Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernhard Roos SPD vom 23.05.2016 Standortsicherheit für bayerische Binnenschifffahrt Laut einer Pressemitteilung des Bayerischen Landesamtes für Statistik vom 16.03.2016 lag der Güterumschlag der bayerischen Binnenschifffahrt im Jahre 2015 bei lediglich 7,38 Millionen Tonnen und damit bei einem Minus von 14,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Binnenschifffahrt auf der Donau trifft demnach sogar ein Rückgang um 19,2 Prozent. In konjunkturellen Blütezeiten lässt sich dieser Rückgang sicherlich nicht mit Verweis auf eine „gesamtwirtschaftliche Krise“ rechtfertigen, sondern allenfalls mit strukturellen Defiziten . Verschärfend kommt hinzu, dass langfristig von einer Halbierung der Tonnagen gegenüber Spitzenwerten in den Neunzigerjahren gesprochen werden muss. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Wie wird das statistische Zahlenwerk seitens der Staatsregierung bewertet? 2. Welche Ursachen sieht die Staatsregierung für den Rückgang der Umschlagszahlen an bayerischen Binnenhäfen ? 3. Welche Maßnahmen werden seitens der Staatsregierung ergriffen, um der beschriebenen rückläufigen Entwicklung der Umschlagszahlen entgegenzuwirken? 4. Welche – gegebenenfalls auch infrastrukturellen – Ursachen macht die Staatsregierung für diese negative Ursache aus und wie wird diesen Ursachen begegnet? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.07.2016 1. Wie wird das statistische Zahlenwerk seitens der Staatsregierung bewertet? Die kurzfristige Entwicklung im Jahr 2015 wird als Folge des in der zweiten Jahreshälfte auftretenden Niedrigwassers bewertet. Insbesondere auf der Donau, wo die Schifffahrt auf dem nicht ausgebauten Abschnitt Straubing – Vilshofen besonders stark unter Niedrigwasser leidet, führte dies nach einer guten Entwicklung im Jahr 2014 und im 1. Halbjahr 2015 zu einem Einbruch. Mengen, die wegen fehlender Abladetiefe auf der Wasserstraße mit Bahn oder Lkw transportiert werden mussten, fallen aus der Statistik heraus, da hier nur der wasserseitige Umschlag in den Häfen betrachtet wird. Nicht zuletzt hat der starke Rückgang des Preises für Dieselkraftstoff im Jahr 2015 die Wettbewerbsfähigkeit des Straßentransports erhöht. Der Vorteil des niedrigen spezifischen Energieverbrauchs beim Binnenschiff wurde hierdurch relativiert. Die langfristige Entwicklung spiegelt den Güterstruktureffekt wider, d. h. den allgemeinen Rückgang des Anteils an Massen- bzw. Schüttgütern und die Zunahme von hochwertigen Konsum- oder Produktionsgütern. Hiervon sind Bahn und insbesondere das Binnenschiff als ideales Transportmittel für Massengüter betroffen, der Straßengüterverkehr profitiert. Mit dem Rückgang von Massengütern im Zusammenhang stehen insbesondere strukturelle Effekte durch die Schließung von Kohlekraftwerken und Stahlwerken. Der Ersatz schwerer Massen- bzw. Schüttguttransporte durch Transporte leichterer Stückgüter (Ro-Ro, Windkraftflügel etc.) führt auch dadurch zu einem Rückgang der Tonnage, dass diese Güter in Tonnen ausgedrückt weniger ins Gewicht fallen. Rückschlüsse von den absoluten Umschlagszahlen des Güterumschlags in Binnenhäfen auf die konjunkturelle Gesamtlage im Allgemeinen sowie auf die Lage der Binnenschifffahrt im Besonderen lassen sich daher nur bedingt ziehen. Die Binnenschifffahrt ist aufgrund ihrer spezifischen Besonderheiten insbesondere auf frei fließenden Abschnitten viel stärker als andere Verkehrsträger von externen Faktoren wie dem Wetter (Hoch- und Niedrigwasser) abhängig , auch da aufgrund des grobmaschigen Netzes der Wasserstraßen keine Ausweichrouten bestehen. Konjunkturelle Entwicklungen spielen demgegenüber eine nachgelagerte Rolle. Auch lassen sich aus dem Umschlag in den bayerischen Häfen nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die bayerische Binnenschifffahrt ziehen, da die bayerischen Binnenschifffahrtsunternehmen i. d. R. europaweit auf den maßgeblichen Relationen fahren. 2. Welche Ursachen sieht die Staatsregierung für den Rückgang der Umschlagszahlen an bayerischen Binnenhäfen ? Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Wie dort bereits angesprochen, besteht die Ursache für den Rückgang des Güterumschlags im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr im Wesentlichen in der über Monate hinweg anhaltenden Trockenheit. Aufgrund des hierdurch verursachten Niedrigwassers auf frei fließenden Flüssen, z. B. auf der Donau und dem Rhein, und der hierdurch geringeren Fahrrinnentiefe hat sich die Abladetiefe und damit die mögliche Transportmenge bzw. das Umschlagsvolumen pro Schiff reduziert. Dabei bedeuten 10 cm weniger Tiefgang ca. 100 t weniger Ladung bei einem Gütermotorschiff. Aufgrund der großen Transportdistanzen in der Binnenschifffahrt wirkt Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.09.2016 17/12442 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12442 sich dabei auch Niedrigwasser auf nicht in Bayern gelegenen Gewässerabschnitten auf die bayerischen Binnenhäfen aus. Ebenso kann dies Auswirkungen auf staugeregelte Abschnitte wie am Main haben. Dies bedingt, dass Transporte teilweise auf Straße und Schiene verlagert wurden. Langfristig betrachtet ist die Transportmenge auf der Donau relativ konstant. Der starke Rückgang des Güterumschlags gegenüber den Neunzigerjahren ist im Wesentlichen am Main zu beobachten. Ursächlich ist neben einer Reihe kleinerer Verlagerungen insbesondere der Strukturwandel in der Kohle- und Stahlindustrie. Aufgrund des Abschaltens mehrerer Kohlekraftwerke entlang des Mains sowie der Stilllegung der Maxhütte Sulzbach-Rosenberg sind u. a. der Kohle- und Erztransport zurückgegangen. Mit dem Wegfall dieser Transporte fehlt zugleich entsprechender Schiffsraum für andere Güter in der Gegenrichtung. Gleichzeitig bleibt die Lage in den Donauanliegerstaaten Südosteuropas wirtschaftlich schwierig. So führte im Jahr 2015 beispielsweise die Schließung eines Werks in der Slowakei zum Wegfall des Umschlags von Baustahl-Matten im Hafen Roth. 3. Welche Maßnahmen werden seitens der Staatsregierung ergriffen, um der beschriebenen rückläufigen Entwicklung der Umschlagszahlen entgegenzuwirken ? 4. Welche – gegebenenfalls auch infrastrukturellen – Ursachen macht die Staatsregierung für diese negative Ursache aus und wie wird diesen Ursachen begegnet ? Zur Steigerung der Attraktivität der Wasserstraßen setzt sich die Staatsregierung für die Fahrrinnenvertiefungen am Main und den Ausbau der Donau nach der sogenannten Variante A zwischen Straubing und Vilshofen ein. Diese Vorhaben wurden entsprechend den Anmeldungen der Staatsregierung auch in den Bundesverkehrswegeplan-Entwurf aufgenommen . Über die landeseigene Bayernhafen-Gruppe setzt sich die Staatsregierung zudem dafür ein, dass anstelle der Schüttgüter vermehrt andere Güter wie Projektladungen (z. B. Fertiggaragen, Komponenten für Windkraftanlagen etc.) bzw. Schwerguttransporte umgeschlagen werden. Teilweise konnte die rückläufige Entwicklung zudem durch einen vermehrten Containerumschlag kompensiert werden, der vor allem auf dem Main wirtschaftlich durchgeführt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Struktur und des Gewichts dieser Güter die Tonnage pro Umschlagsvorgang teilweise deutlich geringer ist als beim Umschlag von Schüttgütern. Insbesondere das Gewicht der einzelnen standardisierten Container kann je nach Ladungsgut und Menge sehr unterschiedlich sein. Wichtig ist außerdem eine aktive Ansiedlungspolitik. In diesem Zusammenhang werden die Standorte und Flächen in den Häfen mit Miet- und Erbbaurechtsverträgen kontinuierlich weiterentwickelt und an die sich verändernden Bedürfnisse der Ansiedler und verladenden Wirtschaft angepasst . Entsprechend wird mit Kaianlagen und Krankapazitäten verfahren. Firmen, die die Wasserstraße als Transportweg nutzen können, werden gezielt Grundstücke an hierfür geeigneten Stellen in den Häfen angeboten. So gelang beispielsweise im Hafen Aschaffenburg die Ansiedlung des größten Laubholz-Sägewerkbetriebs Europas, der Fa. Pollmeier, nachdem E.ON im Jahr 2000 ihren Kraftwerksstandort aufgegeben hatte. Nicht zuletzt unterstützt die Staatsregierung mit Zuschüssen die kommunalen Häfen beim Ausbau und der Modernisierung ihrer Infrastruktur. In diesem Jahr hat der Hafen Straubing-Sand, der sich mit seiner Kernkompetenz Biomasse sehr gut entwickelt, Fördermittel beantragt.