vor, während oder nach Ministerpräsident Seehofers Moskau-Besuch. Es stellt sich die Frage nach den Ergebnissen dieses Besuchs, und auch, inwiefern dieser Besuch den Interessen Bayerns diente . Ich frage die Staatsregierung: 1.1 War der Besuch mit Verantwortlichen auf Bundes- oder Europaebene abgesprochen und vorbereitet worden? 1.2 Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass außenpolitische Alleingänge Europa und Deutschland eher stärken oder eher schwächen? 1.3 Nutzt oder schadet eine Schwächung Europas und Deutschlands den Interessen Bayerns? 2.1 Aufgrund welcher Anhaltspunkte kam Ministerpräsident Horst Seehofer zu der Einschätzung, dass der Gesprächsfaden zwischen Deutschland und Russland abgerissen ist? 2.2 Inwiefern konnten durch den Besuch „Vertrauen und Normalität“ hergestellt werden? 2.3 Inwiefern leistete diese Reise irgendeinen Beitrag zur Lösung der gegenwärtig bestehenden Konflikte? 3.1 Wer hat Ministerpräsident Horst Seehofer auf seiner Moskau-Reise begleitet? 3.2 Rechtfertigen die Außenhandelsinteressen einiger bayerischer Unternehmen die Schwächung des Zusammenhalts in Europa? 3.3 Welche Folgen hätte eine weitere Schwächung des Zusammenhalts in Europa für Bayern? 4.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die weitere Besetzung ukrainischen Staatsgebietes durch Rebellen, welche von Russland unterstützt werden? 4.2 Wie beurteilt die Staatsregierung die fortlaufenden Verstöße gegen die Vereinbarungen von Minsk? 4.3 Tritt die Staatsregierung für eine Beendigung der Sanktionen ohne Friedenslösung ein? 5.1 Wie beurteilt die Staatsregierung Russlands Destabilisierungspolitik der Nachbarstaaten und die Desinformationspolitik russischer Machart in Europa, wie zum Beispiel die russischen Falschmeldungen über eine angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin? 5.2 Waren die russischen Falschmeldungen über eine angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin Bestandteil der Gespräche in Moskau? 5.3 Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass der russische Außenminister auch nach Ministerpräsident Horst Seehofers Moskau-Besuch bei diesen Themen weiter nachlegte? 6.1 Welche für die Ausrufung der Sanktion maßgeblichen Gründe sind nach Ansicht der Staatsregierung mittlerweile weggefallen, sodass eine Aufhebung der Sanktionen angezeigt ist? 6.2 Welche Absatzinteressen von bayerischen Unternehmen sind durch die Sanktionen beeinträchtigt? 6.3 Welche Erfolge seiner Moskau-Reise erzielte nach Ansicht der Staatsregierung der griechische Staatspräsident Alexis Tsipras, welcher im Jahr 2015 ebenfalls bei einer Moskau-Reise für die Lockerung der Sanktionen gegen Russland warb? 7.1 Wie versteht die Staatsregierung Ministerpräsident Horst Seehofers lobende Worte, Wladimir Putin mische sich nicht in die europäische Flüchtlingspolitik ein, wo er doch gleichzeitig mit einer massiven Bombardierung Aleppos Zehntausende Menschen in die Flucht trieb? 7.2 War die Bombardierung des syrischen Oppositionellen Gegenstand der Gespräche in Moskau? 7.3 War die absolut unzureichende Beteiligung Moskaus an den Hilfen für die Menschen in den Flüchtlingslagern Gegenstand der Gespräche? 8.1 War die Tatsache, dass Russland kaum die IS-Infrastruktur , jedoch intensiv Gebiete von Assad-kritischen Gruppierungen bombardiert, Gegenstand der Gespräche in Moskau? 8.2 War die Gefahr, dass Siedlungsgebieten mit Hunderttausenden von Menschen eine monatelange Belagerung mit einer eventuellen Hungersnot droht, Gegenstand der Gespräche? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.05.2016 17/10784 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10784 Antwort des Staatsministeriums für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben vom 05.04.2016 1.1 War der Besuch mit Verantwortlichen auf Bundesoder Europaebene abgesprochen und vorbereitet worden? 1.2 Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass außenpolitische Alleingänge Europa und Deutschland eher stärken oder eher schwächen? Die Staatsregierung hält ein Verhalten, das als außenpolitischer Alleingang bezeichnet werden könnte, für grundsätzlich nicht sachdienlich. Daher werden die Reisen des Ministerpräsidenten grundsätzlich mit der Bundesregierung abgestimmt und mit dem Auswärtigen Amt vorbereitet. 