Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Leopold Herz FREIE WÄHLER vom 14.06.2016 Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz Ich frage die Staatsregierung: Wie lässt sich aus Sicht der Staatsregierung unter Berücksichtigung des Gleichheitspostulats erklären, dass die vielfältigen personellen und qualitativen Vorschriften des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) und seiner Ausführungsverordnung (AVPfleWoqG) für stationäre Pflegeeinrichtungen nicht auch vollumfänglich für ambulant betreute Wohngemeinschaften zur Anwendung kommen, obwohl in solchen Wohngemeinschaften in der Regel ebenfalls Pflegebedürftige aller Pflegestufen und Menschen mit fortgeschrittener Demenz betreut und versorgt werden? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 06.07.2016 Ambulant betreute Wohngemeinschaften gemäß Art. 2 Abs. 3 Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) sind solche Wohnformen, die dem Zweck dienen, pflegebedürftigen Menschen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt und die Inanspruchnahme externer Pflege- und Betreuungsleistungen gegen Entgelt zu ermöglichen. Erfüllt eine ambulant betreute Wohngemeinschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 3 PfleWoqG die Kriterien, die in Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 5 PfleWoqG formuliert sind, kumulativ, findet auf diese Wohnform ordnungsrechtlich lediglich der Dritte Teil des PfleWoqG sowie Art. 23 und Art. 24 PfleWoqG Anwendung. Die Kriterien gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 5 PfleWoqG lauten wie folgt: 1. Gewährleistung der Selbstbestimmung der Mieterinnen und Mieter. 2. Freie Wählbarkeit der Betreuungs- und Pflegedienste sowie Art und Umfang der Betreuungs- und Pflegeleistungen . 3. Gaststatus der Betreuungs- und Pflegedienste, d. h. die Betreuungs- und Pflegedienste dürfen insbesondere keine Büroräume in oder in enger räumlicher Verbindung mit der ambulant betreuten Wohngemeinschaft haben. 4. Bauliche, organisatorische und wirtschaftliche Selbstständigkeit der ambulant betreuten Wohngemeinschaft , d. h. sie darf insbesondere kein Bestandteil einer stationären Einrichtung sein. Ferner dürfen nicht mehr als zwei ambulant betreute Wohngemeinschaften der gleichen Initiatoren in unmittelbarer räumlicher Nähe sein und sich im organisatorischen Verbund befinden . 5. Maximal zwölf pflege- und betreuungsbedürftige Personen dürfen in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft wohnen. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, finden auf ambulant betreute Wohngemeinschaften entsprechend Art. 2 Abs. 3 Satz 4 PfleWoqG die Bestimmungen des Zweiten Teils des Pfle- WoqG Anwendung, d. h. das gesamte ordnungsrechtliche Instrumentarium des PfleWoqG. Mit diesem abgestuften ordnungsrechtlichen System hat der Gesetzgeber bewusst einen geeigneten Rechtsrahmen für eine innovative Wohnform wie die der ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschaffen. Die Notwendigkeit eines ordnungsrechtlichen Schutzes in stationären Einrichtungen ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner vielfach in ihrer geistigen und körperlichen Beweglichkeit eingeschränkt oder hilflos sind und hierdurch ihre Fähigkeit , sich bei auftretenden Missständen selbst zu helfen, oft erheblich eingeschränkt oder gar aufgehoben ist. Zum Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 01.09.2016 17/12436 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12436 anderen ergibt sich die Notwendigkeit ordnungsrechtlichen Schutzes aus den komplexen Versorgungsstrukturen einer 24-Stunden-Betreuung, mit der immer auch ein gewisses Maß an struktureller Fremdbestimmung einhergeht. Der Kern und zentrales Kriterium einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft hingegen ist die Selbstbestimmung der Mieterinnen und Mieter gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 22 PfleWoqG. Um die Selbstbestimmung der Mieterinnen und Mieter zu gewährleisten, ist in ambulant betreuten Wohngemeinschaften ein sogenanntes Gremium der Selbstbestimmung einzurichten. Das Gremium hat die Aufgabe, die Angelegenheiten des täglichen Lebens zu regeln und nimmt die Funktion einer internen Qualitätssicherung wahr. In diesem Gremium sind alle Mieterinnen und Mieter vertreten. Für den Fall, dass sie die Aufgabe nicht mehr wahrnehmen und selbstständig regeln können, nehmen die Angehörigen bzw. die gesetzlichen Vertreter die Aufgabe wahr. Die in ambulant betreuten Wohngemeinschaften gelebte Selbstbestimmung der Mieterinnen und Mieter und der damit einhergehenden internen Qualitätssicherung macht externe Qualitätssicherung durch die Aufsichtsbehörde nicht im entsprechenden Maße notwendig, wie dies in stationären Einrichtungen der Fall ist. Die Staatsregierung sieht dennoch die Notwendigkeit, die stufenweise Anwendung ordnungsrechtlicher Maßgaben nach Versorgungsformen bezüglich der Übergänge von ambulanter zu teilstationärer und stationärer Pflege zu überprüfen und ggf. eine Änderung des PfleWoqG vorzunehmen.