Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 02.05.2016 Rede von Staatsminister Brunner beim Bund Naturschutz in Deggendorf Minister Brunner hat am 01.05.2016 eine Rede bei der Lan desdelegiertenversammlung des Bundes Naturschutz in Deggendorf gehalten. Ich frage die Staatsregierung: 1. Unterstützt die Staatsregierung alle Aussagen, die Staatsminister Brunner in seiner Rede gemacht hat? 2. Ist die Staatsregierung, wie auch Staatsminister Brun ner, der Auffassung, dass bis 2020 eine Verdoppelung der Anbaufläche für die Biobetriebe erreicht werden soll? 3. Nachdem Staatsminister Brunner die Erhaltung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft („die Marke Bayerns“) als wichtiges Ziel der bayerischen Landwirtschaftspoli tik bezeichnet hat, frage ich die Staatsregierung, inwie weit die Gefahr besteht, dass durch das neue Freihan delsabkommen diese kleinbäuerliche Landwirtschaft gefährdet wird? 4. Stimmt die Staatsregierung der These von Staats minister Brunner zu, den Flächenverbrauch zu verrin gern, indem ein Primat der Innenortsentwicklung (z. B. durch Schließung von Baulücken) statt permanenter Ausweisung neuer Flächen festgelegt wird? a) Wenn ja, wie soll dies dann konkret umgesetzt wer den? 5. Nachdem laut Aussagen von Staatsminister Brunner bei der Energiewende ohne Atomkraft noch nicht alle Potenziale ausgeschöpft sind, frage ich die Staatsre gierung, welche konkreten Punkte hier nach ihrer Auf fassung vorrangig zu nennen sind? 6. Wäre es nicht möglich, durch Aussetzen oder Zurück nahme der 10HRegelung diese Potenziale besser auszuschöpfen? a) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums für für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 30.06.2016 1. Unterstützt die Staatsregierung alle Aussagen, die Staatsminister Brunner in seiner Rede gemacht hat? Ja. 2. Ist die Staatsregierung, wie auch Staatsminister Brunner, der Auffassung, dass bis 2020 eine Verdoppelung der Anbaufläche für die Biobetriebe erreicht werden soll? Das Ziel der Staatsregierung ist eine Verdoppelung der Öko produktion in Bayern bis zum Jahr 2020. Dies hat Minister präsident Seehofer auch in seiner Regierungserklärung vom 12. November 2013 betont. Um die Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln künftig stärker aus heimischer Produktion zu decken, ist eine Umstellung von Betrieben einschließlich deren Flächen auf ökologische Wirtschaftsweise notwendig. 3. Nachdem Staatsminister Brunner die Erhaltung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft („die Marke Bayerns“) als wichtiges Ziel der bayerischen Landwirtschaftspolitik bezeichnet hat, frage ich die Staatsregierung, inwieweit die Gefahr besteht, dass durch das neue Freihandelsabkommen diese kleinbäuerliche Landwirtschaft gefährdet wird? Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auf allen politischen Ebenen wiederholt und mit Nachdruck dafür ein gesetzt, dass bayerische Interessen gewahrt bleiben und sich nunmehr im Verhandlungsmandat der EU wiederfinden. Dazu gehören der Schutz besonders sensibler Agrargüter ebenso wie der Schutz u. a. von Gesundheit, Umwelt und Verbrauchern, wozu auch der Erhalt der strengen europä ischen Regelungen zum Hormoneinsatz in der Landwirt schaft, zum Anbau und zur Verwendung gentechnisch ver änderter Pflanzen oder zum Klonen von Tieren zählt. Daran darf sich auch im Rahmen eines Freihandelsabkommens mit den USA nichts ändern. Die EUKommission hat dies mittlerweile auch mehrfach bestätigt. Der Einfluss von TTIP auf die bayerische Land und Er nährungswirtschaft lässt sich – wie bei erst in Verhandlung stehenden Handelsabkommen üblich – derzeit nicht präzise vorhersagen. Zwar gibt es wissenschaftliche Studien wie z. B. von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft oder vom ThünenInstitut zu den Chancen dieses Handels und Investitionsabkommens. Diese spielen verschiedene Szenarien der bilateralen Handelsentwicklungen durch, ba sieren allerdings auf unterschiedlichen Prognosemodellen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.09.2016 17/12332 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12332 4. Stimmt die Staatsregierung der These von Staatsminister Brunner zu, den Flächenverbrauch zu verringern, indem ein Primat der