Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 15.02.2016 Zusammenarbeit von Polizei und Internetfirmen Nachdem in letzter Zeit immer mehr Hasskommentare und extremistische Hetze in sozialen Medien und in Internetforen auftauchen, die in erhöhtem Maße bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden, frage ich die Staatsregierung: 1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage arbeitetet die Polizei mit Internetfirmen, wie zum Beispiel Facebook, zusammen, um die Urheber von Hasskommentaren oder extremistischer Hetze zu ermitteln? 2. Inwieweit sind Internetfirmen dazu verpflichtet, den Anfragen der Polizei nachzukommen und die gewünschten Auskünfte zu erteilen? 3. Wie sind bisher die praktischen Erfahrungen der Polizei in Bayern mit der Zusammenarbeit mit Internetfirmen bezüglich der Aufklärung von Verbrechen? 4. a) Ist die Polizei in Bayern in der Lage, auch ohne die Hilfe der Internetfirmen derartige Verbrechen im Internet aufzuklären und die Täter ausfindig zu machen? b) Bejahendenfalls: In wie vielen Fällen war das der Fall? c) In wie vielen Fällen war die Polizei auf die Hilfe der Unternehmen angewiesen und damit erfolgreich? 5. In wie vielen Fällen haben die Unternehmen eine Auskunft verweigert? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 04.04.2016 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage arbeitetet die Polizei mit Internetfirmen, wie zum Beispiel Facebook , zusammen, um die Urheber von Hasskommentaren oder extremistischer Hetze zu ermitteln? Bei Inhaltsanbietern wie beispielsweise Facebook ist eine Bestands- und Nutzungsdatenanfrage auf Grundlage des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) bzw. der Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit der Befugnis des Telemediengesetzes (TMG) zu stellen. Im Fall von Hasskommentaren oder extremistischer Hetze auf Facebook wird nach §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 Satz 4 TMG i. V. m. § 163 StPO bzw. Art. 31 Abs. 1, 30 Abs. 3 PAG angefragt. Facebook übermittelt zum angefragten Facebook-Account die nicht verifizierten Bestandsdaten. 2. Inwieweit sind Internetfirmen dazu verpflichtet, den Anfragen der Polizei nachzukommen und die gewünschten Auskünfte zu erteilen? Internetfirmen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen , sind nach dem TKG, TMG und der StPO dazu verpflichtet , den Anfragen der Strafverfolgungsbehörden nachzukommen . Bei ausländischen Internetfirmen, wie z. B. Facebook mit Sitz in den USA, sind die Vorschriften über die internationale Rechtshilfe einschlägig. Diese schützen die Souveränität von Staaten. Billigt ein Staat die unmittelbare Beantwortung von ausländischen Auskunftsersuchen durch ein in seinem Hoheitsgebiet ansässiges Unternehmen, so kann regelmäßig von einem konkludenten Verzicht auf die Einhaltung des internationalen Rechtshilfewegs ausgegangen werden. Bei international agierenden Internetdienstanbietern (ISP)/Telemediendiensteanbietern (TMD) ist die unmittelbare Beantwortung häufig. Das angeschriebene Unternehmen wird mitteilen, ob es ein Rechtshilfeersuchen benötigt. Gegen unmittelbare Anfragen bei ausländischen TMD/ ISP bestehen daher keine zwingenden Bedenken. Nach den hier bestehenden Erkenntnissen dürfen US-Firmen Bestands - und Verkehrsdaten auf freiwilliger Basis mitteilen, sofern es sich bei den Kunden nicht um US-Bürger handelt. Eine Verpflichtung zur Beauskunftung von Bestandsdaten besteht demnach nicht. Dies stellt sich bislang bei der Verfolgung von Hasskommentaren und extremistischer Hetze als Problem dar. Die Zurückweisung eines gestellten Auskunftsersuchens an Facebook erfolgt beispielsweise in den Fällen, in denen eine „deutsche Gerichtsbarkeit“ (Bezug nach Deutschland) verneint wird oder ein Sachverhalt in den USA als nicht strafrechtlich relevant klassifiziert wird. