Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 05.04.2016 Bürgerentscheid zur Ortsumfahrung Cadolzburg – Beeinflussung durch das Staatliche Bauamt Nürnberg „Markt Cadolzburg Info“ ist das amtliche Mitteilungsblatt des Marktes Cadolzburg. Neben Veröffentlichungen und Bekanntmachungen aus dem Rathaus sind hier u. a. Veranstaltungshinweise , Werbeanzeigen sowie Leserzuschriften zu finden. Am 17. April 2016 findet ein Bürgerentscheid in der Marktgemeinde Cadolzburg über die Weiterführung der Planung der Ortsumgehungsstraße durch das Staatliche Bauamt statt. In den letzten Ausgaben von „Markt Cadolzburg Info“ sind mehrere umfangreiche Beiträge des Staatlichen Bauamts Nürnberg erschienen, die zu dieser in Planung befindlichen Umgehungsstraße von Cadolzburg in einer befürwortenden und sehr unausgewogenen Art und Weise Stellung nehmen. Auch in der neuesten Ausgabe vom 31.03.2016 findet sich eine vierseitige, offenbar bezahlte, Anzeige des Staatlichen Bauamts, die mit „Ausgabe Nr. 6“ als Untertitel versehen ist. Dazu frage ich die Staatsregierung: 1. a) Trifft es zu, dass die Beiträge des Staatlichen Bauamts Nürnberg als bezahlte Anzeigen geschaltet wurden? b) Falls ja, wie viel haben diese Anzeigen des Staatlichen Bauamts Nürnberg den Steuerzahler bisher gekostet bzw. wie viel werden die Anzeigen insgesamt kosten? c) Aus welchen Haushaltstiteln werden die Anzeigen finanziert ? 2. a) Falls bis zum Bürgerentscheid am 17. April 2016 noch weitere Anzeigen geschaltet werden sollen, welche in welchen Medien? b) Wie will die Staatsregierung diese Verwendung von Steuermitteln vor allem dann rechtfertigen, wenn sich die Mehrheit der wahlberechtigten Cadolzburger gegen die Ortsumfahrung ausspricht? 3. a) War das eine eigenständige Entscheidung des Staatlichen Bauamts Nürnberg oder wurde der Wunsch nach einer Anzeigenschaltung an das Staatliche Bauamt Nürnberg herangetragen, und wenn ja, von wem? b) Welche Behördenstellen wurden im Vorfeld über die Idee der Anzeigenschaltung informiert? c) Wer hat entschieden, dass Anzeigen veröffentlicht werden sollen? 4. a) Warum hat das Staatliche Bauamt Nürnberg nicht in demselben Umfang in Anzeigen über die möglichen Alternativen zu einer Umgehungsstraße informiert? b) Hält die Staatsregierung dieses Vorgehen für eine neutrale Information? c) Ist dadurch das Neutralitätsverbot nicht eindeutig verletzt worden? 5. a) Sind andere Fälle bekannt, in denen sich Staatliche Bauämter im Vorfeld eines Bürgerentscheides durch Anzeigenschaltung für ein Projekt ausgesprochen haben ? b) Wenn ja, wo und welche? c) Soll nach Auffassung der Staatsregierung dieses zweifelhafte Vorgehen im Vorfeld von Bürgerentscheiden, wie in Cadolzburg durch Anzeigen von staatlichen Bauämtern für ein Straßenprojekt zu werben, Standard werden und in Zukunft bei vergleichbaren Bürgerentscheiden zur Anwendung kommen? 6. a) Sind ähnliche Fälle aus anderen Staatsministerien bekannt , dass staatliche Behörden sich im Vorfeld eines Bürgerentscheides durch die Schaltung von Anzeigen für oder gegen einen Bürgerentscheid aussprechen? b) Wenn ja, welche? c) Falls ja, in welchen dieser Fälle wurde das Agieren der staatlichen Behörden juristisch angefochten, und falls ja, mit welchem Ergebnis? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 20.05.2016 1. a) Trifft es zu, dass die Beiträge des Staatlichen Bauamts Nürnberg als bezahlte Anzeigen geschaltet wurden? b) Falls ja, wie viel haben diese Anzeigen des Staatlichen Bauamts Nürnberg den Steuerzahler bisher gekostet bzw. wie viel werden die Anzeigen insgesamt kosten? c) Aus welchen Haushaltstiteln werden die Anzeigen finanziert? 2. a) Falls bis zum Bürgerentscheid am 17. April 2016 noch weitere Anzeigen geschaltet werden sollen, welche in welchen Medien? In Abstimmung mit dem Markt Cadolzburg hat das Staatliche Bauamt Nürnberg im Vorfeld des Ratsbegehrens am 17. April 2016 die nachfolgend aufgeführten Artikel im Marktgemeindeblatt „Marktinfo“ zur Information der Bürgerinnen und Bürger von Cadolzburg zum Projekt „Ortsumgehung Cadolzburg “ veröffentlicht: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.07.2016 17/11558 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11558 • 18. Februar 2016 – „Das Bauamt informiert über Ergebnisse der Projektwerkstatt“ (2 Seiten, farbig) • 3. März 2016 – „Die Ergebnisse des Arbeitskreises Landschaftsgestaltung “ (2 Seiten, farbig) • 17. März 2016 – „Sachstand Planung“ (2 Seiten, farbig) • 31. März 2016 – „Lassen Sie die Fakten entscheiden!