Die Frage 2 a ist insofern möglicherweise missverständlich formuliert, als es keine Messmethode zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK) ohne Entnahme einer Blutprobe gibt. Eine Konvertierung der Werte der Atemalkoholkonzentration (AAK) in BAK-Werte ist nicht mit der für das Beweismaß im Strafrecht erforderlichen Zuverlässigkeit möglich . Bezieht man die Frage darauf, ob die Atemalkoholanalyse ein beweissicheres Verfahren zum Nachweis der Fahrunsicherheit darstellt, so gilt Folgendes: Atemalkoholtests liefern nur im Bereich der Ordnungswidrigkeitenverfahren (zumeist) beweissichere Werte zur Bestimmung der Alkoholisierung des Betroffenen. Im (Straßenverkehrs -)Ordnungswidrigkeitenrecht ist das Überschreiten einer bestimmten BAK bzw. AAK bereits derzeit ausdrückliches eigenständiges Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 24 a Absatz 1 Straßenverkehrsgesetz („0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut“). Der Nachweis der Erfüllung der in § 24 a Absatz 1 Straßenverkehrsgesetz statuierten Ordnungswidrigkeit kann daher (auch) durch einen Atemalkoholtest geführt werden. Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber im Verkehrsstrafrecht das Fahrunsicherheits-Konzept, nicht das Grenzwert -Konzept: Für die Frage, wann jemand aufgrund Alkoholeinflusses fahrunsicher im Sinne der §§ 315 c Absatz 1 Nummer 1 a, 316 Strafgesetzbuch ist, hat der Gesetzgeber keinen Grenzwert festgelegt. Die strafrechtlich relevanten Grenzwerte beruhen vielmehr auf der Auslegung des Gesetzes durch die Rechtsprechung. Die Rechtsprechung unterscheidet hier zwischen absoluter und relativer Fahrunsicherheit . Der Begriff der „absoluten“ Fahrunsicherheit knüpft an dem zentralen Ergebnis der Alkoholforschung an, wonach jeder Mensch ab einer bestimmten Alkoholisierung derart starke Leistungsminderungen und Persönlichkeitsveränderungen aufweist, dass er das Fahrzeug nur noch gefährlich führen kann. Nach gefestigter Rechtsprechung ist z. B. bei einem Pkw- oder Motorrad-Fahrer von „absoluter“ Fahrunsicherheit ab einer BAK von 1,1 ‰ auszugehen; eine „relative “ Fahrunsicherheit kann schon ab einer BAK von 0,3 ‰ vorliegen, sofern noch weitere alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vorliegen. Die Rechtsprechung zu den Grenzwerten ist auf die Blutalkoholkonzentration bezogen. Die Messung der BAK setzt eine Blutentnahme voraus. Die Atemmessung erweist demgegenüber als eigenständiges Verfahren direkt nur die Atemalkoholkonzentration. Der „absoluten“ Fahrunsicherheit entsprechende Grenzwerte hat die Rechtsprechung bisher für die Atemalkoholkonzentration nicht anerkannt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in der Wissenschaft weiter umstritten ist, ob eine Atemalkoholanalyse als allei- 17. Wahlperiode 11.08.2016 17/11774 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 29.04.2016 Atemalkoholanalysen im Verkehrsstraftatenbereich Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist festgehalten , dass zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration auf körperliche Eingriffe zugunsten moderner Messmethoden verzichtet werden soll. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Ist der Staatsregoerimg der Sachstand in Bezug auf die Einführung der Atemalkoholanalyse im Verkehrsstraftatenbereich bekannt? 2 a) Handelt es sich bei der Atemalkoholanalyse als Messmethode um ein beweissicheres Verfahren zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration? b) Verneinendenfalls, sieht die Staatsregierung Möglichkeiten , diese zu einem beweissicheren Verfahren im Verkehrsstraftatenbereich zu machen? 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Tatsache, dass die Atemalkoholanalyse in 11 europäischen Ländern auch im Verkehrsstraftatenbereich zum Einsatz kommt? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 30.05.