3. Welche konkreten Einrichtungen konnten durch das Vorhalteprinzip insbesondere durch differenzierte Schwellenwerte für dünn besiedelte Teilräume mit besonders starkem Bevölkerungsrückgang gesichert werden? 4. Seit wann gilt in Bayern verbindlich das Vorhalteprinzip ? a) Welche Normen regelten dies zum jeweiligen Zeitpunkt ? b) An welchen genauen Stellen ist in den genannten Normen im Rahmen des Vorhalteprinzips von konkreten Schwellenwerten oder ähnlichen messbaren Grenzen die Rede? 5. Ist die Staatsregierung der Ansicht, dass durch die Zielformulierung des Vorhalteprinzips und dem entsprechenden Begründungstext im gegenwärtigen LEP 2013 alle zuständigen Ressorts für alle zentralörtlichen Einrichtungen verbindliche Schwellenwerte gemäß Frage 1 festlegen müssen? a) Wenn ja, für welche zentralörtlichen Einrichtungen liegen keine entsprechenden Schwellenwerte vor? b) Wenn nein, auf welche Weise kann die Einhaltung des Vorhalteprinzips in Bayern überprüft werden, wenn die im LEP, Ziel 1.2.5 genannten Auslastungserfordernisse nicht verbindlich messbar sind? 6. Auf welche Weise wird im Freistaat Bayern die konsequente Umsetzung und Verwirklichung des Vorhalteprinzips überwacht? 7. Hält die Staatsregierung konkrete Informationen zur Umsetzung des Vorhalteprinzips für relevant, um gem. Art. 32 Bayerisches Landesplanungsgesetz (BayLPlG) über „die Verwirklichung des Landesentwicklungsprogramms “ berichten zu können? a) Wenn ja: Wie bewertet die Staatsregierung den Ansatz , künftig die genannten Informationen bereits laufend von den zuständigen Ressorts anzufordern? b) Wenn nein: Warum nicht und welche Informationen hält die Staatsregierung alternativ oder ergänzend für relevant, um über die Verwirklichung des Vorhalteprinzips als Teil des Landesentwicklungsprogramms berichten zu können? 17. Wahlperiode 20.05.2016 17/11154 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Muthmann FREIE WÄHLER vom 14.12.2015 Verwirklichung des Vorhalteprinzips im Landesentwicklungsprogramm Bayern Die Staatsregierung verweist in ihrer Antwort auf die Anfrage zum Plenum des Abgeordneten Peter Meyer (FREIE WÄHLER) vom 19. Oktober 2015/Drs. 17/8655 darauf, dass die erbetenen Informationen über die Tragfähigkeit (Auslastungsschwelle ) und die zumutbare Erreichbarkeit von zentralörtlichen Einrichtungen gemäß dem Vorhalteprinzip im Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) „in der Kürze der Zeit“ nicht ermittelbar seien. Da das für die Landesplanung zuständige Staatsministerium offenbar über keine laufende Umsetzungsdokumentation des gegenwärtig im LEP, Ziel 1.2.5 normierten Vorhalteprinzips durch die einzelnen Ressorts der Staatsregierung verfügt, und es allem Anschein nach auch keine zügig abfragbaren, standardisierten Aufzeichnungen innerhalb der einzelnen Ressorts darüber gibt, wann dieses Ziel der Raumordnung zur Anwendung gekommen ist, frage ich die Staatsregierung: 1. a) Welche Ressorts haben in ihrem Zuständigkeitsbereich Schwellenwerte im Sinne des Vorhalteprinzips im Landesentwicklungsprogramm – also in Bezug auf Tragfähigkeit (Auslastungsschwelle) und die zumutbare Erreichbarkeit von zentralörtlichen Einrichtungen (vgl. LEP, Begründung zu 1.2.5) – festgelegt? b) Zu welchem Datum erfolgte jeweils die Festlegung dieser Schwellenwerte? 2. a) Für welche zentralörtlichen Einrichtungen wurden einrichtungsspezifische Schwellenwerte im Sinne des Vorhalteprinzips vorgelegt? b) Auf welche Weise und durch welche konkrete Norm wurde die Festlegung dieser Schwellenwerte jeweils normiert? c) Wie genau sind die festgelegten einrichtungsspezifischen Schwellenwerte konkret ausgestaltet worden (bitte unter Nennung der jeweiligen Auslastungsschwelle , der zumutbaren Erreichbarkeit sowie möglicherweise differenzierter Schwellenwerte für dünn besiedelte Teilräume)? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11154 Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 18.04.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, für Gesundheit und Pflege, für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Justiz, des Innern, für Bau und Verkehr, für Umwelt und Verbraucherschutz sowie für Wirtschaft und Medien , Energie und Technologie, wie folgt beantwortet: 1. a) Welche Ressorts haben in ihrem Zuständigkeitsbereich Schwellenwerte im Sinne des Vorhalteprinzips im Landesentwicklungsprogramm – also in Bezug auf Tragfähigkeit (Auslastungsschwelle) und die zumutbare Erreichbarkeit von zentralörtlichen Einrichtungen (vgl. LEP Begründung zu 1.2.5) – festgelegt? b) Zu welchem Datum erfolgte jeweils die Festlegung dieser Schwellenwerte? 2. a) Für welche zentralörtlichen Einrichtungen wurden einrichtungsspezifische Schwellenwerte im Sinne des Vorhalteprinzips vorgelegt? b) Auf welche Weise und durch welche konkrete Norm wurde die Festlegung dieser Schwellenwerte jeweils normiert? c) Wie genau sind die festgelegten einrichtungsspezifischen Schwellenwerte konkret ausgestaltet worden (bitte unter Nennung der jeweiligen Auslastungsschwelle , der zumutbaren Erreichbarkeit sowie möglicherweise differenzierter Schwellenwerte für dünn besiedelte Teilräume)? Nach Angaben der Ressorts erscheint die Festlegung von Schwellenwerten zur Erhaltung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge im Sinne des Vorhalteprinzips aus unterschiedlichen Erwägungen derzeit nicht erforderlich: • Bei der Schulversorgung ist es erklärtes Ziel der Staatsregierung , ein wohnortnahes Netz an staatlichen Grundund Mittelschulen insbesondere auch im ländlichen Raum zu erhalten. Für die Grundschulen hat Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vom 12.11.2013 eine Bestandsgarantie abgegeben. Auch im Bereich der Gymnasien und Realschulen besteht derzeit wegen des landesweit dichten Netzes (424 bzw. 374 Schulen) kein Anlass, Schwellenwerte festzulegen. • Im Hochschulbereich bietet der Freistaat Bayern mit 9 staatlichen Universitäten, 17 staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften und 6 staatlichen Kunsthochschulen eine flächendeckende Versorgung. Nur wenige Gebiete in Bayern liegen weiter als 50 Kilometer Luftlinie von der nächstgelegenen Hochschule entfernt; eine zumutbare Erreichbarkeit ist damit auch ohne die Festlegung von Schwellenwerten gewährleistet. • Das Bayerische Krankenhausgesetz gibt vor, dass die für die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser im Krankenhausplan des Freistaates Bayern dargestellt werden. Zielsetzung ist „eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung im Freistaat Bayern durch ein funktional abgestuftes und effizient strukturiertes Netz an einander ergänzenden Krankenhäusern“. Die Krankenhausplanung trägt mit der Beachtung der Bedarfsgerechtigkeit der Krankenhausversorgung dem Vorhalteprinzip Rechnung. • Die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ist nach bundesgesetzlich vorgegebener Aufgabenverteilung nicht Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung . Sie wurde der Kassenärztlichen Vereinigung als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts in eigener Verantwortung und Zuständigkeit übertragen. • Für die Bedarfsplanung von Pflegeeinrichtungen sind die Landkreise und kreisfreien Städte verantwortlich. Die