1.3 Nutzt oder schadet eine Schwächung Europas und Deutschlands den Interessen Bayerns? Bayern befindet sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und spätestens seit dem Beitritt etlicher osteuropäischer Staaten zur Europäischen Union im Jahre 2004 im Herzen Europas und ist zur europäischen Drehscheibe geworden. Von dieser Entwicklung, die Bayern aus einer Randlage ins Zentrum des größten zusammenhängenden Wirtschaftsraums der Welt gebracht hat, profitieren alle – die bayerischen Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Unternehmen und Kommunen. Der Handel mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union macht mehr als die Hälfte des gesamten bayerischen Handelsvolumens aus. Diese positive Handelsentwicklung , die in ganz maßgeblichem Umfang zur Prosperität Bayerns beiträgt, beruht auf dem anhaltend friedlichen Zusammenleben der Völker Europas. An dieser Entwicklung hat die Europäische Union einen maßgeblichen Anteil. Die Staatsregierung ist der Auffassung, dass dieses friedenssichernde Konzept der Europäischen Union, das auf Dialog und Konsens statt auf Ausgrenzung setzt, in der Geschichte Europas einmalig und beispielgebend ist. 2.1 Aufgrund welcher Anhaltspunkte kam Ministerpräsident Horst Seehofer zu der Einschätzung, dass der Gesprächsfaden zwischen Deutschland und Russland abgerissen ist? Herr Ministerpräsident Horst Seehofer hat stets betont, dass es wichtig ist, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen . 2.2 Inwiefern konnten durch den Besuch „Vertrauen und Normalität“ hergestellt werden? 2.3 Inwiefern leistete diese Reise irgendeinen Beitrag zur Lösung der gegenwärtig bestehenden Konflikte ? In einer Zeit großer globaler Herausforderung geht es darum , mit Russland im Gespräch zu bleiben. Die Welt ist voller Konflikte, deren Auswirkungen wir unmittelbar zu spüren bekommen . Die Themen reichen vom Umgang mit dem Flüchtlingsstrom und der Bekämpfung der Fluchtursachen über die Sicherheitslage in vielen Regionen der Welt bis hin zur Terrorbekämpfung. Diese Herausforderungen erfordern ein gemeinsames Vorgehen. Das ist ohne Russland nicht möglich . Der Dialog ist in diesen schwierigen Zeiten notwendig. 3.1 Wer hat Ministerpräsident Horst Seehofer auf seiner Moskau-Reise begleitet? Herr Ministerpräsident Horst Seehofer wurde begleitet von Herrn Ministerpräsidenten a. D. Dr. Edmund Stoiber, der Pressesprecherin des Ministerpräsidenten und der Staatsregierung , der Leiterin des Referats für die Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa der Staatskanzlei, einem Protokollbeamten sowie zwei Sicherheitsbeamten, einer Dolmetscherin und einer Pressedelegation sowie dem außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Russischen Föderation und dem Repräsentanten des Freistaates Bayern in der Russischen Föderation . 3.2 Rechtfertigen die Außenhandelsinteressen einiger bayerischer Unternehmen die Schwächung des Zusammenhalts in Europa? 3.3 Welche Folgen hätte eine weitere Schwächung des Zusammenhalts in Europa für Bayern? Gerade die exportstarken bayerischen Unternehmen profitieren vom Zusammenwachsen Europas und dem fortdauernden Erfolg der Europäischen Union. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1.3 verwiesen. 4.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die weitere Besetzung ukrainischen Staatsgebietes durch Rebellen, welche von Russland unterstützt werden? 4.2 Wie beurteilt die Staatsregierung die fortlaufenden Verstöße gegen die Vereinbarungen von Minsk? 4.3 Tritt die Staatsregierung für eine Beendigung der Sanktionen ohne Friedenslösung ein? Die Staatsregierung hat stets betont, dass die Annexion der Krim völkerrechtswidrig war. Die Sanktionen der Europäischen Union sind eine Reaktion auf das Vorgehen Russlands in der Ukraine. Europa will damit die Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk erreichen. Trotz vieler Fortschritte gibt es noch einiges zu tun. Alle Beteiligten müssen nun verstärkte Anstrengungen unternehmen, um den Konflikt in der Ost-Ukraine zu lösen, damit das Leid der Menschen dort ein Ende hat, damit der Frieden zurückkehrt. 