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Ist der Staatsregierung der Sachstand in Bezug auf die Einführung der Atemalkoholanalyse im Verkehrsstraftatenbereich bekannt? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 2. a) Handelt es sich bei der Atemalkoholanalyse als Messmethode um ein beweissicheres Verfahren zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration? b) Verneinendenfalls, sieht die Staatsregierung Möglichkeiten , diese zu einem beweissicheren Verfahren zu machen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11774 niges Beweismittel zur sicheren Feststellung der absoluten Fahrunsicherheit im Sinne der einschlägigen Strafvorschriften ausreicht. Darüber hinaus beruhen wissenschaftlich vertretbare und rechtlich relevante Berechnungen der Blutalkoholkonzentrationen aus Trinkmengen, von Trinkmengen aus der BAK und insbesondere Rückrechnungen auf den Tatzeitpunkt sämtlich auf Erfahrungen mit dem Blutalkohol und sind auf Atemalkohol nicht direkt übertragbar. Immerhin kann das Ergebnis einer Atemalkoholanalyse im Rahmen einer Gesamtwürdigung ein Indiz zur Feststellung „relativer“ Fahrunsicherheit sein. Das aktuell herrschende Meinungsbild spiegelt sich wider in den Empfehlungen des Arbeitskreises I des Deutschen Verkehrsgerichtstags, die dieser im Rahmen des diesjährigen Deutschen Verkehrsgerichtstags abgegeben hat und die auszugsweise wie folgt lauten: „(…) 2. Der Arbeitskreis stellt fest, dass in Ermangelung hinreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse die Atemalkoholanalyse gegenwärtig kein ausreichendes Beweismittel zur Feststellung „absoluter“ Fahrunsicherheit im deutschen Verkehrsstrafrecht ist. 3. Der Arbeitskreis fordert die Bundesregierung auf, vor dem Hintergrund vorhandener und laufender Studien zur Erforschung insbesondere nachfolgender Themen Forschungsaufträge zu erteilen: • Begründung eines Grenzwertes für die AAK (Atemalkoholkonzentration ) zur Feststellung der „absoluten“ Fahrunsicherheit • Möglichkeit einer Rückrechnung der AAK auf den Tatzeitpunkt • Ermittlung der erforderlichen Wartezeit für die Bestimmung der AAK bei Verdacht auf höhere Alkoholkonzentrationen • Überprüfung der Plausibilität von Trinkmengenangaben (…)“. Inwieweit die Atemalkoholanalyse sich letztlich als ein beweissicheres Verfahren zum Nachweis der (absoluten) Fahrunsicherheit darstellt und die Möglichkeit einer Rückrechnung der AAK auf den Tatzeitpunkt gegeben ist, wird auf Grundlage der weiteren Forschungsergebnisse zu beurteilen sein. In diesem Zusammenhang unterstützt die Staatsregierung ein Forschungsprojekt der FH Sachsen, das die Vergleichbarkeit des beweissicher festgestellten Atemalkoholwertes mit dem beweissicher festgestellten Blutalkoholwert belegen soll. Das Polizeipräsidium München nimmt für den Freistaat Bayern an dem Forschungsprojekt teil. 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Tatsache, dass die Atemalkoholanalyse in 11 europäischen Ländern auch im Verkehrsstraftatenbereich zum Einsatz kommt? Die Strafrechtspflege ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in anderen europäischen Staaten – sowohl was die Voraussetzungen der Strafbarkeit als auch deren Nachweis im Strafverfahren anbelangt – von kulturellen , historisch gewachsenen Vorverständnissen und von den im deliberativen Prozess sich bildenden Alternativen abhängig, die die jeweilige öffentliche Meinung bewegen. Dies gilt auch mit Blick auf die Atemalkoholanalyse als Beweismittel in Verkehrsstrafsachen. Deren Einsatz hängt dabei nicht unwesentlich von der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen nationalen Strafnormen (z. B. Grenzwertoder Fahrunsicherheitskonzept bei Verkehrsstraftaten) und den hierauf gerichteten Regeln zur Beweisführung im Strafverfahren ab. Aus dem Umstand, dass die Atem-alkoholanalyse in anderen europäischen Ländern zur Anwendung gelangt, können daher für die Rechtslage in Deutschland keine unmittelbaren Rückschlüsse gezogen werden.