“ (4 Seiten, farbig) Für die Veröffentlichung dieser vier Artikel im Marktgemeindeblatt „Marktinfo“ fielen gem. Anzeigenpreisliste des Herausgebers Medien Eckert Kosten in Höhe von insgesamt 8.181,35 € an. Diese Ausgaben wurden aus den Haushaltsmitteln für Planungsleistungen des Staatlichen Bauamtes Nürnberg beglichen. Weitere Veröffentlichungen sind nicht geplant. b) Wie will die Staatsregierung diese Verwendung von Steuermitteln vor allem dann rechtfertigen, wenn sich die Mehrheit der wahlberechtigten Cadolzburger gegen die Ortsumfahrung ausspricht? Die Ortsumgehung Cadolzburg im Zuge der Staatsstraße 2409 ist im geltenden 7. Ausbauplan für die Staatsstraßen in Bayern in 1. Dringlichkeit enthalten, womit der Straßenbauverwaltung ein Planungsauftrag erteilt wurde. Innerhalb der verschiedenen Projektphasen sind dabei regelmäßig geeignete Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit erforderlich mit dem Ziel, über ein Vorhaben bzw. damit verbundene Auswirkungen zu informieren. Der Planungsprozess zur Ortsumfahrung von Cadolzburg im Zuge der St 2409 war stets ein besonders transparentes Verfahren. Im Rahmen der Projektwerkstatt Cadolzburg wurden mit interessierten Bürgern Grundlagen für eine sachorientierte Entscheidung Pro/Kontra erarbeitet. Am 17. April 2016 hat ein Ratsbegehren stattgefunden. Dadurch wurden die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar in die Entscheidungsfindung des Marktes Cadolzburg zum Projekt „St 2409, Neubau der Ortsumgehung Cadolzburg“ eingebunden. Die vom Staatlichen Bauamt veröffentlichten Artikel dienten dazu, die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger über Ergebnisse der Projektwerkstatt und des ebenfalls für dieses Projekt installierten Arbeitskreises Landschaftsgestaltung sowie über den bisherigen und weiteren Planungsprozess zu informieren. Gerade in Hinblick auf die vergleichsweise zeit- und damit auch kostenintensive Bürgerwerkstatt ist unseres Erachtens der Einsatz von Mitteln für Veröffentlichungen in der genannten Höhe gerechtfertigt. Im Übrigen handelt es sich bei den genannten Veröffentlichungen jeweils um eine Information, sodass kein Zusammenhang zwischen der Öffentlichkeitsarbeit und dem Ausgang des Ratsbegehrens gesehen wird. 3. a) War das eine eigenständige Entscheidung des Staatlichen Bauamts Nürnberg oder wurde der Wunsch nach einer Anzeigenschaltung an das Staatliche Bauamt Nürnberg herangetragen, und wenn ja, von wem? b) Welche Behördenstellen wurden im Vorfeld über die Idee der Anzeigenschaltung informiert? c) Wer hat entschieden, dass Anzeigen veröffentlicht werden sollen? Das Staatliche Bauamt Nürnberg hat als Vorhabensträger durch Art. 25 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung bei Projekten, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange Dritter haben, eine besondere Informationspflicht. Dieser Informationspflicht ist das Staatliche Bauamt Nürnberg mit den vier veröffentlichten Artikeln nachgekommen. Für den Informationsweg gibt es weder ein vorgeschriebenes Verfahren noch ein Verbot, hierfür in eigenem Ermessen staatliche Mittel einzusetzen. Nach Rücksprache mit dem Markt Cadolzburg erschien das Marktgemeindeblatt „Marktinfo“ als das geeignetste Medium , um eine große Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern zu erreichen und damit die Wahlberechtigten des Ratsbegehrens über die Ergebnisse der Projektwerkstatt zu informieren . Das Staatliche Bauamt Nürnberg hat die Entscheidung nach eigenem Ermessen getroffen, eine Einbindung weiterer Behörden war nicht angezeigt. 