Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 23.06.2016 Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage nimmt Bezug auf den Financial Secrecy Index der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network . Zu den vermeintlichen, im entsprechenden narrative report on Germany genannten Defiziten Deutschlands bei der Kontrolle von Geldströmen ist – soweit die Finanzverwaltung berührt ist – festzustellen: • Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen sei keine Vortat zur Geldwäsche: § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 b i. V. m. Satz 3 Strafgesetzbuch (StGB) umfasst die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung als Vortat; damit ist der zentrale Teil der besonders schweren Fälle durchaus als Vortat definiert. • Inhaberaktien verdunkelten die Eigentumsverhältnisse: Die Depotbanken haben Kenntnis über die Eigentümer von Inhaberaktien, während die Eigentümer von Namensaktien im Aktienregister der Aktiengesellschaft verzeichnet sein müssen. • Es gebe keine zusammenfassende öffentliche Statistik über Geldwäsche in Zahlen und auch nicht über Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung: Aus dem (jährlich erscheinenden) Report der Financial Intelligence Unit (FIU-BKA) Deutschland können statistische Zahlen zur Geldwäsche in Bezug auf Geldwäscheverdachtsanzeigen und -verurteilungen entnommen werden. Daneben enthält die Bundestags-Drucksache 18/8187 vom 21. April 2016 zum Thema „Deutsche Banken und ihre Korrespondenzbankbeziehungen, die Rolle von Geldwäschebeauftragten und Prüfungen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ entsprechende statistische Zahlen. • Die relativ niedrigen Strafen und Verurteilungen wegen Nichtanzeige von Geldwäschevorgängen weise auf die Schwächen bei der Überwachung der Anti-Geldwäsche- Regeln hin: Aus dem o. g. Report der FIU (Seite 21) lassen sich die entsprechenden Sanktionen (Verurteilungen im mittleren zweistelligen, die Summe aller Sanktionen im mittleren dreistelligen Bereich) entnehmen. Die Sanktion von Verstößen gegen das Geldwäsche-Gesetz fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Steuerfahndung bzw. Finanzverwaltung . 17. Wahlperiode 31.08.2016 17/12097 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein, Volkmar Halbleib , Günther Knoblauch, Harald Güller, Reinhold Strobl SPD vom 25.04.2016 Deutschland als Steueroase Die internationale Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network listet Deutschland in seinem jährlich erscheinenden Financial Secrecy Index auf Platz 8 der weltweiten Steueroasen und damit vor Staaten wie Panama oder den Marshall Inseln, die im Zuge der Berichterstattungen der Süddeutschen Zeitung zu den sogenannten Panama Papers als eine der Hauptziele für Steuerflucht genannt wurden. Dabei basiert der Index auf den Möglichkeiten, Geldflüsse in den Ländern zu verschleiern, und der Menge an Geld, die mit diesen Methoden transferiert wird. Daher fragen wir die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung bezüglich der Möglichkeiten und der durch die Steuerfahndung in Bayern aufgeklärten Fälle, durch Gesetzeslücken oder vorhandenen, Anlageformen, Geldflüsse in Deutschland zu verschleiern? 2. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung bezüglich des Volumens an illegalen Geldtransaktionen, die durch diese Anlageformen und Gesetzeslücken entstehen? 