Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabi Schmidt FREIE WÄHLER vom 07.06.2016 Preiskontrollen bei Lebensmitteln Immer wieder beklagen Lebensmittelerzeuger in Bayern die Marktmacht des Handels und die niedrigen Preise, die sie für ihre Erzeugnisse erhalten. Gleichzeitig ist auch der gelegentliche Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis gemäß Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verboten . Um die Wirkung des Instruments zu erzielen, sind entsprechende Kontrollen unumgänglich. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wer kontrolliert im Freistaat Bayern das Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter dem Einstandspreis ? a) Wie genau läuft eine solche Prüfung ab? b) Wie viel Personal ist hierfür in Bayern beschäftigt (bitte in Vollzeitstellen und je Regierungsbezirk)? 2. Wie viele Kontrollen wurden in den vergangenen fünf Jahren jeweils durchgeführt (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk und Landkreis)? a) Wie viele Unternehmen wurden dabei kontrolliert und aus welcher Branche stammten diese? 3. Falls keine Kontrollen durchgeführt wurden, warum nicht? a) Wie könnten mögliche Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte staatlicherseits besser unterstützt werden? 4. Falls Kontrollen durchgeführt wurden, wie viele Verstöße wurden in den vergangenen fünf Jahren jeweils festgestellt und welcher Art waren diese (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk und Landkreis)? a) In welchen Branchen wurden die Verstöße festgestellt ? 5. Wie können die Kontrollen effektiver gemacht werden? Will die Staatsregierung ihre Kontrollen zukünftig verschärfen ? 6. Wie bewertet die Staatsregierung den Erfolg des Verbots von auch „nur gelegentlich“ angebotenen Lebensmitteln unter Einstandspreis? a) Wird sich der Freistaat für eine Verlängerung dieser Regelung auch über 2017 hinaus einsetzen? Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 12.07.2016 1. Wer kontrolliert im Freistaat Bayern das Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter dem Einstandspreis ? a) Wie genau läuft eine solche Prüfung ab? b) Wie viel Personal ist hierfür in Bayern beschäftigt (bitte in Vollzeitstellen und je Regierungsbezirk)? Das Unter-Einstandspreis-Verbot für Lebensmittel ist geregelt in § 20 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und ist damit Bestandteil des Kartellrechts. Es ist Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht untersagt, Lebensmittel unter Einstandspreis anzubieten, es sei denn, dies ist sachlich gerechtfertigt (z. B. bei Verderb oder drohender Unverkäuflichkeit). Das Verbot richtet sich nur gegen große Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen und dient dem Schutz kleiner und mittlerer Lebensmitteleinzelhändler auf demselben räumlichen Markt vor Verdrängungswettbewerb . Das Verhältnis von Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen zu den Erzeugern, den Lieferanten und Abnehmern (Endverbrauchern) ist von der Vorschrift hingegen nicht erfasst. Der Vollzug des GWB und damit auch des Unter-Einstandspreis -Verbots obliegt den Kartellbehörden des Bundes und der Länder. In Bayern ist das Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie als Landeskartellbehörde zuständig. Die kartellrechtlichen Vorschriften sehen keine allgemeinen anlassunabhängigen Prüfungen vor. Die Kartellbehörde nimmt nur bei einem konkreten Verdacht eines Kartellrechtsverstoßes , etwa aufgrund einer eingehenden Beschwerde, Prüfungen auf. Die Prüfung kann nur einzelfallbezogen unter Ermittlung des jeweils relevanten sachlichen und räumlichen Marktes sowie der Feststellung der relativen Marktmacht des betroffenen Einzelhandelsunternehmens erfolgen. Wenn ein hinreichender Tatverdacht für einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Unter-Einstandspreis- Verbot vorliegt, entscheidet die Kartellbehörde im Rahmen ihres Aufgreifermessens, ob die Eröffnung eines Kartellverfahrens geboten ist. 2. Wie viele Kontrollen wurden in den vergangenen fünf Jahren jeweils durchgeführt (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk und Landkreis)? a) Wie viele Unternehmen wurden dabei kontrolliert und aus welcher Branche stammten diese? In den vergangenen fünf Jahren gingen bei der Bayerischen Landeskartellbehörde vier Beschwerden über mögliche Verkäufe unter Einstandspreis im Lebensmitteleinzelhandel ein. Die Prüfungen ergaben keinen hinreichenden Tatverdacht für das Vorliegen eines Verstoßes gegen das kartellrecht- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.09.2016 17/12549 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12549 liche Unter-Einstandspreis-Verbot, sodass keine Verfahren eingeleitet wurden. Denn die Beschwerden waren entweder allgemein gehalten, sodass der konkrete räumliche Markt sowie möglicherweise behinderte Wettbewerber nicht bestimmt werden konnten, oder die Beschwerden richteten sich nicht gegen Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen mit überlegener Marktmacht oder es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Angebotspreisen um Unter-Einstandspreise handelt. 