4. a) Warum hat das Staatliche Bauamt Nürnberg nicht in demselben Umfang in Anzeigen über die möglichen Alternativen zu einer Umgehungsstraße informiert ? Im Rahmen der Projektwerkstatt wurden auch innerörtliche Alternativen zur Behebung der bestehenden Mängel im Verkehrsablauf in der Ortsdurchfahrt geprüft. Die untersuchten, innerörtlichen Maßnahmen wären jedoch nicht geeignet, diese Mängel zu beseitigen. Die denkbaren Alternativen wurden im Rahmen eines Projekttages am 14. November 2015 der Öffentlichkeit ausführlich vorgestellt. Dabei wurden Informationsflyer über die Gründe für das Ausscheiden der innerörtlichen Lösungen verteilt. Diese finden sich auch auf der Internetseite zur Projektwerkstatt. In den Artikeln wurde dann darauf hingewiesen, dass letztlich keine innerörtliche Planungsalternative eine nachhaltige Entlastung der Ortsdurchfahrt und der hoch belasteten Wohnstraßen bewirken kann. In den Veröffentlichungen wurden diesbezüglich nur die wesentlichen Ergebnisse dargestellt. b) Hält die Staatsregierung dieses Vorgehen für eine neutrale Information? c) Ist dadurch das Neutralitätsverbot nicht eindeutig verletzt worden? Sowohl die im vorliegenden Fall gewählte Form als auch die veröffentlichten Inhalte selbst sind geeignet, die Bürgerinnen und Bürger in neutraler Weise zu informieren. Die Frage 4 b ist somit mit Ja zu beantworten. Die Veröffentlichungen stehen in keinerlei parteipolitischem Zusammenhang und widersprechen nicht der im Beamtenrecht verankerten Verpflichtung zur parteipolitischen Neutralität im Dienst. 5. a) Sind andere Fälle bekannt, in denen sich Staatliche Bauämter im Vorfeld eines Bürgerentscheides durch Anzeigenschaltung für ein Projekt ausgesprochen haben? Ja. b) Wenn ja, wo und welche? Das Staatliche Bauamt Ansbach hat im Jahr 2014 im Vorfeld eines Bürgerentscheids zur Ortsumfahrung Burk im Zuge der St 2220 die Bürgerinnen und Bürger mittels einer Veröffentlichung im gemeindlichen Mitteilungsblatt informiert. Die anfallenden Kosten hat hier die Gemeinde übernommen. c) Soll nach Auffassung der Staatsregierung dieses zweifelhafte Vorgehen im Vorfeld von Bürgerentscheiden , wie in Cadolzburg durch Anzeigen von staatlichen Bauämtern für ein Straßenprojekt zu werben, Standard werden und in Zukunft bei ver- Drucksache 17/11558 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gleichbaren Bürgerentscheiden zur Anwendung kommen? Mit Veröffentlichung in gemeindlichen Mitteilungsblättern, die für die Bürgerinnen und Bürger kostenfrei verteilt werden , wird üblicherweise ein Großteil der Bevölkerung erreicht . Somit kann eine neutrale Information eines großen Personenkreises erreicht werden. Nach Auffassung der Bayerischen Staatsbauverwaltung ist bei jedem Vorhaben zu überprüfen, welches Medium (Veröffentlichung, Broschüren , usw.) oder Veranstaltung (Bürgerversammlung o. dgl.) im Einzelfall und in welcher Planungsstufe geeignet ist, der Informationspflicht Genüge zu tun. 6. a) Sind ähnliche Fälle aus anderen Staatsministerien bekannt, dass staatliche Behörden sich im Vorfeld eines Bürgerentscheides durch die Schaltung von Anzeigen für oder gegen einen Bürgerentscheid aussprechen? Zur Frage, ob ähnliche Fälle aus anderen Staatsministerien bekannt sind, wurde eine Abfrage durchgeführt. Dabei wurde von weitergehenden Abfragen in den jeweils nachgeordneten Bereichen in Anbetracht der für die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit abgesehen . Ein ähnlich gelagerter Fall wurde dabei vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst mitgeteilt. b) Wenn ja, welche? Im Vorfeld der Errichtung eines Erweiterungsbaus für die Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) Würzburg -Schweinfurt am Sanderheinrichsleitenweg fand ein Bürgerentscheid statt. Die Hochschule hat im Vorfeld aktiv für die Baumaßnahme geworben, z. B. durch eine entsprechende Pressearbeit und auch durch Informationsmaßnahmen in der Innenstadt. Durch die Hochschule wurden auch Anzeigen geschaltet. c) Falls ja, in welchen dieser Fälle wurde das Agieren der staatlichen Behörden juristisch angefochten, und falls ja, mit welchem Ergebnis? Das Vorgehen im unter 6 b genannten Fall wurde nicht juristisch angefochten.