Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Nikolaus Kraus FREIE WÄHLER vom 18.03.2016 Situation der Luchse in Bayern Im „Managementplan Luchse in Bayern“ vom April 2008 heißt es in den Leitlinien: „Ziel ist eine vitale Luchspopula tion, die ihren Lebensraum selbst wählt. Sie besiedelt alle geeigneten Lebensräume Bayerns.“ Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. a) Ist die Staatsregierung dem im Managementplan Luchse genannten Ziel einer vitalen Luchspopulation, die alle geeigneten Lebensräume Bayerns besiedelt, in den letzten acht Jahren nähergekommen? b) Wenn ja, inwiefern? c) Wenn nein, warum nicht? 2. Welche Gebiete Bayerns wurden in den letzten sechs Jahren neu durch Luchse besiedelt? 3. a) Wie viele Luchse leben nach Kenntnis der Staatsre gierung derzeit voraussichtlich in Bayern? b) Wo leben diese Luchse? c) Ist der Staatsregierung bekannt, wie viele dieser Luch se weiblich und wie viele männlich sind? 4. a) Von wie vielen illegalen Luchstötungen in Bayern seit 2008 geht die Staatsregierung aus? b) Bei wie vielen dieser Luchstötungen wurden der oder die Täter ermittelt? c) Gibt es Hinweise, dass es sich bei verschiedenen Luchstötungen um den gleichen Täter handelt? 5. Bei wie vielen Luchstötungen in Bayern wurde ein Gut achten beim Institut für Zootomie/Anatomiska in Ed sele in Auftrag gegeben und zu welchen Ergebnissen kamen die jeweiligen Gutachten? 6. Sieht die Staatsregierung in der sehr geringen Anzahl von Luchsindividuen in Bayern ein Problem hinsicht lich der mangelnden genetischen Vielfalt (Inzucht problematik), und wenn ja, ließe sich die Situation diesbezüglich theoretisch durch Auswilderung von Luchsen verbessern? 7. a) In welcher Höhe wurden seit dem Jahr 2010 Haus haltsmittel aus dem bayerischen Staatshaushalt zur Förderung des „Luchsprojekt Bayern“ bereitgestellt und abgerufen (bitte getrennt nach Jahren angeben)? b) In welcher Höhe wurden seit dem Jahr 2010 Förder mittel seitens der Europäischen Union zur Förderung des „Luchsprojekt Bayern“ bereitgestellt? 8. Wie viele Haushaltsmittel hat die Staatsregierung für die Errichtung von Grünbrücken und Untergrundpas sagen zum Überqueren von Straßen und Bahngleisen (durch welche Lebensräume von Luchsen zerschnit ten sind) bereitgestellt? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz 27.04.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. a) Ist die Staatsregierung dem im Managementplan Luchse genannten Ziel einer vitalen Luchspopulation , die alle geeigneten Lebensräume Bayerns besiedelt, in den letzten acht Jahren nähergekommen ? b) Wenn ja, inwiefern? c) Wenn nein, warum nicht? Die Luchspopulation im Bayerischen Wald bleibt derzeit auf einem niedrigen Niveau. Trotz regelmäßig nachgewiesener Reproduktion findet keine nennenswerte Ausbreitung statt. Der Grund hierfür ist wahrscheinlich eine hohe Mortalitäts rate. 2. Welche Gebiete Bayerns wurden in den letzten sechs Jahren neu durch Luchse besiedelt? Seit der Veröffentlichung des Managementplans „Luchse in Bayern“ im Jahr 2008 haben sich Luchse im Vorderen Bayerischen Wald sowie im südlichen Oberpfälzer Wald etabliert. Seit Ende 2015 gibt es einzelne Nachweise im Ge biet Rhön/Spessart sowie im Grenzgebiet Berchtesgadener Land/Salzburg. 3. a) Wie viele Luchse leben nach Kenntnis der Staatsregierung derzeit voraussichtlich in Bayern? Ein internationales Projekt hat mit vergleichbaren Monito ringmethoden grenzüberschreitend die Luchspopulation im Zeitraum von Mai 2014 bis April 2015 erfasst. Für Bayern wurden mindestens 40 Luchse nachgewiesen: 29 unabhän gige Tiere (adult oder subadult; älter als ein Jahr) und 11 Jungtiere (juvenil). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 07.07.2016 17/11333 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11333 b) Wo leben diese Luchse? Die Tiere leben im bayerischböhmischen Grenzgebiet zwischen dem Dreisessel und dem südlichen Oberpfälzer Wald sowie in Teilen des Vorderen Bayerischen Waldes. Die Streifgebiete von 17 der 29 unabhängigen Tiere erstrecken sich über die Grenze nach Tschechien. c) Ist der Staatsregierung bekannt, wie viele dieser Luchse weiblich und wie viele männlich sind? Unter den 29 unabhängigen Tieren waren mindestens 7 Weibchen und 10 Männchen. 4. a) Von wie vielen illegalen Luchstötungen in Bayern seit 2008 geht die Staatsregierung aus? Seit 2008 wurden insgesamt vier Luchse nachweislich il legal getötet. In einem weiteren Fall wird aktuell wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt. Es kann nicht aus geschlossen werden, dass weitere illegale Luchstötungen verübt wurden, denn über das Fotofallenmonitoring wurde ein unnatürlich häufiger Wechsel territorialer Tiere doku mentiert. Luchse, die ein Revier etabliert hatten, waren oft nur 15 bis 30 Monate im Gebiet und verschwanden dann spurlos, obwohl adulte Luchse im Freiland normalerweise eine Lebenserwartung von bis zu 15 Jahren haben. b) Bei wie vielen dieser Luchstötungen wurden der oder die Täter ermittelt? Die illegale Tötung streng geschützter Arten ist nicht hin nehmbar und muss konsequent verfolgt und bestraft wer den. Die Naturschutzverwaltung unterstützt die zuständi gen Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung nach Kräften. Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat sogar für die Ergreifung der Täter eine Belohnung von 10.000 Euro ausgesetzt. Trotzdem wurde bisher bei kei nem der Fälle ein Täter ermittelt. c) Gibt es Hinweise, dass es sich bei verschiedenen Luchstötungen um den gleichen Täter handelt? Nein. 5. Bei wie vielen Luchstötungen in Bayern wurde ein Gutachten beim Institut für Zootomie/Anatomiska in Edsele in Auftrag gegeben und zu welchen Ergebnissen kamen die jeweiligen Gutachten? In Deutschland fungiert das LeibnizInstitut für Zoo und Wildtierforschung als das Referenzinstitut für das Totfund monitoring von Wolf und Luchs. Diese im Schwerpunkt auf die Pathologie spezialisierte Einrichtung arbeitet eng mit dem Institut für Anatomie und Zootomie in Schweden zusammen, vor allem wenn forensische oder morphomet rische Bewertungen erforderlich sind. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat das Institut für Anatomie und Zootomie bislang bei zwei Ereignissen im Jahr 2015 mit forensischen Bewertungen sowie bei zwei Ereignissen aus 2014/2015 mit morphometrischen Bewer tungen beauftragt. Bei den forensischen Untersuchungen lassen sich die Ergebnisse noch nicht mitteilen. Die morphometrischen Untersuchungen ergaben im Fall von 2014 den Befund eines Verkehrsunfalls, im Fall von 2015 sind sie noch nicht abgeschlossen. 6. Sieht die Staatsregierung in der sehr geringen Anzahl von Luchsindividuen in Bayern ein Problem hinsichtlich der mangelnden genetischen Vielfalt (Inzuchtproblematik), und wenn ja, ließe sich die Situation diesbezüglich theoretisch durch Auswilderung von Luchsen verbessern? In einer kürzlich in der wissenschaftlichen Zeitschrift Con servation Genetics veröffentlichten Studie wurde die ge netische Variabilität in einer Stichprobe von zwölf Luchsen aus der bayerischtschechischösterreichischen Population mit Stichproben aus anderen mittel und osteuropäischen Luchspopulationen verglichen. Die genetische Variabilität erwies sich als relativ gering. Einer der untersuchten Luchse aus dem bayerischtschechischösterreichischen Areal war genetisch der ostpolnischen Population zugehörig. Die Stu die konnte jedoch nicht klären, wie dieses Tier so weit nach Westen gelangt ist. Die Autoren der Studie bezeichnen die geringe geneti sche Variabilität der bayerischtschechischösterreichischen Luchse als typisch für Populationen, die auf eine Aussetzung von wenigen Tieren zurückgeht. Die genetische Variabilität kann durch Luchse aus anderen Regionen erhöht werden. Solche Tiere können in die bayerischtschechischösterrei chische Population einwandern, wenn die Distanz zwischen ihrem Herkunftsgebiet und dem bayerischtschechischös terreichischen Areal überwindbar ist, beispielsweise durch einen geeigneten Biotopverbund. 7. a) In welcher Höhe wurden seit dem Jahr 2010 Haushaltsmittel aus dem bayerischen Staatshaushalt zur Förderung des „Luchsprojekt Bayern“ bereitgestellt und abgerufen (bitte getrennt nach Jahren angeben)? Das „Luchsprojekt Bayern“ wurde von Herbst 2010 bis Früh jahr 2013 ausschließlich mit Landesmitteln nach den Land schaftspflege und NaturparkRichtlinien des Freistaates Bayern gefördert. Die Verteilung dieser Fördermittel auf die Haushaltsjahre ist der nachfolgenden Tabelle zu entneh men. 10 Prozent der Gesamtkosten hat die Trägergemein schaft aus Bund Naturschutz, Landesbund für Vogelschutz und WildlandStiftung des Jagdverbands Bayern selbst ge tragen. Jahr Bewilligte Zuwendung 2010 17.489,26 Euro 2011 50.565,25 Euro 2012 63.053,59 Euro 2013 22.863,87 Euro Summe: 153.971,97 Euro b) In welcher Höhe wurden seit dem Jahr 2010 Fördermittel seitens der Europäischen Union zur Förderung des „Luchsprojekt Bayern“ bereitgestellt? Für das „Luchsprojekt Bayern“ wurden keine EUFördermit tel eingesetzt. Von 2013 bis 2015 wurde das grenzüberschreitende „TransLynxProjekt“ durchgeführt, bei dem die EU 60 Pro zent der zuwendungsfähigen Kosten aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert hat. Eine zusätzliche Förderung aus Landesmitteln erfolgte nicht. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Verteilung der EUFördermit tel, die in Bayern eingesetzt wurden, auf die Haushaltsjahre. Jahr Bewilligte Zuwendung 2013 15.294,22 Euro 2014 86.701,84 Euro 2015 57.909,03 Euro Summe: 159.905,09 Euro Drucksache 17/11333 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 8. Wie viele Haushaltsmittel hat die Staatsregierung für die Errichtung von Grünbrücken und Untergrundpassagen zum Überqueren von Straßen und Bahngleisen (durch welche Lebensräume von Luchsen zerschnitten sind) bereitgestellt? Die Staatsregierung hat im Rahmen der Auftragsverwal tung der Bundesfernstraßen Haushaltsmittel des Bundes in Höhe von geschätzt 22 Millionen Euro für Querungshilfen im Bereich von für den Luchs relevanten Lebensräumen und Wanderkorridoren eingesetzt.