Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Günther Knoblauch SPD vom 09.11.2015 Zentrale Orte/Oberzentren in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Gibt es ein Gutachten hinsichtlich Oberzentren/Zentraler Orte und deren Bewertung? b) Wenn ja, zu welchen Ergebnissen und Erkenntnissen kommt das Gutachten? c) Wie lautet der genaue Text des Gutachtens (bitte Gutachten zur Verfügung stellen)? 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung das Gutachten? b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Staatsregierung aus dem Gutachten? c) Welche konkreten Maßnahmen und Handlungen leitet die Staatsregierung aus dem Gutachten ab? 3. a) Variiert der Fördersatz hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung bei Oberzentren im Vergleich zu anderen Krankenhausstandorten, z. B. Mittelzentren? b) Wenn ja, womit ist dies zu begründen? 4. a) Gibt es zusätzliche Förderungsmöglichkeiten hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung für Oberzentren? b) Wenn ja, womit ist dies zu begründen? 5. a) Wie hoch ist der Fördersatz hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung bei Oberzentren? b) Wie hoch ist der Fördersatz hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung bei Mittelzentren? 6. Welche Überlegungen vonseiten der Staatsregierung liegen der Krankenhausförderung allgemein und in Bezug auf Ober- und Mittelzentren zugrunde? Antwort des Staatsministeriums Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 17.07.2016 1. a) Gibt es ein Gutachten hinsichtlich Oberzentren/ Zentraler Orte und deren Bewertung? b) Wenn ja, zu welchen Ergebnissen und Erkenntnissen kommt das Gutachten? Als eine Grundlage der Landesentwicklungsprogramm (LEP)-Teilfortschreibung zu den Zentralen Orten wurde im Juli 2014 ein Gutachten vergeben. Der Endbericht des Gutachtens liegt vor. Das Gutachten beschränkt sich im Wesentlichen auf Vorschläge zur methodischen Ermittlung und zu möglichen Ausstattungskriterien von Zentralen Orten sowie zu den Rahmenbedingungen für die Festlegung (z. B. Lage im RmbH, zumutbare Erreichbarkeit). Analysen und zentralörtliche Einstufungsvorschläge zu einzelnen Gemeinden sind nicht enthalten. c) Wie lautet der genaue Text des Gutachtens (bitte Gutachten zur Verfügung stellen)? Siehe Anlage. 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung das Gutachten? b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Staatsregierung aus dem Gutachten? c) Welche konkreten Maßnahmen und Handlungen leitet die Staatsregierung aus dem Gutachten ab? Die Ergebnisse des Gutachtens sind nach fachpolitischer Bewertung in den Entwurf der Fortschreibung der Zentralen Orte eingeflossen. Es wurden z.B. folgende Aspekte aus dem Gutachten aufgegriffen: – Es soll eine neue Stufe Metropole eingeführt werden. – Im Raum mit besonderem Handlungsbedarf (RmbH) findet eine gesonderte Betrachtung Zentraler Orte im Interesse der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung statt. – Es sollen Erreichbarkeitsschwellen für Grund-, Mittel- und Oberzentren als Orientierungswerte festgelegt werden. – Oberzentren sollen einen expliziten Entwicklungsauftrag erhalten. Überdies sollen die bereits ausgewiesenen Zentralen Orte angesichts der demografischen Entwicklung eine langfristige Perspektive erhalten. Abstufungen im zentralörtlichen System sind bei der anstehenden LEP-Teilfortschreibung daher nicht vorgesehen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit insbesondere mit der Tschechischen Republik soll durch gemeinsame Zentrale Orte verstärkt werden. 3. a) Variiert der Fördersatz hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung bei Oberzentren im Vergleich zu anderen Krankenhausstandorten, z. B. Mittelzentren ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 16.09.2016 17/12727 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12727 b) Wenn ja, womit ist dies zu begründen? 4. a) Gibt es zusätzliche Förderungsmöglichkeiten hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung für Oberzentren ? b) Wenn ja, womit ist dies zu begründen? 5. a) Wie hoch ist der Fördersatz hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung bei Oberzentren? b) Wie hoch ist der Fördersatz hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung bei Mittelzentren? Die in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern aufgenommenen Krankenhäuser haben aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gegenüber dem Freistaat Bayern gleichermaßen Anspruch auf Förderung ihrer bedarfsnotwendigen Investitionskosten (100 %-Förderanspruch). Im Förderverfahren ergeben sich daher keine Auswirkungen aus den zentralörtlichen Einstufungen. 6. Welche Überlegungen vonseiten der Staatsregierung liegen der Krankenhausförderung allgemein und in Bezug auf Ober- und Mittelzentren zugrunde ? Allen Krankenhäusern steht gleichermaßen ein Vollförderanspruch zu. Im Rahmen der Krankenhausförderung bestehen daher keine speziellen Überlegungen in Bezug auf Ober- und Mittelzentren. 1 Gutachten zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP) zum Zentrale-Orte-System – Endbericht – 03.07.2015 Auftragnehmer Deutsches Institut für Stadt- und Raum – DISR e.V. Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Stefan Greiving Bearbeitung: Dipl.-Ing. Florian Flex Prof. Dr.-Ing. Stefan Greiving Dr. Thomas Terfrüchte Prof. Dr. Rainer Winkel 2 Inhalt 1  Zielsetzung .............................................................................................................................................. 4  Leitfrage 1: Gewährleisten die bestehenden Mittel- und Oberzentren eine flächendeckende Versorgung im Lichte des demographischen Wandels? ......................................................................................................... 4  Leitfrage 2: Sind die bestehenden Ober- und Mittelzentren hinsichtlich ihrer Ausstattung und Aufgabenwahrnehmung untereinander noch vergleichbar? ........................................................................... 5  Leitfrage 3: Welche einheitlichen Kriterien gibt es, nach denen Mittel- und Oberzentren jeweils eingestuft werden können? ............................................................................................................................................. 5  Leitfrage 4: Ist eine zusätzliche Ebene „Metropole“ im bayerischen System der Zentralen Orte zweckmäßig? Sind Oberzentren mit metropolitanen Funktionen denkbar? ................................................... 7  Leitfrage 5: Ist im Raum mit besonderem Handlungsbedarf eine differenzierte Bewertung von Mittel- und Oberzentren zielführend, um den Besonderheiten dieses Raumes gerecht zu werden? ............................... 7  Leitfrage 6: Wie kann durch interkommunale Kooperation die Erfüllung der zentralörtlichen Aufgaben gewährleistet werden? ................................................................................................................................... 9  2  Grundlegendes Begriffsverständnis ...................................................................................................... 10  Zentrale-Orte-System und Zentrale-Orte-Konzept ....................................................................................... 10  Zentraler Ort ................................................................................................................................................. 10  Zentralörtliche Bereiche................................................................................................................................ 11  Zentralörtliche Funktionen ............................................................................................................................ 12  3  Methodisches Grundgerüst und Vorgehensweise ................................................................................. 13  3.1  Erhebung von Ausstattungs- und Entwicklungsmerkmalen .......................................................... 13  3.2  Hierarchisierung der Einrichtungen und Bestimmung der Gravitationskraft der Zentralen Orte .... 14  3.3  Bereichsabgrenzung und Bestimmung Zentraler Orte .................................................................. 14  4  Herleitung und Begründung der Kriterien zur Einstufung der Zentralen Orte ........................................ 16  4.1  Herleitung aus dem normativen Zielsystem des LEP 2013 ........................................................... 16  4.2  Ermittlung der Häufigkeitsverteilung zentralörtlicher Funktionen (Skalogramm-Analyse) ............. 20  5  Vorabauswahl Mehrfachorte ................................................................................................................. 21  5.1  Methodik........................................................................................................................................ 21  1. Prüfkriterium: Potenzielle Erreichbarkeit der Teilorte untereinander ........................................................ 22  2. Prüfkriterium: Tatsächliche Interaktion der Teilorte untereinander ........................................................... 23  3. Prüfkriterium: Funktionale Beziehungen ................................................................................................... 24  5.2  Ergebnis - Funktionsergänzungspotenzial bestehender und geplanter Mehrfachorte ................... 27  5.3  Beurteilung des Funktionsergänzungspotenzials grenzüberschreitender Mehrfachorte ............... 28  6  Zentralörtliche Gravitationskraft ............................................................................................................ 30  6.1  Methodisches Vorgehen ............................................................................................................... 30  6.2  Einschätzung der zentralörtlichen Gravitationskraft ...................................................................... 32  7  Vom Zentrale-Orte-System zum Zentrale-Orte-Konzept ....................................................................... 33  7.1  Mittelzentren und Mittelbereiche ................................................................................................... 33  7.2  Oberzentren und Oberbereiche ..................................................................................................... 42  8  Weitere Handlungsempfehlungen für die Fortschreibung des LEP Bayern .......................................... 45  3 8.1  Umgang/Einführung einer Ebene „Metropole“ ............................................................................... 45  8.2  Auswirkungen auf die grundzentrale Ebene .................................................................................. 45  8.3  Auswirkungen auf Förderprogramme ............................................................................................ 46  8.4  Aussagen zur Ausgestaltung der Funktionsergänzung/Kooperation der Gemeinden ................... 46  8.5  Ausstattungskataloge für die mittel- und oberzentrale Ebene ....................................................... 49  8.6  Vorschläge für weitere Plansätze .................................................................................................. 49  Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................ 53  Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Ablaufschema der Bestimmung ................................................................................................ 13  Abbildung 2: Prüfschema zur Beurteilung von Mehrfachorten bzw. gemeinsamen Aufstufungswünschen ... 21  Abbildung 3: Mögliche Ausgangssituationen auf der Grundlage der zentralörtlichen Ausrichtung ................ 34  Abbildung 4: Schematische Darstellung von Fallkonstellationen der Zuordnung zu Mittelbereichen ............. 36  Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Zentralörtliche Funktionen und zugeordnete Ausstattungsmerkmale ............................................ 17  Tabelle 2: Zentralörtliche Funktionen nach Hierarchiestufen (mittel- und oberzentral) .................................. 20  Tabelle 3: Ergänzende zentralörtliche Ausstattung der grenzüberschreitende Mehrfachorte ........................ 28  Tabelle 4: Gewichtung der oberzentralen Einrichtung nach dem Verfahren Hauptkomponentenanalyse ..... 31  Tabelle 5: Gewichtung der mittelzentralen Einrichtungen nach der Hauptkomponentenanalyse ................... 31  Tabelle 6: Übersicht der Fallkonstellation bei der Mittelbereichbildung ......................................................... 39  4 1 Zielsetzung Mit dem Landesentwicklungsprogramm Bayern 2013 (im Folgenden LEP 2013 genannt) wurde gegenüber dem LEP 2006 eine deutliche Straffung des bayerischen Zentrale-Orte-Konzepts vorgenommen (von sieben auf drei Stufen), wobei einerseits alle Zwischenstufen entfernt und andererseits die Klein- und Unterzentren sowie die Siedlungsschwerpunkte zur Kategorie der Grundzentren zusammengefasst wurden. Die absolute Anzahl der Zentralen Orte wurde in diesem Prozess nicht reduziert. Zudem wurden alle Zwischenstufen jeweils ungeprüft aufgestuft, sodass insbesondere die Anzahl der Mittelzentren erheblich erhöht wurde. Eine Teilfortschreibung des LEP 2013 zu den Zentralen Orten soll durch das vorliegende Gutachten vorbereitet werden. Dem Gutachten liegen insgesamt sechs Leitfragen zu Grunde, auf die im Folgenden näher eingegangen und jeweils auf das in Kap. 3 näher erläuterte methodische Vorgehen verwiesen wird. Leitfrage 1: Gewährleisten die bestehenden Mittel- und Oberzentren eine flächendeckende Versorgung im Lichte des demographischen Wandels? Aufgabe der Mittel- und Oberzentren ist gemäß Ziel 2.1.2 die Versorgung der Bevölkerung mit zentralörtlichen Einrichtungen der mittel- und oberzentralen Stufe. Mittel- und Oberzentren sollen dazu Einrichtungen des gehobenen Bedarfs vorhalten und Oberzentren Einrichtungen des spezialisierten höheren Bedarfs (Grundsatz 2.1.2). Es gilt somit zu überprüfen ob die bestehenden Mittel- und Oberzentren ihrer Versorgungsfunktion gerecht werden und ob aus allen Landesteilen mindestens eines dieser Zentren in zumutbarer Erreichbarkeit liegt. Die demographische Entwicklung in Bayern ist sehr heterogen. Gemäß der Anlage zum LEP 2013 ist für die Regionen Main-Rhön und Oberfranken-Ost mit einem Bevölkerungsrückgang bis 2030 von 10,1 bzw. 14,1 % zu rechnen, während die Region München um 10,3% wachsen soll. Gemäß Ziel 1.2.1 LEP 2013 ist der demographische Wandel bei allen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, insbesondere bei der Daseinsvorsorge und der Siedlungsentwicklung, zu beachten. Ziel 1.2.5 stellt fest, dass der Gewährleistung einer dauerhaften Versorgung der Bevölkerung mit zentralörtlichen Einrichtungen in zumutbarer Erreichbarkeit, insbesondere in Teilräumen, die besonders vom demographischen Wandel betroffen sind, der Verzug gegenüber Auslastungserfordernissen einzuräumen sei. Damit korrespondiert auch Ziel 2.1.3 („Bei der Sicherung, der Bereitstellung und beim Ausbau zentralörtlicher Einrichtungen ist Zentralen Orten der jeweiligen Stufe in der Regel der Vorzug einzuräumen.