Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Eva Gottstein FREIE WÄHLER vom 10.03.2016 Datenaustausch im Asylverfahren Im Februar 2016 hat der Bundestag das Datenaustauschverbesserungsgesetz beschlossen. Damit soll der Datenaustausch zwischen den am Asylverfahren beteiligten Behörden verbessert werden. Um Doppelregistrierungen zu vermeiden, sollen alle Registrierungsstellen mit einem Fingerabdruck -Schnell-Abgleichsystem ausgerüstet werden. Zudem sollen die Daten zentral gespeichert werden und allen Behörden zur Verfügung stehen, die sie benötigen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Behörden im Freistaat Bayern sind bereits mit einem Fingerabdruck-Schnell-Abgleichsystem (sog. Fast-ID) ausgestattet? b) Welche Behörden im Freistaat Bayern müssen erst noch mit einem Fingerabdruck-Schnell-Abgleichsystem ausgerüstet werden? c) Bis wann ist die etwaige Nachrüstung voraussichtlich abgeschlossen? 2. Welche sonstigen Maßnahmen ergreift die Staatsregierung , um den zuständigen öffentlichen Stellen die Arbeit mit den Informationen aus dem geplanten Kerndatensystem zu ermöglichen? 3. a) Welche Umstellungs- und Vollzugskosten entstehen? b) Wer wird die Kosten hierfür tragen? 4. In welchem Verhältnis steht das mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz geplante Kerndatensystem zum EASY-System (IT-Anwendung zur Erstverteilung der Asylbegehrenden)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 20.04.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: 1. a) Welche Behörden im Freistaat Bayern sind bereits mit einem Fingerabdruck-Schnell-Abgleichsystem (sog. Fast-ID) ausgestattet? b) Welche Behörden im Freistaat Bayern müssen erst noch mit einem Fingerabdruck-Schnell-Abgleichsystem ausgerüstet werden? c) Bis wann ist die etwaige Nachrüstung voraussichtlich abgeschlossen? Ziel des Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz) vom 02.02.2016, das am 05.02.2016 in Kraft getreten ist, ist es unter anderem, Asyl- und Schutzsuchende sowie Personen, die unerlaubt nach Deutschland einreisen oder sich unerlaubt aufhalten, früher als bisher zu registrieren. Die Daten von Asyl- und Schutzsuchenden werden hierzu künftig nicht erst bei Stellung des förmlichen Asylantrags beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert, sondern nach Möglichkeit bereits bei dem Erstkontakt mit den Asyl- und Schutzsuchenden, d. h. bei der Äußerung des Asylgesuchs. Hierzu werden alle zur Registrierung von Asyl- und Schutzsuchenden sowie unerlaubt eingereisten und aufhältigen Personen befugten Stellen verpflichtet, die von ihnen beim Erstkontakt erhobenen Daten an das AZR zur Speicherung zu übermitteln. In der Praxis erfolgen solche Asylgesuche weit überwiegend gegenüber der Bundes- oder Landespolizei, die auch für die damit verbundene Sachbearbeitung von Anzeigen wegen unerlaubter Einreise oder unerlaubtem Aufenthalt zuständig sind, sowie im Wege des Direktzugangs gegenüber Aufnahmeeinrichtungen . Durch das Fingerabdruck-Schnell-Abgleichsystem (sog. Fast-ID) sollen Doppelregistrierungen im AZR vermieden werden. Das Fast-ID-Verfahren (auch bezeichnet als AFIS- Schnellabgleich) ist eine Form der erkennungsdienstlichen Überprüfung bzw. der schnellen Feststellung der Identität anlässlich von polizeilichen Personenkontrollen. Mittels dieses Verfahrens kann überprüft werden, ob die Fingerabdrücke einer Person bereits im Automatischen-Fingerabdruck- Identifizierungssystem (AFIS) des Bundeskriminalamts gespeichert sind. Die Dienststellen der Bayerischen Polizei sind flächendeckend mit entsprechenden Systemen zur Durchführung des Schnellabgleichs ausgestattet. Für die Registrierung und die damit einhergehende erkennungsdienstliche Behandlung der Asylbewerber werden Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.06.2016 17/11206 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11206 