5.1 Wie beurteilt die Staatsregierung Russlands Destabilisierungspolitik der Nachbarstaaten und die Desinformationspolitik russischer Machart in Europa , wie zum Beispiel die russischen Falschmeldungen über eine angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin? 5.2 Waren die russischen Falschmeldungen über eine angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin Bestandteil der Gespräche in Moskau? 5.3 Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass der russische Außenminister auch nach Ministerpräsident Horst Seehofers Moskau-Besuch bei diesen Themen weiter nachlegte? Die Staatsregierung kommentiert die Äußerungen Dritter grundsätzlich nicht. Entsprechend den internationalen diplomatischen Gepflogenheiten wurde bei den Gesprächen gegenseitige Vertraulichkeit vereinbart. Der Staatsregierung liegen zur Meinungsbildung des russischen Außenministers keine eigenen Erkenntnisse vor. Drucksache 17/10784 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6.1 Welche für die Ausrufung der Sanktion maßgeblichen Gründe sind nach Ansicht der Staatsregierung mittlerweile weggefallen, sodass eine Aufhebung der Sanktionen angezeigt ist? Auf die Antwort zu Frage 4.3 wird Bezug genommen. 6.2 Welche Absatzinteressen von bayerischen Unternehmen sind durch die Sanktionen beeinträchtigt? Die geltenden Sanktionen für Güter und verbundene Dienstleistungen betreffen zahlenmäßig zwar nur wenige Unternehmen . Es trifft jedoch jene Unternehmen stark, die sich auf die Produktion sanktionierter Güter spezialisiert und auf den russischen Markt ausgerichtet haben. Darüber hinaus haben die geltenden Finanzsanktionen mittelbare Auswirkungen auf den gesamten Export nach Russland, da die Finanzierung von Aufträgen an die bayerische Wirtschaft deutlich erschwert ist. Hinzu kommt, dass die Absatzmöglichkeiten bayerischer Unternehmen durch die ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Russland ohnehin bereits geschwächt sind. Die geltenden Sanktionen verschärfen diese Problematik. 6.3 Welche Erfolge seiner Moskau-Reise erzielte nach Ansicht der Staatsregierung der griechische Staatspräsident Alexis Tsipras, welcher im Jahr 2015 ebenfalls bei einer Moskau-Reise für die Lockerung der Sanktionen gegen Russland warb? Über Ergebnisse der Reise von Staatspräsident Alexis Tsipras nach Moskau liegen der Staatsregierung keine näheren Informationen vor. 7.1 Wie versteht die Staatsregierung Ministerpräsident Horst Seehofers lobende Worte, Wladimir Putin mische sich nicht in die europäische Flüchtlingspolitik ein, wo er doch gleichzeitig mit einer massiven Bombardierung Aleppos Zehntausende Menschen in die Flucht trieb? Am 27.02.2016 hat sich Herr Ministerpräsident Horst Seehofer in einem Interview mit dem Spiegel dazu wie folgt geäußert : „Bei meinem Besuch in Moskau hat Putin gesagt: In Ihre Diskussion über die deutsche Flüchtlingspolitik mische ich mich nicht ein. Ich habe dann vor Journalisten gesagt, ich fand es nobel, dass er in Abwesenheit der Kanzlerin nicht einfach ihre Politik kommentiert hat.“ 7.2 War die Bombardierung des syrischen Oppositionellen Gegenstand der Gespräche in Moskau? 7.3 War die absolut unzureichende Beteiligung Moskaus an den Hilfen für die Menschen in den Flüchtlingslagern Gegenstand der Gespräche? 8.1 War die Tatsache, dass Russland kaum die IS-Infrastruktur , jedoch intensiv Gebiete von Assad-kritischen Gruppierungen bombardiert, Gegenstand der Gespräche in Moskau? 8.2 War die Gefahr, dass Siedlungsgebieten mit Hunderttausenden von Menschen eine monatelange Belagerung mit einer eventuellen Hungersnot droht, Gegenstand der Gespräche? Entsprechend den internationalen diplomatischen Gepflogenheiten wurde bei den Gesprächen gegenseitige Vertraulichkeit vereinbart. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2.2. und 2.3 Bezug genommen.