Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 05.04.2016 Entwicklung der Bestände besonders geschützter Vogelarten in Unterfranken Durch die Intensivierung der Landwirtschaft, die Erschließung neuer Wohn- und Gewerbegebiete, die Erstellung neuer Windkraftanlagen und dem Bau weiterer Straßen sind einige Vogelarten stark bedroht. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie hoch waren laut Kenntnis der Staatsregierung in Unterfranken die Brutbestände der Vogelarten Wiesenweihe , Wespenbussard, Uhu, Schwarzstorch, Schwarzmilan, Rotmilan, Mäusebussard, Kiebitz und Baumfalke in den Jahren 1980, 2000 und 2014? 2. Welche Ursachen haben positive oder negative Bestandstrends bei den oben genannten Arten (bitte einzeln aufführen)? 3. Seit wann bestehen für welche der oben genannten Arten Artenhilfsprogramme? 4. Welche der Artenhilfsmaßnahmen wurden für die einzelnen Arten umgesetzt? 5.1 Welche messbaren Effekte hatten die Artenhilfsprogramme für die einzelnen Arten auf die Bestandsentwicklung ? 5.2 Von welchen Institutionen bzw. Personen sind diese Bestände erfasst worden? 5.3 Gibt es eine wissenschaftliche Qualitätsprüfung dieser Ergebnisse? 6. Durch welche staatliche Einrichtung in Bayern werden in welchen zeitlichen Abständen bayernweit Bestandsaufnahmen gefährdeter Brutvögel durchgeführt? 7. Was hat die Höhere Naturschutzbehörde in der Regierung von Unterfranken getan, um Birkhuhn, Sumpfohreule , Ziegenmelker, Rotschenkel, Lachmöwe, Lachseeschwalbe und den Triel, sowie Raubwürger, Fischadler und die Flussseeschwalbe zu schützen oder wieder heimisch zu machen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 29.04.2016 1. Wie hoch waren laut Kenntnis der Staatsregierung in Unterfranken die Brutbestände der Vogelarten Wiesenweihe, Wespenbussard, Uhu, Schwarzstorch , Schwarzmilan, Rotmilan, Mäusebussard, Kiebitz und Baumfalke in den Jahren 1980, 2000 und 2014? Für den Bezirk Unterfranken stehen Daten aus den bayerischen Brutvogelatlanten 1987, 2005 und 2012 (Kartierungen 1983–87, 1996–99, 2005–09) zur Verfügung. In den beiden ersteren sind lediglich Verbreitungsangaben enthalten, so dass nur Aussagen zur Zahl der besetzten Kartenblätter (TK 25) getroffen werden können. Der Atlas 2012 enthält außer der Verbreitung auch halb quantitative Angaben zur Bestandsgröße. In der nachfolgenden Tabelle sind sowohl die Zahl der belegten Raster und die daraus abgeleiteten Trends der Arten in Bezug auf Unterfranken als auch die konkreten Bestandsdaten (Angabe in Brutpaaren – BP) der letzten landesweiten Kartierung dargestellt. Art/ Kartierung 1983–87* 1996–99* 2005–09* Trend Bestand 2005–09 (BP) Wiesenweihe - 9 16 + 95–200 Wespenbussard 66 43 44 - 110–200 Uhu 4 26 33 + 70–110 Schwarzstorch 0 12 13 + 20–30 Schwarzmilan 60 41 32 - 70–120 Rotmilan 81 58 40 - 100–180 Mäusebussard flächig flächig flächig +/- 1.020– 2.500 Kiebitz 77 44 28 - 140–300 Baumfalke 53 47 49 +/- 120–200 * besetzte Raster; Bestand bezieht sich auf Unterfranken (Rödl et al., 2012) 2. Welche Ursachen haben positive oder negative Bestandstrends bei den oben genannten Arten (bitte einzeln aufführen)? Für die Arten mit erkennbaren Trends liegen folgende Ursachen zugrunde: Kiebitz: negativer Bestandstrend aufgrund des Lebensraumverlustes (Grünlandumbruch, Verlust von extensiv genutztem Feuchtgrünland, Entwässerung), Pestizideinsatz (geringe Insektenverfügbarkeit für Jungvögel), ungünstige Bewirtschaftungszeiträume, anthropogene Störungen. Rot- und Schwarzmilan, Wespenbussard: negativer Bestandstrend, welcher vor allem mit der Intensivierung der Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 01.07.2016 17/11343 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11343 Landwirtschaft und dem schwindenden Brutplatzangebot zusammenhängt. Uhu: positiver Bestandstrend aufgrund der Einstellung von Verfolgung sowie Maßnahmen des Artenhilfsprogramms ; weiterhin höhere Aufmerksamkeit seitens der Vogelkundler und Schluss von Erfassungslücken vorangegangener Jahre. Wiesenweihe: positiver Bestandstrend, welcher hauptsächlich auf die Maßnahmen des Artenhilfsprogramms zurückzuführen ist. Dabei spielt der Wechsel des bevorzugten Bruthabitats von Grünland hin zu Ackerland eine wichtige Rolle. Schwarzstorch: positiver Bestandstrend: Einwanderung nach Einstellung/Rückgang menschlicher Verfolgung und Bestandserholung in Osteuropa. 3. Seit wann bestehen für welche der oben genannten Arten Artenhilfsprogramme? Bayern will mit vielfältigen Maßnahmen den Schutz heimischer Vogelarten verbessern. Artenhilfsprogramme (AHP) existieren in Bayern seit 2001 für den Uhu (AHP Felsbrüter), seit 1999 für die Wiesenweihe und seit 2014 für den Kiebitz (AHP Wiesenbrüter). Insgesamt laufen in Bayern über 100 Artenhilfsprogramme zum Schutz gefährdeter Arten. 4. Welche der Artenhilfsmaßnahmen wurden für die einzelnen Arten umgesetzt? Wiesenweihe: Schutz der Bruten vor dem Ausmähen bei der Getreideernte durch „Restflächenmethode“ (Stehenlassen einer Getreidefläche von 50 x 50 m um die Bodenhorste bis zum Ausfliegen der Jungvögel), Brut- und Nahrungsflächen -Management, intensive Zusammenarbeit mit Landwirten , Vermeidung von Anbau von Grünroggen und Feldgras, Ausweisung von Europäischen Schutzgebieten (SPA), Öffentlichkeitsarbeit , Durchführung von zwei internationalen Wiesenweihen-Workshops zum länderübergreifenden Informationsaustausch und zur gegenseitigen Unterstützung bei Schutzmaßnahmen für die Wiesenweihe als Langstrecken- Zieher, Koptereinsatz für die störungsarme Überprüfung des Brutfortschrittes in Bezug auf Mahdtermin, Monitoring des Brutbestands und Bruterfolgs, Aufbau ehrenamtliches Mitarbeiternetz . Uhu: Betreuung von Uhu-Brutplätzen, Beruhigung im Horst-Umfeld (Horst-Schutzzone mit 300-m-Radius), Kletterkonzepte zum Schutz von Brutfelsen, Steinbruchpakt zum Schutz von Brutplätzen in Steinbrüchen/Sandgruben, die noch im Betrieb sind, Sicherung von gefährlichen Energiefreileitungen nach § 41 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), Ausweisung von Europäischen Schutzgebieten (SPA) in Schwerpunktvorkommen, Schutz und Sicherung von strukturreichen Nahrungshabitaten mit guter Nahrungsverfügbarkeit und Nahrungserreichbarkeit, Öffentlichkeitsarbeit , Monitoring von Brutbestand und Bruterfolg, Aufbau ehrenamtliches Mitarbeiternetz. Kiebitz: Im neuen AHP „Wiesenbrüter“ sind kiebitzfördernde Maßnahmen wie z. B. Einrichtung von Kiebitzfenstern , Nestprämien, Anlage von Mulden und Seigen, Besucherlenkung in Schwerpunktgebieten sowie angepasste Nutzung mittels Vertragsnaturschutzprogramm geplant. 5.1 Welche messbaren Effekte hatten die Artenhilfsprogramme für die einzelnen Arten auf die Bestandsentwicklung ? Wiesenweihe: Der Brutbestand in Bayern beläuft sich 2015 auf 227 Paare. Diese brachten 616 Jungvögel zum Ausfliegen. Damit konnte ein Bestandsrekord und ein Bruterfolgsrekord seit Beginn der regelmäßigen Erfassung erreicht werden. 