Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner SPD vom 29.02.2016 Tod des Asylbewerbers A. G. im Krankenhaus Ingolstadt Der Bayerische Rundfunk berichtete am 26. Februar 2016 über den Tod des Asylbewerbers A. G. im Krankenhaus Ingolstadt . Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wann wurde das Blut des Asylbewerbers A. G. erstmalig analysiert? b) Welches Ergebnis wurde dabei erzielt? 2. a) Wäre danach eine medizinische Behandlung des Patienten indiziert gewesen? b) Wenn ja, an wen wurde die Information weitergegeben ? 3. Gab es dabei Versäumnisse, was den vorgesehenen Meldeweg angeht? 4. Gibt es Unterschiede bei der Weitergabe von Patientendaten mit meldepflichtigen Erkrankungen zwischen der einheimischen Bevölkerung und Flüchtlingen bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern? 5. a) Werden positiv auf Hepatitis getestete Flüchtlinge bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern regelmäßig nachkontrolliert ? b) Wenn ja, in welchen Abständen erfolgen die Kontrollen ? 6. Gibt der Fall Anlass, die medizinische Versorgung von Flüchtlingen bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern insgesamt zu verbessern? 7. Könnte eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern, auf der die erhobenen Patientendaten gespeichert sind, die möglichen Defizite in der Information über Erkrankungen beheben ? 8. a) Muss die Information über den Umgang mit infektiösen Erkrankungen für ehrenamtliche Helferinnen bzw. Helfer und hauptamtliche Beschäftigte in der Asylsozialarbeit und den Behörden und Einrichtungen b) zu deren Schutz vor dem Risiko von Infektionen c) zur schnelleren und besseren Behandlung der betroffenen Patientinnen bzw. Patienten verbessert werden? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 07.04.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. a) Wann wurde das Blut des Asylbewerbers A. G. erstmalig analysiert? Asylsuchende haben bundesrechtlich nach § 62 des Asylgesetzes (AsylG) eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten zu dulden. Der Vollzug des § 62 AsylG erfolgt in Bayern auf Grundlage der Bekanntmachung des damaligen Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz (StMGEV) zum Vollzug des § 62 Asylverfahrensgesetz vom 07.06.2002. Aufgrund der bayerischen Vorgabe erfolgt die Gesundheitsuntersuchung innerhalb von 3 Tagen nach Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Der Umfang der Untersuchung umfasst aktuell eine: • körperliche Untersuchung auf Anzeichen einer übertragbaren Krankheit, • Untersuchung zum Ausschluss einer Tuberkulose der Atmungsorgane , • Blutuntersuchung auf HIV- und Hepatitis-B-Infektionen und • anlassbezogene Stuhluntersuchung auf Darmbakterien bzw. -parasiten. Ein mit dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmtes Merkblatt mit Piktogrammen informiert den Asylbewerber über Art und Umfang der Untersuchung in Bayern. Der Asylbewerber war am 06.03.2015 in Deutschland eingereist, die Erstregistrierung erfolgte am 09.03.2015. Die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylG erfolgte zeitgerecht und im Umfang gem. den aktuellen Vorgaben des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) am 10.03.2015 durch das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München (RGU). Die Erkrankung war dem Asylbewerber seit 3 Jahren bekannt gewesen. Weder gegenüber dem RGU noch dem Gesundheitsamt Pfaffenhofen hatte er die Erkrankung bekannt gegeben. b) Welches Ergebnis wurde dabei erzielt? Die Labordiagnostik der Blutprobe erfolgte im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Die Blutprobe wurde am Untersuchungstag per Boten in das LGL transportiert. In dem vom LGL erstellten Laborbefund vom 13.03.2015 wurde dokumentiert: „Serologisch Hinweis auf eine chronisch verlaufende Infektion mit Hepatitis -B-Virus (HBV) – potentiell infektiös“. Potentiell infektiös heißt, dass möglicherweise eine Infektiosität bestehen kann. 2. a) Wäre danach eine medizinische Behandlung des Patienten indiziert gewesen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.05.2016 17/10882 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10882 b) Wenn ja, an wen wurde die Information weitergegeben ? Der Asylbewerber wurde unter Einhaltung des Datenschutzes durch das RGU am 18.03.2015 schriftlich über den positiven Laborbefund sowie mittels eines Informationsblatts über Übertragungswege, Behandlungsmöglichkeiten und Verhaltensregeln zum Schutz anderer Menschen informiert. Zudem erhielt er ein Schreiben mit beigelegtem Laborbefund des LGL für den weiterbehandelnden Arzt. Zur weiteren Abklärung des o. g. Laborbefunds auch im Hinblick auf eine Behandlungsbedürftigkeit waren weiterführende Untersuchungen durch den behandelnden Arzt erforderlich. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) darf eine Heilbehandlung selbst jedoch nicht angeordnet werden. Sie liegt allein in der Entscheidung des Erkrankten. Gemäß Abrechnungsdokumentation der Sozialhilfeverwaltung Pfaffenhofen suchte der Asylbewerber medizinische Behandlung nach und befand sich in hausärztlicher (11.05.2015 und 19.01.2016), internistischer (15.05.2015) und auch stationärer Behandlung (06.01.–15.01.2016, 20.01.–04.02.2016 und 06.02. bis zu seinem Tod am 09.02.2016). Art und Umfang der Behandlung fällt allein in die Kompetenz der behandelnden Ärzte und ist nicht durch das Gesundheitsamt zu überwachen. 3. Gab es dabei Versäumnisse, was den vorgesehenen Meldeweg angeht? Gem. § 62 Abs. 2 AsylG ist das Ergebnis der Untersuchung der für die Unterbringung zuständigen Behörde mitzuteilen. Unter Beachtung des Datenschutzes erfolgt dies in Bayern durch das Gesundheitsamt an die zuständige Behörde. Soweit eine Abverlegung der betroffenen Person bereits erfolgt ist, ist es Aufgabe der für die Unterbringung zuständigen Behörde , sicherzustellen, dass dieses Ergebnis der Untersuchung unter Beachtung des Datenschutzes an die aufnehmende Einrichtung weitergeleitet wird. In der Regel werden auch die positiven Untersuchungsbefunde nach Weiterverlegung der Asylbewerber unter Beachtung des Datenschutzes an die örtlich neu zuständigen Gesundheitsämter über die Unterbringungsverwaltung weitergeleitet. Das StMGP hat den aktuellen Fall zum Anlass genommen und die Gesundheitsämter auf den Vollzug von § 62 AsylG hingewiesen . Ein weiteres Ministerialschreiben hierzu ist geplant. Im vorliegenden Fall wurde die zuständige Unterbringungsverwaltung der Erstaufnahmeeinrichtung München vom RGU über das Ergebnis der Blutuntersuchungen aus der Gesundheitsuntersuchung gemäß § 62 AsylG nicht informiert (so aber § 62 Abs. 2 Satz 1 AsylG in Verbindung mit der Bekanntmachung des StMGEV vom 07.06.2002). Bei Weiterverlegung in den Landkreis Pfaffenhofen wurde das neue örtlich zuständige Gesundheitsamt Pfaffenhofen über den positiven Laborbefund nicht informiert (so aber Nr. 5 der Bekanntmachung des StMGEV vom 07.06.2002). Das RGU ging zu Unrecht davon aus, dass die infektionshygienisch erforderlichen Schutzmaßnahmen nach §§ 28 ff. IfSG im konkreten Fall der chronischen Hepatitis B in der Aufklärung des Erkrankten und der Aufforderung, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, bestanden und somit ausreichend erfüllt waren. Unverzüglich nachdem der Sachverhalt dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) bekannt wurde, wurde das RGU am 02.03.2016 telefonisch und zusätzlich in einem persönlichen Gespräch mit der Regierung von Oberbayern am 07.03.2016 über die Versäumnisse aufgeklärt und aufgefordert, unverzüglich für die Zukunft den Vollzug des § 62 AsylG regelungskonform sicherzustellen. Zusätzlich dazu wurde das RGU mittels Ministerialschreibens vom 09.03.2016 aufgefordert, entsprechende positive Befunde der chronischen Hepatitis B aus der Vergangenheit zu recherchieren, gemeinsam mit der Unterbringungsverwaltung (Regierung von Oberbayern) den aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln und die Befunde über die örtlich zuständige Unterbringungsverwaltung in einem verschlossenen Kuvert unter Beachtung des Datenschutzes an das örtlich zuständige Gesundheitsamt zu versenden. Trotz unterlassener Weitergabe des Befundes der chronischen Hepatitis B durch das RGU an das Gesundheitsamt Pfaffenhofen erhielt der Asylbewerber nach Verlegung in den Landkreis Pfaffenhofen eine ambulante und stationäre ärztliche Behandlung. Die Behandlung von Erkrankungen – auch von Infektionskrankheiten – obliegt bei Asylbewerbern ausschließlich den Ärztezentren der Erstaufnahmeeinrichtungen , den niedergelassenen Ärzten bzw. den Kliniken. 4. Gibt es Unterschiede bei der Weitergabe von Patientendaten mit meldepflichtigen Erkrankungen zwischen der einheimischen Bevölkerung und Flüchtlingen bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern ? Die Meldepflichten nach §§ 6 und 7 IfSG, bei dem es sich um ein Bundesgesetz handelt, gelten unabhängig von der Herkunft für einheimische Bevölkerung und Asylbewerberinnen bzw. Asylbewerber gleichermaßen. Eine chronische Hepatitis B ist nicht meldepflichtig nach dem IfSG, auch nicht bei akuter Exazerbation einer chronischen Hepatitis mit hoher Viruslast. 