Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 29.04.2016 Praxis der Verhängung von Ersatzstrafen bei psychisch Kranken Es kommt regelmäßig vor, dass psychisch Kranke, die in prekären Verhältnissen leben, aufgrund von Delikten wie Schwarzfahren oder geringfügigem Cannabisbesitz, zu Geldstrafen verurteilt werden, die sie nicht bezahlen können , und dann eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Betroffene verbüßen derzeit in den Justizvollzugsanstallten (JVA) in Bayern Ersatzfreiheitsstrafen (bitte aufgeschlüsselt nach JVAs)? 2. Um welche Vergehen handelt es sich dabei? 3. Welche Dauer haben die Ersatzfreiheitsstrafen? 4. In wie vielen Fällen wird anlässlich einer Ersatzfreiheitsstrafe eine psychiatrische Behandlung in der JVA oder, mit erfolgter Verlegung, in psychiatrischen Krankenhäusern erforderlich? 5. Wie hoch ist hierbei der Anteil der Wohnungslosen bzw. Menschen in prekären Verhältnissen? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 29.05.2016 1. Wie viele Betroffene verbüßen derzeit in den Justizvollzugsanstallten (JVA) in Bayern Ersatzfreiheitsstrafen (bitte aufgeschlüsselt nach JVAs)? Zum Stichtag 30. April 2016 verbüßten in bayerischen Justizvollzugsanstalten insgesamt 725 Gefangene Ersatzfreiheitsstrafen . Die betroffenen Gefangenen verteilten sich dabei auf die einzelnen Justizvollzugsanstalten wie folgt: Aichach: 51 Gefangene; Amberg: 11 Gefangene; Ansbach : 3 Gefangene; Aschaffenburg: 16 Gefangene; Augsburg : 30 Gefangene; Bad Reichenhall: 4 Gefangene; Bamberg : 23 Gefangene; St. Georgen-Bayreuth: 9 Gefangene; Bernau: 109 Gefangene; Ebrach: 1 Gefangener; Erding: 1 Gefangener; Garmisch-Partenkirchen: 13 Gefangene; Hof: 14 Gefangene; Ingolstadt: 1 Gefangener; Kaisheim: 17 Gefangene ; Kempten: 24 Gefangene; Kronach: 9 Gefangene; Landsberg a. Lech: 24 Gefangene; Landshut: 25 Gefangene ; Memmingen: 6 Gefangene; München: 113 Gefangene; Neuburg a. Donau: 3 Gefangene; Niederschönenfeld: 17 Gefangene; Nürnberg: 99 Gefangene; Passau: 11 Gefangene ; Regensburg: 28 Gefangene; Schweinfurt: 6 Gefangene; Straubing: 2 Gefangene; Traunstein: 20 Gefangene; Weiden i. d. Opf.: 5 Gefangene; Würzburg: 30 Gefangene. 2. Um welche Vergehen handelt es sich dabei? Statistiken zu der Frage, welche Straftatbestände von Gefangenen , die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, verwirklicht wurden, werden durch die bayerischen Justizbehörden nicht erhoben. Die durch das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung jährlich veröffentlichte Strafvollzugsstatistik differenziert zwar nach Delikten, jedoch nicht nach Gefangenen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Grundsätzlich kommt die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe in all den Fällen in Betracht, in denen eine Geldstrafe verhängt wurde. Ist die Geldstrafe uneinbringlich, tritt an ihre Stelle Freiheitsstrafe als Ersatzfreiheitsstrafe. Ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dabei einem Tagessatz der Geldstrafe (§ 43 des Strafgesetzbuchs). In Bayern besteht daneben die Möglichkeit, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden, wenn die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann (Projekt „Schwitzen statt Sitzen“). Diese Arbeit muss unentgeltlich sein und darf nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen. Den Verurteilten bleibt hierdurch die Haft erspart. Die Allgemeinheit wird nicht mit zusätzlichen Sicherheitsrisiken belastet, da es sich bei den Verurteilten um Personen handelt , bei denen das erkennende Gericht eine Geldstrafe als Sanktion für ausreichend gehalten hat. Als weiterer Effekt werden die Justizvollzugsanstalten entlastet. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.07.2016 17/11580 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11580 Das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ wird bereits seit über zehn Jahren erfolgreich durchgeführt. Im Jahre 2014 konnten durch die Vermittlung von sozialen Einrichtungen rund 70.000 Hafttage vermieden werden. In diesem Zusammenhang wurden von den Verurteilten mehr als 434.000 Arbeitsstunden zum Wohle der Bevölkerung abgeleistet (die aktuellen Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor). 3. Welche Dauer haben die Ersatzfreiheitsstrafen? Statistiken zu der Frage der Dauer der verbüßten Ersatzfreiheitsstrafen werden durch die bayerischen Justizbehörden nicht erhoben. Die durch das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung jährlich veröffentlichte Strafvollzugsstatistik differenziert zwar nach der voraussichtlichen Vollzugsdauer, jedoch nicht nach Gefangenen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe (in Abgrenzung zu einer sonstigen Freiheitsstrafe ) verbüßen. Das theoretische Mindest- bzw. Höchstmaß der Ersatzfreiheitsstrafe beträgt gemäß den diesbezüglich maßgeblichen §§ 40 und 43 des Strafgesetzbuchs als Einzelstrafe mindestens einen und höchstens dreihundertsechzig Tage. Wird eine Geldstrafe als Gesamtstrafe gebildet, beträgt das Höchstmaß gemäß § 54 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs siebenhundertzwanzig Tagessätze, sodass das Höchstmaß einer Ersatzfreiheitsstrafe in diesem Fall ebenfalls siebenhundertzwanzig Tage beträgt. 4. In wie vielen Fällen wird anlässlich einer Ersatzfreiheitsstrafe eine psychiatrische Behandlung in der JVA oder, mit erfolgter Verlegung, in psychiatrischen Krankenhäusern erforderlich? Statistiken zu der Frage, in welchen Fällen anlässlich einer Ersatzfreiheitsstrafe eine psychiatrische Behandlung in der Justizvollzugsanstalt oder, im Wege der Verlegung, in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlich werden, werden weder durch die bayerischen Justizbehörden noch durch das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung erhoben. Wie sämtliche anderen Gefangenen auch haben Gefangene , die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, Anspruch auf Gesundheitsfürsorge gemäß Art. 58 ff. des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz – BayStVollzG) und erhalten gemäß den dort geregelten Voraussetzungen die erforderlichen Behandlungsleistungen. Soweit für eine Behandlung eine Verlegung in ein psychiatrisches Krankenhaus erforderlich ist, wird diese vorgenommen. 5. Wie hoch ist hierbei der Anteil der Wohnungslosen bzw. Menschen in prekären Verhältnissen? Statistiken zu der Frage, wie hoch der Anteil der Wohnungslosen bzw. Menschen in prekären Verhältnissen unter den Gefangenen ist, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, werden weder durch die bayerischen Justizbehörden noch durch das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung erhoben.