Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Schuster SPD vom 06.04.2016 Körperliche Gewalt gegen Rettungskräfte und Polizei In der öffentlichen Diskussion und der medialen Berichterstattung ist, ausgelöst durch Vorschläge aus der Innenministerkonferenz , eine erneute Ausweitung des Strafmaßes für Gewalt gegen Rettungssanitäter, Polizeibeamte und Feuerwehrleute in den Fokus gerückt. Vor diesem Hintergrund bedarf es aktueller Zahlen und Informationen zu tatsächlichen Fallzahlen, der Bestrafungspraxis und anderweitiger Präventionsmaßnahmen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und Polizeibeamte sind durch gewalttätige Übergriffe in den vergangenen drei Jahren jeweils zu Schaden gekommen (bitte aufgeteilt in die verschiedenen Berufsgruppen )? 2. Zu wie vielen Anzeigen und Verurteilungen kam es aufgrund dieser Angriffe? 3. Wie hoch waren das maximale und das am häufigsten verhängte Strafmaß für Angriffe auf Rettungskräfte in den vergangenen drei Jahren? 4. a) Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung ergriffen, um Rettungskräfte vor Übergriffen zu schützen, Maßnahmen zur Aufklärung über und Prävention von Gewalttaten ? b) Ausstattung zum Schutz der Rettungskräfte? c) Änderungen in der Praxis der Anzeige, Ermittlung und Verurteilung? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12.05.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und Polizeibeamte sind durch gewalttätige Übergriffe in den vergangenen drei Jahren jeweils zu Schaden gekommen (bitte aufgeteilt in die verschiedenen Berufsgruppen)? Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik ergibt sich für Feuerwehrleute und Einsatzkräfte des Rettungsdienstes folgendes Zahlenbild: Feuerwehrleute 2015: 76 Feuerwehrleute 2014: 79 Feuerwehrleute 2013: 128 Einsatzkräfte Rettungsdienst 2015: 198 Einsatzkräfte Rettungsdienst 2014: 185 Einsatzkräfte Rettungsdienst 2013: 122 Aus den Landeslagebildern „Gewalt gegen Polizeibeamte“ ergibt sich für verletzte Polizeibeamte folgendes Zahlenbild: Polizeibeamte 2015: 2.051 Polizeibeamte 2014: 1.887 Polizeibeamte 2013: 1.925 2. Zu wie vielen Anzeigen und Verurteilungen kam es aufgrund dieser Angriffe? 3. Wie hoch waren das maximale und das am häufigsten verhängte Strafmaß für Angriffe auf Rettungskräfte in den vergangenen drei Jahren? Zu diesen Fragen liegt im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz kein entsprechendes statistisches Zahlenmaterial vor. Weder aus der Justizgeschäftsstatistik der Staatsanwaltschaften noch aus der nach bundesweiten Vorgaben geführten bayerischen Strafverfolgungsstatistik lassen sich für die vorgenannten Fragen aussagekräftige Zahlen entnehmen. Die Verfahrenserhebung der Staatsanwaltschaften entsprechend der Justizgeschäftsstatistik ist nach Deliktsarten bzw. nach Deliktsgruppen gegliedert. Eine Erfassung nach Opfern der Straftaten erfolgt nicht. Die nach bundesweiten Vorgaben geführte bayerische Strafverfolgungsstatistik liefert Angaben über rechtskräftig abgeurteilte und verurteilte Personen. Sie ist grundsätzlich ebenfalls nach Delikten bzw. Deliktsarten gegliedert. Eine berufsbezogene Erfassung von durch Straftaten Geschädigten erfolgt nicht. Aussagen zur Anzahl der gewalttätigen Übergriffe auf Feuerwehrleute, Rettungsdienstmitarbeiter und Polizeibeamte und zu den in diesem Zusammenhang geführten Ermittlungs - und Strafverfahren und deren Ausgang können daher nicht getroffen werden. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.07.2016 17/11559 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11559 Aus dem Geschäftsbereich des Innenministeriums kann dazu ergänzend berichtet werden, dass jeder Sachverhalt, der zu einer Verletzung von Polizeibeamten geführt hat, zur Anzeige gebracht wurde. In den Landeslagebildern „Gewalt gegen Polizeibeamte“ werden zwar Zahlen zu einzelnen Deliktsarten wie z. B. Körperverletzungsdelikte dargestellt, die Zahlen der verletzten Polizeibeamten und den daraus resultierenden Anzeigen sind jedoch nicht kongruent, da es möglich ist, dass bei einer Anzeige mehrere verletzte Polizeivollzugsbeamte betroffen sind. Des Weiteren finden für die Fallzählung die entsprechenden Richtlinien für die Führung der bundesweiten Polizeilichen Kriminalitätsstatistik Anwendung. Dies bedeutet, dass bei mehreren in Tateinheit oder natürlicher Handlungseinheit verübten Gesetzesverstößen nur die Straftat erfasst wird, für die nach Art und Maß die schwerste Strafe angedroht wird. Dies hat zur Folge, dass z. B. Fälle der Körperverletzung zum Nachteil eines Polizeibeamten nicht in die Zahlen zur Kategorie „Körperverletzung“ eingehen, wenn sie in Tateinheit z. B. mit einem schweren Landfriedensbruch erfolgt sind, da das letztgenannte Delikt der höheren Strafandrohung unterliegt. Die Registrierung der Tat in diesem Beispielsfall geht in die Statistik unter dem schweren Landfriedensbruch ein. Somit können verletzte Polizeibeamte auch unter einer Deliktsart erfasst sein, die nicht unbedingt einen Verletzten impliziert. Eine Darstellung der tatsächlichen Anzeigenzahlen wäre nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand durch Überprüfung aller gemeldeten GewaPol-Fälle durch die jeweiligen Verbände möglich. Eine Verurteilungsstatistik wird von der Bayerischen Polizei nicht geführt. 