Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20.04.2016 Bekämpfung der Kastanienminiermotte in Bayern Die Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella) tritt seit Anfang der 90iger-Jahre in Mitteleuropa auf und befällt weiß blühende Rosskastanien. Der Larvenfraß führt zu einer Braunfärbung der Blätter und bei starkem Befall zu einem vorzeitigen Abwurf der Blätter. Bisher konnten sich aufgrund der relativ kurzen Zeit seit ihrem ersten Erscheinen nur wenige natürliche Freßfeinde auf die Kastanienminiermotte einstellen. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Liegt inzwischen ein flächendeckender Befall Bayerns durch die Kastanienminiermotte vor? b) Wenn nein, welche Landkreise sind bisher nicht oder kaum befallen? 2. a) Welche Schäden verursacht die Kastanienminiermotte an Rosskastanien? b) Wurde durch diese Schäden auch ein Absterben der Bäume festgestellt? 3. Welche Empfehlungen geben die staatlichen Beratungsstellen zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte ? 4. Welche Baumarten können Rosskastanien in ihrer Funktion als Biergartenbäume am besten ersetzen? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die Bekämpfung der Kastanienminiermotte mit Pestiziden? 6. Wurde für die Bekämpfung der Kastanienminiermotte am 24.07.2015 in einem Biergarten in Ratzenhofen Lkr. Kelheim mit Insektizid, das über eine Hopfenblasspritze ausgebracht wurde, eine Ausnahmegenehmigung a) beantragt? b) erteilt? c) Wenn nicht, welche rechtlichen Konsequenzen hat dieser nicht genehmigte Pestizideinsatz? 7. Wie viele Ausnahmegenehmigungen zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte mit Pestiziden auf gewerblichen oder öffentlichen Flächen wurden in den letzten 5 Jahren a) beantragt? b) erteilt (bitte Jahr und Landkreis angeben)? 8. Hält die Staatsregierung eine Bekämpfung von Kastanienminiermotten durch Pestizide für eine geeignete Bekämpfungsmethode im bebauten Bereich? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 30.05.2016 1. a) Liegt inzwischen ein flächendeckender Befall Bayerns durch die Kastanienminiermotte vor? b) Wenn nein, welche Landkreise sind bisher nicht oder kaum befallen? Die Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella) wurde erstmals 1985 am Ohrider See in Süd-Mazedonien entdeckt und nach dem Ort des ersten Auffindens benannt. Von dort aus hat sich die Kastanienminiermotte unaufhaltsam bis nach Nord- und Westeuropa ausgebreitet. Bayern ist seit ca. 20 Jahren flächendeckend befallen. 2. a) Welche Schäden verursacht die Kastanienminiermotte an Rosskastanien? b) Wurde durch diese Schäden auch ein Absterben der Bäume festgestellt? Die Kastanienminiermotte befällt hauptsächlich die Blätter der weiß blühenden Rosskastanie (Aesculus hippocastanum ), die rot blühenden Spezies bleiben dagegen weitgehend befallsfrei. Bei starkem Eiablagedruck können gelegentlich auch andere Bäume belegt werden, die Larven entwickeln sich dort aber nicht oder nur schwach. Der Kleinschmetterling kann 3 bis 4 Mal pro Jahr seine Eier auf den Kastanienblättern ablegen. Die erste Generation tritt zur Zeit der Kastanienblüte Mitte Mai auf, die zweite Anfang/ Mitte Juli, die dritte Mitte August. Die schlüpfenden Larven fressen sog. Löffelminen in das Schwammgewebe der Blätter . Durch die Fraßtätigkeit werden die Blätter geschädigt, verbräunen sektorenweise und vertrocknen vorzeitig. Die Larven der letzten Generation überwintern als Puppen im Falllaub. Die Bäume werden durch diesen Schaden zwar geschwächt und in der Fotosyntheseleistung gemindert, aber sie sterben nach jetziger Kenntnis dadurch nicht ab. Wesentlich stärker zu bewerten ist der optische Schaden, der die Bäume krank erscheinen lässt. Gleichzeitig mit der Kastanienminiermotte tritt meist auch eine Pilzkrankheit, die Kastanienblattbräune (Guignardia aesculi), auf, die eben- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.08.2016 17/11730 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11730 falls verbräunende Blattflecken verursacht. Zunehmend werden in den letzten Jahren auch Bakteriosen wie z. B. Pseudomonas syringae pv. aesculi beobachtet, die die Bäume erheblich schwächen können. 