“). Erreichbarkeitsschwellenwerte sind Ausdruck planerischer Zielvorstellungen (Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse). Art. 5 Abs. 1 BayLplG normiert: „Leitziel der Landesplanung ist es, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen zu schaffen und zu erhalten“. Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 Satz 7 BayLplG spezifiziert dieses Leitziel in einem Grundsatz: „Die Zentralen Orte sollen so über das ganze Staatsgebiet verteilt werden, dass für alle Bürger die Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen und Infrastruktureinrichtungen des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedarfs in zumutbarer Erreichbarkeit gesichert ist; dies gilt auch in dünn besiedelten Teilräumen.“ Im LEP 2013 wird mit Ziel 2.1.3 dem Erreichbarkeitskriterium jedenfalls ein im Zweifelsfall höheres Gewicht beigemessen als der Tragfähigkeit und damit die Tragfähigkeit im Sinne von einrichtungsbezogenen 5 Mindeststandards, nicht jedoch die Erreichbarkeit flexibilisiert. Dies ist als Ausdruck des planerischen Gestaltungsspielraums auch rechtlich nicht in Frage zu stellen. Damit kann aber methodisch nicht erst die tatsächliche Erreichbarkeit empirisch ermittelt und ein Schwellenwert dann normativ gesetzt werden, sondern muss diese Setzung der empirischen Überprüfung vorangestellt werden. Leitfrage 2: Sind die bestehenden Ober- und Mittelzentren hinsichtlich ihrer Ausstattung und Aufgabenwahrnehmung untereinander noch vergleichbar? Gemäß Grundsatz 2.1.2 LEP 2013 sollen Ober- und Mittelzentren zugleich auch ein umfassendes Angebot an Einrichtungen der grundzentralen Versorgung für ihren Nahbereich vorhalten. Ein zielführender Vergleich von Ober- und Mittelzentren kann die grundzentrale Ebene somit nicht vollständig ausblenden. Auf grundzentraler Ebene muss eine Mindestausstattung der Güter und Dienstleitungen des Grundbedarfs gewährleistet sein. Insofern ist ein Vergleich der grundzentralen Infrastrukturcluster wichtig, um dem Gebot der Systemgerechtigkeit entsprechen zu können. Der Größe bzw. Einwohnerzahl einer politischen Gemeinde kommt hier keine Bedeutung zu. Gleichwohl ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Gutachtens. Die Festlegung von Grundzentren obliegt der Regionalplanung. Auf mittelzentraler Ebene sind – wichtiger als Mittelzentren – vorrangig die Mittelbereiche miteinander zu vergleichen, um einen sachgerechten Zuschnitt der Mittelbereiche und dabei hinreichende Tragfähigkeit (im Sinne von Ausstattungsqualitäten) und Erreichbarkeit gewährleisten zu können. Eine Vergleichbarkeit innerhalb einer Strukturvariante (z. B. Mehrfachorte) ist erforderlich, um (etwa im Rahmen eines Zentrale-Orte-Monitorings) dem Gebot der Systemgerechtigkeit entsprechen zu können, atypische Ausnahmen beurteilen und mögliche Veränderungen in Tragfähigkeit und Erreichbarkeit über die Zeit beobachten zu können. In jedem Fall kann „Vergleichbarkeit“ nicht Gleichheit bedeuten, da innerhalb einer Hierarchiestufe große Unterschiede auftreten können, ohne damit den Versorgungsauftrag, der den Zentralen Orten obliegt, zu gefährden. Es kann nur um die Festlegung von Klassengrenzen für die Hierarchiestufen gehen. Das Auftreten von Ausnahmefällen kann aber eine Vergleichbarkeit erschweren, weil ausstattungsgleiche Orte aufgrund anderer Erfordernisse (z. B. Erreichbarkeitsdefizite, Stellung im regionalen Arbeitsmarkt, Lage in Räumen mit besonderem Handlungsbedarf) ggf. ungleich eingestuft werden müssen. Vergleichbarkeit an sich tritt daher hinter andere Ziele zurück (insb. das LEP Ziel 1.2.5). Leitfrage 3: Welche einheitlichen Kriterien gibt es, nach denen Mittel- und Oberzentren jeweils eingestuft werden können? Die Festlegungskriterien sind für die Hierarchieebenen differenziert festzulegen. Welche Kriterien jeweils auf welcher Stufe maßgeblich sind, resultiert aus den landesspezifischen Gegebenheiten, insb. der Anzahl und der räumlichen Verteilung aller zentralörtlich relevanten Funktionen. Während Grundzentren (und damit auch Mittel- und Oberzentren) im Sinne einer flächendeckenden Daseinsvorsorge zwingend über einen grundzentralen Standortcluster verfügen sollten, müssen Mittel- und Oberzentren nicht zwangsläufig über ausgeprägte mittel- bzw. oberzentrale Standortcluster verfügen. Die Einstufung als Mittel- bzw. Oberzentrum sollte vielmehr durch Aspekte der Tragfähigkeit (bzw. Ausstattung) im Versorgungsbereich sowie der Erreichbarkeit und Lage innerhalb des Bereichs bestimmt werden (Greiving/Flex/Terfrüchte/Winkel 2014). Gleichwohl gibt das LEP 2013 Ziel 2.1.4 vor, dass zentralörtliche Einrichtungen in der Regel in den 6 Siedlungs- und Versorgungskernen der Zentralen Orte zu realisieren sind. Dies stellt aber nicht in Frage, dass Mittel- und Oberzentren ihren Versorgungsauftrag nicht auch ohne ausgeprägten Standortcluster erfüllen können oder die bestehenden Einrichtungen außerhalb dieser Cluster bei ihrer empirischen Überprüfung nicht auch berücksichtigt werden sollten. Auch mittelzentrale Einrichtungen außerhalb der Mittelzentren (z. B. Krankenhäuser) tragen zur Versorgungsqualität im jeweiligen Teilraum (bzw. zentralörtlichem Mittelbereich) bei. Auf der mittel- und oberzentralen Ebene können die jeweiligen Funktionen unter Wahrung von Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitsaspekten somit auch außerhalb eines Standortclusters liegen. Die Relevanz der räumlichen Bündelung nimmt tendenziell mit steigender Hierarchiestufe ab. Das Vorhandensein mittel- und oberzentraler Einrichtungen alleine rechtfertigt insofern auch nicht die Einstufung als Mittel- bzw. Oberzentrum. Hinzu tritt die Entwicklungsfähigkeit der Orte, weil ohne diese auch längerfristig der Versorgungsauftrag nicht gewährleistet werden kann. Gleichwohl wäre es aus Gründen der Normklarheit zielführend, Entwicklungsfähigkeit auch explizit im LEP 2013 als ergänzendes Einstufungskriterium zumindest für Oberzentren zu erwähnen. Im Sinne einer flächendeckenden Versorgung mit mittel- und oberzentralen Funktionen sind zudem die zentralörtlichen Bereiche als Gestaltungsansatz einzubeziehen. Beispielhaft werden Einrichtungen des gehobenen bzw. höheren Bedarfs in der Erläuterung zu Ziel 2.1 im LEP 2013 aufgeführt. Dieser Auflistung kommt keine Bindungswirkung zu, ist aber im Rahmen der vorgesehenen gutachterlichen Überprüfung als Teil eines politisch normierten Zielsystems zu berücksichtigen. Folgende Aspekte sind bei Ausstattungskatalogen als Einstufungskriterien zu bedenken: Erforderlicher Konkretisierungsgrad, u. a. vor dem Hintergrund gerichtsfester Festlegungen und möglichen Einforderungen/Ansprüchen der entsprechend ausgewiesenen Städte und Gemeinden; Umfang bzw. Anzahl der jeweiligen Einrichtungen, da auf der grundzentralen Ebene i. d. R. der Zugang zu entsprechenden Einrichtungen ausreichen dürfte (dichotome Skalierung: vorhanden/nicht vorhanden), während insbesondere auf der mittelzentralen, aber auch auf der oberzentralen Hierarchieebene eine ausreichende Versorgung (kardinale Skalierung: Anzahl entsprechender Einrichtungen) sichergestellt sein sollte; Unterscheidung zwischen Zentralem Ort und zentralörtlichem Versorgungsbereich (z. B. zur Berücksichtigung oberzentraler Einrichtungen in Mittelzentren bei der Feststellung der Versorgungsqualität); insbesondere auf mittelzentraler Ebene finden sich viele Einrichtungen auch außerhalb eines empirisch ermittelbaren Infrastrukturclusters bzw. eines Hauptorts (z. B. Sporteinrichtungen, Krankenhäuser). Grundsätzlich gilt auch hinsichtlich der Einstufungskriterien, dass planerische Aussagen in die Zukunft gerichtet sind und daher ein prognostisches Element in die Überprüfung einzubeziehen ist. Ein empirisch beschreibbares Zentrale-Orte-System sollte nicht unmittelbar in ein Konzept überführt werden. Bevölkerungsschwellenwerte sieht das LEP 2013 für Mittel- und Oberzentren nicht mehr vor. Dies ist grundsätzlich auch kein Problem. Bevölkerungsschwellenwerte sind nur Proxy-Indikatoren für Tragfähigkeit1. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Bevölkerung und Tragfähigkeit von zentralörtlich bedeutsamer Infrastruktur besteht nicht; die Tragfähigkeit hängt vielmehr von der Raumstruktur ab. Insofern ist von 1 Ein Proxy-Indikator ist ein indirekter Indikator, mit dessen Hilfe mangels der direkten Messbarkeit, fehlenden Messung oder vorhandenen Datenlücken versucht wird, Sachverhalte annäherungsweise abzubilden. 7 pauschalen Einwohnerschwellenwerten sowohl als Einstufungskriterium für Zentrale Orte wie auch für die Abgrenzung zentralörtlicher Bereiche abzusehen. Leitfrage 4: Ist eine zusätzliche Ebene „Metropole“ im bayerischen System der Zentralen Orte zweckmäßig? Sind Oberzentren mit metropolitanen Funktionen denkbar? Die Frage muss letztendlich planungspolitisch entschieden werden. Empirisch lassen sich metropolitane Funktionen im Zentrale-Orte-System in Bayern ohne weiteres identifizieren. Aus methodischen Gründen kann die (ggf. nur hilfsweise) Einführung einer metropolitanen Ebene oberhalb der oberzentralen Ebene sinnvoll sein, um Verzerrungen und große Ausstattungsunterschiede auf der oberzentralen Ebene zu vermeiden. Für Bayern ist festzuhalten, dass München und Nürnberg/Fürth/Erlangen/Schwabach das Gefüge der Oberzentren (untereinander) verzerren. Raumordnungspolitisch wäre eine zusätzliche Ebene – ggf. unter Einbeziehung der beiden Metropolregionen München und Nürnberg als Verflechtungsbereiche der „Metropolen“ – oder die Festlegung metropolitaner Funktionen im Zentrale-Orte-Konzept dann zweckmäßig, wenn damit auch eine Steuerungsfunktion bzw. ein Entwicklungsauftrag verbunden werden würde. Dies ist gegenwärtig im LEP nicht der Fall, das die Versorgungsfunktionen des ZOK in den Vordergrund stellt. Deshalb wird in Kap. 8.1 ein Vorschlag für eine Erweiterung des ZOK um eine Stufe „Metropole“ unterbreitet, der sich primär auf den Entwicklungsauftrag des Landes bezieht. Leitfrage 5: Ist im Raum mit besonderem Handlungsbedarf eine differenzierte Bewertung von Mittel- und Oberzentren zielführend, um den Besonderheiten dieses Raumes gerecht zu werden? Ziele der Raumordnung müssen im Sinne der Normklarheit für den Normadressaten räumlich und sachlich bestimmt bzw. zumindest bestimmbar sein (Urteil des BVerwG 4 C 8.10 vom 16.12.2010). Demnach erfüllen landesplanerische Vorschriften die Merkmale eines Ziels der Raumordnung, wenn die Voraussetzungen im Einzelfall im Wege der Auslegung eines Plans bestimmt oder wenigstens hinreichend bestimmbar sind (vgl. Bartram 2010, S. 47f). Die räumliche und sachliche Bestimmbarkeit raumordnerischer Ziele ist aufgrund der mit den Zielfestlegungen verbundenen Eingriffe in das kommunale Selbstverwaltungsrecht zwingend erforderlich, um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Willkürverbot Rechnung zu tragen. Dabei muss nachvollziehbar sein, welche Erwägungen bzw. überörtliche Interessen von höherem Gewicht den Erlass der Rechtsnorm rechtfertigen. Wesentlich ist dabei die so genannte „Systemgerechtigkeit“ (Beck/Roschmann 2002, S. 64), von der im konkreten Einzelfall abgewichen werden kann, sofern sich hierfür sachgerechte Gründe vorbringen lassen. Dafür sind Regel-Ausnahme-Verhältnisse zu bestimmen. Der VerfGH Münster (VerfGH 18/08 zum FOC Ochtrup) argumentiert: „Mit Rücksicht darauf, dass die Verbotsregelung sich als erhebliche Beschränkung der Planungshoheit auswirkt, unterliegen die Schwellenwerte einem besonderen Rechtfertigungsbedürfnis.“ Der VerfGH hat auch das Erfordernis einer raumstrukturell differenzierten Betrachtung und hier explizit differenzierte Schwellenwerte für Zentrale Orte betont. Es ist nicht nur zielführend, sondern rechtlich geboten, die Fragen von Leistungsfähigkeit und Angebot zentralörtlicher Einrichtungen raumstrukturell differenziert zu bewerten bzw. mit 8 zentralörtlichen Funktionszuweisungen zu beantworten (Greiving/Flex/Terfrüchte/Winkel 2015). Grundsätzlich kann in verschiedenen Raumstrukturen ein unterschiedlicher Umgang mit dem empirisch ermittelten Zentrale-Orte-System erforderlich sein, um eine Versorgung mit zentralörtlich relevanten Gütern und Dienstleistungen sicher zu stellen. So kann die Festlegung eines Zentralen Orts – abweichend vom empirischen Befund – im Einzelfall erforderlich werden, um Erreichbarkeitsstandards einzuhalten. Art. 5 Abs. 1 BayLplG normiert: „Leitziel der Landesplanung ist es, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen zu schaffen und zu erhalten“. Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 Satz 7 BayLplG spezifiziert dieses Leitziel in einem Grundsatz: „Die Zentralen Orte sollen so über das ganze Staatsgebiet verteilt werden, dass für alle Bürger die Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen und Infrastruktureinrichtungen des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedarfs in zumutbarer Erreichbarkeit gesichert ist; dies gilt auch in dünn besiedelten Teilräumen.“ In anderen Fällen kann die Festlegung eines Zentralen Orts zu vermeiden sein, wenn sich kein klar abgrenzbarer Verflechtungsbereich identifizieren lässt (insb. in Verdichtungsräumen). Dies unterstreicht im Übrigen auch das o. g. Ziel 1.2.5 des LEP 2013. Gerade in der Differenz zwischen empirisch ermittelten Ist- Zustand und dem gewünschten normativen Zielzustand (Soll-Zustand) liegt der (landes-)planerische Gestaltungswille. Im LEP 2013 werden mit Ziel 2.2.3 ja auch bereits „Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf“ (im Folgenden RmbH) festgelegt, welche gemäß Ziel 2.2.4 LEP 2013 vorrangig zu entwickeln sind. Dies gelte u. a. bei Planungen und Maßnahmen zur Versorgung mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Insofern ist im LEP 2013 bereits normiert, dass Zentrale Orte im RmbH anders zu bewerten sind als im Rest des Landes. Daneben sind in Ziel 2.2.1 LEP 2013 Gebietskategorien, nämlich der ländliche Raum (unterteilt in allgemeinen ländlichen Raum und ländlichen Raum mit Verdichtungsansätzen) sowie der Verdichtungsraum festgelegt. Der RmbH als Gebietskulisse wird unabhängig von der Festlegung als Verdichtungsraum oder ländlicher Raum eingestuft. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zum methodischen Vorgehen im Gutachten der Forschungsgruppe Regionalökonomie „Das Zentrale-Orte-System in Bayern“ (S. 30), wo bei allen drei Szenarien ausschließlich auf den empirischen Befund der vorhandenen Ausstattung bzw. Entwicklungsfähigkeit zur Begründung einer Funktionszuweisung abgestellt worden ist. Erreichbarkeiten wurden nicht untersucht. Aus einem empirischen Befund muss nicht zwingend eine normative Festlegung folgen. Zwar ist der erste Schritt einer Funktionszuweisung immer die Identifizierung der zentralörtlichen Standortcluster mit ihren jeweiligen zentralen Einrichtungen. Dennoch ist klarzustellen, dass keine Gemeinde einen Anspruch auf eine mittel- oder oberzentrale Funktionszuweisung alleine aus ihrer Ausstattung ableiten kann. Diese ist zwar eine zu erfüllende, aber als solche nicht hinreichende Voraussetzung für eine entsprechende Funktionszuweisung. Zusätzlich ist die raumordnerische Erforderlichkeit einer Funktionszuweisung im Einzelfall zu prüfen – vor dem Hintergrund eines Zentrale-Orte- Konzepts, das eine flächendeckende, auch unter prognostischen Gesichtspunkten langfristig tragfähige und erreichbare Versorgung und Entwicklung im Planungsraum zum Ziel hat. Insofern sollten im Einzelfall auch hinsichtlich ihrer Ausstattung gleiche Gemeinden ungleich behandelt bzw. eingestuft werden können, ohne dass damit das Gebot der Systemgerechtigkeit verletzt werden würde. 9 Um den raumstrukturellen Unterschieden Rechnung tragen zu können, sind Strukturvarianten im Zentrale- Orte-Konzept erforderlich: Monozentraler Ort, wenn sich zentralörtliche Funktionen auf eine Gemeinde fokussieren, die innerhalb eines abgrenzbaren Versorgungsbereichs tragfähige und erreichbare zentralörtliche Leistungen für dritte Gemeinden erbringt. Mehrfachorte, wenn sich transkommunale Standorträume identifizieren lassen, die gemeinsam innerhalb eines abgrenzbaren Versorgungsbereichs tragfähige und erreichbare zentralörtliche Leistungen für dritte Gemeinden erbringen. Leitfrage 6: Wie kann durch interkommunale Kooperation die Erfüllung der zentralörtlichen Aufgaben gewährleistet werden? Die Ausgestaltung von Mehrfachorten richtet sich dabei an die Tragfähigkeit des gemeinsamen Versorgungsbereiches. Keine der Städte hat mehr den Anspruch, für sich sämtliche Versorgungeinrichtungen einzufordern. Dabei können Teilfunktionen auch ungleich zwischen den Partnern verteilt sein, wobei eine Funktionsteilung nur dann Sinn macht, wenn jeder Partner zur gemeinsamen Funktionswahrnehmung substantielle Teilfunktionen beisteuert. Insofern sind Funktionsteilungen zwischen Hierarchiestufen nicht denkbar, sehr wohl aber ein Städteverbund zwischen einem bisherigen Mittel- und einem Grundzentrum, die gemeinsam mittelzentrale Funktionen übernehmen, sofern das bisherige Grundzentrum zumindest einzelne mittelzentrale Teilfunktionen übernimmt, die im bisherigen Mittelzentrum nicht vorgehalten werden. Eine solche gemeinsame Funktionszuweisung ist an raumstrukturelle Voraussetzungen gebunden, d. h. eine räumliche Nähe sowie ein Funktionsergänzungspotenzial sind entscheidend. Die räumliche Nähe muss durchaus vom Zentralitätsniveau abhängig gemacht werden, d. h. gemeinsame Oberzentren können größere Distanzen aufweisen, als etwa Grund- oder Mittelzentren, weil andere Erreichbarkeitskriterien für die von ihnen gemeinsam zu erbringenden Versorgungsleistungen maßgeblich sind. In jedem Fall ist bei dieser auf mehrere Standorte aufgeteilten Funktionsbereitstellung sicherzustellen, dass alle Versorgungsstandorte aus dem Versorgungsbereich von der Bevölkerung innerhalb der festgelegten Erreichbarkeitsstandards erreicht werden können. Denn mit zunehmender Standortanzahl nimmt der Wegeund Zeitaufwand für Versorgungsfahrten zu (Greiving/Flex/Terfrüchte/Winkel 2015). 10 2 Grundlegendes Begriffsverständnis Zentrale-Orte-Konzepte sind fester Bestandteil der Landesraumordnungspläne in allen Flächenländern. Aufgrund der unterschiedlichen Begriffsverwendung im Zusammenhang mit Zentralen Orten zwischen und innerhalb der Bundesländer, wird im Folgenden das dem Gutachten zugrunde liegende Begriffsverständnis dargelegt. Es wird empfohlen, dieses auch als Grundlage für die Teilfortschreibung zum Zentrale-Orte- Konzept zu sehen. Zentrale-Orte-System und Zentrale-Orte-Konzept Bereits das Begriffspaar „Zentrale-Orte-System“ und „Zentrale-Orte-Konzept“ wird in der Praxis abweichend vom einschlägigen Schrifttum oder teilweise auch synonym verwendet. So gebraucht die bayerische Landesplanung den Begriff „Zentrale-Orte-System“ für die normativ-planerisch festgelegten Zentralen Orte (Gemeinden). Eine solche Begriffsverwendung birgt jedoch die Gefahr, den irrtümlichen Eindruck zu vermitteln, es handele sich um eine 1 zu 1-Reflektion des empirisch beschreibbaren Systems Zentraler Orte, womit wiederum den Kommunen gegenüber die Erwartungshaltung erzeugt wird, man müsse nur eine bestimmte Ausstattung besitzen, um einen Anspruch auf eine Funktionszuweisung zu haben. Insofern ist stets sauber zu differenzieren zwischen (1) der empirisch-analytisch (bestimmbaren) Ist- Zentralität von Zentralen Orten und ihrer Verflechtungsbereiche im Zentrale-Orte-System (ZOS) und (2) der normativ-planerischen Soll-Zentralität Zentraler Orte und ihrer Versorgungsbereiche als angestrebten Zielzustand im Zentrale-Orte-Konzept (ZOK). Folglich besteht in der Regel auch eine Diskrepanz zwischen dem analytischen Zentrale-Orte-System eines Planungsraums und dem raumordnerisch wünschenswerten Zielzustand: Dies liegt daran, dass einzelne Gemeinden noch nicht oder nicht mehr die Funktion ausüben, die ihnen im Zentrale-Orte-Konzept zugedacht ist. Zentraler Ort Der „Zentrale Ort“ wird einerseits – in einem eher theoretischen Verständnis – als Standortcluster (räumliche Bündelung) zentraler Einrichtungen verstanden und andererseits – in der Raumordnungspraxis – mit der politischen Gemeinde als Normadressat zentralörtlicher Funktionszuweisung im ZOK gleichgesetzt. Beim theoretischen Zentrale-Orte-Begriff handelt es sich um eine räumliche Standortagglomeration (Infrastrukturcluster) verschiedener haushaltsorientierter Güter und Dienste, die aufgrund der Distanzempfindlichkeit der Nachfrage an einem Ort gebündelt für ein Marktgebiet (Bereich) angeboten werden. Der Zentrale Orte ist demnach eine räumliche Konzentration von zentralörtlichen Einrichtungen gleicher Hierarchiestufe, die man auch als Infrastruktur- bzw. Standortcluster auffassen kann. Fasst man den Zentralen Ort als Cluster auf, lassen sich damit die verschiedenen Zentralitätsausprägungen beschreiben: von grundzentralen Versorgungsclustern (historische Ortsteilzentren und Marktplätze mit Gütern und Dienstleistungen der Nahversorgung), über hochspezialisierte Finanzzentren oder Technologieparks abseits der City, bis zu neuen Zentralitätsformen wie Fachmarktagglomerationen an autoorientierten Standortorten abseits der Siedlungsgebiete. In der raumordnerischen Praxis wird unter einem Zentralen Ort in der Regel der „Empfänger“ oder der Normadressat der zentralörtlichen Funktionszuweisung verstanden, womit der Zentrale Ort überwiegend mit der politischen Gemeinde gleichgesetzt wird. Diese aus planungspraktischen Erwägungen naheliegende Definition steht jedoch im Wiederspruch zu der ursprünglichen Definition der auf Christaller zurückgehenden Zentrale-Orte-Theorie. 11 Ein weiterer Unterschied zwischen dem Zentralen Ort in Theorie und Raumordnungspraxis liegt darin, dass in der Theorie dem Zentralen Ort – verstanden als Marktort – nur eine Versorgungsfunktion zugestanden wird. In der raumordnerischen Praxis wurden die Zentralen Orten allerdings schnell mit weiteren Funktionen, insb. der Entwicklungsfunktion (für ihre Versorgungsbereiche, s. u.) belegt. Zudem wird mit dem Zentrale- Orte-Konzept auch eine Ordnungs- und Steuerungsfunktion für die Siedlungsflächenentwicklung und Steuerung des großflächigen Einzelhandels verknüpft. Beispielsweise sollen Wohnbauflächen und gewerblich-industrielle Bereiche in einigen Bundesländern zum Zweck der Verkehrsvermeidung und der Sicherung des unbebauten Freiraumes auf Zentrale Orte ausgerichtet werden. Zentralörtliche Bereiche Analog zum deskriptiven ZOS und zum normativen ZOK wird bei den zentralörtlichen Bereichen zwischen den empirisch ermittelbaren Verflechtungsbereichen und den normativ definierten Versorgungsbereichen unterschieden. Zentralörtliche Versorgungsbereiche werden hier verstanden als vom Plangeber normativ festgelegte Bereiche, die die angestrebten Versorgungsbeziehungen zwischen Zentralen Orten und ihrem Umland bzw. benachbarten Zentralen Orten darstellen. Dabei sind auch insbesondere für polypolare Verflechtungen (Mehrfachorientierung der Bevölkerung) planerisch begründete Zuordnungsentscheidungen zu treffen, die angesichts der Bedeutung administrativer Grenzen (insbesondere der Landkreise) häufig auch von den empirisch ermittelten Verflechtungsbereichen abweichen. Vom zentralörtlichen Versorgungsbereich zu unterscheiden sind der empirisch ermittelte (multifunktionale) Verflechtungsbereich und der Einzugsbereich, der im Wesentlichen auf die Reichweite einzelner Güter oder Dienstleistungen und den (möglichen) Kaufkraftabfluss u. a. im Zusammenhang mit dem Kongruenzgebot abzielt. Wichtig für das Verständnis von Verflechtungsbereichen ist somit, dass je Gut bzw. Dienst ein anderer Einzugsbereich empirisch festgestellt werden wird und ein Zentraler Ort (Gemeinde oder Standortcluster) keinen festen Einzugsbereich mit allen Gütern und Dienstleistungen der jeweiligen Zentralitätsstufe aufweist. Zur Beschreibung von Zentrale-Orte-Systemen wird jedoch i. d. R. ein multifunktionaler Verflechtungsbereich ermittelt, der möglichst viele Einzugsbereiche repräsentiert. Für die Bestimmung der Verflechtungsbereiche spielt die Mehrfachorientierung der Bevölkerung eine bedeutende Rolle: Auf der einen Seite führt die Aggregation von verschiedenen Einzugsbereichen zu räumlichen Überlagerungen hinsichtlich der Inanspruchnahme durch die Bevölkerung; die meist vorgenommene Angleichung an Gemeinde- und ggf. Kreisgrenzen verstärkt diesen Effekt. Auf der anderen Seite orientiert sich die Bevölkerung bei frei wählbaren Gütern und Dienstleistungen zu unterschiedlichen Zentralen Orten hin. Die Christaller’sche Prämisse, dass jeweils der nächst gelegene Zentrale Ort aufgesucht wird, hat keine praktische Evidenz. Insofern ist grundsätzlich von einer – wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägten – Mehrfachorientierung auszugehen. Die Aussagen zu zentralörtlichen Bereichen in den Plänen und Programmen der Länder sind per Definition als normativ einzustufen. Ein dreigliedriges Zentrale-Orte-Konzept (grund-, mittel- und oberzentrale Ebene) sieht im Idealfall auf allen drei Ebenen neben der Ausweisung Zentraler Orte auch die Darstellung zentralörtlicher Versorgungsbereiche vor (Nahbereiche, Mittelbereiche und Oberbereiche). Für Zwischenstufen (z. B. Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums) oder zusätzliche Stufen (z. B. Kleinzentrum), wie sie vor der Novellierung des ZOK durch den LEP 2013 auch in Bayern vorgesehen waren, gibt es bei den Versorgungsbereichen keine normative Entsprechung. 12 Zentralörtliche Funktionen In der Christaller’schen Zentrale-Orte-Systematik übernehmen Zentrale Orte Funktionen für benachbarte, nicht-zentrale Orte bzw. für Zentrale Orte niedrigerer Hierarchie. Neben der klassischen Funktion als mitversorgender Ort (Versorgungsfunktion) spielt bei der Funktionszuweisung in der Raumordnung wie gezeigt auch die Frage der Entwicklungsfähigkeit (Entwicklungsfunktion) eines Ortes eine Rolle. In den Plänen und Programmen der Länder werden die zentralörtlichen Funktionen weitgehend konsistent den drei Ebenen zugeordnet: Grundzentrale Ebene: alltäglicher Bedarf, Grund- bzw. Nahversorgung; Mittelzentrale Ebene: Gehobener Bedarf, oftmals gleichgesetzt mit regionaler Bedeutung; Oberzentrale Ebene: Spezialisierter, höherer Bedarf, oftmals gleichgesetzt mit überregionaler oder landesweiter Bedeutung. Die Zentralen Orte übernehmen zentralörtliche Funktionen i. d. R. für den jeweiligen zentralörtlichen Versorgungsbereich, wobei die Zentralen Orte höherer Hierarchiestufe meist gleichzeitig auch die Funktionen der niedrigeren Hierarchiestufen für ihren Versorgungsbereich wahrnehmen (sollen). Oberzentren sind also gleichzeitig auch Mittel- und Grundzentren mit jeweils eigenen zentralörtlichen Bereichen. Bei der Entwicklungsfunktion spielt sowohl der aktuelle Entwicklungsstand als auch die sich abzeichnende Entwicklung (i. d. R. über Prognosen) eines Zentralen Ortes und seines zugeordneten zentralörtlichen Bereichs eine Rolle. Der Entwicklungsfunktion kommt auf der mittel- und insbesondere der oberzentralen Ebene eine hohe Bedeutung bei, während die Versorgungsfunktion zunehmend in den Hintergrund tritt (Blotevogel 2002: XXIV). 13 3 Methodisches Grundgerüst und Vorgehensweise Das grundlegende methodische Vorgehen bei der Bestimmung der Mittel- und Oberzentren und ihrer Versorgungsbereiche wird durch Abbildung 1 veranschaulicht. Die spezifischen Detailaspekte der einzelnen methodischen Schritte werden zusätzlich in den entsprechenden Kapiteln näher erläutert. Abbildung 1: Ablaufschema der Bestimmung 3.1 Erhebung von Ausstattungs- und Entwicklungsmerkmalen Den ersten Strang soll die Herleitung der zur Zentralitätsbestimmung erforderlichen Merkmale bilden. Diese bestehen einerseits aus zentralörtlichen Ausstattungsmerkmalen (Versorgungseinrichtungen) und andererseits aus Entwicklungsmerkmalen, die die Versorgungs- und Entwicklungsfunktionen Zentraler Orte beschreiben; dabei können jeweils auch mehrere Merkmale eine Funktion bilden (z. B. bilden die Merkmale Verwaltungshochschule, Theologische Hochschule usw. die Funktion „Sonstige Hochschulen“, vgl. Kap. 4.1) Den Ausgangspunkt bilden hier die normativen Aussagen des LEP 2013 zu Funktionsbereichen, für die die Zentralen Orte i. d. R. Ausstattungsmerkmale aufweisen sollen. Diese sollen für die Mittel- und Oberzentren aus den entsprechenden Plansätzen des LEP zur Daseinsvorsorge herausgearbeitet werden, das in diesem Sinne das politisch legitimierte Zielsystem für eine Überprüfung des Zentrale-Orte-Systems darstellt. Anschließend gilt es, die Indikatoren für die Überprüfung der Funktionserfüllung der Gemeinden im Allgemeinen und die Differenzierung für die Hierarchieebenen im Speziellen zu ermitteln. Dazu soll eine flächendeckende Untersuchung hinsichtlich der räumlichen Verteilung zentraler Einrichtungen (unabhängig von der bestehenden Einstufung) und weiterer zentralitätsrelevanter Merkmale (Entwicklungsfunktion) auf Ebene aller bayerischen Gemeinden erfolgen. 14 3.2 Hierarchisierung der Einrichtungen und Bestimmung der Gravitationskraft der Zentralen Orte Den nächsten Strang kann die Hierarchisierung der Einrichtungen sowie die Bestimmung der Gravitationskraft der Zentralen Orte bilden. Die aus dem Zielsystem abgeleiteten Ausstattungsmerkmale können dazu im Rahmen einer sog. „Skalogramm-Analyse“ in zweifacher Hinsicht analysiert werden: 1. im Hinblick auf die landesweite Verteilung jedes Ausstattungsmerkmals über alle Gemeinden. 