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.05.2016 17/10878 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10878 3. Wie sind bisher die praktischen Erfahrungen der Polizei in Bayern mit der Zusammenarbeit mit Internetfirmen bezüglich der Aufklärung von Verbrechen ? Das Auskunftsverhalten von Telekommunikations- und Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes orientiert sich an der bislang fehlenden Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung . Zwar ist für den Geltungsbereich des Telekommunikationsgesetzes zum 18.12.2015 eine entsprechende gesetzliche Regelung in Kraft getreten. Jedoch räumt das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten den Erbringern öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für Endnutzer bei der Erfüllung der Speicherpflichten eine Übergangsfrist bis zum 01.07.2017 ein. Im Übrigen gilt, dass Dienste, die die bei der Kommunikation anfallenden Daten nach internen Vorgaben speichern, diese im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtungen für Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen. Aufgrund der derzeitigen Regelung kann in vielen Fällen die Verifizierung des Täters alleine über die elektronischen Spuren nicht erfolgen. Soweit ausländisches Recht Anwendung findet, richtet sich das Auskunftsverfahren nach den jeweils anwendbaren rechtlichen Grundlagen. Wird beispielsweise eine Anfrage an Facebook gestellt, wird diese nach der Art des Deliktes kategorisiert. Handelt es sich um eine schwerwiegende Tat, die auch in den USA eine Straftat darstellt, wird eine Anfrage aller Erfahrung nach innerhalb von zwei bis vier Wochen beantwortet. Wie bereits unter Punkt 2 aufgeführt, ist dies bei Hasskommentaren oder extremistischer Hetze oftmals nicht der Fall. 4. a) Ist die Polizei in Bayern in der Lage, auch ohne die Hilfe der Internetfirmen derartige Verbrechen im Internet aufzuklären und die Täter ausfindig zu machen? Generell lässt sich feststellen, dass die Aufklärung einer Straftat auch davon abhängig ist, welche Plattform im Internet hierfür verwendet wurde und wie viele Informationen über den Ersteller offen zur Verfügung stehen. Je weniger offen zugängliche Informationen der Polizei vorliegen, desto geringer ist die Chance, die Straftat auch ohne Mithilfe der Internetfirmen aufzuklären. Insofern darf auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen werden. b) Bejahendenfalls: In wie vielen Fällen war das der Fall? Darüber liegen keine Erkenntnisse vor. Parameter, die darüber Auskunft geben können, sind in der Statistik nicht abgebildet . c) In wie vielen Fällen war die Polizei auf die Hilfe der Unternehmen angewiesen und damit erfolgreich? Darüber liegen keine Erkenntnisse vor. Parameter, die darüber Auskunft geben können, sind in der Statistik nicht abgebildet . 5. In wie vielen Fällen haben die Unternehmen eine Auskunft verweigert? Das Polizeipräsidium Niederbayern teilte dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr mit Schreiben vom 10.08.2015 mit, dass im dortigen Zuständigkeitsbereich zunehmend Probleme im Zusammenhang mit Ermittlungsanfragen an das soziale Netzwerk „Facebook“ festgestellt werden. Das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) wurde deshalb gebeten zu erheben, ob und in welchem Umfang sich diese Problematik auch bei den übrigen Präsidien (und dem BLKA selbst) darstellt, die Situation zu bewerten und dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hierüber zu berichten. Das BLKA hat in diesem Zusammenhang eine Erhebung entsprechender Erfahrungen auf Ebene der Cybercrimedienststellen der Bayerischen Polizei durchgeführt. Diese deckten sich mit den Erfahrungen des BLKA. Der Großteil der negativen Erfahrungen bezieht sich auf Anfragen im Zusammenhang mit Staatsschutzdelikten (Anm.: eine Ausnahme stellen Verfahrenskomplexe mit terroristischen Bezügen, z. B. §§ 129 a, 129 b, 89 a Strafgesetzbuch (StGB) dar), die nicht beauskunftet wurden. Ein weiterer Grund einer Nichtbeauskunftung besteht darin, dass der Inhaber des gegenständlichen Facebook-Accounts nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Eine statistische Erhebung zur Anzahl von Auskunftsverweigerungen erfolgt nicht. Eine Nennung von Fallzahlen ist daher nicht möglich.