Innenortsentwicklung (z. B. durch Schließung von Baulücken) statt permanenter Ausweisung neuer Flächen festgelegt wird? a) Wenn ja, wie soll dies dann konkret umgesetzt werden? Die Innenentwicklung kann bei gleichzeitiger Reduzierung der Flächenneuausweisung für Wohn und Gewerbege biete erhebliche Beiträge zur Reduzierung des Flächen verbrauchs leisten. Schließlich entfällt gut die Hälfte des Flächenverbrauchs auf Gebäude und Freiflächen. Der Grundsatz muss deshalb lauten: Innenentwicklung vor Au ßenentwicklung! Die Innenentwicklung trägt zudem dazu bei, die Ortskerne attraktiv zu erhalten, werden so doch leer stehende Wohn und Wirtschaftsgebäude und innerörtliche Brachflächen und Baulücken genutzt. Eine aktiv gesteuerte Innenentwicklung stellt jedoch neue und sehr hohe Ansprüche an die Gemeinden. Deshalb be nötigen gerade kleinere Gemeinden Unterstützung, um nachhaltige Strategien zur Innenentwicklung erarbeiten und umsetzen zu können. Zur Unterstützung dieser Gemeinden bietet meine Verwaltung für Ländliche Entwicklung vielfälti ge Hilfen an, insbesondere mit der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) zur Unterstützung kommunaler Allianzen und der Dorferneuerung. Die im Folgenden genannten Maß nahmen dienen dazu, durch Umnutzungen im Bestand und Nachverdichtungen sowie die Nutzung von Brachflächen und Baulücken die Innenentwicklung zu stärken, Dorfkerne vital und attraktiv zu erhalten und Flächeninanspruchnahme zu reduzieren: • Schärfung des Bewusstseins für die Notwendigkeit der Innenentwicklung bei Gemeindeverantwortlichen und Bürgern, z. B. durch die Teilnahme an Fachseminaren an den drei Schulen der Dorf und Landentwicklung. Um die Bürger für die Innenentwicklung zu begeistern, ist es not wendig, sie von Anfang an intensiv einzubinden, ihnen die Vorteile von Wohnen und Arbeiten im Dorfkern aufzuzei gen, z. B. die hohe Lebensqualität einer lebendigen Orts mitte, die kurzen Wege und schnelle Erreichbarkeit, den Erhalt von (Immobilien)Werten oder auch das Sparen von Kosten. Hier kann die Dorferneuerung mit ihrer hohen Kompetenz in der Bürgermitwirkung wichtige Beiträge zur Sensibilisierung und Motivation der Bürger leisten. • Die innerörtlichen Potenziale und deren Realisierungs möglichkeiten ermitteln – dazu hat die Ländliche Ent wicklung mit Unterstützung externer Experten mit dem „VitalitätsCheck“ (VC) ein datenbankgestütztes Analyse instrument entwickelt, mit dessen Hilfe sowohl die bau liche als auch die soziale und funktionale Situation auf Ortsteil, Gemeinde und interkommunaler Ebene erfasst wird. • Auf der Grundlage dieser Analyse werden mit Unterstüt zung beauftragter Planungsbüros und unter Mitwirkung der Bürger Innenentwicklungskonzepte und Handlungs strategien erarbeitet. • Für die Umsetzung der Innenentwicklungskonzepte kommt der Bodenordnung und dem interkommunalen Flächenmanagement eine hohe Bedeutung zu. Oftmals können nur mit den Möglichkeiten der Bodenordnung nach dem Flurbereinigungsgesetz Grundstücke geformt werden, die eine Bebauung, welche heutigen Ansprü chen an das Wohnen entspricht, zulassen. • Im Gebäudebereich werden im Rahmen der Dorfer neuerung Gebäudesanierungen, Um und Ausbau und schließlich Umnutzungen bzw. Wiedernutzungen geför dert. Falls im Einzelfall erforderlich, auch der Abbruch alter Gebäude, um kostengünstige Ersatzbauten zu er richten. • Die Gestaltung öffentlicher Räume, wie Plätze, Straßen räume, Fußwege und Freifläche, hat große Bedeutung für das Miteinander und die Attraktivität der Dörfer und damit für die Bereitschaft, im Ortskern zu investieren. • Die Dörfer müssen auch möglichst viele Funktionen er füllen, wie z. B. die Versorgung mit Waren und Dienstleis tungen. • Mit interkommunalen Innenentwicklungskonzepten kön nen die Aktivitäten über Gemeindegrenzen hinweg ko ordiniert und gemeinsame Gewerbegebiete mehrerer Kommunen oder der Aufbau und die Vermarktung eines Gewerbeflächenpools konzipiert und umgesetzt werden. Die Ländliche Entwicklung unterstützt diese interkom munale Zusammenarbeit durch die Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE). Die Dorferneuerungsrichtlinien (DorfR) und die Finanzie rungsrichtlinien Ländliche Entwicklung (FinRLE) bieten für die konzeptionelle Arbeit und für die bauliche Umsetzung verschiedene Möglichkeiten der Förderung. Beispielsweise kann gemäß Nr. 2.8 der Anlage zu Nr. 2 DorfR die Erhaltung, Umnutzung und Gestaltung von Gebäuden für gemeindliche oder gemeinschaftliche Zwecke gefördert werden. Zudem kann gemäß Nr. 2.7 der Anlage zu Nr. 2 DorfR die Schaf fung von dorfgerechten öffentlichen und bürgerschaftlichen Einrichtungen zur Förderung der Nahversorgung, der Dorf gemeinschaft oder der Dorfkultur gefördert werden. 