Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazolo FREIE WÄHLER vom 29.04.2016 Abwanderung von Schülerinnen und Schülern in angrenzende Bundesländer Einem der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion vorliegenden Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Lindau zufolge , sind zumindest an der Bundeslandgrenze zu Baden- Württemberg sämtliche Schulstandorte von Abwanderungen bayerischer Schülerinnen und Schüler in das benachbarte Bundesland betroffen. Als Hauptursache dafür wird in diesem Schreiben das Bayerische Bildungssystem gesehen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Schülerinnen und Schüler wechselten in den letzten zehn Schuljahren von einer staatlichen bayerischen Schule auf eine staatliche oder private Schule in einem anderen Bundesland (bitte aufschlüsseln nach dem Schuljahr und der abgebenden und aufnehmenden Schulart, dem bayerischen Regierungsbezirk und dem Landkreis der abgebenden und aufnehmenden Schule, der Jahrgangsstufe des Wechsels und dem Geschlecht der Schülerin bzw. des Schülers bezogen auf folgende an andere Bundesländer angrenzende bayerische Landkreise? ■ An der Bundeslandgrenze zu Baden-Württemberg: ◦ Lindau ◦ Oberallgäu ◦ Memmingen ◦ Unterallgäu ◦ Neu-Ulm ◦ Günzburg ◦ Dillingen a. d. Donau ◦ Donau-Ries ◦ Ansbach ◦ Neustadt a. d. Aisch/Bad Windsheim ◦ Würzburg ◦ Main-Spessart ◦ Miltenberg ■ An der Bundeslandgrenze zu Hessen: ◦ Miltenberg ◦ Aschaffenburg ◦ Main-Spessart ◦ Bad Kissingen ◦ Rhön-Grabfeld ■ An der Bundeslandgrenze zu Thüringen: ◦ Rhön-Grabfeld ◦ Haßberge ◦ Coburg ◦ Kronach ◦ Hof ■ An der Bundeslandgrenze zu Sachsen: ◦ Hof 2. Wie bewertet die Staatsregierung diese Informationen und Zahlen und welche Ursachen wurden ggf. bereits als ausschlaggebend für Abwanderungen von Schülerinnen und Schülern in angrenzende Bundesländer identifiziert? a) Welche konkreten Erkenntnisse zu Auswirkungen auf die bayerische Wirtschaft und insbesondere den lokalen Ausbildungsmarkt hat die Staatsregierung aufgrund von Abwanderung von Schülerinnen und Schülern in angrenzende Bundesländer? b) Welche schulartspezifischen Erkenntnisse hat die Staatsregierung diesbezüglich? 3. Welche konkreten Maßnahmen hat die Staatsregierung schon ergriffen bzw. was ist konkret geplant, um dem entgegenzuwirken? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Zu 1.: Dem Staatsministerium liegen keine Angaben darüber vor, wie viele Schülerinnen und Schüler in den vergangenen zehn Schuljahren von einer staatlichen bayerischen Schule an eine Schule eines anderen Bundeslandes wechselten . Die im Rahmen des Verfahrens „Amtliche Schuldaten“ (ASD) erhobenen Schülerdaten beinhalten lediglich Angaben zu Schülerinnen und Schülern, die eine bayerische Schule besuchen. Erhebung und Auswertung von Daten zu Schülerinnen und Schülern, die eine Schule eines anderen Bundeslandes besuchen , obliegen grundsätzlich dem zuständigen Staatsministerium des jeweiligen Bundeslandes. Bei den Daten zu Schulartwechslern wird in ASD hinsichtlich der aufnehmenden Schule nicht unterschieden, ob es sich um eine bayerische oder eine Schule im sonstigen Bundesgebiet handelt. Somit kann insbesondere die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die an eine Schule in Baden- Württemberg, Hessen, Thüringen oder Sachsen wechselten , im Rahmen der Amtlichen Schulstatistik nicht ermittelt werden. Die Ermittlung entsprechender Schülerzahlen würde eine Abfrage bei sämtlichen Schulen der in der Anfrage genannten Landkreise bzw. kreisfreien Städte bzw. bei den zuständigen Staatlichen Schulämtern erfordern; zur Vermeidung Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.08.2016 17/11874 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11874 des sonst entstehenden, erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwands für die ohnehin stark belasteten Schulen bzw. Staatlichen Schulämter wurde hiervon abgesehen. 2. Wie bewertet die Staatsregierung diese Informationen und Zahlen und welche Ursachen wurden ggf. bereits als ausschlaggebend für Abwanderungen von Schülerinnen und Schülern in angrenzende Bundesländer identifiziert? a) Welche konkreten Erkenntnisse zu Auswirkungen auf die bayerische Wirtschaft und insbesondere den lokalen Ausbildungsmarkt hat die Staatsregierung aufgrund von Abwanderung von Schülerinnen und Schülern in angrenzende Bundesländer? b) Welche schulartspezifischen Erkenntnisse hat die Staatsregierung diesbezüglich? 3. Welche konkreten Maßnahmen hat die Staatsregierung schon ergriffen bzw. was ist konkret geplant, um dem entgegenzuwirken? Die Beantwortung der Fragen 2 bis 3 erfolgt unter Berücksichtigung der obigen Antwort auf Frage 1 zusammen. In Art. 36 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs - und Unterrichtswesen (BayEUG) ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Schulpflicht auch an gleichwertigen Schulen außerhalb Bayerns erfüllt werden kann. Eine Genehmigungspflicht besteht hierfür in der Regel nicht. Diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung, wonach bayerische Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, Schulen in anderen Bundesländern oder im Ausland zu besuchen, ist letztlich Ausdruck des grundgesetzlich verankerten Gedankens der Freizügigkeit, vgl. Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes. Insbesondere in den Kommunen und Schulen bayerischer Grenzregionen sind deshalb immer wieder Abwanderungen von bayerischen Schülerinnen und Schülern in andere Länder der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise ins Ausland festzustellen. Umgekehrt kommen aber auch Schülerinnen und Schüler nach Bayern, um eine bayerische Schule zu besuchen. Die Möglichkeit, eine Schule in einem Nachbarland zu besuchen, wird vornehmlich von solchen Schülerinnen und Schülern genutzt, für die eine entsprechende außerbayerische Schule dem Wohnort wesentlich näher liegt als die nächstgelegene Schule der besuchten Schulart in Bayern. Im Bereich der Berufsschulen ist der Besuch einer Schule eines anderen Bundeslandes beispielsweise dann gewählt, wenn für einen speziellen Beruf in Bayern kein Angebot besteht . In diesem Zusammenhang spielt auch die Initiative „Bildungsregionen in Bayern“ eine wichtige Rolle. Ziel ist es, die Zukunft der jungen Menschen in der Region mit einem passgenauen Bildungsangebot zu sichern, das ihnen die Wahrnehmung ihrer Bildungs- und Teilhabechancen ermöglicht. In einer Bildungsregion arbeiten die Schulen, die Kommunen , die Jugendhilfe, die Arbeitsverwaltung, die Wirtschaft und weitere außerschulische Organisationen zusammen, um die Bildungsqualität in ihrer Region zu verbessern.