2. auf die Zusammensetzung der Ausstattungsmerkmale je Gemeinde (als potenzieller Zentraler Ort). Eine Besonderheit im bayerischen ZOK stellen Mehrfachorte dar (vgl. Abbildung 1 sowie Abbildung 2 auf S. 21): Im Zusammenhang mit der Prüfung der Ausstattungsmerkmale je Gemeinde können daher neben den politischen Gemeinden als potenzielle Zentrale Orte auch (1) die bestehenden Mehrfachorte sowie (2) die aufgrund von Aufstufungswünschen zu prüfende Mehrfachorte als Aggregate untersucht werden. Dies dient dazu, das erforderliche Funktionsergänzungspotenzial der jeweiligen Teilorte zu ermitteln; ist dies nicht gegeben und ein Teilort unterstützt den Hauptort lediglich mit ohnehin dort vorgehaltenen Einrichtungen, kann dann weiter nach dem Raumtyp unterschieden werden: Die Differenzierung folgt der besonderen Würdigung des RmbH im LEP, denn anders als andere Teilräume ist dieser vorrangig zu entwickeln. Insofern können dort auch jene Orte als Teil eines Mehrfachorts identifiziert werden, die offenbar (noch) keine ausreichende Tragfähigkeit für zusätzliche Einrichtungen aufweisen. Orte außerhalb des RmbH hingegen müssen bei fehlender Funktionsergänzung zumindest Entwicklungsimpulse für sich und das Umland setzen können (positive und stärke Entwicklungsfähigkeit als der Hauptort), um Teil eines Mehrfachortes zu werden. Eine Ausnahme in diesem Prüfschritt stellen baulich zusammengewachsene Teilorte dar, denen grundsätzlich funktionale Austauschbeziehungen unterstellt werden. Voraussetzung für die Bestimmung der Gravitationskraft als Aggregat ist zudem, dass zwischen den Teilorten eine potenzielle Erreichbarkeit gegeben ist (30 Min. Fahrzeit im MIV, zur Begründung siehe S. 22 in Kapitel 5.1) und sie tatsächlich interagieren (wechselseitige Pendlerverflechtungen). Die für die mittelzentrale Ebene relevante Fahrzeit von 30 Minuten kommt auch bei potenziellen oberzentralen Mehrfachorten zum Tragen. Oberzentren übernehmen zugleich auch die Funktion von Mittelzentren (Grundsatz 2.1.2 im LEP 2013: „Mittel- und Oberzentren sollen zentralörtliche Einrichtungen des gehobenen Bedarfs vorhalten.“) und eine Funktionsteilung bezieht sich auf den Zentralen Ort insgesamt (hier ober- und mittelzentrale Ebene) und nicht auf eine einzelne Ebene. Im Anschluss an die Prüfung der Doppel- und Mehrfachorte könnte für die mittel- und oberzentrale Ebene mittels der sog. Hauptkomponentenanalyse ein Versorgungsindex erstellt werden (zentralörtliche Gravitationskraft bzw. die empirisch beschreibbare Versorgungszentralität Zentraler Orte); dieser ist u. a. für die spätere Abgrenzung der Versorgungsbereiche relevant. 3.3 Bereichsabgrenzung und Bestimmung Zentraler Orte Neben einer (überdurchschnittlichen) Versorgungsfunktion (dargestellt über die Gravitationskraft) ist für eine systemgerechte Einstufung als Zentraler Ort auch die Bereichsbildungsfunktion (Gravitationswirkung auf Umlandgemeinden) erforderlich. Demnach kann aufgrund der Ausstattung alleine noch nicht auf eine Einstufung als Zentraler Ort der betrachteten Stufe geschlossen werden. Erst aus der Kombination beider Merkmale resultiert das raumordnerische Erfordernis für die Festlegung als Zentraler Ort. In Abhängigkeit 15 von der Raumstruktur kann dies dazu führen, dass die Ausweisung eines weiteren (monozentralen) Mittelzentrums im Verdichtungsraum zur Verbesserung der Versorgungssituation nicht erforderlich ist bzw. womöglich sogar die Tragfähigkeit des dominierenden Zentralen Ortes gefährden könnte, während die Ausweisung eines ausstattungsschwachen Mittelzentrums in Räumen mit nachlassender Tragfähigkeit (insb. im RmbH) trotz möglicher Finanzierungsprobleme zur Gewährleistung der Erreichbarkeit erforderlich werden könnte. Damit ist der Aufgabenbereich der Plausibilitätsprüfung der empirischen Verflechtungsbereiche beschrieben: nur solche Orte, die zur Gewährleistung einer flächendeckenden Erreichbarkeit (unter besonderer Berücksichtigung des Raumtyps) erforderlich sind, werden als Zentrale Orte bestimmt und ein – dann – normativer Versorgungsbereich für sie abgegrenzt. 16 4 Herleitung und Begründung der Kriterien zur Einstufung der Zentralen Orte 4.1 Herleitung aus dem normativen Zielsystem des LEP 2013 Mit dem LEP 2013 liegt ein räumlich und sachlich ausreichend bestimmtes bzw. bestimmbares normatives Zielsystem vor, was als solches die Grundlage für die Ableitung von Ausstattungskriterien bildet. Für die Einstufung der Gemeinden als Mittel- und Oberzentren sind hingegen Erweiterungen des gegeben Zielsystems anzuraten (Vgl. Kap. 8.6). Gegenstand des Endberichts ist vor allem die Operationalisierung der Versorgungs- und Entwicklungsfunktion. Grundsatz 2.1.2 LEP 2013 legt für Mittel- und Oberzentren fest, dass diese zentralörtliche Einrichtungen des gehobenen Bedarfs vorhalten sollen. Oberzentren sollen darüber hinaus auch zentralörtliche Einrichtungen des spezialisierten höheren Bedarfs vorhalten. Oberzentren sind somit gemäß LEP 2013 zugleich auch Mittelzentren (vgl. Kap. 2). In der Begründung zu Grundsatz 2.1.2 werden folgende Hinweise zur Operationalisierung gegeben (Begründung zu Punkt 2.1.2, eigene Hervorhebungen in fett): „Der gehobene Bedarf an zentralörtlichen Einrichtungen soll von den Mittel- und Oberzentren gedeckt werden. Zentralörtliche Einrichtungen des gehobenen Bedarfs sind z.B. Einrichtungen „Der spezialisierte höhere Bedarf an zentralörtlichen Einrichtungen umfasst jene, die nur in größeren Städten nachgefragt werden. Er soll von den Oberzentren gedeckt werden. Zentralörtliche Einrichtungen des spezialisierten höheren Bedarfs sind z.B. Einrichtungen - der Aus- und Weiterbildung: weiterführende Schulen (wie etwa Gymnasien, Realschulen, Sonderpädagogische Förderzentren als Kompetenzzentren für Inklusion, Berufsschulen), - der Aus- und Weiterbildung (wie etwa Hochschulen, Fachhochschulen), - des Gesundheits- und Betreuungswesens: Einrichtungen der stationären medizinischen Versorgung (wie etwa Krankenhäuser) und der stationären Pflege, Sozialstationen, Fachstellen für pflegende Angehörige, Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung, Angebote der Erziehungs-, Ehe- und Familienberatung, - des Gesundheits- und Betreuungswesens (wie etwa Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen, sozialpädiatrische Zentren, Frauenhäuser und Einrichtungen zur Verbraucherund Ernährungsberatung), - der Kultur und des Sports (wie etwa Theater, Konzertsäle, spezielle Sportanlagen), - der Kultur und des Sports (wie etwa Landestheater, Museen, Opernhaus, spezialisierte Sport- und Freizeiteinrichtungen für Großveranstaltungen), - der Rechtspflege und der Verwaltung (wie etwa Amtsgerichte, Polizeidienststellen, Behörden, Arbeitsagenturen, Finanzämter)“ - der Rechtspflege und der Verwaltung (wie etwa Landgerichte).“ Aus den vier erkennbaren Funktionsbereichen (Aus- und Weiterbildung, Gesundheits- und Sozialwesen, Kultur und Sport, Rechtspflege und Verwaltung) können sukzessive Teilfunktionsbereiche und Funktionen abgeleitet werden, die über konkrete Ausstattungsmerkmale empirisch erfasst werden können 17 (Funktionsbereich –> Teilfunktionsbereich(e) –> Zentralörtliche Funktion(en) –> Merkmal(e)). Sofern eine Funktion zugleich ein Ausstattungsmerkmal ist (z. B. Universitäten), wird kein zusätzliches Merkmal angegeben, sofern zentrale Einrichtungen Haupt- und Nebenstellen aufweisen, sind diese zur Unterscheidung mit den Werten 0,5 für Nebenstellen und 1,0 für Hauptstellen zu gewichten. Tabelle 1 zeigt die vorgeschlagenen Funktionen und Merkmale: Tabelle 1: Zentralörtliche Funktionen und zugeordnete Ausstattungsmerkmale Funktionsbereich Teilfunktionsbereich Zentralörtliche Funktion Merkmale Aus- und Weiterbildung Tertiäre Bildungseinrichtungen Universitäten Universitäten Sonstige Hochschulen (aggregiert) Fachhochschule Kunsthochschule Theologische Hochschule Verwaltungshochschule Tertiäre berufliche Schulen (aggregiert) Fachakademie Fachschule Weiterführende Schulen Berufliche Schulen (aggregiert) Berufsfachschule Berufsfachschule Gesundheitswesen Berufsschule Wirtschaftsschule Förderschulen (aggregiert) Berufsschule z. sonderpäd. Förd. Förderzentrum und Schule für Kranke Mittlere Reife (aggregiert) Abendrealschule Realschule schulartunabhängige Orientierungsst. Hochschulreife (aggregiert) Abendgymnasium Berufsoberschule Fachoberschule Freie Waldorfschule Gymnasium Integrierte Gesamtschule Kolleg 18 Funktionsbereich Teilfunktionsbereich Zentralörtliche Funktion Merkmale Kultur und Sport Museen Staatliche Museen Staatliche Museen Theater Kommunale Theater (mit Ensemble) Kommunale Theater (mit Ensemble) Staatstheater Staatstheater Rechtspflege und Verwaltung Behörden Agentur für Arbeit; Jobcenter (aggregiert) Arbeitsagentur (1; 0,5) Jobcenter Finanzämter Finanzämter MZ-Behörden (aggregiert) Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Landratsamt Schulamt OZ-Behörden (aggregiert) Amt für Ländliche Entwicklung Bezirksregierung Zentrum Bayern Familie und Soziales Polizeidienststellen (aggregiert; 1; 0,5) Polizeistation Polizeiinspektion Polizeipräsidien Polizeipräsidien Rechtspflege Amtsgericht Amtsgericht Fachgerichte/Landgerichte (aggregiert) Arbeitsgericht Landgericht Sozialgericht Verwaltungsgericht Notare Notare Kammern Kammern (aggregiert) Handwerkskammer Industrie- und Handelskammer 19 Funktionsbereich Teilfunktionsbereich Zentralörtliche Funktion Merkmale Gesundheitsund Sozialwesen Beratungseinrichtungen Fachstellen Pflege (1; 0,5) Fachstellen Pflege (1; 0,5) Frauenhäuser Frauenhäuser Verbraucher- und Ernährungsberatung (aggregiert) Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Verbraucherberatung Erziehungsberatungsstellen Erziehungsberatungsstellen Ehe- und Familienberatungsstellen Ehe- und Familienberatungsstellen Stationäre medizinische Versorgung Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen (aggregiert) Hochschulklinik Krankenhaus der Stufe 2 Krankenhaus der Stufe 3 Krankenhaus der Grundversorgung (aggregiert) Fachkrankenhaus Krankenhaus der Stufe 1 Krankenhaus der Stufe 2 Krankenhaus der Stufe 3 Vertragskrankenhaus Betreuungseinrichtungen Sozialpädiatrische Zentren Sozialpädiatrische Zentren Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung (aggregiert) Tageseinrichtungen Teilhabe für behinderte Kinder (Plätze) Heime für behinderte Kinder (Plätze) 20 4.2 Ermittlung der Häufigkeitsverteilung zentralörtlicher Funktionen (Skalogramm-Analyse) Mittels der landesweiten Untersuchung der entsprechenden Funktionen im Rahmen der Skalogramm- Analyse lassen sich die Funktionen wie folgt der Häufigkeiten gemäß hierarchisieren. Auf diese Weise kann auch eine Trennung zwischen mittel- und oberzentralen Funktionen vorgenommen werden (zur Methodik vgl. Kap. 3.2). Zwischen Amtsgerichten und Krankenhäusern der höheren Versorgungsstufe ist ein klarer Klassenteiler zu erkennen, so dass sich 17 mittelzentrale und 12 oberzentrale Funktionen ergeben. Damit ist jedoch noch keine Gewichtung einzelner Funktionen verbunden (siehe Kap. 6): Tabelle 2: Zentralörtliche Funktionen nach Hierarchiestufen (mittel- und oberzentral) Zentralörtliche Funktionen Häufigkeit (Anzahl Orte) Mittelzentrale Funktionen Mittlere Reife (aggregiert) 260 Hochschulreife (aggregiert) 259 Polizeidienststellen (aggregiert; 1; 0,5) 235 Krankenhäuser der Grundversorgung (aggregiert) 216 Förderschulen (aggregiert) 206 Notare 202 Berufliche Schulen (aggregiert) 185 Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung (Plätze) (aggregiert) 160 MZ-Behörden (aggregiert) 155 Erziehungsberatungsstellen 145 Fachstellen Pflege (1; 0,5) 129 Verbraucher- und Ernährungsberatung (aggregiert) 109 Agentur für Arbeit; Jobcenter (aggregiert) 105 Tertiäre berufliche Schulen (aggregiert) 101 Finanzämter 98 Ehe- und Familienberatungsstellen 94 Amtsgericht 82 Oberzentrale Funktionen Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen (aggregiert) 35 Frauenhäuser 34 Sonstige Hochschulen (aggregiert) 33 Fachgerichte/Landgerichte (aggregiert) 26 OZ-Behörden (aggregiert) 21 Kommunale Theater (mit Ensemble) 20 Sozialpädiatrische Zentren 15 Universität 12 Polizeipräsidien 10 Kammern (aggregiert) 10 Staatliche Museen 6 Staatstheater 2 21 5 Vorabauswahl Mehrfachorte Für alle potenziellen Mittel- und Oberzentren (also zunächst alle 2.056 Städte und Gemeinden, ggf. als Mehrfachort) sollte ihre Gravitationskraft bestimmt werden, um in Verbindung mit auf sie ausgerichteten Pendlerverflechtungen (Anbindungskoeffizienten) zentralörtliche Verflechtungsbereiche ermitteln zu können. Um die Gravitationskraft ermitteln zu können, ist also zunächst festzulegen, wie mit den bestehenden Mehrfachorten im LEP und den gemeinsamen Aufstufungswünschen umgegangen werden soll-;. Grundsätzlich haben Mehrfachorte zentralörtliche Funktionen gemeinsam zu erfüllen. Damit sind an sie die gleichen Tragfähigkeits- und Erreichbarkeitskriterien anzulegen wie an monozentrale Orte. Mehrfachorte können daher sowohl bei der Bestimmung der Gravitationskraft wie auch bei der Bereichsabgrenzung als Aggregate betrachtet werden. 5.1 Methodik Abbildung 2 zeigt das entwickelte mögliche Prüfschema für die (Vorab-)Bestimmung von Mehrfachorten, dessen Kriterien sich aus dem bestehenden Zielsystem des LEP 2013 ableiten lassen und die im Folgenden näher erläutert werden. Neben der Erreichbarkeit, die innerhalb des gesamten Zentrale-Orte-Konzepts (flächendeckend) erfüllt sein muss, sind die beiden aus dem LEP abgeleiteten Ziele „Funktionsergänzung“ (Ziel 2.1.2) sowie „Raumtyp“ (Ziel 2.2.4) zunächst als gleichrangig anzusehen. Hingegen handelt es sich bei der ebenfalls relevanten „Entwicklungsfunktion“ um einen nachrangig zu behandelnden Grundsatz der Raumordnung (Grundsatz 2.1.2). Es handelt sich in diesem Fall demnach um formal gleichrangige Ziele der Raumordnung, deren Aufeinandertreffen durch eine Kollisionsregelung gelöst werden muss. Es wird empfohlen, dem Ziel „Ergänzungspotenzial“ bei Mehrfachorten eine Priorität gegenüber dem Ziel der Förderung der Entwicklung im RmbH einzuräumen. Zur Begründung lässt sich das Wirtschaftlichkeitsgebot des Art. 7 der bayerischen Landeshaushaltsordnung anführen, dem bei einer Priorisierung der Förderung des RmbH immer dann nicht gefolgt würde, wenn trotz vorhandener Funktionsergänzung ein anderer Teilort in die Bestimmung der gemeinsamen Gravitationskraft einbezogen werden würde, nur weil der Ort zum RmbH zählt. Die bestehenden Versorgungsstrukturen würden damit nicht berücksichtigt und ggf. aus der Förderung des Ortes im RmbH eine doppelte Vorhaltung der Infrastruktur im Versorgungsbereich erwachsen. Somit ergibt sich neben der grundsätzlich zu erfüllenden Erreichbarkeit und Interaktion die folgende mögliche Prüfkaskade für Mehrfachorte: a) Funktionsergänzung b) Raumtyp (RmbH) c) Unterstützungspotenzial und Entwicklungsfunktion d) Baulicher Zusammenhang Dabei erfolgt die Prüfung der Kriterien sequenziell, d. h. nur erreichbare Mehrfachorte werden auf ihre Interaktion und nur interagierende auf ihre Funktionsergänzung bzw. -unterstützung, Raumtyp und baulichen Zusammenhang geprüft. Die Teilkriterien 3 a – d sind dabei als Alternativen zu verstehen, von denen nur eine erfüllt sein muss. Abbildung 2: Prüfschema zur Beurteilung von Mehrfachorten bzw. gemeinsamen Aufstufungswünschen  22 1. Prüfkriterium: Potenzielle Erreichbarkeit der Teilorte untereinander Begründung Erreichbarkeitsschwellenwerte sind Ausdruck planerischer Zielvorstellungen (Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse). Art. 5 Abs. 1 BayLplG normiert: „Leitziel der Landesplanung ist es, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen zu schaffen und zu erhalten“. Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 Satz 7 BayLplG spezifiziert dieses Leitziel in einem Grundsatz: „Die Zentralen Orte sollen so über das ganze Staatsgebiet verteilt werden, dass für alle Bürger die Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen und Infrastruktureinrichtungen des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedarfs in zumutbarer Erreichbarkeit gesichert ist; dies gilt auch in dünn besiedelten Teilräumen.“ Im LEP 2013 wird daher mit Ziel 2.1.3 dem Erreichbarkeitskriterium ein im Zweifelsfall höheres Gewicht beigemessen als der Tragfähigkeit und damit faktisch nicht die Erreichbarkeit, sondern die Tragfähigkeit flexibilisiert. Allerdings enthält das LEP 2013 im Gegensatz zur Fassung von 2006 keine Erreichbarkeitsstandards zur Operationalisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Zumutbare Erreichbarkeit“ mehr, so dass das Ziel 1.2.5 gegenwärtig nicht abschließend bestimmt ist. Zur empirischen Überprüfung der Gewährleistung der potenziellen Erreichbarkeit sollten daher die Angaben aus der Richtlinie für integrierte Netzgestaltung (RIN) (FGSV 2008) ersatzweise herangezogen werden. Diese nennt für Mittelzentren 30 Min. mit dem MIV. Die ÖPNV-Erreichbarkeit kann mangels eines belastbaren Verkehrsmodells nicht flächendeckend betrachtet werden, sollte jedoch in Einzelfällen, in denen die MIV-Erreichbarkeit nicht gewährleistet ist, nach Möglichkeit zur Plausibilisierung herangezogen werden. Es geht hier um die Frage, ob die Teilorte untereinander überhaupt erreichbar sind. Ist dies nicht der Fall, müssen bestehende bzw. aufstufungsbegehrende Mehrfachorte nicht weiter untersucht werden, weil Ziel 2.1.3 LEP 2013 nicht erfüllbar ist. In jedem Fall ist aber bei einer späteren Festlegung als Mehrfachort bei einer auf mehrere Standorte aufgeteilten Funktionsbereitstellung sicherzustellen, dass alle Versorgungsstandorte aus dem Versorgungsbereich von der Bevölkerung innerhalb der festgelegten Erreichbarkeitsstandards erreicht werden können. Denn mit zunehmender Standortanzahl nimmt der Wege- und Zeitaufwand für 23 Versorgungsfahrten zu. Methodische Vorgehensweise Die MIV-Erreichbarkeiten der Teilorte untereinander sind zu bestimmen. Diese basieren auf Angaben zum tatsächlichen Zeitaufwand (mittlere Fahrgeschwindigkeit) und nicht auf Entfernungsangaben. Dabei ist zu unterschieden, ob die Erreichbarkeit jeweils für alle Ortsteile gegeben ist oder für wesentliche Teile oder für wesentliche Ortsteile nicht. Im Ergebnis ist zu unterscheiden, ob die Erreichbarkeit jeweils für alle Ortsteile gegeben ist, ob Grenzfälle vorliegen (wenn etwa einzelne kleinere Ortsteile nicht vollständig erreichbar sind) oder wesentliche Gemeindeteile oder vollständige Gemeinden nicht innerhalb von 30 Min. im MIV erreichbar sind. 2. Prüfkriterium: Tatsächliche Interaktion der Teilorte untereinander Begründung Dieses Prüfkriterium geht auf Grundsatz 2.1.2 LEP 2013 zurück: „Zwei oder mehr Gemeinden können als Zentrale Doppel- oder Mehrfachorte den zentralörtlichen Versorgungsauftrag gemeinsam wahrnehmen, wenn dies räumlich oder funktional erforderlich ist.“ Nun gewährleistet eine potenzielle Erreichbarkeit noch nicht, dass auch tatsächlich ein zentralörtlicher Versorgungsauftrag gemeinsam wahrgenommen wird. Deshalb wird als weiteres Prüfkriterium die tatsächliche Interaktion der Teilorte vorgeschlagen. Nur wenn die Teilorte über wechselseitige Versorgungsbeziehungen stärker aufeinander bezogen sind als mit Dritten Orten, ist davon auszugehen, dass zentralörtliche Funktionen de facto gemeinsam wahrgenommen werden (können), weil Teile der Versorgung im jeweils anderen Teilort angeboten und nachgefragt werden (können). Ist dies nicht der Fall, soll keine gemeinsame Gravitationskraft ermittelt werden. Allerdings ist der Reifegrad und damit in der Regel die Dauer der Kooperation zu berücksichtigen (BMVBS 2008). Jüngst mit dem LEP 2013 erst festgelegten Mehrfachorten kann nicht vorgehalten werden, dass (bislang) nur eine geringe Interaktion bzw. Verflechtung nachweisbar ist. Folglich sollte dieses Kriterium bei den entsprechenden Mehrfachorten (Hauzenberg/Waldkirchen sowie Senden/Vöhringen) nicht zur Anwendung kommen. Methodische Vorgehensweise Die tatsächliche Interaktion der Teilorte kann über wechselseitige Pendlerverflechtungen (Interaktionskoeffizient) anhand der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit ermittelt werden; die einseitige Ausrichtung eines Ortes auf einen anderen (Anbindungskoeffizient) ist nicht zu berücksichtigen. Pendlerverflechtungen sind ein Proxy-Indikator (zum Begriff siehe Fußnote 1) für Versorgungsbeziehungen insb. für mittel- und oberzentrale Güter und Dienstleistungen. Im Ergebnis ist zu unterscheiden, ob die Teilorte primär aufeinander bezogen sind, ob zwar Verflechtungen bestehen, diese aber weniger ausgeprägt sind als die Verflechtungen mit Dritten oder nur einzelne der Teilorte untereinander stark verflochten sind oder ob fast ausschließlich Verflechtungen mit Dritten Orten vorliegen. 24 3. Prüfkriterium: Funktionale Beziehungen a) Funktionsergänzungspotenzial Begründung Grundsätzlich sind an Mehrfachorte die gleichen Anforderungen an Tragfähigkeit und Erreichbarkeit zu stellen wie an monozentrale Orte. Dies ergibt sich aus der Begründung zu Grundsatz 2.1.2 LEP: „Im Interesse der räumlichen Bündelungsfunktion (vgl. 2.1.1) kommen Zentrale Doppel- oder Mehrfachorte nur in Betracht, wenn ansonsten die flächendeckende Versorgung mit den zentralörtlichen Einrichtungen nicht sichergestellt wäre.“ Dies bedeutet, dass die Mehrfachorte gemeinsam über die entsprechenden Einrichtungen verfügen müssen. Diese lassen sich aus der Begründung zu Ziel 2.1.2 LEP 2013 ableiten. Geprüft wird mit diesem Kriterium also erstens, ob überhaupt zentralörtlich relevante Versorgungseinrichtungen der mittel- und oberzentralen Hierarchiestufe vorhanden sind und wie diese sich zwischen den Teilorten aufteilen. Es kommt zur Erfüllung des gemeinsamen Versorgungsauftrags nicht nur darauf an, wie viele Einrichtungen insgesamt vorhanden sind, sondern auch ob die im LEP 2013 genannten Einrichtungskategorien (für Mittelzentren bspw. Aus- und Weiterbildung, Gesundheits- und Sozialwesen, Kultur und des Sports und der Rechtspflege und Verwaltung) abgedeckt sind. Voraussetzung für eine Funktionsergänzung sind also unterschiedliche Versorgungsprofile der beteiligten Teilorte. Liegen diese nicht vor, ist dies ein Indiz dafür, dass ein gemeinsamer Versorgungsauftrag nicht wahrgenommen werden kann, weil einzelne Teilorte nichts zur Funktionsergänzung des anderen Teilorts bzw. der anderen Teilorte beitragen. Methodische Vorgehensweise Für alle Teilorte sollten die unterschiedlichen Einrichtungsarten ausgezählt werden; es geht dabei primär um die Frage, ob überhaupt eine Einrichtung dieser Art in einem Teil lokalisiert ist und nicht darum, wie viele dieser Einrichtungen. Darauf aufbauend kann ermittelt werden, wie viele dieser Einrichtungen nur im jeweiligen Teilort bestehen und damit zur Funktionsergänzung beitragen. Werden sämtliche Einrichtungen eines Teilorts auch im jeweils anderen (oder in einem der anderen) vorgehalten, liegt lediglich eine Funktionsunterstützung vor, die alleine nicht für die Betrachtung als Mehrfachort qualifiziert (zur Begründung siehe Punkt c). Relevant wird in diesen Fällen der Raumtyp (siehe Punkt b), die Entwicklungsfähigkeit der Teilorte (siehe Punkt c) sowie der bauliche Zusammenhang (siehe Punkt d). b) Raumtyp Begründung Dieses Kriterium geht auf Ziel 2.2.4 LEP 2013 zurück. Im LEP 2013 werden mit Ziel 2.2.3 „Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf“ (RmbH) festgelegt, welche gemäß Ziel 2.2.4 vorrangig zu entwickeln sind. Dies gelte u. a. bei Planungen und Maßnahmen zur Versorgung mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Insofern ist im LEP bereits normiert, dass Zentrale Orte in dieser Gebietskategorie anders zu bewerten sind als im Rest des Landes. Sollte also ein Teilort eines bestehenden bzw. aufstufungswilligen Mehrfachorts zwar über kein Funktionsergänzungspotenzial verfügen, so ist ein Funktionsunterstützungspotenzial dennoch hinreichend, ohne dass der Ort über eine besondere Entwicklungsfähigkeit verfügen muss (vgl. zur Entwicklungsfähigkeit unter c), da Orte im RmbH gemäß Ziel 2.2.4 LEP 2013 vorrangig zu entwickeln sind – unabhängig von ihrer derzeitigen Entwicklungsfähigkeit. 25 Methodisches Vorgehen Es muss geprüft werden, ob der bestehende bzw. aufstufungswillige Teilort im RmbH liegt. c) Funktionsunterstützungspotenzial und Entwicklungsfähigkeit Begründung Auch wenn kein Funktionsergänzungspotenzial vorliegt, mögen Teilorte dennoch zentralörtlich relevante Infrastruktur vorhalten, die durch Diversifizierung bzw. Qualitätsverbesserung im Bereich des Versorgungsauftrags beiträgt. Liegt auch diese nicht vor, sollte der entsprechende Teilort bzw. ggf. der gesamte Mehrfachort nicht in die Analyse einer gemeinsamen Gravitationskraft einbezogen werden. Ein vorhandenes Funktionsunterstützungspotenzial wird alleine aber nicht für hinreichend erachtet, um einen Mehrfachort zu begründen. Grundsatz 2.1.2 LEP 2013 lautet: „Zwei oder mehr Gemeinden können als Zentrale Doppel- oder Mehrfachorte den zentralörtlichen Versorgungsauftrag gemeinsam wahrnehmen, wenn dies räumlich oder funktional erforderlich ist.“ In der Begründung zu Grundsatz 2.1.2 LEP 2013 heißt es: „Im Interesse der räumlichen Bündelungsfunktion (vgl. 2.1.1) kommen Zentrale Doppel- oder Mehrfachorte nur in Betracht, wenn ansonsten die flächendeckende Versorgung mit den zentralörtlichen Einrichtungen nicht sichergestellt wäre.“ Folglich wäre bei einem lediglich funktionsunterstützendem Teilort ein monozentraler Ort die Vorzugsvariante, es sei denn, dieser Teilort (der kein Bestandteil des RmbH ist) würde einen erheblichen Beitrag zur Entwicklungsfähigkeit des Mehrfachorts leisten und in dieser Hinsicht dann auch funktionsergänzend wirken. Der Entwicklungsauftrag Zentraler Orte ergibt sich aus Grundsatz 2.1.1 LEP 2013: „Sie [die Zentralen Orte] sollen zur polyzentrischen Entwicklung Bayerns beitragen.“ Dieser Entwicklungsauftrag wird mit den Grundsätzen 2.2.5 – 2.2.8 für die einzelnen Raumkategorien näher spezifiziert. Gleichwohl ist festzuhalten, dass sich aus dem Zielsystem des LEP 2013 keinesfalls ableiten lässt, das die Entwicklungsfunktion gleichgewichtig neben der Versorgungsfunktion steht, da dem Entwicklungsauftrag lediglich Grundsatzqualität zukommt. Demzufolge kann auch eine herausragende Entwicklungsfähigkeit alleine nicht eine mangelnde Versorgungsfunktion eines Mehrfachorts bzw. Teilorts ersetzen. Methodische Vorgehensweise Für alle Teilorte sollte ermittelt werden, wie viele der Einrichtungen (nur) funktionsunterstützend wirken, da sie auch im anderen Teilort vorhanden sind. Funktionsergänzende und funktionsunterstützende Einrichtungen bilden gemeinsam die Summe der in einem Teilort lokalisierten Einrichtungsarten. Das Entwicklungspotenzial kann anders als bei der Versorgungsfunktion Zentraler Orte (Auswertung lokalisierter Einrichtungen) nur anhand gemeindestatistischer Indikatoren ermittelt werden. Zur Analyse der Entwicklungsfähigkeit können etwa Daten zur Bevölkerungsentwicklung, zur Einzelhandelszentralität (GfK), Arbeitsplatzzentralität und finanziellen Handlungsfähigkeit (Steuerkraftmesszahl und Schlüsselzuweisungen) herangezogen werden. Dabei sind mittels Hauptkomponentenanalyse zwei Indizes zu konstruieren: einer für entwicklungsfördernde Merkmale und einer für entwicklungshemmende Merkmale, bei denen die in diesem Gutachten einbezogenen Indikatoren letztlich mit dem Gewicht ihres (statistischen) Erklärungsbeitrags gewichtet werden; Indikatoren, die keine oder eine geringe Korrelation mit den jeweils anderen aufweisen, 26 scheiden somit auch aus der Konstruktion des Indizes aus2. Die Konstruktion eines eindimensionalen Gesamtindex (entwicklungsfördernde und entwicklungshemmende auf einer Skala) erscheint nicht sachgerecht, da etwa hemmende Merkmale wie Arbeitslosigkeit und (teilweise) kommunale Verschuldung ebenso wie fördernde Merkmale wie eine hohe Arbeitsplatz- und Einzelhandelszentralität häufig räumlich gebündelt auftreten und auf einer eindimensionalen Skala so neutralisiert würden. Auch eine additive Verknüpfung beider Indizes erscheint nicht sinnvoll, da niedrige Ausprägungen bei hemmenden Merkmalen nicht mit hohen Ausprägungen bei fördernden Merkmalen gleichgesetzt werden können; eine Substituierbarkeit kann insofern nicht unterstellt werden. d) Baulicher Zusammenhang Begründung Selbst wenn weder Funktionsergänzungs- noch Unterstützungspotenziale vorliegen, können im Einzelfall dennoch Gründe vorliegen, die die Untersuchung einer gemeinsamen Gravitationskraft angezeigt erscheinen lassen. Bauliche Zusammenhänge zwischen Teilorten erzeugen nämlich regelmäßig Abstimmungsprobleme bei der Zuordnung räumlicher Nutzungen, die gemeinsam zu lösen sind. Dies erkennt der Plangeber auf grundzentraler Ebene auch bereits im LEP 2013 an: „Um Gemeinden als neue Doppelgrundzentren festlegen zu können, müssen sie durch ihren baulichen Zusammenhang und in ihrer gegenseitigen funktionalen Ergänzung ein gemeinsames Zentrum ihres Einzugsbereiches bilden.“ (Begründung zu Ziel 2.1.6). Auf mittelzentraler Ebene ist zwar nicht davon auszugehen, dass ein baulicher Zusammenhang zwingende Voraussetzung für einen Mehrfachort ist, aber dennoch zu konstatieren, dass umgekehrt für den Fall eines solchen baulichen Zusammenhangs eine Funktionsteilung zwingend erscheint. Hierzu sei auf den Beschluss des BVerfG vom 27.11.1978 verwiesen in dessen Rahmen explizit darauf abgestellt wird, dass ein einheitliches Siedlungsgebiet jedenfalls langfristig einem einzigen Planungsträger zugewiesen werden sollte (BverfGE 50, 50 – 2 BvR 165/75. Ähnlich auch BayVerfGH 33, 144, 159.) Damit lässt sich ein Mehrfachort auch siedlungsstrukturell begründen, auch wenn dies auf mittel- und oberzentraler Ebene keine zwingende Voraussetzung ist. Anders stellt sich im Übrigen gemäß Grundsatz 2.1.6 LEP 2013 die Sachlage auf der grundzentralen Ebene dar: „Um Gemeinden als neue Doppelgrundzentren festlegen zu können, müssen sie durch ihren baulichen Zusammenhang […] ein gemeinsames Zentrum ihres Einzugsbereiches bilden.