Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 10.07.2016 Vorbemerkung: In der aktuellen Diskussion erfolgt oftmals eine Begriffsvermengung von Lieferengpass, Lieferunfähigkeit und Versorgungsengpass . Eine genaue Unterscheidung ist aber wichtig, da die Maßnahmen, mit denen einem Engpass begegnet werden soll, sehr unterschiedlich sind. Von einem vorübergehenden Lieferengpass ist wegen der weitreichenden Folgen (Umstellung der Medikation) insbesondere auch die Lieferunfähigkeit zu unterscheiden. Um eine einheitliche Grundlage für zielgerichtete und abgestimmte Maßnahmen zu schaffen, wurden diese Begriffe im Rahmen des Bayerischen Pharmagipfels einheitlich wie folgt definiert: Lieferengpass: Eine über voraussichtlich 2 Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann. Lieferunfähigkeit: Ein Arzneimittel ist voraussichtlich über 2 Wochen hinausgehend nicht lieferbar. Versorgungsengpass: Ein Arzneimittel ist nicht verfügbar und es steht kein vergleichbares Arzneimittel ersatzweise zur Behandlung zur Verfügung. 1. Sind der Staatsregierung Fälle bekannt, in denen es in Bayern an Krankenhausapotheken oder auch öffentlichen Apotheken zu Lieferschwierigkeiten von bestimmten Arzneimitteln oder Impfstoffen gekommen ist, und wenn ja, in wie vielen Fällen (bitte aufgeschlüsselt nach Art des Arzneimittels bzw. Stoffgruppe oder Impfstoffs und nach Jahren seit 2010)? Nach Auskunft der Bayerischen Landesapothekerkammer und des Landesverbands Bayern des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker e.V. kommt es in bayerischen Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken immer wieder zu Lieferengpässen von einzelnen Arzneimitteln . Vollständige Daten über die genauen Fallzahlen sowie die gewünschte Aufschlüsselung konnten nicht übermittelt werden. Auf den Internetseiten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts sind jedoch die aktuellen Lieferengpässe bei Arzneimitteln und Impfstoffen gelistet. 2. Hatten die Lieferengpässe Auswirkungen für Patienten , und wenn ja, welche genau? Nach Auskunft des Landesverbands Bayern des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker e.V. konnten bestimmte, von Lieferengpässen betroffene Arzneimittel für Patienten unter Angabe der Patientendaten im Einzelfall beschafft werden. In diesen Fällen waren noch kontingentierte Restbestände bei den Herstellern vorhanden. Dies erschwerte jedoch die Therapieplanungen und hat auch schon 17. Wahlperiode 30.09.2016 17/12604 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 06.06.2016 Arzneimittel- und Impfstoffknappheit Nach einer Befragung des Europäischen Verbands der Krankenhausapotheken zu Lieferengpässen berichten 86 % aller Krankenhausapotheker in Europa von Lieferschwierigkeiten bei unterschiedlichen Arzneimitteln oder Medizinprodukten . Ich frage die Staatsregierung: 1. Sind der Staatsregierung Fälle bekannt, in denen es in Bayern an Krankenhausapotheken oder auch öffentlichen Apotheken zu Lieferschwierigkeiten von bestimmten Arzneimitteln oder Impfstoffen gekommen ist und wenn ja, in wie vielen Fällen (bitte aufgeschlüsselt nach Art des Arzneimittels bzw. Stoffgruppe oder Impfstoffs und nach Jahren seit 2010)? 2. Hatten die Lieferengpässe Auswirkungen für Patienten, und wenn ja, welche genau? 3. Worin sieht die Staatsregierung den Grund für eventuelle Lieferengpässe und hält sie die Rabattverträge, durch die Apotheken zur Abgabe des günstigsten Arzneimittels mit dem verschriebenen Wirkstoff verpflichtet werden, für eine denkbare Ursache? 4. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bereits eingeleitet, um den Lieferschwierigkeiten zu begegnen, wenn nein, welche Maßnahmen plant sie und wann sollen diese umgesetzt werden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12604 zu Therapieverschiebungen geführt (z. B. das Zytostatikum Alkeran©). Zudem werden in den Krankenhäusern Arzneimittel , bei denen ein Lieferengpass besteht, nur noch auf begründete Einzelbestellung von der Krankenhausapotheke an die behandelnden Ärzte abgegeben. Eine Abgabe an die Behandlungseinheit auf Vorrat erfolgt nicht mehr. Antibiotika , die nicht lieferbar sind, werden von den Krankenhausapotheken kontingentiert. Zusammen mit den Ärzten werden dann rechtzeitig alternative Therapieoptionen geprüft und festgelegt. Nach Auskunft der Bayerischen Landesapothekerkammer versuchen die öffentlichen Apotheken die Probleme bei Lieferengpässen pragmatisch zu lösen, sodass in den allermeisten Fällen eine Versorgung der Patienten ermöglicht werden kann. Beispielsweise wird auf Alternativpräparate ausgewichen oder innerhalb einer Wirkstoffgruppe ausgetauscht. Hierzu ist ein erhöhter Arbeitsaufwand für die erforderlichen Rücksprachen mit Ärzten, pharmazeutischen Großhändlern, pharmazeutischen Unternehmen, Importeuren und Krankenkassen notwendig. Ggf. müssen Verschreibungen neu ausgestellt werden. 