Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein, Volkmar Halbleib , Reinhold Strobl, Harald Güller, Günther Knoblauch SPD vom 10.05.2016 Strafbarkeit von Cum-Ex-Geschäften Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Strafbarkeit sogenannter Cum-Ex-Geschäfte? b) Wenn nach Einschätzung der Staatsregierung keine Strafbarkeit gegeben ist, wird sie sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass sogenannte Cum-Ex-Geschäfte in Zukunft strafbar sind? 2. a) Wurden in Bayern bereits Ermittlungsverfahren wegen Cum-Ex-Geschäften eingeleitet? b) Wurden in Bayern im Rahmen von Ermittlungsverfahren bereits Maßnahmen, insb. Durchsuchungsmaßnahmen , ergriffen? c) Wurden in Bayern bereits Ermittlungsverfahren gegen Bankmitarbeiter oder Bankvorstände eingeleitet? 3. a) Wurden von bayerischen Finanzbehörden bereits Bescheide über Steuernachforderungen aufgrund von Cum-Ex-Geschäften erlassen? b) Gibt es in Bayern bereits Einigungen mit Banken über Rückforderungen von Steuergeldern? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 16.06.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat wie folgt beantwortet: 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Strafbarkeit so genannter Cum-Ex-Geschäfte? – Steuerrechtliche Bewertung Vorweg ist anzumerken, dass bei Cum-Ex-Sachverhalten in den Jahren bis 2006 eine andere Rechtslage galt als in den Jahren 2007 bis 2011. Seit 2012 ist dieses missbräuchliche Gestaltungsmodell nicht mehr möglich. Die gefestigte Verwaltungsauffassung geht davon aus, dass auf die mehrfache Erstattung von nur einmal abgeführter Kapitalertragsteuer gerichtete Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte nicht legal sind. Aufgrund von solchen Cum-Ex- Geschäften unrechtmäßig erstattete Kapitalertragsteuer ist daher von Anfang an und auch unabhängig vom Zeitpunkt der Vornahme dieser Geschäfte – gegebenenfalls auch im Wege eines Haftungsbescheids gegen die beteiligte Depotbank – zurückzufordern. Sowohl der originäre Aktieninhaber als auch der Leerkäufer beanspruchen die Erstattung/Anrechnung der nur einmal durch den Emittenten abgeführten Kapitalertragsteuer. Die Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer im Rahmen einer Einkommen- oder Körperschaftsteuerveranlagung setzt das Vorliegen von Einkünften des Steuerpflichtigen , die im Rahmen der Veranlagung erfasst werden, oder von steuerfreien Bezügen, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, voraus. Auf diese Einkünfte oder Bezüge muss durch Steuerabzug Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) erhoben worden sein und eine Steuerbescheinigung vorgelegt werden (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 Einkommensteuergesetz). Im Rahmen der Prüfung dieser genannten Tatbestandsmerkmale ist wegen der Änderung der Rechtslage zwischen dem Zeitraum bis einschließlich 2006 und dem Zeitraum von 2007 bis 2011 zu unterscheiden . Durch die seit 2012 geltenden Regelungen des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW1-IV-Umsetzungsgesetzes), wonach der Einbehalt der Kapitalertragsteuer (Kapitalertragsteuerabzug) und die Ausstellung der Steuerbescheinigung in einer Hand liegen, sind Cum-Ex-Geschäfte wirksam unterbunden. Die Durchführung von illegalen Cum-Ex-Leerverkaufsdeals ist seither technisch nicht mehr möglich. – Strafrechtliche Bewertung Cum-Ex-Geschäfte sind – sofern sie mit keinen missbräuchlichen Gestaltungen verbunden sind – nicht per se und in jedem Fall als strafbare Aktiengeschäfte zu werten. So wurden derartige Geschäfte, die unter Einhaltung der steuerrechtlichen Vorschriften getätigt wurden, bereits höchstrichterlich anerkannt. Allerdings können den Cum-Ex-Geschäften – typischerweise in Form von Leerverkaufsgestaltungen – Elemente angefügt werden, die den legalen rechtlichen Rahmen überschreiten. In diesen Fällen werden sowohl steuerliche Grundsätze außer Acht gelassen als auch technische Abläufe an den Börsen für strafrechtlich relevante Manipulationen genutzt. Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 der Abgabenordnung kommt demnach regelmäßig in Betracht, wenn die Erstattung der Kapitalertragsteuer in Kenntnis des Umstandes, dass ein Cum-Ex-Geschäft mit einem Leerverkäufer getätigt wurde, geltend gemacht wird. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.08.2016 17/12037 Bayerischer Landtag 1) VOGAW = Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12037 Diese Auffassung wird auch von den bisher veröffentlichten Gerichtsentscheidungen geteilt. Insbesondere kann insoweit auf den Beschluss des Landgerichts Köln vom 16. Juli 2015 (Az. 106 Qs 1/15, wistra 2015, 404) Bezug genommen werden, in dem ein Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung bestätigt wurde, da nach dem Grundgedanken des Einkommensteuergesetzes nur Kapitalertragsteuer erstattet werden kann, die zuvor auch abgeführt worden ist. Weiter ist auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 (Az. 4K 1684/14, DStR 2016, 1084) zu verweisen, das die begehrte Steuererstattung abgelehnt hat, weil bei Cum-Ex-Geschäften mit einem Leerverkäufer eine Erhebung der Kapitalertragsteuer nicht erfolgt ist. Der Bundesfinanzhof hat bei Cum-Ex-Transaktionen mit einem Leerverkäufer im Urteil vom 16. April 2014 (Az. I R 2/12, BFHE 246, 15) den Einkünftetatbestand des § 20 Einkommensteuergesetz – und damit auch die Erstattungsfähigkeit damit zusammenhängender Abzugssteuern – verneint. Weiterhin kommt eine Strafbarkeit wegen steuerlicher Nichtanerkennung der zugrunde liegenden Transaktionen (Cum-Ex-Geschäfte mit einem Leerverkäufer) nach § 41 Abs. 2 Satz 1 oder § 42 Abgabenordnung in Betracht. Höchstrichterliche Entscheidungen, aus denen sich eine Strafbarkeit von Cum-Ex-Geschäften unter den o. a. Voraussetzungen ergibt, liegen indessen nach Kenntnis der Staatsregierung bislang nicht vor. b) Wenn nach Einschätzung der Staatsregierung keine Strafbarkeit gegeben ist, wird sie sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass sogenannte Cum-Ex- Geschäfte in Zukunft strafbar sind? Eine Initiative zur Strafbarkeit von Cum-Ex-Geschäften ist nicht angezeigt, da der bereits existierende rechtliche Rahmen für eine strafrechtliche Verfolgung ausreicht. Dies gilt einerseits im Hinblick auf § 370 Abs. 1 Abgabenordnung (Steuerhinterziehung), wie andererseits auch hinsichtlich der materiell-rechtlichen Steuervorschriften (hier beispielsweise §§ 36 Abs. 2 Nr. 2, 43 ff. Einkommensteuergesetz, § 11 Abs. 2 Investmentsteuergesetz). Auf die Antwort zu Frage 1 a wird Bezug genommen. 2. a) Wurden in Bayern bereits Ermittlungsverfahren wegen Cum-Ex-Geschäften eingeleitet? Bei der Staatsanwaltschaft München I wurden in den Jahren 2013 und 2014 zwei Ermittlungsverfahren wegen Cum-Ex- Geschäften eingeleitet. In beiden Verfahren sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Bei der Staatsanwaltschaft München I ist weiterhin ein im Jahr 2015 eingeleitetes Vorermittlungsverfahren anhängig. Ein weiteres Vorermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft München I im Jahr 2015 an die Staatsanwaltschaft Köln abgegeben. b) Wurden in Bayern im Rahmen von Ermittlungsverfahren bereits Maßnahmen, insb. Durchsuchungsmaßnahmen , ergriffen? In beiden in der Antwort auf Frage 2 a genannten Ermittlungsverfahren wurden Durchsuchungsmaßnahmen ergriffen . c) Wurden in Bayern bereits Ermittlungsverfahren gegen Bankmitarbeiter oder Bankvorstände eingeleitet ? In einem der beiden genannten Ermittlungsverfahren sind auch Beschuldigte betroffen, welche die vorgeworfenen Steuerstraftaten in der Funktion eines Bankmitarbeiters oder Bankvorstandes begangen haben. 3. a) Wurden von bayerischen Finanzbehörden bereits Bescheide über Steuernachforderungen aufgrund von Cum-Ex-Geschäften erlassen? b) Gibt es in Bayern bereits Einigungen mit Banken über Rückforderungen von Steuergeldern? Steuerbescheide wurden bereits erlassen und sind bestandskräftig .