“ Für die Definition des Begriffes „Baulicher Zusammenhang“ ist in Anlehnung an § 34 BauGB („im Zusammenhang bebaute Ortsteile“) Folgendes zu beachten: Eindeutig beurteilen lässt sich die Sachlage nur dann, wenn grenzüberschreitend eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung besteht. Schwierigkeiten treten stets dann auf, wenn Bebauungen durch Baulücken oder Freiflächen unterbrochen sind. Ob hier eine Unterbrechung im Sinne eines fehlenden Zusammenhanges vorliegt, lässt sich nicht alleine unter Verwendung geographischer oder mathematischer Maßstäbe bestimmen, sondern hängt vom Einzelfall ab. Selbst größere Freiflächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit (z. B. Flüsse) oder Flächen, die wegen ihrer besonderen städtebaulichen Zweckbestimmung einer Bebauung 2 In der Literatur wird ein Korrelationskoeffizient zwischen Ursprungsmerkmal und Hauptkomponente (Stellvertretervariable) von mindestens 0,4 (bei einem Maximum von 1,0) für erforderlich gehalten, um dem Ursprungsmerkmal eine inhaltliche Relevanz für die Konstruktion der Stellvertretervariablen zuschreiben zu können. Bei Werten unter 0,4 wird davon ausgegangen, dass der inhaltliche Erklärungsbeitrag – im konkreten Fall für entwicklungshemmende bzw. -fördernde Merkmale – zu gering ist (vgl. hierzu auch Terfrüchte 2015). 27 entzogen sind (z. B. Erholungsflächen), unterbrechen den Bebauungszusammenhang grundsätzlich nicht (BVerwG, Urteil vom 22.4.1966 – 4 C 34.65; Urteil vom 10.3.1967 – 4 C 32.66; Urteil vom 6.11.1968. – 4 C 47.68, Urteil vom 1.1.21972 – 4 C 6.71). Dies gilt für Straßen und Wege allerdings nur, soweit diese innerhalb des Ortsteils gelegen sind und in städtebaulich funktionalem Zusammenhang mit der umgebenden Bebauung stehen. Methodische Vorgehensweise Über die Auswertung von Siedlungsflächen, Straßenkarten (jeweils GfK) und Luftbildern (z.B. Google Earth) ist für alle Mehrfachorte und aufstufungsbegehrenden Mehrfachorte ein baulicher Zusammenhang im oben erläuterten Sinne zu prüfen. Teilorte, die untereinander einen baulichen Zusammenhang aufweisen, sollten dann auf ihre gemeinsame Gravitationskraft auch ohne Funktionsergänzungs- oder Unterstützungspotenzial untersucht werden.   5.2 Ergebnis - Funktionsergänzungspotenzial bestehender und geplanter Mehrfachorte Gemäß dem Prüfschema in Kap. 5.1 können die bestehenden und geplanten Mehrfachorte dahingehend überprüft werden, ob eine gemeinsame Gravitationskraft ermittelt wird. Mangels Datenverfügbarkeit3 wird für die Staatsgrenzen überschreitenden Mehrfachzentren keine gemeinsame Gravitationskraft ermittelt werden können. Davon betroffen sind: aus dem LEP 2013 o Furth im Wald (/Taus) o Laufen (/Oberndorf) o Simbach a.Inn (/Braunau a.Inn) o Waldsassen (/Eger) von den Einstufungswünschen o Selb (/Asch) o Neuhaus a.Inn (/Schärding) Besonderes Augenmerk ist bei der Prüfung der Mehrfachorte auf die Zugehörigkeit von Gemeinden zum Raumtyp RmbH zu legen. Für die Frage, welche Gemeinden gemeinsam als Mehrfachzentrum untersucht werden sollen, können neben dem wissenschaftlich abgeleiteten Prüfschema auch weitere fachpolitische Erwägungen hinzugezogen werden. So muss letztlich der Plangeber entscheiden, ob er z. B. den bestehenden Mehrfachzentren einen Bestandsschutz gewähren oder den Willen von Gemeinden zur interkommunalen Zusammenarbeit besonders berücksichtigen möchte. 3 Der Datenmangel liegt in der Verfügbarkeit von Pendlerdaten um die Interaktion zwischen den Grenzorten bestimmen zu können. Hingegen stand die funktionale Ausstattung als Ausgangspunkt des Funktionsergänzungspotenzials zur Verfügung, die als Grundlage für die Beurteilung diente. 28 5.3 Beurteilung des Funktionsergänzungspotenzials grenzüberschreitender Mehrfachorte Bei der verbal-argumentativen Beurteilung der grenzüberschreitenden Mehrfachorte ist festzustellen, dass für alle untersuchten Einheiten die gegenseitige Erreichbarkeit bestätigt werden kann. Mangels Pendlerdaten kann jedoch keine Überprüfung der Interaktion vorgenommen werden. Die rechte Spalte der Tabelle 3:Tabelle 3 verdeutlicht, dass die aufgeführten grenzüberschreitenden Mehrfachorte allesamt Funktionsergänzungspotenziale in ihrer zentralörtlichen Ausstattung aufweisen. Das gilt auch für den geäußerten Einstufungswunsch von Neuhaus a.Inn/Schäding. Nicht selten besteht auch ein baulicher Zusammenhang, da die Ortskerne nur durch einen Grenzfluss durchschnitten, aber infrastrukturell verbunden sind. Tabelle 3: Ergänzende zentralörtliche Ausstattung der grenzüberschreitende Mehrfachorte Grenzüberschreitender Mehrfachort Baulicher Zusammenhang (Ja/Nein) Ergänzende zentralörtliche Ausstattung des jeweiligen nicht-bayerischen (Mehrfach)Ortes Furth im Wald (Taus) Nein Hochschulreife, Krankenhäuser der Grundversorgung, Berufliche Schule, Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung, Erziehungsberatungsstelle, Fachstellen Pflege, Verbraucher- und Ernährungsberatung, Agentur für Arbeit, Finanzamt, Ehe- und Familienberatungsstelle, Amtsgericht Laufen (Oberndorf) Ja Mittlere Reife, Förderschule, Berufliche Schule, Erziehungsberatungsstelle, Fachstellen Pflege, Eheund Familienberatungsstelle Simbach a.Inn (Braunau a.Inn) Ja Förderschule (Sozialpädagogisches Zentrum), Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung, Erziehungsberatungsstellen, Agentur für Arbeit, Tertiäre berufliche Schulen, Finanzamt, Amtsgericht, kommunales Theater (mit Ensemble), Kammer Waldsassen (Eger) Nein Hochschulreife, Förderschule, Berufliche Schule, Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung, MZ- Behörden, Erziehungsberatungsstellen, Fachstelle Pflege, Verbraucher- und Ernährungsberatung, Agentur für Arbeit, Tertiäre berufliche Schule, Ehe- und Familienberatungsstelle, Amtsgericht, Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen, Frauenhaus, Fachgerichte/Landgerichte, Kommunale Theater (mit Ensemble), Universität (Außenstelle), Staatliche Museen 29 Grenzüberschreitender Mehrfachort Baulicher Zusammenhang (Ja/Nein) Ergänzende zentralörtliche Ausstattung des jeweiligen nicht-bayerischen (Mehrfach)Ortes Selb (Asch) Nein Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung, Verbraucher- und Ernährungsberatung, Ehe- und Familienberatungsstelle, Frauenhaus, Finanzamt (Außenstelle), Agentur für Arbeit (Kontaktstelle), MZ- Behörde (staatliches Schulamt), Erziehungsberatungsstelle Neuhaus a.Inn (Schärding) Ja Polizeidienststelle, Krankenhaus der Grundversorgung, Förderschule, Berufliche Schulen, MZ-Behörden (Außenstelle Vermessungsamt), Tertiäre berufliche Schulen, Finanzamt, Amtsgericht, Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufe Die Beurteilung des Funktionsergänzungspotenzials ist aber weitgehend funktionslos, da viele der offiziellen Einrichtungen im „Ausland“ trotz fortschreitender Europäisierung nicht oder nur eingeschränkt von Kunden aus dem jeweils anderen Land genutzt werden können. Dies betrifft Einrichtungen die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, z. B. Schule, Notar, Polizei, Arbeitsagentur, Finanzamt, Behörden im Allgemeinen, usw. Darüber hinaus sind weitere Einrichtungen und Dienstleistungen, wie Beratungsstellen oder Krankenhäuser, nur eingeschränkt nutzbar, da die Beratungen oder Abrechnungen nur landesspezifisch erfolgen können. Dem gegenüber sind Dienstleistungen aus dem privatwirtschaftlichen Bereich, wie der Einzelhandel, oder Freizeiteinrichtungen, wie Schwimmbäder, gegenseitig nutzbar, da hier keine Zugangseinschränkungen bestehen. Diese Mitnutzungspotenziale sind gewissermaßen durch die Bestätigung der gegenseitigen Erreichbarkeit der potenziellen Mehrfachorte untereinander mitgeprüft worden, da eine gemeinsame mittelzentrale Erreichbarkeit gegeben ist. Dennoch kann mit diesem Befund noch keine abschließende Empfehlung über die raumordnerische Festlegung grenzüberschreitender Doppel- und Mehrfachorte getroffen werden, da zunächst (vgl. Vorgehensweise gem. Kap. 7) im Rahmen der Bereichsbildung das raumordnerische Erfordernis für diese Orte überprüft werden muss. Anzumerken ist, dass sich dieses raumordnerische Erfordernis gemäß LEP 2013 nur auf eine gemeinsame Versorgungsfunktion beziehen kann, da im bestehenden Zielsystem keine speziell auf die Förderung einer grenzüberschreitenden Kooperation bezogene Festlegung besteht. Insofern ergäbe sich aus der Prüflogik zwangsläufig eine Nicht-Berücksichtigung grenzüberschreitender Doppel- und Mehrfachorte bei der Gravitations- und Verflechtungsanalyse, was aber nicht ausschließt, dass die Orte als planerisches Ziel dennoch als Mehrfachorte im LEP festgelegt werden, falls das bestehende Zielsystem entsprechend um eine Förderung grenzüberschreitender Kooperationen im Zentrale-Orte- Konzept erweitert werden würde. 30 6 Zentralörtliche Gravitationskraft Im Folgenden wird eine Methodik zur Ermittlung der zentralörtlichen Gravitationskraft dargestellt, d. h. die empirisch ermittelbare Versorgungszentralität der bestehenden Mittel- und Oberzentren (inkl. der gemeinsamen Gravitationskraft der positiv geprüften bestehenden und aufstufungswilligen Doppel- und Mehrfachorte). 6.1 Methodisches Vorgehen Die Gravitationskraft kann zwecks Überprüfung der Validität über zwei Rechenwege (Gravitationsindex sowie additiv gewichtete Gravitationskraft) jeweils als Ergebnis der Hauptkomponentenanalyse ermittelt werden4. Der Unterschied zwischen den beiden Werten liegt darin, dass der Indexwert im Fall A selbst noch einmal z-standardisiert ist, wodurch die Indexwerte für die mittel- und oberzentrale Gravitationskraft wiederum untereinander vergleichbar werden (vgl. Fußnote 4). Wenn die Rangfolge der ermittelten Gravitationskräfte bei beiden Rechenmodellen identisch ist und die Merkmalsausprägungen zu 100 % miteinander korrelieren, sind die ermittelten Ergebnisse überaus valide, da verschiedene Rechenmodelle zu identischen Aussagen kommen. Zudem lässt sich aus der Statistik eine Gewichtung der einzelnen rangstufenspezifischen zentralörtlichen Funktionen herleiten. Die Gewichte der einzelnen Funktionen (siehe Tabelle 4 und Tabelle 5) sind wie folgt zu verstehen: Ein besonderes hohes Gewicht weist eine Funktion immer dann auf, wenn sie besonders typisch für die jeweilige Hierarchiestufe ist, wie etwa Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen und Hochschulen/Universitäten für Oberzentren und berufliche Schulen sowie Schulen, die zur Hochschulreife führen für Mittelzentren. Ein besonders niedriges Gewicht weist eine Funktionen dann auf, wenn sie entweder zu selten (z. B. Staatstheater bei oberzentralen Funktionen) oder mit stark abweichendem Standortmuster (z. B. Frauenhäuser bei oberzentralen Funktionen) lokalisiert sind, d. h. es fehlt diesen Einrichtungen an einer Ko-Lokalisierung mit anderen rangstufenüblichen Einrichtungen. 4 Die zwei Rechenwege waren. 1. Gravitationsindex als Ergebnis der Hauptkomponentenanalyse, wobei die Faktorwerte (Merkmalsausprägung der „Stellvertretervariablen“) für die jeweilige Hauptkomponente („Stellvertretervariable“) den z-standardisierten (normierten und vergleichbaren) Indexwert bilden. Die z-Standardisierung dient der Vergleichbarkeit von Merkmalen unterschiedlicher Spannweiten bei den Merkmalsausprägungen. Im Rahmen der z-Standardisierung, die bereits für alle Merkmale innerhalb der Hauptkomponentenanalyse erfolgt, werden die ursprünglichen Merkmalsausprägungen (z. B. Anzahl Klassen in Schulen mit dem Abschluss Hochschulreife oder Anzahl der staatlichen Museen) so normiert und dadurch vergleichbar gemacht, dass der Mittelwert und die Summe der neu konstruierten Skala jeweils Null ergeben. Für die Berechnung des standardisierten Wertes z wird vom Variablenwert x das arithmetische Mittel m subtrahiert und das Ergebnis durch die Standardabweichung s geteilt. Positive Vorzeichen signalisieren einen Wert oberhalb des Durschnitts, negative einen Wert unterhalb davon; der Wert selbst drückt die Anzahl der Standardabweichungen ausgehend vom Mittelwert (stets Null) aus (Terfrüchte 2015). 2. Additiv gewichtete Gravitationskraft als Ergebnis der Hauptkomponentenanalyse, wobei die Faktorladungen der einzelnen Merkmale (zentralörtliche Funktionen) das Gewicht für die additive Verknüpfung bilden (die Faktorladungen zeigen den Anteil der erklärten Gesamtvarianz eines Merkmals an, was bezogen auf Zentrale Orte die Wahrscheinlichkeit der Ko- Lokalisierung ausdrückt). Addiert wurden zur Vergleichbarkeit der zentralen Funktionen untereinander jeweils die zstandardisierten Merkmalsausprägungen, da andernfalls etwa Heimplätze oder Schulklassen deutlich stärker ins Gewicht fallen würden als etwa Universitäten. 