6. Mit welcher Argumentation ist es nach Ansicht der Staatsregierung aufrechtzuerhalten, dass der WAF nach Art. 111 Abs. 2 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO) ( […] „kein erhebliches finanzielles Interesse des Staates besteht“) von einer Überprüfung durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof befreit ist, obwohl die Verwaltung des WAF staatlicher Aufsicht unterliegt und das Vermögen des WAF an den Freistaat Bayern fällt, sofern keine bezugsberechtigten Mitglieder des vormaligen Königshauses mehr vorhanden sind? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 24.06.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. a) Hat die Staatsregierung den Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) und seine gesetzliche Grundlage jemals juristisch bzw. politisch bewertet und geprüft? b) Wenn ja wann? c) Mit welchem Ergebnis? Das gesamte frühere Hausvermögen des Hauses Wittelsbach war in der Bayerischen Verfassung von 1818 zu Staatsgut erklärt worden. Da dem König infolgedessen die Erträgnisse aus dem Vermögen nicht mehr zur Verfügung standen, erhielten er und weitere Mitglieder seines Hauses staatliche Leistungen („Zivilliste“ bzw. „Apanage“). Diese Zahlungen wurden infolge der November-Revolution 1918 eingestellt. Daraufhin wandten sich die Mitglieder des Hauses Wittelsbach an den Freistaat Bayern und verlangten Entschädigung für die Einstellung der Zahlungen des Staates. Die Staatsregierung hat sich damals in den Folgejahren intensiv mit der Frage der Entschädigung des vormaligen Königshauses für die Einziehung der Zivilliste, der Apanagen und 17. Wahlperiode 31.08.2016 17/12104 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 29.04.2016 Prüfung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds Da in der Antwort zu meiner Anfrage zum Plenum vom 11. April 2016 Drs. 17/10940 nur unzureichend auf die Fragestellungen Bezug genommen wurde, frage ich hiermit die Staatsregierung: 1. a) Hat die Staatsregierung den Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) und seine gesetzliche Grundlage jemals juristisch bzw. politisch bewertet und geprüft? b) Wenn ja, wann? c) Mit welchem Ergebnis? 2. a) Hat die Staatsregierung jemals einen Ausstieg bzw. die Auflösung des nicht auf dem Bayerischen Stiftungsgesetz basierenden WAF geprüft? b) Wenn ja, wann? c) Mit welchem Ergebnis? 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen dem Adelsgeschlecht der Wittelsbacher und dem Freistaat, die zur Entstehung des WAF 1923 führte, aus historischjuristischer Sicht? 4. Welche Möglichkeiten bestünden nach Ansicht der Staatsregierung, die Struktur des derzeit bestehenden WAF an gesellschaftlich-politische Realitäten anzupassen bzw. überhaupt zu verändern? 5. a) Wie ist es vor dem Hintergrund eines republikanischen Demokratieverständnisses zu rechtfertigen, dass eine ehemalige Königsfamilie mittels des WAF enorme geldwerte Privilegien und Sonderrechte (z. B. jährliche Alimentierung über Ausschüttungen des Fonds) genießt ? b) Inwiefern kann die Staatsregierung einen durch den WAF garantierten „stabilen Interessenausgleich zwischen dem Freistaat Bayern und dem Haus Wittelsbach “ (vgl. Antwort auf meine Anfrage zum Plenum vom 11. April 2016 Drs. 17/10940) erkennen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12104 Unterhaltsbeiträge sowie des Kronguts durch den Freistaat Bayern beschäftigt. Nach Prüfung der Rechtslage kam man zu dem Schluss, dass Ansprüche des Hauses Wittelsbach auch nach 1918 fortbestünden. Nachdem ein Rechtsstreit drohte, der bei Obsiegen des Hauses Wittelsbach den Freistaat Bayern in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten gebracht hätte, wurde das Übereinkommen zwischen dem Bayerischen Staate und dem vormaligen Königshause vom 24. Januar 1923 geschlossen . Durch dieses Übereinkommen sollten die Ansprüche des Hauses Wittelsbach vollständig und endgültig abgegolten werden. Zum Vollzug dieses Übereinkommens wurde am 9. März 1923 der WAF durch das Gesetz über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Bayerischen Staates mit dem vormaligen Bayerischen Königshause (WAF-Gesetz) errichtet . Das Gesetz gilt seit dieser Zeit ohne Änderung fort. Die Nutzungen des Fonds fließen unverändert denjenigen Mitgliedern des Hauses Wittelsbach zu, die bei fortdauernder Geltung der vor 1918 maßgebenden Bestimmungen Anspruch auf Leistungen des Staates hätten. 