5. a) Werden positiv auf Hepatitis getestete Flüchtlinge bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern regelmäßig nachkontrolliert? b) Wenn ja, in welchen Abständen erfolgen die Kontrollen ? Kontrolluntersuchungen erfolgen in der Regel durch den behandelnden Arzt entsprechend den medizinischen Erfordernissen . (s. a. Antwort zu 2 a und 2 b) 6. Gibt der Fall Anlass, die medizinische Versorgung von Flüchtlingen bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern insgesamt zu verbessern? Nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) wird grundsätzlich die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen gewährt. Nach § 6 Abs. 1 AsylbLG können andere Behandlungen übernommen werden, wenn die Maßnahme zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist. Asylbewerberinnen und Asylbewerber nehmen hierzu grundsätzlich am allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot teil. Sie haben ein Recht auf freie Arztwahl. Sie erhalten hierfür vom zuständigen örtlichen Träger pro Quartal einen Krankenschein und können damit niedergelassene Ärzte aufsuchen. § 4 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG bestimmt, dass Ärzte oder Zahnärzte nach den sonst zwischen den Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen geltenden Verträgen Drucksache 17/10882 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 zu honorieren sind. Die Abrechnung erfolgt dabei nach dem Vergütungssystem für ambulante ärztliche Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (EBM). Im vorliegenden Fall hat der Asylbewerber ärztliche Behandlungen erhalten (s. Antwort zu den Fragen 2 a und 2 b); dieser Fall gibt keinen Anlass zur Anpassung der Regelungen . 7. Könnte eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge bzw. Asylbewerberinnen und -bewerbern, auf der die erhobenen Patientendaten gespeichert sind, die möglichen Defizite in der Information über Erkrankungen beheben? Soweit in der Frage mit „Gesundheitskarte für Flüchtlinge/ Asylbewerber/-innen“ eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) im Sinne von § 264 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 i. V. m. §§ 291 f. des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) gemeint sein sollte, ist auf Folgendes hinzuweisen: die auf einer eGK zwingend vorhandenen Angaben nach § 291 Abs. 2 S. 1 SGB V enthalten keine medizinischen Befunde. 8. a) Muss die Information über den Umgang mit infektiösen Erkrankungen für ehrenamtliche Helferinnen bzw. Helfer und hauptamtliche Beschäftigte in der Asylsozialarbeit und den Behörden und Einrichtungen b) zu deren Schutz vor dem Risiko von Infektionen c) zur schnelleren und besseren Behandlung der betroffenen Patientinnen bzw. Patienten verbessert werden? Hepatitis B ist nicht zu vergleichen mit hoch ansteckenden und über den Luftweg übertragbaren Krankheiten wie zum Beispiel den Masern oder Windpocken. Denn Hepatitis B kann nur durch Kontakt mit Blut oder anderen Sekreten eines infizierten Menschen übertragen werden – insbesondere bei ungeschützten Sexualkontakten oder beim gemeinsamen Spritzengebrauch bei Drogenabhängigen. Beim Umgang mit Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Rahmen normaler sozialer Kontakte, also zum Beispiel bei der Nahrungsmittel- oder Kleiderausgabe, bei der Betreuung in der Unterkunft oder im Sprachkurs, besteht deshalb in der Regel kein höheres Infektionsrisiko als im Alltagsleben. Darüber hinaus werden in Bayern ehrenamtliche Asylhelferinnen und Asylhelfer schon bisher mit einem Merkblatt des LGL für ehrenamtliche Asylhelferinnen und -helfer zum Umgang mit Asylbewerbern in Bezug auf mögliche Infektionsgefährdungen und Schutzmaßnahmen hingewiesen. Dieses Merkblatt sowie weitere Informationen zu Asylbewerbern und Gesundheit sind auf der Internetseite des LGL zusammengestellt (Link:https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektions schutz/asylbewerber_gesundheit/index.htm). Grundsätzlich müssen bei Kontakt zu Blut, z. B. im Rahmen der Ersten Hilfe, in jedem Fall – unabhängig, ob es sich um einen Asylbewerber handelt oder eine andere Person – Einmalhandschuhe verwendet werden, da in keinem Fall eine bislang unbekannte Infektiosität ausgeschlossen werden kann. Somit war auch eine Namensnennung im Hinblick auf ein abstraktes Ansteckungsrisiko bei Kontakt mit infektiösen Sekreten z. B. im Rahmen der Ersten Hilfe nicht erforderlich. Ebenfalls ist aus infektionshygienischer Sicht eine namentliche Nennung der Diagnose an das beschäftigte Personal und die Ehrenamtlichen aufgrund fehlender Konsequenz im Rahmen normaler sozialer Kontakte nicht erforderlich und daher datenschutzrechtlich und vor dem Hintergrund der ärztlichen Schweigepflicht unzulässig. Das StMGP nimmt den aktuellen Fall zum Anlass, die Gesundheitsämter zu beauftragen, die Unterbringungsverwaltungen zu bitten, das beschäftigte Personal sowie die ehrenamtlichen Asylhelferinnen und -helfer nochmals über das Merkblatt des LGL in Kenntnis zu setzen. Abschließend möchte die Staatsministerin für Gesundheit und Pflege ihrer Anteilnahme zu dem Todesfall Ausdruck verleihen.