1994 konnten lediglich noch zwei Brutpaare in Bayern ermittelt werden, dies zeigt den großen Erfolg des Artenhilfsprogramms. Der sehr gute Bruterfolg in 2015 ist vor allem in der letztjährigen hohen Feldmausdichte begründet (optimales Nahrungsangebot). Für den Erfolg im Wiesenweihenschutz ist jedoch Voraussetzung, dass die noch nicht flüggen Jungvögel vor dem Ausmähen im Getreide geschützt werden. Uhu: Der Brutbestand in Bayern wird aktuell auf 450–550 Paare geschätzt. Um 1935 wurde der Bestand nur noch mit 22 Paaren angegeben. Der Bestandsanstieg ist u. a. ein Erfolg des Artenhilfsprogramms. Der Bruterfolg ist in weiten Bereichen Bayerns derzeit allerdings sehr gering. Ob sich dies mittel- bis langfristig auf die Bestandsentwicklung auswirken kann, ist derzeit nicht sicher einschätzbar. Daher ist die Fortführung der etablierten Schutzmaßnahmen erforderlich . 5.2 Von welchen Institutionen bzw. Personen sind diese Bestände erfasst worden? Die Erfassungen werden, koordiniert vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), in Zusammenarbeit mit den relevanten Naturschutzverbänden (vor allem Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V., LBV) und ehrenamtlich arbeitenden Art- und Gebietskennern durchgeführt. 5.3 Gibt es eine wissenschaftliche Qualitätsprüfung dieser Ergebnisse? Ja. Durch die mit den Artenhilfsprogrammen beauftragten Fachleute des LBV sowie in Form von Plausibilitätskontrollen durch das LfU. 6. Durch welche staatliche Einrichtung in Bayern werden in welchen zeitlichen Abständen bayernweit Bestandsaufnahmen gefährdeter Brutvögel durchgeführt? Bayernweite Bestandserfassungen der gesamten Brutvogelwelt , die in Atlanten münden, erfolgen in unregelmäßigen Abständen (siehe Antwort 1) unter der Koordination des LfU. Kartierungen von gefährdeten Brutvögeln im Rahmen von Artenhilfsprogrammen werden zum Teil durch Auftragskartierer , zum Teil ehrenamtlich durch Mitglieder von Naturschutzverbänden durchgeführt. Der ehrenamtliche Einsatz macht einen hohen Anteil an den Erfassungen aus. 7. Was hat die Höhere Naturschutzbehörde in der Regierung von Unterfranken getan, um Birkhuhn, Sumpfohreule, Ziegenmelker, Rotschenkel, Lachmöwe , Lachseeschwalbe und den Triel, sowie Raubwürger, Fischadler und die Flussseeschwalbe zu schützen oder wieder heimisch zu machen? Konkrete Maßnahmen erfolgen in Unterfranken beim Birkhuhn durch die „Wildland-Stiftung Bayern“, die vom Bayerischen Naturschutzfonds gefördert wird. Die Regierung von Unterfranken beteiligt sich an diesem Projekt durch die Finanzierung von lebensraumerhaltenden Maßnahmen für diese Art. Gleichzeitig profitiert auch der Raubwürger von diesen Maßnahmen. Rotschenkel, Lachseeschwalbe, Triel, Fischadler und Flussseeschwalbe sind nicht als Brutvögel in Unterfranken Drucksache 17/11343 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 anzutreffen. Die Sumpfohreule ist ein seltener, aber regelmäßiger Durchzügler und brütet höchstens sporadisch. Schutzmaßnahmen für diese Art sind deshalb in der Regel nicht angezeigt (Durchzügler können überall anzutreffen sein, in der Regel keine Brutvorkommen). Die Wiedereinbürgerung bereits ausgestorbener Arten liegt nicht im Brennpunkt der Artenschutzbestrebungen in Bayern – die Schutzbemühungen konzentrieren sich auf die gefährdeten noch vorkommenden Arten und deren Lebensräume . Bei Wiederauftreten der ausgestorbenen Arten (Bsp. Schwarzstorch, s. Frage 2, hier in Kooperation mit den Bayerischen Staatsforsten) ergreifen die Naturschutzbehörden selbstverständlich geeignete Maßnahmen zum Schutz der Brutvorkommen.