flächendeckende Versorgung wird über diese gewährleistet. • Für soziale Einrichtungen ergibt sich gegenwärtig kein Erfordernis, Schwellenwerte festzulegen. Das in LEP- Ziel 1.2.5 normierte fachübergreifende Vorhalteprinzip wird für die sozialen Einrichtungen im LEP-Fachkapitel 8.1 sowie in einschlägigen Fachplänen und -gesetzen konkretisiert. Beispielhaft ergibt sich Folgendes:   Die Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Plätzen der Kindertagesbetreuung für alle Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres obliegt den Gemeinden (vgl. Art. 5 Bayerisches Kinderbildungs- und betreuungsgesetz – BayKiBiG). Diese entscheiden eigenverantwortlich , welcher örtliche Bedarf unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Familien für eine kindgerechte Bildung, Erziehung und Betreuungszeiten besteht. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe unterstützen die Gemeinden bei der örtlichen Bedarfsplanung und wirken darauf hin, dass überörtliche Bedarfe aus mehreren Gemeinden gedeckt werden. Insofern erübrigt sich die Festlegung von Schwellenwerten in den einzelnen Regionen bzw. Landkreisen für die Kindertagesbetreuung. Für Frauenhäuser ergibt sich eine entsprechende Regelung aus der Frauenhaus-Förderrichtlinie, die vorgibt, dass bei einer länger andauernden Auslastung unter 75 v. H. eine Rückstufung in der Förderung, maximal bis zur Grundförderung, geprüft wird, nicht aber eine Schließung der Einrichtung. Seit Inkrafttreten der Förderrichtlinie im Jahr 1993 wurde kein Frauenhaus wegen mangelnder Auslastung geschlossen. • Im Bereich der Ernährung, Land- und Forstwirtschaft ist in Bayern eine flächendeckende und ortsnahe Versorgung durch 47 Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewährleistet. Eine flächendeckende Versorgung mit Bildungseinrichtungen in den genannten Fachbereichen ist durch 51 Schulstandorte für Landwirtschaftsschulen sowie zwei Technikerschulen und drei Höhere Landbauschulen im Bereich Landwirtschaft und eine Technikerschule und eine Fachakademie im Bereich Hauswirtschaft gesichert. Die flächendeckende Versorgung der Verwaltungen für Ländliche Entwicklung ist durch insgesamt 7 Ämter für Ländliche Entwicklung – jeweils eines pro Regierungsbezirk – gewährleistet. • Die Vermessungsverwaltung ist mit 51 Ämtern für Digitalisierung , Breitband und Vermessung und 22 Außenstellen in fast jedem Landkreis vertreten. Es ist nicht vorgesehen, die Zahl der Dienststellen zu reduzieren. Die Einhaltung des Vorhalteprinzips ist damit auch ohne die Festlegung von Schwellenwerten gewährleistet. • Durch die Organisation der Gerichte und Justizbehörden ist die dauerhafte Versorgung der Bevölkerung mit zentralörtlichen Einrichtungen in der Fläche (73 Amtsgerichte, 22 Landgerichte, 22 Staatsanwaltschaften, 3 Oberlandesgerichte und 3 Generalstaatsanwaltschaften) gewährleistet. Drucksache 17/11154 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3  Zusammenfassend ist festzustellen, dass dem Vorhalteprinzip mit einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Bereitstellung von vielfältigen Einrichtungen und Angeboten aus allen Geschäftsbereichen der Staatsregierung ausreichend Rechnung getragen wird. Der gegenwärtige Verzicht auf die Festlegung von Schwellenwerten erscheint daher gerechtfertigt. 3. Welche konkreten Einrichtungen konnten durch das Vorhalteprinzip insbesondere durch differenzierte Schwellenwerte für dünn besiedelte Teilräume mit besonders starkem Bevölkerungsrückgang gesichert werden? Der flächendeckenden Verteilung von Einrichtungen liegen, wie in Antwort zu den Fragen 1 und 2 dargelegt, größtenteils Fachpläne und -gesetze zugrunde, die durch ihre jeweiligen Vorgaben dem Vorhalteprinzip Rechnung tragen. 