4. a) Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung ergriffen , um Rettungskräfte vor Übergriffen zu schützen , Maßnahmen zur Aufklärung über und Prävention von Gewalttaten? b) Ausstattung zum Schutz der Rettungskräfte? Auch wenn es tragische Einzelfälle gibt, ist im Einsatzalltag Gewalt gegen Rettungskräfte bislang die Ausnahme. Das muss nach dem Willen der Staatsregierung auch so bleiben, denn jeder Angriff auf Rettungskräfte ist auf das Schärfste zu verurteilen. Seitens der Staatsregierung kann und wird daher bereits heute die jederzeitige Unterstützung der nichtpolizeilichen Einsatzkräfte durch die Polizei gewährleistet. Bestehen im jeweiligen Einsatz Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Rettungskräfte, wird die Polizei beteiligt. Überdies setzt sich die Staatsregierung bereits seit Jahren für Verbesserungen des strafrechtlichen Schutzes von Polizeibeamten und sonstigen Einsatzkräften ein. So hat sie bereits das zum 5. November 2011 in Kraft getretene „44. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ unterstützt, mit dem der Schutz der genannten Personen verbessert wurde, und weitergehend gefordert, dass tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte auch dann unter Strafe gestellt werden, wenn dabei keine Vollstreckungshandlung vorgenommen wird. Weiterhin unterstützt die Staatsregierung die Bestrebungen einiger Länder, den Strafrahmen bei Gewalt gegen Einsatzkräfte zu erhöhen. Im Gegensatz zu den Einsatzkräften der Polizei ist der Freistaat Bayern jedoch nicht Dienstherr der Einsatzkräfte des Rettungsdienstes oder der Feuerwehr. Die Einsatzkräfte des Rettungsdienstes werden von den Durchführenden des Rettungsdienstes auf der Grundlage von Arbeitsverträgen beschäftigt. Daher sind der Arbeitgeber für die Rettungsdienstmitarbeiter und die Gemeinden für die Feuerwehrleute primäre Ansprechpartner sowohl für die Aus- und Fortbildung als auch für die Schutzausstattung. Die Hilfsorganisationen haben deshalb z. B. flächendeckend Deeskalationsschulungen in ihre Fortbildungsprogramme integriert, die sich auch bewährt haben. Eine Schutzausstattung (Schutzwesten, Pfefferspray etc.) wird hingegen vom Bayerischen Roten Kreuz als dem größten Arbeitgeber im Rettungsdienst abgelehnt – es wird befürchtet , dass dies eher zu einer Eskalation führen könnte. c) Änderungen in der Praxis der Anzeige, Ermittlung und Verurteilung? Es wurden und werden bei jeder Anzeigeerstattung zum Nachteil von Rettungskräften und Polizeibeamten entsprechende Ermittlungen geführt und nach deren Abschluss der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Auf die Praxis der Anzeigeerstattung hat die Justiz im Übrigen keinen Einfluss. Ihre gesetzliche Aufgabe ist es, Anzeigen entgegenzunehmen. Hierbei unterstützt sie die Opfer von Straftaten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben und darüber hinaus, beispielsweise mittels der Einrichtung von Zeugenbetreuungsstellen oder der Vermittlung weitergehender Hilfsangebote von Opferschutzeinrichtungen. Die Staatsanwaltschaften sind nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, Ermittlungen durchzuführen, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Die bayerischen Staatsanwaltschaften kommen diesem gesetzlichen Auftrag konsequent nach. Soweit Straftaten grundsätzlich auf dem Privatklageweg zu verfolgen wären, wie dies beispielsweise bei einfachen Körperverletzungen der Fall ist, gehen sie in Fällen körperlicher Gewalt gegen Einsatzkräfte, die im Zusammenhang mit deren Berufsausübung stehen, regelmäßig von einem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung aus. Generalund Spezialprävention sind stets auch bei der Strafantragstellung im Blick. Die Praxis der Verurteilung nebst etwaiger Änderungen entzieht sich dem Einflussbereich der Staatsregierung. Die Gerichte entscheiden in verfassungsrechtlich gewährleisteter richterlicher Unabhängigkeit. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 4 a Bezug genommen .