3. Welche Empfehlungen geben die staatlichen Beratungsstellen zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte ? Für eine chemische Bekämpfung der Kastanienminiermotte ist zurzeit kein Pflanzenschutzmittel zugelassen und in vielen Fällen auch nicht notwendig. Für eine Verringerung des Erstbefalls im Frühjahr ist es von entscheidender Bedeutung , dass ab dem Spätsommer das Falllaub regelmäßig und gründlich entfernt wird, um die Anzahl der überwinternden Puppen zu reduzieren. Kleine Laubmengen können über den Hausmüll entsorgt werden, größere Mengen sollten örtlichen Kompostieranlagen zugeführt werden. Eine vollständige Eindämmung ist damit nicht erzielbar, der Befallsdruck der ersten Generation wird dadurch aber deutlich herabgesetzt. Untersuchungen des Instituts für Pflanzenschutz der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ergaben, dass zahlreiche heimische Schlupf- und Erzwespenarten die Kastanienminiermotte-Larven parasitieren. Die Nützlinge sind jedoch wenig spezifisch und Parasitierungsraten von bis zu 10 % für eine ausreichende Bekämpfung zu gering. 4. Welche Baumarten können Rosskastanien in ihrer Funktion als Biergartenbäume am besten ersetzen ? Die meisten gängigen Arten und Sorten der Linden (Winterbzw . Sommerlinde) sind grundsätzlich geeignet, die Rosskastanie im Biergarten zu ersetzen. Empfehlenswert sind Arten und Sorten, die im Sommer weniger stark von Blattläusen befallen werden und bei denen damit einhergehend weniger Probleme mit Honigtauabsonderungen auftreten. Als Beispiel hierfür sind die Silberlinde (Tilia tomentosa) und die Krimlinde (Tilia euchlora) zu nennen. 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die Bekämpfung der Kastanienminiermotte mit Pestiziden? Außerhalb von Produktionsflächen für Kastanienbäume (Baumschulen) wird keine Notwendigkeit einer direkten chemischen Bekämpfung der Kastanienminiermotte gesehen . Darüber hinaus ist, bedingt durch die übliche Größe der Bäume (Höhe bis zu 25 m), die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln nach guter fachlicher Praxis i. d. R. technisch nicht durchführbar. Ebenso haben sich auch bei entsprechenden Versuchsanstellungen sog. Injektionsbehandlungen der Bäume bislang nicht bewährt. 6. Wurde für die Bekämpfung der Kastanienminiermotte am 24.07.2015 in einem Biergarten in Ratzenhofen Lkr. Kelheim mit Insektizid, das über eine Hopfenblasspritze ausgebracht wurde, eine Ausnahmegenehmigung a) beantragt? b) erteilt? c) Wenn nicht, welche rechtlichen Konsequenzen hat dieser nicht genehmigte Pestizideinsatz? Für die offenbar durchgeführte Insektizidbehandlung der Kastanienbäume im Biergarten Ratzenhofen wurde keine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) beantragt und insofern auch keine erteilt. Der nicht genehmigte Pflanzenschutzmitteleinsatz stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und ist bußgeldbewehrt. Die Fläche des Biergartens fällt zudem in Gänze unter die Flächen nach § 17 PflSchG (Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind). Das zur Rede stehende Insektizid ist für Flächen , die für die Allgemeinheit bestimmt sind, bzw. speziell für Biergartenflächen, nicht zugelassen. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 7. Wie viele Ausnahmegenehmigungen zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte mit Pestiziden auf gewerblichen oder öffentlichen Flächen wurden in den letzten 5 Jahren a) beantragt? b) erteilt (bitte Jahr und Landkreis angeben)? Zuständig für die Erteilung von entsprechenden Ausnahmegenehmigungen sind die Fachzentren Pflanzenbau der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Eine bayernweite Auswertung des Instituts für Pflanzenschutz der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ergab, dass in den letzten fünf Jahren (2011–2015) keine Ausnahmegenehmigung zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte beantragt und folglich auch keine Genehmigung erteilt wurde. 8. Hält die Staatsregierung eine Bekämpfung von Kastanienminiermotten durch Pestizide für eine geeignete Bekämpfungsmethode im bebauten Bereich ? Mit Ausnahme bei der Pflanzenanzucht in Baumschulen wird eine chemische Bekämpfung der Kastanienminiermotte weder in der freien Landschaft noch im bebauten Bereich für erforderlich gehalten. Es handelt sich hier mehr um einen ästhetischen als einen tatsächlichen Schaden an den Kastanien . Die beste Bekämpfungsmethode ist nach wie vor die kontinuierliche und vollständige Entfernung des Falllaubes im Spätsommer/Herbst (s. auch Antwort zu Frage 3).