31 Tabelle 4: Gewichtung der oberzentralen Einrichtung nach dem Verfahren Hauptkomponentenanalyse Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen (aggregiert) 0,963065 Sonstige Hochschulen (aggregiert) 0,907215 Universität 0,905425 Fachgerichte/Landgerichte (aggregiert) 0,881134 Sozialpädiatrische Zentren 0,840910 Kommunale Theater (mit Ensemble) 0,831665 OZ-Behörden (aggregiert) 0,828187 Frauenhäuser 0,821041 Kammern (aggregiert) 0,820462 Staatstheater 0,786740 Staatliche Museen 0,773536 Polizeipräsidien 0,754397 Tabelle 5: Gewichtung der mittelzentralen Einrichtungen nach der Hauptkomponentenanalyse Berufliche Schulen (aggregiert) 0,972021 Hochschulreife (aggregiert) 0,969538 Polizeidienststellen (aggregiert; 1; 0,5) 0,957085 Notare 0,945201 Erziehungsberatungsstellen 0,943052 Förderschulen (aggregiert) 0,942017 Mittlere Reife (aggregiert) 0,935006 Finanzämter 0,926407 Ehe- und Familienberatungsstellen 0,916299 Tertiäre berufliche Schulen (aggregiert) 0,891793 Krankenhäuser der Grundversorgung (aggregiert) 0,889990 Fachstellen Pflege (1; 0,5) 0,868308 Teilhabeeinrichtungen für Menschen mit Behinderung (Plätze) (aggregiert) 0,864095 Amtsgericht 0,782541 Agentur für Arbeit; Jobcenter (aggregiert) 0,776080 MZ-Behörden (aggregiert) 0,709357 Verbraucher- und Ernährungsberatung (aggregiert) 0,696365 32 6.2 Einschätzung der zentralörtlichen Gravitationskraft Die zentralörtliche Gravitationskraft muss für die Bereichsabgrenzung stetig (metrisch skaliert) vorliegen. Eine Vorabeinschätzung, welcher zentralörtliche Status (ordinal skaliert) aus der mittel- und oberzentralen Gravitationskraft erwartet werden kann, ist nicht ohne weiteres möglich. Unter der Prämisse, dass Zentrale Orte einer Hierarchiestufe überdurchschnittlich hohe Werte bei der hierarchiestufenspezifischen Gravitationskraft (positive Werte) aufweisen müssen, um als Zentraler Ort identifiziert zu werden (vgl. Kap. 7), kann jedoch bereits anhand der Gravitationskräfte eingeschätzt werden, welche bestehenden Zentralen Orte möglicherweise gefährdet sind; eine Ausnahme bilden gemäß dem gutachterlich vorgeschlagenen Vorgehen Orte im RmbH, die auch bei negativer Gravitationskraft als Zentrale Orte identifiziert werden können. Wichtig ist, dass allein aus einer positiven Gravitationskraft (getrennt nach Hierarchiestufen) noch keinerlei Aussage darüber getroffen werden kann, ob ein Ort oder Mehrfachort tatsächlich zur Einstufung als Oberoder Mittelzentrum geeignet ist. Hierfür bedarf es noch der Bereichsbildungsfähigkeit als notwendiges Kriterium. Ebenso ist es vor allem in den dünner besiedelten Teilräumen (insbesondere in den Räumen mit besonderem Handlungsbedarf) und für die mittelzentrale Ebene auch möglich, dass Orte mit negativer (unterdurchschnittlicher) Gravitationskraft bereichsbildend sind und zur Gewährleistung der Erreichbarkeit normativ als Mittelzentrum festgelegt werden müssten (vgl. Kap. 7). Insgesamt ist auf mittelzentraler Ebene und insbesondere in den Räumen mit besonderem Handlungsbedarf damit zu rechnen, dass auch Orte mit vergleichsweise geringer mittelzentraler Gravitationskraft als Mittelzentren festzulegen sind, da sie mangels Erreichbarkeit der Mittelzentren, die eine höhere Gravitationskraft aufweisen, bei bestehenden teilräumigen Verflechtungen dennoch bereichsbildend wirken. Ebenso ist es denkbar, dass Gemeinden im Umland gravitationstarker Orte trotz eigener vergleichsweise hoher Gravitationskraft dennoch nicht bereichsbildend wirken und insofern mitunter nicht als Mittelzentrum festgelegt werden müssen. Auf der oberzentralen Ebene hingegen ist damit zu rechnen, dass der überwiegende Teil der bestehenden Oberzentren aufgrund der meist stark überdurchschnittlichen Gravitationskräfte tatsächlich auch bereichsbildend wirken und als Oberzentren identifiziert werden. Aus der Analyse der Gravitationskräfte allein sollten keinesfalls Rückschlüsse auf mögliche Vorschläge für die zentralörtliche Einstufung von Städten und Gemeinden gezogen werden. 33 7 Vom Zentrale-Orte-System zum Zentrale-Orte-Konzept 7.1 Mittelzentren und Mittelbereiche Einführung Grundsätzlich folgt die im Weiteren näher erläuterte Methodik zur Bestimmung von Mittelzentren und ihrer Mittelbereiche den Vorgaben des bestehenden Zielsystems des LEP 2013. Nach Grundsatz 2.1.1 LEP 2013 sollen Zentrale Orte überörtliche Versorgungsfunktionen für sich und andere Gemeinden (nämlich ihren Versorgungsbereich) wahrnehmen. Im Speziellen gilt für die als Mittelzentrum eingestuften Gemeinden gemäß Grundsatz 2.1.7: „Die als Mittelzentrum eingestuften Gemeinden, die Fachplanungsträger und die Regionalen Planungsverbände sollen darauf hinwirken, dass die Bevölkerung in allen Teilräumen mit Gütern und Dienstleistungen des gehobenen Bedarfs in zumutbarer Erreichbarkeit versorgt wird.“ Auf das Erreichbarkeitskriterium bezieht sich auch Ziel 1.2.5 LEP: „Der Gewährleistung einer dauerhaften Versorgung der Bevölkerung mit zentralörtlichen Einrichtungen in zumutbarer Erreichbarkeit ist insbesondere in Teilräumen, die besonders vom demographischen Wandel betroffen sind, der Vorzug gegenüber Auslastungserfordernissen einzuräumen.“ Die Entwicklungsfunktion Zentraler Orte wird als einstufungsrelevantes Kriterium auf der mittelzentralen Ebene lediglich im Rahmen der Plausibilitätsanalyse und nicht als gleichrangiges Kriterium neben der Versorgungsfunktion herangezogen, da dem Entwicklungsauftrag (Grundsatz 2.1.1 LEP 2013, „Sie [die Zentralen Orte] sollen zur polyzentrischen Entwicklung Bayerns beitragen“) lediglich Grundsatzqualität zukommt, während im Zielsystem der Versorgungsauftrag über mehrere Ziele (1.2.5, 2.1.2) abgesichert ist. Gemäß Ziel 2.2.4 LEP 2013 gilt ein Vorrangprinzip für den RmbH: „Die Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf sind vorrangig zu entwickeln. Dies gilt bei Planungen und Maßnahmen zur Versorgung mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge, der Ausweisung räumlicher Förderschwerpunkte sowie diesbezüglicher Fördermaßnahmen und der Verteilung der Finanzmittel, soweit die vorgenannten Aktivitäten zur Gewährung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen einschlägig sind.“ Insofern sind an Zentrale Orte im RmbH andere Anforderungen zu stellen als an solche in anderen Teilräumen. Aus diesen Plansätzen folgt, dass Zentrale Orte bereichsbildend sein und über ein breit gefächertes Funktionsprofil verfügen müssen. Zudem ist zu prüfen, ob alle Orte, die auf einen potenziellen Zentralen Ort ausgerichtet sind, diesen auch innerhalb eines zumutbaren Zeitaufwands erreichen können. Innerhalb des RmbH sind zudem auch Mittelzentren mit einer negativen Gravitationskraft denkbar. Bereichsbildung auf Grundlage der Gravitationskraft und Plausibilitätschecks Im Rahmen der Bereichsabgrenzung sind anhand der Anbindungskoeffizienten all jene Quellorte einem (dann bereichsbildenden) Zielort zuzuordnen, zu dem erstens der stärkste Anbindungskoeffizient besteht und der (Zielort) zweitens eine höhere rangstufenspezifische Gravitationskraft aufweist als der Quellort. Es können also auch jene unterdurchschnittlich ausgestatten Zielorte (negative Gravitationskraft) zunächst bereichsbildend wirken, wenn keine ausgeprägten Verflechtungen der jeweiligen Quellorte zu anderen, überdurchschnittlich ausgestatten Zielorten (mit positiver Gravitationskraft) bestehen. Geht man nun davon aus, dass im RmbH die Tragfähigkeit für zentrale Funktionen bzw. Einrichtungen 34 flexibilisiert wird und vom tatsächlichen Vorhandensein bestimmter Einrichtungen auf deren Tragfähigkeit geschlossen werden kann, müssen im RmbH auch bereichsbildende Orte mit negativer Gravitationskraft als Zentrale Orte festgelegt werden können. Im Ergebnis der zentralörtlichen Ausrichtung können sich unter dem Vorzeichen des erweiterten RmbH vier verschiedene Konstellationen ergeben, die in der nachfolgenden Abbildung 3 visualisiert sind und im Folgenden näher erläutert werden. Abbildung 3: Mögliche Ausgangssituationen auf der Grundlage der zentralörtlichen Ausrichtung Folgende Fallkonstellationen sind denkbar: 1. Sofern ein Ort eine positive Gravitationskraft aufweist und die Erreichbarkeit innerhalb des Bereichs gegeben ist, wird dieser als Mittelzentrum identifiziert und die Vorzugsvariante eines monozentralen Mittelbereichs ausgewiesen (blaue Kreise, Mitte). Dabei kann auch die Konstellation eintreten, dass einzelne Quellorte dieses Mittelbereichs ebenfalls deutlich positive Gravitationskräfte aufweisen, aber eine eindeutige Versorgungsbeziehung (Anbindungskoeffizienten) zu dem noch stärkeren Zielort aufweisen. Dieser Quellort kann mitunter sogar eine höhere Gravitationskraft aufweisen als ein bestätigtes Mittelzentrum in einem angrenzenden Mittelbereich (vgl. Situation in Abbildung 3, blaue Kreise unten), ohne deshalb als Mittelzentrum eingestuft zu werden. Ob sich in diesen Mittelbereichen Orte des RmbH befinden, ist für diese Untersuchung ohne Bedeutung, kann aber Einfluss auf die Festlegung von Grundzentren und deren Nahbereichen in der Regionalplanung haben. 35 2. Bei bestehender Bereichsbildungsfähigkeit aber negativer Gravitationskraft wird kein Mittelzentrum mit zugehörigem Mittelbereich identifiziert. Es ist aber zu prüfen, ob die mittelzentrale Erreichbarkeit gewährleistet ist (Situation farbloser Kreis mit blauer Linie rechts). Sollte die Erreichbarkeit der Gemeinden des bisherigen Mittelbereichs zu einem anderen Mittelzentrum gewährleistet sein, werden die Orte entsprechend ihrer Versorgungsorientierung den anderen Mittelbereichen zugeschlagen. Ist dies nicht der Fall, wird nach einer Gemeinde mit der relativ gesehen stärksten Gravitationskraft bzw. einem Mehrfachort gesucht, die/ der in der Lage ist, den Versorgungsauftrag zu übernehmen. Da die in Ziel 1.2.5 LEP 2013 festgelegte Gewährleistung der zumutbaren Erreichbarkeit für den gesamten Freistaat und nicht nur den RmbH gilt, ist es ohne Bedeutung, ob der gesamte Mittelbereich oder einzelne Gemeinden dem RmbH angehören. 3. Sollte ein Mittelzentrum eine negative Gravitationskraft aufweisen und der gesamte Mittelbereich gleichzeitig als RmbH ausgewiesen sein, greift Ziel 2.2.4 LEP und die Entwicklungsfähigkeit wird durch die Ausweisung eines eigenständigen Mittelbereichs mit Mittelzentrum trotz der geringen Gravitationskraft gesichert (roter Mittelbereich links) und zwar unabhängig davon, ob die Erreichbarkeit auch durch die Zuordnung zu einem anderen Mittelbereich gesichert werden könnte. Diese Konstellation ist in allen Landkreisen zu überprüfen, die zum Zeitpunkt der LEP- Teilfortschreibung dem RmbH zugeordnet sind. 4. Problematisch erscheint die mögliche vierte Fallkonstellation eines Mittelbereichs, der als nicht tragfähig (im Sinne einer unterdurchschnittlichen Gravitationskraft) identifiziert wird und zugleich einzelne Gemeinden aufweist, die infolge des Ministerratsbeschlusses vom 05.08.2015 zur Kategorie RmbH gehören. Nachstehend sind die Fallkonstellationen dargestellt, die in diesen Mittelbereichen denkbar sind, in denen Gemeinden als Raum mit besonderem Handlungsbedarf festgelegt sind: a) Zwei Gemeinden kommen für einen Mehrfachort in Kombination mit einem bestehenden Mittelzentrum in Betracht, eine davon ist als RmbH ausgewiesen. Bei der stärkeren sind Ergänzungspotenziale festzustellen => die stärkste Gemeinde (Gravitationskraft) ist als Teilort eines Mehrfachortes auszuwählen. b) Zwei Gemeinden kommen für einen Mehrfachort (als Kombination mit einem bestehenden/ mit einem weiteren Ort) in Betracht, eine davon ist als RmbH ausgewiesen. Es sind bei beiden keine Ergänzungspotenziale festzustellen => nicht die stärkste Gemeinde (Gravitationskraft), sondern die Gemeinde mit besonderem Handlungsbedarf ist als Teilort eines Mehrfachorts auszuwählen. c) Zwei Gemeinden (die beide als RmbH ausgewiesen sind), beide weisen keine Ergänzungsoder Unterstützungspotentiale auf => die Gemeinde mit der stärkeren Gravitationskraft wird als Teil eines Mehrfachortes ausgewählt. d) Zwei Gemeinden (die als RmbH ausgewiesen sind), beide sind gleich stark und beide weisen Funktionsergänzung auf => es wird die Gemeinde ausgewählt, die auch noch eine Funktionsunterstützung und ggf. Entwicklungspotenziale aufweist (vgl. Prüfkaskade Mehrfachorte in Kap. 5.1). e) Das potenzielle MZ (bereichsbildender Ort) ist selbst als Gemeinde im RmbH ausgewiesen, während der Mittelbereich diesem Raumtyp nicht angehört => wird als monozentrales Mittelzentrum ausgewählt. Zuordnungsschritte bei der Bereichsabgrenzung der Mittelbereiche Die im Folgenden dargestellten und erläuterten Zuordnungsschritte sind als Reihenfolge zu verstehen, d. h. sie werden der Reihe nach für alle Gemeinden abgearbeitet: nur Fälle, die sich nach Schritt 1 nicht lösen 36 lassen, werden so lange weitergeprüft, bis spätestens mit Schritt 6 eine Zuordnung erfolgt bzw. in Schritt 7 eine Um-Ordnung zur Verhinderung von En- oder Exklaven notwendig wird. Abbildung 4 stellt die möglichen auftretenden Fallkonstellationen dar. Diese werden im Folgenden näher erläutert. Abbildung 4: Schematische Darstellung von Fallkonstellationen der Zuordnung zu Mittelbereichen Schritt 1: Zuordnung von Quellgemeinden zu Zielgemeinden anhand der überwiegenden Pendlerorientierung (stärkster Anbindungskoeffizient; Regel) ‐ Erreichbarkeitskriterium: Zielgemeinde ist von der Quellgemeinde aus erreichbar (30 Min. MIV). Im Falle der Nichterreichbarkeit ist im Einzelfall zu prüfen, ob alternativ eine Erreichbarkeit im ÖPNV innerhalb von 45 Min. gegeben ist, die mitunter wesentlich besser sein kann. ‐ Verwaltungskongruenz: Quellgemeinde liegt im selben Landkreis (ausgenommen kreisfreie Städte) wie die Zielgemeinde ‐ Zentralörtliche Gravitationswirkung: Zielgemeinde hat eine höhere rangstufenspezifische Gravitationskraft als die Quellgemeinde ‐ Zentralörtliche Tragfähigkeit: Die Gravitationskraft der Zielgemeinde ist überdurchschnittliche hoch (größer als 0) oder die Zielgemeinde liegt im Raum mit besonderem Handlungsbedarf (Flexibilisierung der Tragfähigkeit) ‐ Zentralörtliche Orientierung: Quellgemeinde ist mit dem stärksten Anbindungskoeffizienten auf Zielgemeinde ausgerichtet ‐ Bereichsbildungserfordernis: Nur Zielgemeinden sind bereichsbildend und können als Mittelzentren identifiziert werden ‐ Transitivitätskriterium: Quellgemeinden können indirekt über ihre jeweiligen Zielgemeinden einer dritten (vierten/fünften) Zielgemeinde zugeordnet werden Fallkonstellationen unter Zuordnungsschritt 1: o 1: Die Quellgemeinde ist direkt mit stärkstem Strom auf die Zielgemeinde im gleichen Landkreis ausgerichtet bei bestehender Erreichbarkeit 37 o 1(t): Die Quellgemeinde ist transitiv über ihre (vorläufige) Zielgemeinde einer weiteren Zielgemeinde zugeordnet, zu der sie selbst keine Orientierung (2./3. Pendlerausrichtung) aufweist o 1(t)/2a: Die Quellgemeinde ist transitiv über ihre (vorläufige) Zielgemeinde einer weiteren Zielgemeinde zugeordnet, zu welcher sie selbst eine zweit oder drittstärkste Orientierung aufweist. Schritt 2: Der stärkste Anbindungskoeffizient (Regel) ist ausgerichtet auf o A) eine Zielgemeinde in einem anderen Landkreis, o B) eine nicht erreichbare Zielgemeinde im eigenen Kreis oder o C) sich selbst (Gravitationskraft der Zielgemeinde mit dem stärksten Anbindungskoeffizienten ist niedriger als die der Quellgemeinde) o D) eine bereichsbildende Zielgemeinde, die aber nicht raumordnerisch erforderlich ist Lösung: Zuordnung von (noch verbliebenen) Quellgemeinden zu Zielgemeinden anhand des zweit- bzw. drittstärksten Anbindungskoeffizienten (Ausnahme) Schritt 3: Plausibilitätsprüfung zum raumordnerischen Erfordernis weiterer bereichsbildender Zielgemeinden (die in Schritt 1 aufgrund überwiegender Orientierung und relativer Schwäche einer dritten (vierten/fünften) Zielgemeinde zugeordnet wurden): Diese Zielgemeinden müssen dann als Mittelzentrum festgelegt werden, wenn nur durch sie die Erreichbarkeit für weitere Quellgemeinden gewährleistet werden kann. Das Transitivitätskriterium bleibt bei gegebener Erreichbarkeit bestehen. Diese Fallkonstellation kann insbesondere in flächengroßen Landkreisen auftreten, wo die Erreichbarkeit des (meist kreisfreien) Mittelzentrums nicht zur flächendeckenden Versorgung des Landkreises ausreicht. Zwischenergebnis 1: Verwaltungskongruenz ist vollständig gegeben (Regel): Innerhalb der Schritte 1 bis 3 sind sämtliche bereichsbildende und tragfähige (Ausnahme Zielgemeinden im RmbH) Gemeinden als Mittelzentren identifiziert worden, die raumordnerisch erforderlich sind. Innerhalb