zudem den bayerischen Aufnahmeeinrichtungen Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (PIK) vom Bund zur Verfügung gestellt. Nach einer Pilotierung dieser Registrierungskoffer unter anderem in der Aufnahmeeinrichtung Zirndorf werden diese flächendeckend noch im April 2016 in allen Aufnahmeeinrichtungen durch den Bund zur Verfügung gestellt. Auch mit diesen PIK kann mittels eines Fast-ID-Abgleichs überprüft werden, ob der Asylbewerber bereits durch eine andere Behörde registriert wurde. Sollte dies nicht der Fall sein, werden mit diesem Gerät die Fingerabdrücke aller zehn Finger, ein Lichtbild und persönliche Daten vom Asylbewerber aufgenommen und im AZR abgespeichert. 2. Welche sonstigen Maßnahmen ergreift die Staatsregierung , um den zuständigen öffentlichen Stellen die Arbeit mit den Informationen aus dem geplanten Kerndatensystem zu ermöglichen? Weiteres Ziel des Datenaustauschverbesserungsgesetzes ist es, mehr Daten als bisher über Asyl- und Schutzsuchende zu erfassen. Hierzu erfolgt der Ausbau des AZR zu einem „Kerndatensystem“. Zudem werden einem erweiterten Kreis an öffentlichen Stellen über das AZR die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt. Neben den die Registrierung vornehmenden zuständigen Stellen sind dies insbesondere die Asylbewerberleistungsbehörden , die Bundesagentur für Arbeit, die für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende und die für den öffentlichen Gesundheitsdienst zuständigen Stellen, die Jugendämter sowie die Meldebehörden. Zusätzlich sollen auch diese Behörden zum Teil nicht nur zum Datenabruf aus dem AZR berechtigt sein, sondern auch die Befugnis zur Übermittlung bestimmter Daten aus ihrem Aufgabenbereich an das Register erhalten. Die hierfür erforderlichen gesetzlichen Änderungen im Gesetz über das Ausländerzentralregister (AZRG) und der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZRG-DV) sind zwar bereits am 05.02.2016 in Kraft getreten. Allerdings ist für die technische Umsetzung ein gestaffelter Zeitansatz vorgesehen. Die Schaffung eines Kerndatensystems im Ausländerzentralregister mit erweiterten Sicherheits- und Servicefunktionen generiert Abstimmungsund Implementierungsaufwand beim für die technische Administration des AZR zuständigen Bundesverwaltungsamt, den Herstellern von behördlichen Verfahrensfachanwendungen sowie den nutzenden Behörden und erfordert somit diesen zeitlichen Nachlauf zur gesetzlichen Inkrafttretensregelung . Der Ausbau des AZR zum Kerndatensystem ist zudem Teil des Gesamtprojekts Digitalisierung des Asylverfahrens. In einer Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder am 24.09.2015 wurden die erweiterte Digitalisierung des Asylverfahrens und die enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern hierzu beschlossen. Als Folge dieses Beschlusses wurde der IT-Planungsrat (IT-LR) als bundländerübergreifende IT-Koordinierungseinheit am 30.11.2015 mit der Umsetzung beauftragt und das Koordinierungsprojekt „Digitalisierung des Asylverfahrens“ (PG- DAS) unter Federführung des Bundes und Beteiligung der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie eines Vertreters der kommunalen Spitzenverbände eingerichtet. Die Digitalisierung des Asylverfahrens soll eine medienbruchfreie Kommunikation aller Verfahrensbeteiligten über standardisierte Schnittstellen ermöglichen. Ziel ist die rasche Schaffung eines „integrierten Identitätsmanagements“, um Doppelerfassungen zu vermeiden und Flüchtlinge eindeutig zu identifizieren. In der 1. Sitzung des Koordinierungsprojekts des IT-PLR am 13.01.2016 wurde u. a. die Einrichtung des Teilprojekts „Ländersysteme – Schnittstelle 1b“ beschlossen. Bayern hat hierzu die Federführung übernommen . Projektziel ist die vollständige Integration der vorhandenen Ländererfassungslösungen in den