3. Welche gesetzgeberischen Maßnahmen plant die Staatsregierung , sowohl in Bayern als auch auf Bundesebene, um diese illegalen Praktiken zu unterbinden bzw. strafund steuerrechtlich zu verfolgen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12097 • Die deutschen Steuerbehörden seien für den Umgang mit wohlhabenden Personen und mit großen Steuerzahlern kritisiert worden. Die beiden reichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg hätten zu wenige Steuerprüfer eingestellt: Mit der Änderung der Abgabenordnung durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29. Juli 2009 hat der Gesetzgeber den Kreis der Steuerpflichtigen, bei denen ohne besondere Voraussetzungen eine Außenprüfung zulässig ist, mit Wirkung vom 1. Januar 2010 an auf diejenigen ausgeweitet, die Überschusseinkünfte von mehr als 500.000 Euro im Jahr erzielen. Die Steuerfahndung wird ohne Ansehen der Person oder Institution bei Vorliegen eines Anfangsverdachts der Steuerhinterziehung oder -ordnungswidrigkeit tätig. Personell wird die Steuerverwaltung und damit auch die Steuerfahndung in Bayern seit einigen Jahren deutlich verstärkt: Seit 2011 wurden für die Steuerverwaltung rund 1.500 zusätzliche Stellen geschaffen (seit 2009 rund 2.000 Stellen). Aufgrund der zwei- bzw. dreijährigen Ausbildung wirkt sich diese Verbesserung zeitverzögert auf die tatsächliche Besetzung an den Finanzämtern aus. Es gibt ein anhaltend hohes Niveau der Auszubildenden. 2013 wurden rd. 800 Anwärter/-innen, 2014 rd. 870 Anwärter /innen und 2015 rd. 1.130 Anwärter/-innen eingestellt. Die Zahl der Auszubildenden beträgt aktuell über 2.100 – das ist ein neuer Rekord! Die hohen Einstellungszahlen wirken sich bereits in der Personalausstattung in den Finanzämtern aus. So wurde das Personal in der Steuerverwaltung seit 2011 mit insgesamt 359 zusätzlichen Vollzeitkräften auf über 14.900 deutlich aufgestockt. Rechnet man die freien Kapazitäten nach dem Wegfall der Zuständigkeit für die Kraftfahrzeugsteuer [seit 1. Juli 2014 ist allein der Bund zuständig] dazu, dann sind es sogar noch rund 200 mehr. Auch der Bereich der Prüfungsdienste ist gut aufgestellt: Der Prüfungsdienst insgesamt wurde zu Beginn 2016 auf über 3.100 Vollzeitkräfte ausgebaut, das ist seit 2011 ein Plus von 251 Kräften (Steigerung um 8 %). Im Bereich der Verfolgung von Steuerstraftaten sind in Bayern insgesamt 622 Beamte tätig. Davon arbeiten allein 494 in den Steuerfahndungsstellen, das ist eine Steigerung gegenüber 2011 um 115 Kräfte (rd. 30 %). Hervorzuheben ist die Einrichtung von Sonderermittlereinheiten zur Verfolgung spezieller und besonders schwerer Steuerstraftaten. Dazu gehört insbesondere die Sonderkommission Schwerer Steuerbetrug (SKS), die 2013 mit 45 Personen eingerichtet und mittlerweile auf 122 Spezialkräfte ausgebaut wurde. Dieser Ausbau wird konsequent weitergeführt, indem 2017 und 2018 eine Verstärkung um jeweils 15 Personen geplant ist; Ende des Jahres 2018 wird die SKS somit mehr als 150 Mann stark sein. • Das gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz sei ein Indiz für ein schlechtes Standing Deutschlands in dem Index: Die Bundesregierung und die Staatsregierung hatten sich in der Vergangenheit für das „Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt (Steuerabkommen Deutschland – Schweiz)“ ausgesprochen. Die Mehrheit im Bundesrat und auch im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat lehnten Ende 2012 die Zustimmung zum Steuerabkommen ab, sodass der wenig befriedigende Status quo mit Zufallsfunden auf erworbenen CDs sowie die Amtshilfe auf Anfrage gemäß internationalem Standard bleibt. Die deutschen Steuerbehörden müssen in jedem einzelnen Verdachtsfall Amtshilfe beantragen. Die Schweiz stellte klar, dass sie bei Strafverfolgungen, die auf gekauften Steuerdaten beruhen, keine Amtshilfe leistet . • Die Ergebnisse aus angekauften Steuerdaten-CDs seien nicht veröffentlicht worden. Es seien wohl keine Freiheitsstrafen verhängt worden: Ob statistische Zahlen veröffentlicht werden, kann kein Maßstab dafür sein, in welcher Qualität eine Strafverfolgung in diesem Bereich vorgenommen wird. 