Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Tanja Schweiger FREIE WÄHLER vom 21.10.2013 Schleusenmanagement im Einzugsgebiet der Donau im östlichen Landkreis Regensburg und Oberlieger Ich frage die Staatsregierung: 1. An wie vielen Schleusen an Gewässern 1. und 2. Ordnung wird in Bayern Strom erzeugt? a) Bis zu welcher Höhe wird dort Wasser angestaut? b) Wie viel Kubikmeter angestautes Wasser ist an den einzelnen Staustufen in der Regel vorhanden? c) Wie viel Kubikmeter Wasser kann zurückgehalten wer- den, wenn alle Schleusen geschlossen sind? 2. Wo befinden sich die in Frage 1 abgefragten Schleusen? a) Wie viel Strom wird pro Tag an diesen einzelnen Kraft- werken in der Regel erzeugt? b) In welchem Maße kann bei höheren oder niedrigeren Wassermengen mehr oder weniger Strom erzeugt werden? c) Wie viel Kubikmeter Wasser könnte in welchem Zeitraum in welchen Abschnitten bei welchen Schleusen abgelassen werden, wenn alle Schleusen geöffnet würden? 3. Wie funktioniert das bayernweite Schleusenmanagement ? 4. Wann und in welchem Umfang wird bei bevorstehendem Hochwasser die Schleuseneinstellung verändert? 5. Wie viele Schöpfwerke gibt es an den Gewässern 1. und 2. Ordnung? a) Wann beginnen diese zu laufen? b) Wie kann der Forderung nachgekommen werden, dass die Kirchenbach-Pumpe bei Irling einen früheren Einschaltzeitpunkt erhält (bitte auch die Auswirkungen angeben)? c) Wie waren die Schaltzeiten an diesem Schöpfwerk im gesamten Monat Juni? 6. Wird bei bevorstehendem Hochwasser die Leistung der Schöpfwerke angehoben, um dann bei Hochwasser mehr Retentionsraum zur Verfügung zu haben, und wenn ja, wann wird damit begonnen? 7. Gibt es Untersuchungen, Forschungen oder Erkenntnisse über Feinsedimentausschwemmungen im Zusammenhang mit Flutpoldern und dessen Auswirkungen auf Gebäude? a) Falls ja, welche Erkenntnisse zieht die Staatsregierung aus solchen Untersuchungen und Forschungen? b) Sollte es zu der Erkenntnis kommen, dass Gebäude durch Feinsedimentausschwemmungen geschädigt werden, wer trägt die verursachten Kosten für derartige Schäden? c) Falls nein, beabsichtigt die Staatsregierung derartige Untersuchungen in nächster Zeit? 8. Wie lief im Rahmen des Juni-Hochwassers im Einzugsgebiet der Donau im östl. Landkreis Regensburg und Oberlieger das Schleusenmanagement im Detail ab? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 20.11.2013 1. An wie vielen Schleusen an Gewässern 1. und 2. Ordnung wird in Bayern Strom erzeugt? Vorbemerkung: Die Staatsregierung geht davon aus, dass in der vorliegenden Anfrage mit „Schleusen“ Staustufen an Flüssen gemeint sind. Schleusen existieren ausschließlich an Bundeswasserstraßen (in der Regel als integrierter Bestandteil von Staustufen) und liegen in der Zuständigkeit des Bundes (Wasser- und Schifffahrtsverwaltung). Insgesamt gibt es an Flüssen 1. und 2. Ordnung und am Main-Donau-Kanal 154 Staustufen (in der Regel Laufwasserkraftwerke ) mit Stromerzeugung und einer Ausbauleistung > 1.000 kW. 59 weitere Anlagen sind Ausleitungskraftwerke , bei denen die Stromerzeugung nicht an der Stauanlage selbst, sondern im Nebenschluss im Verlauf eines Triebwerkskanals erfolgt. a) Bis zu welcher Höhe wird dort Wasser angestaut? Die Fallhöhen an Staustufen reichen bis zu 35 m, bei Ausleitungskraftwerken bis zu 203 m. b) Wie viel Kubikmeter angestautes Wasser ist an den einzelnen Staustufen in der Regel vorhanden? Aufgrund der Verschiedenheit der einzelnen Anlagen sind pauschale Angaben nicht möglich. Die Volumina der Staubereiche reichen von wenigen Tausend bis hin zu mehreren Mio. m3. c) Wie viel Kubikmeter Wasser kann zurückgehalten werden, wenn alle Schleusen geschlossen sind? Ein „Schließen“ der Staustufen ist technisch nicht möglich. Allenfalls können die Klappen der Wehre hochgestellt werden . Dabei können unter günstigen Umständen bei größeren Flüssen in der Summe aller Stauanlagen kurzfristig wenige Millionen m3 zurückgehalten werden. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.01.2014 17/118 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/118 Bsp. Isar: rund 2 Mio. m3. Der Abfluss konnte dadurch beim Hochwasser im Juni 2013 über eine Zeitdauer von 10 Stunden um 60 m3/s reduziert werden. 2. Wo befinden sich die in Frage 1 abgefragten Schleusen ? Die Staustufen befinden sich an den folgenden Gewässern: Main-Donau-Kanal (einschl. regulierter Altmühl und Regnitz ), Alz, Ammer-Kanal, Amper, Donau, Eger, Erlau, Günz, Iller, Ilz, Inn, Isar, Walchensee/Kochelsee, Isen, Kleine Ohe, Lech einschl. Lechkanal, Loisach, Main, Mangfall, Pfreimd, Regnitz, Reschbach/Saußbach, Saalach, Schwarzer Regen , Wertach, Wiesent a) Wie viel Strom wird pro Tag an diesen einzelnen Kraftwerken in der Regel erzeugt? Eine Schriftliche Anfrage beschränkt sich auf Angelegenheiten , für die die Staatsregierung verantwortlich ist (§ 71 Abs. 1 Satz 2 GO-LT). Da es sich bei den infrage stehenden Staustufen um allein bzw. überwiegend privat getragene Unternehmen handelt, kann die Frage hinsichtlich der täglich erzeugten Strommengen nur von diesen beantwortet werden (vgl. BayVerfGHE 59, 144). b) In welchem Maße kann bei höheren oder niedrigeren Wassermengen mehr oder weniger Strom erzeugt werden? Bei niedrigeren Wassermengen wird proportional weniger Strom erzeugt, bei höheren Wassermengen steigt die Stromproduktion zunächst an. Über die Ausbaumenge der Turbinen hinaus anfallendes Wasser muss über die Wehrklappen abgegeben werden und trägt nicht zur Stromproduktion bei. Aufgrund des höheren Unterwasserspiegels sinkt mit steigendem Abfluss auch die nutzbare Fallhöhe und somit der Stromertrag. Bei Hochwasser wird aus Sicherheitsgründen die Stromerzeugung komplett eingestellt. c) Wie viel Kubikmeter Wasser könnte in welchem Zeitraum in welchen Abschnitten bei welchen Schleusen abgelassen werden, wenn alle Schleusen geöffnet würden? Die Frage kann in der gestellten Form nicht beantwortet werden. Wasser, das aus einem oberhalb liegenden Stauraum abgelassen wird, füllt den nächsten unterhalb liegenden Stauraum auf. Insofern sind die Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine Vorabsenkung stark eingeschränkt. Speziell in Passau kann eine Vorabsenkung sogar die Gesamtsituation massiv verschlechtern, da eine Überlagerung mit der Hochwasserspitze des Inns erfolgen kann. 3. Wie funktioniert das bayernweite Schleusenmanagement ? 4. Wann und in welchem Umfang wird bei bevorstehendem Hochwasser die Schleuseneinstellung verändert? Die Betriebsweise ist für jede Staustufe individuell im Genehmigungsbescheid und der Betriebsvorschrift geregelt. Eine nennenswerte Beeinflussung der Hochwasserspitze ist aufgrund der geringen spezifischen Rückhaltevolumina von Staustufen technisch nur äußerst bedingt möglich (vgl. Antwort 1c) – anders als bei Flutpoldern und Wasserspeichern. Höchste Priorität hat im Hochwasserfall die Gewährleistung der Anlagensicherheit der jeweiligen Staustufen und die schadlose Abfuhr der Hochwassermengen. Weitere Randbedingungen sind der lokale Hochwasserschutz in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten (Höhen Stauhaltungsdämme , Rückstau, Engstellen im Ober- und Unterlauf etc.). Wenn dann noch ein Spielraum besteht, kann dieser genutzt werden, um die Hochwasserspitze mittels gezielten Aufstaus zu reduzieren. Mengenmäßig ist diese Rückhaltewirkung aber stark eingeschränkt, vgl. Antwort zu Frage 1c. Energieerzeugung und Schifffahrt sind im Hochwasserfall nachgeordnet und werden in der Regel eingestellt. 