3. Worin sieht die Staatsregierung den Grund für eventuelle Lieferengpässe und hält sie die Rabattverträge , durch die Apotheken zur Abgabe des günstigsten Arzneimittels mit dem verschriebenen Wirkstoff verpflichtet werden, für eine denkbare Ursache? Die Ursachen für Lieferengpässe sind vielfältig. Diese liegen überwiegend im Verantwortungsbereich der pharmazeutischen Unternehmen. Ein Engpass entsteht beispielsweise durch eine unerwartet starke Zunahme der Nachfrage, durch Qualitätsmängel oder Herstellungsprobleme, durch Produktionseinstellung oder Marktrücknahme aufgrund unternehmerischer Entscheidung, durch Produktions- oder Lieferverzögerungen für Wirkstoffe oder Ausgangsmaterialien. Meist sind diese Ursachen längerfristig nicht vorhersehbar. Nach Auffassung der Staatsregierung sind Rabattverträge keine wesentliche Ursache für Lieferengpässe. Beispielsweise treten in Krankenhausapotheken Lieferengpässe auf, obwohl Rabattverträge hier keine Geltung haben. Der Dialog mit den pharmazeutischen Unternehmen in Bayern hat aber ergeben, dass Hersteller Vorlaufzeiten von ca. sechs Monaten von der Bestellung eines Arzneimittels bis zu dessen Auslieferung benötigen, um sich nach Zuschlagserteilung einer Krankenkasse für einen Wirkstoff mit der Produktion auf den Start der Rabattverträge einstellen zu können. Der Bayerische Pharmagipfel hat daher am 11.11.2015 an die Krankenkassen appelliert, zur Erhöhung der Versorgungssicherheit Regelungen zu verlängerten Vorlaufzeiten zwischen finaler Zuschlagserteilung und dem Start eines Rabattvertrags in ihre Vereinbarungen aufzunehmen. 4. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bereits eingeleitet, um den Lieferschwierigkeiten zu begegnen , wenn nein, welche Maßnahmen plant sie und wann sollen diese umgesetzt werden? Die Problematik der Liefer- und Versorgungsengpässe kann weder einfach noch allein auf regionaler oder nationaler Ebene gelöst werden. Daher muss der Problematik auf bayerischer Ebene, auf Bundesebene, auf EU-Ebene und schließlich weltweit begegnet werden. Im Rahmen des Bayerischen Pharmagipfels wurde vereinbart , „Runde Tische Liefer- und Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln“ in Bayern unter Beteiligung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, Vertretern der pharmazeutischen Industrie, des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels e.V., der Bayerischen Landesapothekerkammer und des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker e.V. – Landesverband Bayern einzurichten . Der erste Runde Tisch wird im November dieses Jahres zusammentreffen. Im Rahmen des Bayerischen Pharmagipfels wurde bereits vereinbart, dass die pharmazeutische Industrie ihre Vertragspartner in den Krankenhausapotheken über einen vorhersehbaren Lieferengpass spätestens 6 Monate im Voraus und über unvorhergesehene Engpässe unverzüglich informiert. So soll zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Patienten in Krankenhäusern eine rechtzeitige Umstellung der Medikation ermöglicht werden. Ergänzend hat der Bayerische Pharmagipfel den Bund aufgefordert, einen „Runden Tisch Liefer- und Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln“ unter Beteiligung des Bundesministeriums für Gesundheit, der einschlägigen Bundesoberbehörden , der pharmazeutischen Industrie, der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V., des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker e.V. und des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels e.V. einzurichten, um essenzielle Fragen der Arzneimittelversorgung unter den Beteiligten abstimmen zu können und einen praxisorientierten Beitrag Deutschlands zu den Überlegungen und Maßnahmen der EU vorzubereiten. Alle Ergebnisse des Bayerischen Pharmagipfels sind auf der Internetseite des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege abrufbar.