Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Stamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.05.2016 Ermittlungen gegen Journalisten wegen Heckler & Koch Seit 2009 wird in bundesdeutschen Medien wiederholt über Waffenexporte der in Baden-Württemberg ansässigen Firma Heckler & Koch berichtet. Medien wie der SWR, der BR, die ARD oder auch der Buchverlag Heyne haben sich ebenfalls an der Berichterstattung beteiligt, zum Beispiel mit der Produktion des Spielfilmes „Meister des Todes“ bzw. der Fernsehdokumentation „Tödliche Exporte“ bzw. des Buches „Netzwerk des Todes“. Die Filme wurden u. a. im Hauptabendprogramm der ARD ausgestrahlt. Im Zusammenhang mit diesen Veröffentlichungen wurde von der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere an der Produktion und Recherche beteiligte Journalisten eingeleitet, u. a. gegen Daniel Harrich, Danuta Harrich-Zandberg oder Jürgen Grässlin. Die Staatsanwaltschaft München eröffnete offensichtlich auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Journalisten und Autoren. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Warum führt die Staatsanwaltschaft München und nicht die Staatsanwaltschaft Stuttgart selbst die Ermittlungsverfahren durch? b) Warum wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart an die Staatsanwaltschaft München abgegeben? 2. Gegen welche Beschuldigten führt die Staatsanwaltschaft München I im Zusammenhang mit der oben genannten Berichterstattung derzeit Ermittlungsverfahren durch? 3. Welche Tatvorwürfe werden gegen die Beschuldigten erhoben? 4. Wie beurteilt die Staatsregierung die Vorwürfe aufgrund des in Bayern verankerten Zeugnisverweigerungsrechts für Journalist(inn)en? 5. Sind bayerische Staatsschutzbehörden (Verfassungsschutz oder Abteilungen der Kriminalpolizei) mit Ermittlungen gegen die Beschuldigten im beschriebenen Kontext befasst? 6. Wie beurteilt der bayerische Justizminister § 353 d Ziff- Nr. 3 des Strafgesetzbuches? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 07.06.2016 Die Schriftliche Anfrage wird – hinsichtlich Frage 5 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr – sowie auf der Grundlage des Berichts der Staatsanwaltschaft München I vom 17. Mai 2016 wie folgt beantwortet: 1. a) Warum führt die Staatsanwaltschaft München und nicht die Staatsanwaltschaft Stuttgart selbst die Ermittlungsverfahren durch? b) Warum wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart an die Staatsanwaltschaft München abgegeben? 2. Gegen welche Beschuldigten führt die Staatsanwaltschaft München I im Zusammenhang mit der oben genannten Berichterstattung derzeit Ermittlungsverfahren durch? 3. Welche Tatvorwürfe werden gegen die Beschuldigten erhoben? Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führte seit dem Jahr 2010 gegen mehrere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz , das Außenwirtschaftsgesetz u. a. im Zusammenhang mit dem Export des Sturmgewehrs G 36 nach Mexiko durch die Firma Heckler & Koch. In diesem Verfahren wurde am 13. Oktober 2015 Anklage zum Landgericht Stuttgart erhoben. Im Zusammenhang mit diesem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren sind u. a. folgende Veröffentlichungen erschienen: a) Die Autoren Jürgen Grässlin, Daniel Harrich und Danuta Harrich-Zandberg veröffentlichten am 28. September 2015 im Wilhelm Heyne Verlag, München, unter dem Titel „Netzwerk des Todes“ ein Buch zu angeblich illegalen Exporten deutscher Waffenhersteller. Ab Seite 65 befasst sich das Buch auch mit Lieferungen der Firma Heckler & Koch nach Mexiko. b) Weiterhin erschien am 23. September 2015 die durch den Südwestrundfunk Baden-Baden produzierte ARD- Dokumentation „Tödliche Exporte – Wie das G 36 nach Mexiko kam“ unter der Regie von Daniel Harrich. c) Seit September 2015 ist über die Internetseite des Bayerischen Rundfunks (http:/story.br.de/Waffen-fuer-mexiko/) der Beitrag „Waffen für Mexiko – Der Fall Heckler & Koch“ von den Autoren Daniel Harrich, Katja B. und Patricius M. abrufbar. Die Internetseite ist aktuell auch zugänglich. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Stuttgart enthalten alle Veröffentlichungen wörtliche Zitate zentraler Schriftstücke aus den dortigen Ermittlungsakten. Sie leitete daher mit Verfügung vom 17. November 2015 drei getrennte Vorgänge wegen des Verdachts der verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen , § 353 d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB), Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.08.2016 17/11880 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/11880 gegen die oben genannten Personen ein und übermittelte sie in der Folgezeit an die Staatsanwaltschaft München I zur Übernahme. Hinsichtlich der Buchveröffentlichung wurde mit Verfügung vom 5. Februar 2016 das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft München I unter dem Aktenzeichen 115 Js 118737/16 übernommen, weil aufgrund des Verlagsstandortes München nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) die gerichtliche Zuständigkeit für eine Druckschrift ausschließlich am Erscheinungsort liegt. Wegen der Fernsehproduktion und der Internetveröffentlichung des BR lehnte die Staatsanwaltschaft München I mit Verfügung vom 5. Februar 2016 die Übernahme zunächst ab und sandte die Ermittlungsakten an die Staatsanwaltschaft Stuttgart zurück. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, welche das Hauptverfahren führt, aus dem die Dokumente stammen sollen, erschien insoweit sachnäher. Mit Schreiben vom 11. Februar 2016 übermittelte der Leiter der Staatsanwaltschaft Stuttgart die beiden letztgenannten Verfahren jedoch erneut an die Staatsanwaltschaft München I und bat wiederum um Übernahme. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Bayerische Rundfunk sei ebenfalls an der Fernsehproduktion beteiligt gewesen, sodass insgesamt der Schwerpunkt in München läge. Auch bestehe ein Sachzusammenhang mit dem Verfahren betreffend die Buchveröffentlichung, bei der die ausschließliche Zuständigkeit ohnehin in München liege. Vor diesem Hintergrund übernahm die Staatsanwaltschaft München I wegen Sachzusammenhangs auch das Verfahren wegen der Fernsehproduktion unter dem Aktenzeichen 115 Js 144463/16 und wegen der BR-Internetseite unter dem Aktenzeichen 115 Js 144472/16, jeweils mit Verfügung vom 1. April 2016. 4. Wie beurteilt die Staatsregierung die Vorwürfe aufgrund des in Bayern verankerten Zeugnisverweigerungsrechts für Journalist(inn)en? Die Staatsanwaltschaft ist bei Vorliegen eines Anfangsverdachts für eine strafbare Handlung nach dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet, einzuschreiten. Ein Zeugnisverweigerungsrecht kommt vorliegend nicht zum Tragen, da sich der Anfangsverdacht, gegen § 353d StGB verstoßen zu haben, gerade gegen die in der Antwort zu Fragen 1 a – 3 genannten Journalisten selbst richtet, somit keine Zeugeneigenschaft vorliegt. Der Gang der weiteren Ermittlungen bleibt abzuwarten. 5. Sind bayerische Staatsschutzbehörden (Verfassungsschutz oder Abteilungen der Kriminalpolizei ) mit Ermittlungen gegen die Beschuldigten im beschriebenen Kontext befasst? Der Tatbestand der verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen zählt zum dreißigsten Abschnitt des Strafgesetzbuches , der die Überschrift „Straftaten im Amt“ trägt. Deshalb ist beim Polizeipräsidium München das Kriminalfachdezernat 11 „Sonstige Amtsdelikte“ für die Ermittlungen zuständig. Staatsschutzdienststellen wurden durch die Staatsanwaltschaft München I nicht mit Ermittlungen beauftragt bzw. um Auskünfte ersucht. 6. Wie beurteilt der bayerische Justizminister § 353 d Nr. 3 des Strafgesetzbuches? Die Strafnorm des § 353 d Nr. 3 StGB dient einerseits dazu, die Unbefangenheit der am Verfahren Beteiligten zu bewahren und die Wahrheitsfindung zu sichern. Andererseits bezweckt die Norm aber auch den Schutz der Persönlichkeitsrechte der vom Verfahren Betroffenen, die durch Vorabveröffentlichung gefährdet werden können. Hierbei handelt es sich um legitime und gewichtige Schutzzwecke. Die Verfassungsmäßigkeit der Strafnorm hat das Bundesverfassungsgericht erst im Jahr 2014 erneut bestätigt.