Asylprozess, Vermeidung von Doppelerfassungen und Optimierung der Erfassungsabläufe in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Die Projektgruppe hat in ihrer ersten Sitzung festgestellt, dass ein starkes Interesse der Länder hieran besteht. Für die Ausländerbehörden ist das AZR bereits seit Langem zentraler Bestandteil ihrer täglichen Arbeit. Sie haben Zugriff auf das AZR, sodass keine sonstigen Maßnahmen zur Ermöglichung der Arbeit mit den Informationen aus dem Kerndatensystem erforderlich sind. Erforderliche technische Anpassungen an erweiterte Funktionen erfolgen durch das Bundesverwaltungsamt in Abstimmung mit den Herstellern von ausländerbehördlichen Verfahrensfachanwendungen. In Vorbereitung und zur Umsetzung der mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz verbundenen Verpflichtungen für die Polizeien des Bundes und der Länder haben Vertreter des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr sowie des Bayerischen Landeskriminalamts an bundesweiten Projektgruppen mitgewirkt. Die Aufgabe dieser Projektgruppen bestand unter anderem darin, die polizeilichen Aufgaben zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen in den Gesamtprozess der Flüchtlingsregistrierung schnellstmöglich und zielführend zu integrieren. Die Aufnahmeeinrichtungen, die mittels der Personalisierungsinfrastrukturkomponenten Daten an das Kerndatensystem übermitteln (siehe hierzu bereits Antwort zu Frage 1), erhalten diese Daten mittels technischer Schnittstellen aus dem Kerndatensystem für die Unterbringungsverwaltung zurück. Diesbezüglich ist nach § 22 AZRG die Möglichkeit geschaffen worden, dies in einem automatisierten Verfahren durchzuführen. Die dafür erforderliche technische Schnittstelle wurde zwischenzeitlich geschaffen und befindet sich im Testverfahren in Vorbereitung des Echtbetriebs. Auch die Leistungsbehörden und Sozialhilfeträger erhalten über § 18 a AZRG ebenso wie die Jugendämter nach § 18 d AZRG die Möglichkeit, die ihnen nach dem Gesetz zustehenden Daten aus dem AZR abzurufen. Mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz wurden auch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum automatisierten Abruf der AZR-Daten zugelassen. Derzeit prüft die bayerische Sozialgerichtsbarkeit , ob ein automatisiertes Abrufverfahren entsprechend den rechtlichen Vorgaben eingerichtet werden kann. Sollte die Prüfung ergeben, dass dies möglich ist, wird das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration seine Zustimmung erteilen. Die Präsidenten der bayerischen Verwaltungsgerichte sind über die Zugriffsmöglichkeit informiert worden. Dementsprechend wird derzeit bei den im Asyl- und Ausländerrecht tätigen Spruchkörpern abgefragt, ob dort ein Bedarf für die den Verwaltungsgerichten eingeräumten Abfragemöglichkeiten besteht. Sofern der abgefragte Bedarf gesehen wird, wird zu prüfen sein, in welchem Verhältnis der Aufwand für die erforderliche Registrierung und Ausstellung eines Software-Zertifikats zu dem erwarteten Nutzen steht. Drucksache 17/11206 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) kommen ebenfalls Aufgaben zur Datenübermittlung an das AZR zu. Im allgemeinen Datenbestand des AZR werden nun auch Informationen zur Durchführung der Gesundheitsuntersuchungen nach § 62 Asylgesetz und § 36 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz sowie zu durchgeführten Impfungen (inklusive Art der Impfung) gespeichert (§ 3 Abs. 2 Nrn. 10 und 11 AZRG). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 b AZRG ist auch der ÖGD künftig zur Datenübermittlung an das AZR verpflichtet. Nach dem neuen § 22 Abs. 1 Nr. 8 b AZRG können die Behörden des ÖGD auch für den Abruf von Daten im automatisierten Verfahren zugelassen werden. Für die betroffenen Behörden im ÖGD in Bayern (Gesundheitsämter, Regierungen, Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) werden derzeit im Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in Abstimmung mit dem Bundesverwaltungsamt die Modalitäten für den Zugriff auf das AZR im Dialogverfahren vorbereitet. Ein diesbezügliches Informationsschreiben an die Behörden zur Umsetzung der nötigen Maßnahmen ist im Anschluss geplant. Der automatisierte Abruf über Schnittstellen wird erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen können. Im Meldewesen wird die Anbindung der Meldebehörden (Gemeinden) an das Kerndatensystem bzw. der Datenaustausch zwischen Meldebehörden und Kerndatensystem dadurch umgesetzt, dass der Fachstandard für die elektronische Kommunikation im Meldewesen vom zuständigen länderübergreifenden Fachgremium (bundeseinheitlich) entsprechend angepasst wird. Auf dieser Grundlage wird die von den Meldebehörden verwendete Fachsoftware von den jeweiligen Fachverfahrensherstellern für die (automatisierte ) elektronische Kommunikation mit dem geplanten Kerndatensystem ertüchtigt. Da für die erforderliche technische Anpassung des Fachstandards ein zeitlicher Vorlauf erforderlich ist, hat der Bundesgesetzgeber das Inkrafttreten der das Meldewesen betreffenden Regelungen für den 01.11.2016 – und damit später als die sonstigen Regelungen des Datenaustauschverbesserungsgesetzes – vorgesehen. Arbeitsagenturen und gemeinsame Einrichtungen (Jobcenter ) sind keine Behörden des Freistaats und fallen daher bei der Umsetzung des Datenaustauschverbesserungsgesetzes nicht in dessen Verantwortungsbereich. 3. a) Welche Umstellungs- und Vollzugskosten entstehen ? b) Wer wird die Kosten hierfür tragen? Seitens der Polizei wurden bereits in 2015 für die Dienststellen der Bayerischen Polizei zusätzliche 150 Einzelfingerscanner mit einem Kostenvolumen von ca. 60.000 Euro aus Mitteln des Polizeihaushalts beschafft. In 2016 ist eine Erweiterung der Ausstattung mit neuen Anlagen zur digitalen Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung (Abnahme von Fingerabdrücken) und für die Dokumentenprüfung vorgesehen. Perspektivisch wird eine Ausstattung aller Dienststellen der Bayerischen Polizei angestrebt. Die technische Ausstattung (Personalisierungsinfrastrukturkomponenten ) in den Aufnahmeeinrichtungen wird durch den Bund finanziert. Für den Bereich des ÖGD können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Umstellungs- und Vollzugskosten beziffert werden . Für die Einrichtung des Zugangs der Gesundheitsbehörden zum AZR werden zusätzliche Personalaufwände für die Registrierung und die Einführung in den Behörden (z. B. Schulungsmaßnahmen, Installationen) entstehen. Eine Kostentragung von dritter Seite ist nach dem Kenntnisstand des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege nicht geplant , d. h. die Mehraufwände gehen zulasten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Anpassungen der Fachanwendungen der Meldebehörden , die aufgrund der Rechtsänderungen erforderlich werden , sind nach Kenntnis des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr von den bestehenden Wartungsverträgen der Gemeinden mit dem jeweiligen Fachverfahrenshersteller abgedeckt. Auch die Ausländerbehörden haben Wartungsverträge mit den jeweiligen Fachverfahrensherstellern, die die vom Bundesverwaltungsamt vorzunehmenden technischen Anpassungen des AZR ebenfalls entsprechend in die Fachverfahren einpflegen. 4. In welchem Verhältnis steht das mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz geplante Kerndatensystem zum EASY-System (IT-Anwendung zur Erstverteilung der Asylbegehrenden)? Bei dem EASY-System handelt es sich um ein System des Bundes zur Verteilung von Asylsuchenden innerhalb Deutschlands, das nicht zur Erfassung von Personen oder von personenbezogenen Daten dient. Es erfolgt lediglich eine Verteilung der Personen auf Basis der Herkunftsländer.