5. Wie viele Schöpfwerke gibt es an den Gewässern 1. und 2. Ordnung? a) Wann beginnen diese zu laufen? b) Wie kann der Forderung nachgekommen werden, dass die Kirchenbach-Pumpe bei Irling einen früheren Einschaltzeitpunkt erhält (bitte auch die Auswirkungen angeben)? c) Wie waren die Schaltzeiten an diesem Schöpfwerk im gesamten Monat Juni? Entsprechend dem im Betreff ausdrücklich genannten östlichen Landkreis Regensburg und hier insbesondere dem Raum Pfatter bezieht sich die Antwort auf den Bereich ab der Staustufe Geisling bis zur Landkreisgrenze StraubingBogen . Das Wasserwirtschaftsamt Regensburg betreibt südlich der Donau das Schöpfwerk (SW) Pfatter am Donau-Altwasser (Gewässer I. Ordnung) und nördlich der Donau die beiden Schöpfwerke Moosgraben in Wiesent (Gewässer II. Ordnung ) und am Osterbach in Wörth (Gewässer III. Ordnung). Alle übrigen Schöpfwerke an der Donau in diesem Bereich (SW Wörthhof, SW Gmünd, SW Kirchenbach) sind in der Unterhaltungslast des Bundes (Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ). Beim SW Pfatter (4 Pumpen) gelten grundsätzlich die Auflagen der Betriebsanweisung der Planfeststellung vom 27.01.1989. Danach schaltet die 1. Pumpe bei einem Wasserstand von 2,87 m = 322,02 müNN ein. Bei 2,89 m schaltet die 2. Pumpe dazu usw. Die Pumpen schalten ab, sobald der Binnenwasserspiegel auf 322,00 müNN abgesenkt ist. Das Schöpfwerk Kirchenbach ist in der Unterhaltungslast des Wasser- und Schifffahrtsamtes Regensburg (Bundesbehörde ). Die Fragen hierzu lassen sich in der Kürze der Bearbeitungszeit nicht klären. 6. Wird bei bevorstehendem Hochwasser die Leistung der Schöpfwerke angehoben, um dann bei Hochwasser mehr Retentionsraum zur Verfügung zu haben, und wenn ja, wann wird damit begonnen ? Die Antwort bezieht sich wiederum auf das Schöpfwerk Pfatter . Dieses ist mit 4 Pumpen mit einer Förderleistung von je 1,75 m3/s = insgesamt 7 m3/s ausgelegt. Die Leistung des Schöpfwerks wird vorab nicht angehoben . Die Pumpen laufen nach Betriebsanweisung bei entsprechendem Wasserstand im Polder mit einer Wasserspiegeldifferenz von 2 cm der Reihe nach an. Beim Hochwasser vom Juni 2013 sind im Zeitraum vom 01.06.–14.06.2013 die 4 Pumpen im Schöpfwerk Pfatter gemäß den Protokollen zum Pumpbetrieb wie folgt gelaufen: – Pumpe 1 220,53 Std. – Pumpe 2 222,08 Std. – Pumpe 3 213,37 Std. – Pumpe 4 186,61 Std. Drucksache 17/118 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Die Summe der Betriebsstunden beträgt damit 842,59 Std. Zusammenfassend konnte der landseitige Pegel Pfatter (Zulauf zum SW) beim abgelaufenen Hochwasser mit den 4 Pumpen gut gehalten werden. 7. Gibt es Untersuchungen, Forschungen oder Erkenntnisse über Feinsedimentausschwemmungen im Zusammenhang mit Flutpoldern und dessen Auswirkungen auf Gebäude? a) Falls ja, welche Erkenntnisse zieht die Staatsregierung aus solchen Untersuchungen und Forschungen ? b) Sollte es zu der Erkenntnis kommen, dass Gebäude durch Feinsedimentausschwemmungen geschädigt werden, wer trägt die verursachten Kosten für derartige Schäden? c) Falls nein, beabsichtigt die Staatsregierung derartige Untersuchungen in nächster Zeit? Bisher liegen keine Untersuchungen über Feinsedimentausschwemmungen im Zusammenhang mit Flutpoldern und deren Auswirkungen auf Gebäude vor. 8. Wie lief im Rahmen des Juni-Hochwassers im Einzugsgebiet der Donau im östl. Landkreis Regensburg und Oberlieger das Schleusenmanagement im Detail ab? Im gefragten Raum befindet sich lediglich die Staustufe Geisling. Der Staatsregierung liegen keine Anhaltspunkte vor, die auf einen nicht den Antworten zu Fragen 3 und 4 entsprechenden Betrieb der Staustufe schließen lassen.