5. Nachdem laut Aussagen von Staatsminister Brunner bei der Energiewende ohne Atomkraft noch nicht alle Potenziale ausgeschöpft sind, frage ich die Staatsregierung, welche konkreten Punkte hier nach ihrer Auffassung vorrangig zu nennen sind? Seit 2011 ist Bayern bei der Umsetzung der Energiewen de entscheidend vorangekommen. Gleichzeitig bringt der schnelle Umbau der Energieversorgung eine Reihe von He rausforderungen mit sich. Für den Wirtschafts und Indus triestandort Bayern stellt sich insbesondere die Frage der dauerhaften Gewährleistung der Versorgungssicherheit in einem System, das immer mehr von den, teilweise volatilen, erneuerbaren Energien geprägt wird. Die Staatsregierung verfolgt hier das Ziel, die Sys temdienlichkeit der erneuerbaren Energien zu stärken und ihre bessere Integration in den Strommarkt zu un terstützen. Mit dem Bayerischen Energieprogramm vom 21. Oktober 2015 hat Bayern hierzu entsprechende Bereiche definiert, um die Qualität des weiteren Ausbaus zu erhöhen und die noch vorhandenen Potenziale besser auszuschöp fen: verstärkte bedarfsgerechte Erzeugung insbesondere durch die Nutzung vorhandener Flexibilisierungspotenziale und die Berücksichtigung der jeweiligen Netzsituation. Im Rahmen der EEGNovelle hat sich die Staatsregie rung erfolgreich für entsprechende Rahmenbedingungen stark gemacht und Folgendes erreicht: weiterer Ausbau von Fotovoltaik und Windkraft in Bayern durch entsprechende Ausschreibungsmodalitäten, Schaffen einer wirtschaftlichen Perspektive über das Jahr 2020 hinaus für die Biomassean lagen, die einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können, sowie die Berücksichtigung der Netzsituation bei Drucksache 17/12332 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 der Standortwahl von erneuerbaren Energieanlagen durch die Einführung einer regionalen Steuerung. 6. Wäre es nicht möglich, durch Aussetzen oder Zurücknahme der 10-H-Regelung diese Potenziale besser auszuschöpfen? a) Wenn nein, warum nicht? Die Intention der 10HRegelung war die Schaffung einer normativ verankerten Bürgerbeteiligungsmöglichkeit, um die Akzeptanz der Windenergie in der Bevölkerung zu erhö hen. Dieses Gesetz ermöglicht einen gerechten Ausgleich zwischen den berührten öffentlichen Belangen – Förderung erneuerbarer Energie einerseits, Schutz von Natur und Landschaftsbild sowie vor optisch erdrückender Wirkung andererseits. Seit der Einführung der Privilegierung von Windenergie anlagen hat die Nutzung der Windenergie eine beachtliche technische Entwicklung genommen. In der Folge wurde die Windenergienutzung an Land wirtschaftlich, allerdings hat sich die durchschnittliche Gesamthöhe von Windenergiean lagen nahezu verdoppelt. Im Immissionsschutzrecht findet dies jedoch keine Berücksichtigung, da die Lärmbelastung durch die Anlagen neueren Typs trotz größerer Höhe in etwa gleich bleibt. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf die Akzeptanz der Bevölkerung für die Errichtung neuer Windenergieanla gen. Die Energiewende und der durch sie erforderliche Aus bau der erneuerbaren Energien werden aber nur gelingen, wenn die Bevölkerung die entsprechenden Maßnahmen mitträgt. Ein Ausbau gegen den Willen der Bevölkerung vor Ort ist weder sachgerecht noch hilfreich. Eine klare Abstandsregelung zur Wohnbebauung, wie sie mit der 10HRegelung eingeführt wurde, kann hier befrie dend wirken. Windenergieanlagen, die die 10Hregelung nicht einhalten, sind nicht mehr privilegiert. In Umsetzung einer „relativen Privilegierung“ – insbesondere bei Bestehen eines örtlichen Konsenses z. B. für eine Bürgerwindanlage – können die Gemeinden weiterhin entsprechende (abwei chende) Festsetzungen in ihren Bebauungsplänen treffen. So stehen nach wie vor ausreichend Flächen für Windener gieanlagen zur Verfügung.