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung bezüglich der Möglichkeiten und der durch die Steuerfahndung in Bayern aufgeklärten Fälle, durch Gesetzeslücken oder vorhandene Anlageformen, Geldflüsse in Deutschland zu verschleiern? Die Erkenntnisse der Steuerfahndung, auf welche Art und Weise Geldflüsse verschleiert werden, sind vielfältig. Die Vielfalt lässt sich anhand einiger Fallgruppenbeispiele darstellen : • Mangelnde Nachvollziehbarkeit Mangels belegmäßiger Nachvollziehbarkeit können mit Barzahlungen sowohl der Empfänger als auch der Zahlende verschleiert werden. • Fingierte Betriebsausgaben Mit sogenannten Abdeck- sowie Scheinrechnungen werden Ausgaben „abgedeckt“ und damit ungerechtfertigt als Betriebsausgaben zum Ansatz gebracht. • Komplexe Kapitalgesellschaftsstrukturen mit Auslandsbezug Bei (Grundstücks-)Gesellschaften mit tief gestaffelten ausländischen Kapitalgesellschaftsstrukturen werden Informationen über die tatsächliche Herkunft von Fremdmitteln oder über Konzerndarlehen (auch zur Refinanzierung) häufig nicht gegeben bzw. sind bei Finanzierungen über ausländische Private-Equity-Strukturen schwer ermittelbar/nachverfolgbar . 2. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung bezüglich des Volumens an illegalen Geldtransaktionen, die durch diese Anlageformen und Gesetzeslücken entstehen? Es liegen keine Aufzeichnungen vor. 3. Welche gesetzgeberischen Maßnahmen plant die Staatsregierung, sowohl in Bayern als auch auf Bundesebene , um diese illegalen Praktiken zu unterbinden bzw. straf- und steuerrechtlich zu verfolgen? Steuerhinterziehung ist Betrug zulasten der gesamten Gesellschaft, insbesondere zulasten der ehrlichen Steuerzahler, die die geltenden Gesetze beachten und ihren staatsbürgerlichen Pflichten nachkommen. Auf den Bericht des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 15. Juni 2015 LB/37 – S 1633-1/2/1 zu Drs. 17/5531 betreffend die Maßnahmen zur Eindämmung der Steuerhinterziehung in Bayern wird verwiesen. Auf Initiative Bayerns hat sich die Finanzministerkonferenz am 7. April 2016 mit dem Thema „Panama-Papers“ und in diesem Zusammenhang mit Geldanlagen in Steueroasen und Briefkastenfirmen befasst. Der einstimmige Be- Drucksache 17/12097 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 schluss der Finanzminister und die darauf beruhende weitestgehend wortgleiche Entschließung des Bundesrats vom 22. April 2016 zielen in zwei Richtungen: ► International: Das wichtigste Instrument zur Bekämpfung von Steueroasen ist die Schaffung von Transparenz durch Erweiterung des internationalen Abkommensnetzes. Der internationale Informationsaustausch steuererheblicher Daten durch entsprechende Vereinbarungen mit anderen Staaten ist weiter auszubauen; hier ist zentral die Bundesregierung gefordert. ► National: Inländischen Beteiligten an Offshore-Firmen sind mehr Offenlegungs- und Meldepflichten – verbunden mit wirksamen Sanktionen bei Zuwiderhandlungen – aufzuerlegen . Auf Bund-Länder-Ebene wurden zwischenzeitlich Vorschläge für gesetzgeberische Maßnahmen erarbeitet, um noch bestehende Hemmnisse für eine effektive Besteuerung hinsichtlich der Beziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Briefkastenfirmen zu beseitigen. Die Finanzminister haben die Vorschläge auf ihrer Sitzung am 3. Juni 2016 befürwortet und die Bundesregierung beauftragt, gemeinsam mit den Finanzministerien der Länder einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Verhinderung missbräuchlicher Steuerumgehungen vorzubereiten.