4. Seit wann gilt in Bayern verbindlich das Vorhalteprinzip ? a) Welche Normen regelten dies zum jeweiligen Zeitpunkt ? Bereits im ersten Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) 1976 war der Anspruch einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge als eigene Festlegung normiert. Das Vorhalteprinzip ist seit 1994 im LEP als Ziel verankert; vgl. hierzu: – LEP A IV 1.3.4 (1994), – LEP A III 2.1.2, 2.1.1.1 (2003), – LEP A II 2.1.2.1, 2.1.2.2 (2006), – LEP 1.2.5 (2013). b) An welchen genauen Stellen ist in den genannten Normen im Rahmen des Vorhalteprinzips von konkreten Schwellenwerten oder ähnlichen messbaren Grenzen die Rede? In keiner der genannten Normen ist die Festlegung konkreter Schwellenwerte oder ähnlichen messbaren Grenze enthalten. Das geltende LEP 2013 enthält ausschließlich in der Begründung zur Festlegung 1.2.5 Aussagen, wonach für die Bestimmung möglicher Schwellenwerte in Bezug auf die Tragfähigkeit und die zumutbare Erreichbarkeit einrichtungsspezifisch die für die jeweiligen Einrichtungen verantwortlichen Ressorts zuständig sind. 5. Ist die Staatsregierung der Ansicht, dass durch die Zielformulierung des Vorhalteprinzips und dem entsprechenden Begründungstext im gegenwärtigen LEP 2013 alle zuständigen Ressorts für alle zentralörtlichen Einrichtungen verbindliche Schwellenwerte gemäß Frage 1 festlegen müssen? a) Wenn ja, für welche zentralörtlichen Einrichtungen liegen keine entsprechenden Schwellenwerte vor? b) Wenn nein, auf welche Weise kann die Einhaltung des Vorhalteprinzips in Bayern überprüft werden, wenn die im LEP, Ziel 1.2.5 genannten Auslastungserfordernisse nicht verbindlich messbar sind? Das Ziel 1.2.5 Vorhalteprinzip im LEP beinhaltet keine zwingende Vorgabe für die Ressorts zur Festlegung von verbindlichen Schwellenwerten. Es liegt ausschließlich im Ermessen der einzelnen Fachressorts, Schwellenwerte zu bestimmen oder die Umsetzung des Vorhalteprinzips auf andere Weise, etwa durch entsprechende Fachplanungen und -gesetze, zu konkretisieren (vgl. hierzu auch Antwort zu den Fragen 1. und 2.). Eine zentrale Überprüfung zur Beachtung des Vorhalteprinzips erfolgt deshalb nicht. 6. Auf welche Weise wird im Freistaat Bayern die konsequente Umsetzung und Verwirklichung des Vorhalteprinzips überwacht? 7. Hält die Staatsregierung konkrete Informationen zur Umsetzung des Vorhalteprinzips für relevant, um gem. Art. 32 Bayerisches Landesplanungsgesetz (BayLplG) über die „Verwirklichung des Landesentwicklungsprogramms “ berichten zu können ? a.) Wenn ja: wie bewertet die Staatsregierung den Ansatz , künftig die genannten Informationen bereits laufend von den zuständigen Ressorts anzufordern ? b.) Wenn nein: warum nicht und welche Information hält die Staatsregierung alternativ oder ergänzend für relevant, um über die Verwirklichung des Vorhalteprinzips als Teil des Landesentwicklungsprogramms berichten zu können? Festlegungen im LEP in Form von Zielen lösen gegenüber allen öffentlichen Planungsträgern bei deren Planungen und Maßnahmen eine Beachtenspflicht aus. In welcher Form der Beachtenspflicht Rechnung getragen wird, liegt in der Eigenverantwortung der Ressorts. In einem regelmäßigen Raumordnungsbericht wird über die Verwirklichung des LEP berichtet. Darüber hinausgehende laufende Berichte über die Verwirklichung einzelner landesplanerischer Festlegungen sind nicht erforderlich und würden zu einem nicht vertretbaren Bürokratie- und Kostenaufwand führen.