2. a) Hat die Staatsregierung jemals einen Ausstieg bzw. die Auflösung des nicht auf dem Bayerischen Stiftungsgesetz basierenden WAF geprüft? b) Wenn ja, wann? c) Mit welchem Ergebnis? Soweit bekannt, nein. 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen dem Adelsgeschlecht der Wittelsbacher und dem Freistaat , die zur Entstehung des WAF 1923 führte, aus historisch-juristischer Sicht? Es besteht nach Auffassung der Staatsregierung keine Veranlassung, den seinerzeit nach jahrelangen Verhandlungen gefundenen Kompromiss historisch-juristisch anzuzweifeln . 4. Welche Möglichkeiten bestünden nach Ansicht der Staatsregierung, die Struktur des derzeit bestehenden WAF an gesellschaftlich-politische Realitäten anzupassen bzw. überhaupt zu verändern? Die Staatsregierung ist an das Übereinkommen vom 24. Januar 1923 gebunden. 5. a) Wie ist es vor dem Hintergrund eines republikanischen Demokratieverständnisses zu rechtfertigen , dass eine ehemalige Königsfamilie mittels des WAF enorme geldwerte Privilegien und Sonderrechte (z. B. jährliche Alimentierung über Ausschüttungen des Fonds) genießt? b) Inwiefern kann die Staatsregierung einen durch den WAF garantierten „stabilen Interessenausgleich zwischen dem Freistaat Bayern und dem Haus Wittelsbach“ (vgl. Antwort auf meine Anfrage zum Plenum vom 11. April 2016 Drs. 17/10940) erkennen? Siehe Antwort zu Frage 1. 6. Mit welcher Argumentation ist es nach Ansicht der Staatsregierung aufrechtzuerhalten, dass der WAF nach Art. 111 Abs. 2 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO) ( [...] „kein erhebliches finanzielles Interesse des Staates besteht“) von einer Überprüfung durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof befreit ist, obwohl die Verwaltung des WAF staatlicher Aufsicht unterliegt und das Vermögen des WAF an den Freistaat Bayern fällt, sofern keine bezugsberechtigten Mitglieder des vormaligen Königshauses mehr vorhanden sind? Nach Art. 8 WAF-Gesetz vom 9. März 1923 wird der WAF aufgelöst und sein Vermögen fällt an den Freistaat Bayern, wenn Mitglieder des vormaligen Königshauses, die nach den vor dem 8. November 1918 maßgebenden Bestimmungen Anspruch auf Leistungen des Staates hätten, nicht mehr vorhanden sind. Der Fonds ist eine selbstständige Stiftung des öffentlichen Rechts und nicht Teil des staatlichen Haushalts . Die Ausschüttungen des Wittelsbacher Ausgleichsfonds an die Mitglieder des Hauses Wittelsbach sind keine Geldzahlungen des Freistaats Bayern. Das Budgetrecht des Landtags ist hierbei nicht berührt. Der WAF ist durch Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen vom 29. Juni 1978 im Einvernehmen mit dem Bayerischen Obersten Rechnungshof gem. Art. 111 Abs. 2 BayHO von der Prüfung durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof befreit, da kein erhebliches finanzielles Interesse des Staates an der Prüfung besteht: • Der Staat hat keinerlei Garantie- oder Gewährträgerhaftung gegenüber dem Fonds oder den bezugsberechtigten Agnaten. • Der WAF wird nicht institutionell gefördert. • Ein Heimfall des Stiftungsvermögens an den Freistaat Bayern ist zwar theoretisch denkbar, aber im Hinblick auf die große Zahl der Mitglieder des Hauses Wittelsbach nicht absehbar. Die rein abstrakte Möglichkeit eines Heimfalls ist nicht geeignet, ein erhebliches finanzielles Interesse des Staats zu begründen.