3. Falls keine Kontrollen durchgeführt wurden, warum nicht? a) Wie könnten mögliche Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte staatlicherseits besser unterstützt werden? Wie in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, wurden mangels hinreichenden Tatverdachts keine Verfahren eingeleitet. Eine Möglichkeit bzw. Notwendigkeit der staatlichen Unterstützung der durch das Unter-Einstandspreis-Verbot geschützten kleinen und mittleren Lebensmitteleinzelhändler bei der Durchsetzung ihrer Rechte wird hier nicht gesehen. 4. Falls Kontrollen durchgeführt wurden, wie viele Verstöße wurden in den vergangenen fünf Jahren jeweils festgestellt und welcher Art waren diese (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk und Landkreis)? a) In welchen Branchen wurden die Verstöße festgestellt ? Wie in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, wurden in den vergangenen fünf Jahren keine Verfahren eingeleitet und keine Verstöße festgestellt. 5. Wie können die Kontrollen effektiver gemacht werden ? Will die Staatsregierung ihre Kontrollen zukünftig verschärfen? Da die Prüfungen im Rahmen des § 20 Absatz 3 GWB anlassbezogen erfolgen, ist eine Aussage zur Effektivität nicht möglich. Eine Verschärfung der Kontrollen hin zu allgemeinen Prüfungen von Lebensmittelpreisen ohne konkreten Anfangsverdacht ist nicht möglich. Es gibt hierfür keine kartellrechtliche oder andere Rechtsgrundlage. In einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung haben Kartellbehörden nicht die Aufgabe und Zuständigkeit für eine allgemeine staatliche Preisüberwachung. 6. Wie bewertet die Staatsregierung den Erfolg des Verbots von auch „nur gelegentlich“ angebotenen Lebensmitteln unter Einstandspreis? a) Wird sich der Freistaat für eine Verlängerung dieser Regelung auch über 2017 hinaus einsetzen? Der Erfolg des Unter-Einstandspreis-Verbots für Lebensmittel – sowohl im Sinne angemessener Preise für die Lebensmittelerzeuger als auch allgemein – ist als sehr begrenzt zu bewerten. Zum einen können Niedrigpreise trotz des Verbots nicht gänzlich verhindert werden. Die Einstandspreise großer Einzelhandelsunternehmen liegen oft weit unter denen der kleinen und mittleren Einzelhandelsunternehmen. Sie können deshalb weiterhin Niedrigpreise verlangen, die immer noch über ihren Einstandspreisen liegen. Das Verbot greift in diesen Fällen nicht. Zum anderen ist durch das Urteil des OLG Düsseldorf – bestätigt durch den BGH – im Fall „Rossmann“ (Urteil vom 12. November 2009, Az. VI-2, Kart 9/08 OWi) der Nachweis von Unter-Einstandspreisen für die Kartellbehörden erheblich erschwert worden, da die Zuordnung von Rabatten, Boni, Werbekostenzuschüssen etc. zu bestimmten Produkten bei der Berechnung des jeweiligen Einstandspreises weitgehend in das Ermessen des Handels gestellt wurde. Der Händler gewinnt eine große preisliche Verfügungsmasse und kann den Einstandspreis bestimmter Produkte „herunterrechnen “. Das Bundeskartellamt hat seitdem von der Einleitung weiterer Verfahren abgesehen. Aufgrund der Beschlüsse des Landtags vom 18. Juni 2015 betreffend „Faire Lebensmittelpreise“ (Drs. 17/7101) und des Ministerrates vom 12. April 2016 betreffend „Situation am Milchmarkt – Maßnahmenpaket der Staatsregierung“ wird sich die Staatsregierung auf Bundesebene für die unbefristete Geltung des Unter-Einstandspreis-Verbots für Lebensmittel im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur 9. GWB-Novelle in diesem Jahr einsetzen. Ein Auslaufen dieser Regelung zum Jahresende 2017, wie im Gesetz vorgesehen, wäre ein falsches Signal an den Handel und an die Erzeuger. Auch wenn § 20 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 GWB die Lebensmittelerzeuger nicht unmittelbar schützt, ist er doch Ausdruck des Respekts vor dem Lebensmittel und dessen Erzeugern.