der Schritte 1 bis 3 werden sämtliche Quellgemeinden einer (und nur einer) Zielgemeinde (Mittelzentrum) zugeordnet, die sowohl eine relevante Orientierung aufweisen (stärkste, zweit- bzw. drittstärkste Anbindungskoeffizienten) als auch das jeweilige Mittelzentrum in 30 Min. im MIV erreichen können. ‐ Es verbleiben Quellgemeinden, die entweder o kein Mittelzentrum erreichen können, o keines der Mittelzentren, auf die sie mit einem relevanten Anbindungskoeffizienten ausgerichtet sind, erreichen können, wohl aber ein anderes, o eine ausschließliche Orientierung (stärkste, zweit- bzw. drittstärkste Anbindungskoeffizienten) auf Zielgemeinden in anderen Landkreisen aufweisen oder o „Selbstversorgerorte“ sind, d. h. sämtliche relevanten Außenverflechtungen sind auf Gemeinden mit einer geringeren Gravitationskraft ausgerichtet und die Gemeinden sind selbst kein Ziel dritter Gemeinden. Schritt 4: Zuordnung von Quellgemeinden zu Zielgemeinden in anderem Landkreis: Aufheben der Verwaltungskongruenz (Ausnahme); die weiteren Prämissen (Schritt 1) bleiben bestehen. ‐ Fallkonstellationen bei Ausrichtung auf Zielgemeinde in anderem Landkreis o A) Stärkste Anbindung an erreichbare Zielgemeinde in anderem Landkreis 38 o B) Zweit-/Drittstärkste Anbindung an erreichbare Zielgemeinde liegen ebenfalls in einem anderem Landkreis bei gleichzeitiger Nicht-Erreichbarkeit der Zielgemeinde mit stärkster Anbindung im eigenen Kreis o C) Zweit-/Drittstärkste Anbindung an erreichbare Zielgemeinde in anderem Landkreis bei Nicht-Erreichbarkeit der Zielgemeinde mit stärkster Anbindung im anderen Landkreis Zwischenergebnis 2: Verwaltungskongruenz ist nicht vollständig gegeben (Ausnahme). In Ergänzung zu Zwischenergebnis 1 werden nun auch Quellgemeinden zugeordnet, die auf eine erreichbare Zielgemeinde (Mittelzentrum) in einem anderen Landkreis ausgerichtet sind. ‐ Es verbleiben Quellgemeinden, die entweder o kein Mittelzentrum erreichen können, o keines der Mittelzentren, auf die sie mit einem relevanten Anbindungskoeffizienten ausgerichtet sind, erreichen können, wohl aber ein anderes oder o „Selbstversorgerorte“ sind, d. h. sämtliche relevanten Außenverflechtungen sind auf Gemeinden mit einer geringeren Gravitationskraft ausgerichtet und die Gemeinden sind selbst kein Ziel dritter Gemeinden. Schritt 5: Zuordnung von Quellgemeinden zu Zielgemeinden trotz fehlender Orientierung: Aufheben der zentralörtlichen Orientierung (Ausnahme); die weiteren Prämissen (Schritt 1) bleiben bestehen. ‐ Fallkonstellationen bei fehlender Orientierung von Quellgemeinden auf ein erreichbares Mittelzentrum, auf das sie mit einem relevanten Anbindungskoeffizienten ausgerichtet sind, aber bestehender Erreichbarkeit zu einem anderen Mittelzentrum o A) im eigenen Kreis o B) im eigenen Kreis, bei gegebener Erreichbarkeit nur im ÖPNV (45 Min) o C) in anderem Kreis ist bei fehlender Erreichbarkeit eines Mittelzentrums im eigenen Kreis Zwischenergebnis 3: Erreichbarkeit vollständig gegeben (Regel, Ausnahme nicht möglich). In Ergänzung zu Zwischenergebnis 2 werden nun auch Quellgemeinden zugeordnet, die keine Orientierung zum erreichbaren Mittelzentrum aufweisen. Es verbleiben Quellgemeinden, die kein Mittelzentrum erreichen können. Schritt 6: Identifizierung zusätzlicher, raumordnerisch erforderlicher Mittelzentren, die nicht bereichsbildend sind, aber zur Gewährleistung der flächendeckenden Erreichbarkeit erforderlich werden: Aufheben des Bereichsbildungserfordernisses. Diese Situation ist charakteristisch für die Situation im Umland von Mittel- und Oberzentren mit hoher Gravitationskraft. Hier sind mitunter alle Gemeinden mit ihrem stärksten Strom auf das dominierende Zentrum ausgerichtet. Somit kann es der Fall sein, dass selbst Kreisstädte trotz positiver Gravitationskraft aufgrund mangelnder Bereichsbildungsfähigkeit zunächst nicht als Mittelzentren identifiziert werden. Sie können jedoch zur Gewährleistung der Erreichbarkeit raumordnerisch erforderlich sein, was jedoch nur unter der Prämisse einer Aufhebung des Bereichsbildungserfordernisses funktioniert. ‐ Fallkonstellationen im nicht durch ein bereichsbildendes Mittelzentrum erreichbaren Raum unter Beachtung der zentralörtlichen Tragfähigkeit (siehe Schritt 1) o A) Eine oder mehrere Gemeinden liegen im RmbH (–> Tragfähigkeit kann flexibilisiert werden) 39 A1) Es gibt eine tragfähigere Gemeinde (positive Gravitationskraft), die nicht im RmbH liegt. Diese wird dann Mittelzentrum A2) Es gibt keine tragfähigere Gemeinde (positive Gravitationskraft), so dass auch eine Gemeinde mit negativer Gravitationskraft Mittelzentrum werden kann, sofern sie im RmbH liegt o B) Keine Gemeinde liegt im RmbH B1) Es gibt mindestens eine tragfähige Gemeinde (positive Gravitationskraft). Diese wird dann Mittelzentrum B2) Es gibt keine tragfähige Gemeinde (negative Gravitationskraft). Hier muss die Erreichbarkeit verbessert werden, weil kein zusätzliches Mittelzentrum identifizierbar ist Schritt 7: Abschließende Plausibilitätsprüfung ‐ Räumliche Kontingenz: En- und Exklaven werden aufgehoben und den umgebenden Mittelbereichen zugeordnet. In Tabelle 6Tabelle 1 sind die auszuführenden Fallkonstellationen der Zuordnung von Einzelgemeinden zu Mittelzentren in einer kompakten „Codetabelle“ dargestellt. Es wird deutlich, dass nur die Fallkonstellationen 0, 3 und 6 zur Bildung bzw. Ausweisung von bereichsbildenden Mittelzentren führen. Tabelle 6: Übersicht der Fallkonstellation bei der Mittelbereichbildung Fallkonstell - ation Unter- Fallkonstellation Grund der Zuordnung (Mittelbereichsbildung) 0 - Die Gemeinde ist auf keinen anderen bereichsbildenden Ort mit seinem stärksten Strom ausgerichtet. Der Ort wird in Schritt 1 als Mittelzentrum identifiziert. 1 - Die Quellgemeinde wird der Zielgemeinden anhand der überwiegenden Pendlerorientierung (stärkster Anbindungskoeffizient) zugeordnet. 1(t) Die Quellgemeinde ist transitiv über ihre (vorläufige) Zielgemeinde einer weiteren Zielgemeinde zugeordnet, zu der sie selbst keine Orientierung (2./3. Pendlerausrichtung) aufweist. 1(t)/2a Die Quellgemeinde ist transitiv über ihre (vorläufige) Zielgemeinde einer weiteren Zielgemeinde zugeordnet, zu der sie selbst keine Orientierung (2./3. Pendlerausrichtung) aufweist. 2 Die Quellgemeinde wird der Zielgemeinden anhand des zweit- bzw. drittstärksten Anbindungskoeffizienten zugeordnet, um die Verwaltungskongruenz oder die Erreichbarkeit zu wahren. 2a Die Quellgemeinde wird anhand des zweit- bzw. drittstärksten Anbindungskoeffizienten zugeordnet, da die stärkste Anbindung auf eine Zielgemeinde in einem anderen Landkreis gerichtet ist (Wahrung der 40 Verwaltungskongruenz). 2b Die Quellgemeinde wird anhand des zweit- bzw. drittstärksten Anbindungskoeffizienten zugeordnet, da die stärkste Anbindung auf eine erreichbare Zielgemeinde im eigenen Kreis gerichtet ist (Einhaltung der Erreichbarkeit). 2c Die Quellgemeinde wird anhand des zweit- bzw. drittstärksten Anbindungskoeffizienten zugeordnet, da die stärkste Anbindung auf sich selbst gerichtet ist (Gravitationskraft der Zielgemeinde mit dem stärksten Anbindungskoeffizienten ist niedriger als die der Quellgemeinde). 2d Die Quellgemeinde wird anhand des zweit- bzw. drittstärksten Anbindungskoeffizienten zugeordnet, da die stärkste Anbindung auf eine bereichsbildende Zielgemeinde gerichtet ist, die aber nicht raumordnerisch erforderlich ist. 3 - Diese Zielgemeinden sind primär auf eine weitere Zielgemeinde ausgerichtet, werden aber als Mittelzentrum festgelegt, wenn nur durch sie die Erreichbarkeit für weitere Quellgemeinden gewährleistet werden kann. 4 Die Quellgemeinde wird einer Zielgemeinde in einem anderen Landkreis zugeordnet, da dort die einzige zentralörtliche Orientierung besteht oder nur so die Erreichbarkeit gesichert wird. Dazu erfolgt die Aufhebung der Verwaltungskongruenz. 4a Die Quellgemeinde wird einer erreichbaren Zielgemeinde in einem anderen Landkreis zugeordnet, da dorthin die einzige zentralörtliche Orientierung besteht. 4b Die Quellgemeinde wird einer erreichbaren Zielgemeinde in einem anderen Landkreis zugeordnet, zu der die zweit-/drittstärkste Anbindung bei gleichzeitiger Nicht-Erreichbarkeit der Zielgemeinde mit stärkster Anbindung im eigenen Kreis besteht. 4c Die Quellgemeinde wird einer erreichbaren Zielgemeinde in einem anderen Landkreis zugeordnet, zu der die zweit-/drittstärkste Anbindung bei gleichzeitiger Nicht-Erreichbarkeit der Zielgemeinde mit stärkster Anbindung im anderen Landkreis besteht. 5 - Die Quellgemeinde wird einer Zielgemeinde trotz fehlender Orientierung zugeordnet um die Erreichbarkeit zu gewährleisten. Dazu erfolgt die Aufhebung der zentralörtlichen Orientierung. 5a Die Quellgemeinde wird einer Zielgemeinde im eigenen Kreis trotz fehlender Orientierung zugeordnet um die Erreichbarkeit zu gewährleisten. 5b Die Quellgemeinde wird einer Zielgemeinde im eigenen Kreis trotz fehlender Orientierung zugeordnet um die Erreichbarkeit zu gewährleisten. Die 41 Erreichbarkeit ist nur im ÖPNV (45 Min) gegeben. 5c Die Quellgemeinde wird einer Zielgemeinde in einem anderen Kreis aufgrund fehlender Erreichbarkeit eines Mittelzentrums im eigenen Kreis zugeordnet. 6 - Identifiziert werden zusätzliche, raumordnerisch erforderliche Mittelzentren, die nicht bereichsbildend sind, aber zur Gewährleistung der flächendeckenden Erreichbarkeit erforderlich werden. Dazu erfolgt die Aufhebung des Bereichsbildungserfordernisses. 6a1 Eine oder mehrere Gemeinden liegen im RmbH. Es wird die tragfähige Gemeinde (mit positiver Gravitationskraft) ausgewiesen, die nicht im RmbH liegt. 6a2 Eine oder mehrere Gemeinden liegen im RmbH. Es gibt keine tragfähigen Gemeinden (mit positiver Gravitationskraft), weshalb diese ausgewiesen werden, die im RmbH liegen. 6b1 Keine Gemeinde liegt im RmbH. Es wird die tragfähige Gemeinde ausgewiesen (positive Gravitationskraft). 6b2 Keine Gemeinde liegt im RmbH. Es sind keine tragfähigen Gemeinden vorhanden (ausschließlich negative Gravitationskraft). Hier muss die Erreichbarkeit verbessert werden, weil kein zusätzliches Mittelzentrum identifizierbar ist. 7 Zur Erhaltung der räumlichen Kontingenz der Mittelbereiche werden Enund Exklaven aufgehoben und den umgebenden Mittelbereichen zugeordnet 42 7.2 Oberzentren und Oberbereiche Einführung Zunächst ist zu bemerken, dass die Abgrenzung der Oberbereiche und Festlegung von Oberzentren sich zwar grundsätzlich ebenfalls auf das Zielsystem des LEP 2013 zurückführen lässt, aber nicht nach exakt der gleichen Methodik wie auf der mittelzentralen Ebene erfolgen kann. Die zur Ermittlung der zentralörtlichen Orientierung auf mittelzentraler Ebene heranzuziehenden Pendlerdaten sind kein geeigneter Indikator zur Abgrenzung von Oberbereichen. Versorgungsbeziehungen (z. B. im Gesundheitswesen) korrelieren zwar in hohem Maße mit Pendlerverflechtungen. Die häufig angesprochene „überwiegende Orientierung“ der Bevölkerung kann damit belastbar und vergleichbar empirisch ermittelt werden (Greiving, Flex, Terfrüchte, Winkel 2015, S. 99). Dies gilt aber primär für den periodischen, mittelzentralen Bedarf (z. B. Aufsuchen eines Facharztes vor oder nach der Arbeit am Arbeitsort) oder Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten. Demgegenüber gilt dies für den hochwertigen, aperiodisch auftretenden Bedarf nur sehr eingeschränkt. Hier tritt die (potenzielle) Erreichbarkeit des Oberzentrums (vgl. Ziel 2.1.3 LEP 2013) in den Vordergrund. Ziel des Plangebers ist es also, oberzentrale Güter und Dienstleistungen in zumutbarer Erreichbarkeit in allen Teilräumen (bzw. Planungsregionen) anzubieten. Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayLplG legt fest: „Die Zentralen Orte sollen so über das ganze Staatsgebiet verteilt werden, dass für alle Bürger die Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen und Infrastruktureinrichtungen des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedarfs in zumutbarer Erreichbarkeit gesichert ist; dies gilt auch in dünn besiedelten Teilräumen.“ Insofern ist die Ermittlung von Oberzentren pro Teilraum bzw. Planungsregion vorzunehmen. Im Unterschied zur grund- und mittelzentralen Ebene kommt auf der oberzentralen Ebene der Entwicklungsfähigkeit der Zentralen Orte eine herausgehobene Bedeutung zu. Der Entwicklungsauftrag Zentraler Orte ergibt sich aus Grundsatz 2.1.1 LEP 2013: „Sie [die Zentralen Orte] sollen zur polyzentrischen Entwicklung Bayerns beitragen.“ Dieser Entwicklungsauftrag wird mit den Grundsätzen 2.2.5 – 2.2.8 für die einzelnen Teilräume, nicht jedoch die Hierarchiestufen des Zentrale Orte Konzepts näher spezifiziert. Damit ist festzuhalten, dass sich aus dem Zielsystem des LEP 2013 keinesfalls ableiten lässt, das die Entwicklungsfunktion gleichgewichtig neben der Versorgungsfunktion steht, da dem Entwicklungsauftrag lediglich Grundsatzqualität zukommt. Dieser Sachverhalt steht jedoch im Widerspruch zum Stand der Wissenschaft (Greiving, Flex, Terfrüchte, Winkel 2015, S. 99). Oberzentren spielen für die Versorgung eine untergeordnete Rolle; bei ihnen steht die Entwicklungsfunktion im Vordergrund (Blotevogel et al. 2002: XXV). Zwar sollen sie für ihren Oberbereich Güter und Dienstleistungen des spezialisierten höheren Bedarfs anbieten, vor allem aber sind sie regional bedeutsame Verwaltungs- und Arbeitsmarktzentren. Durch die festen Zuständigkeitsbereiche von Gerichten und Behörden sind sie bereichsbildende Zentren. Auf der Nachfragseite führt das Angebot hochrangigerer Dienstleistungsangebote zu Kopplungseffekten auch bei „frei wählbaren“ Gütern und Dienstleistungen. Die „verordnete“ Orientierung der Umlandgemeinden auf die Zentren wird also durch eine freiwillige Orientierung ergänzt (Kopplungseffekte). Dies spricht im Übrigen auch für eine hohe Bedeutung der Verwaltungskongruenz. Auch dieser Aspekt findet sich im LEP 2013 nicht wieder. Insofern besteht Anlass dazu, Änderungen am bestehenden Zielsystem des LEP vorzunehmen (vgl. Kap. 8.6). 43 Zuordnungsschritte bei der Bereichsabgrenzung der Oberbereiche Aus den oben erläuterten Erwägungen heraus erscheint das im Folgenden erläuterte methodische Vorgehen in Form von als Reihenfolge zu verstehenden Zuordnungsschritten für die Bestimmung von Oberzentren und Oberbereichen sachgerecht. Die Schritte sind der Reihe nach für alle potenziellen Oberzentren (als „Zielorte “) und vorläufig identifizierter Mittelbereiche (als „Quellorte “) pro Teilraum bzw. Planungsregion abzuarbeiten. Schritt 1: Zuordnung der Mittelbereiche zu erreichbarer Zielgemeinde (ggf. als Mehrfachort) mit der stärksten oberzentralen Gravitationskraft in derselben Planungsregion (Regel). ‐ Erreichbarkeitskriterium: Zielgemeinde ist von den Quellgemeinden im Mittelbereich aus erreichbar (60 Min. MIV). Im Falle der Nichterreichbarkeit wird im Einzelfall geprüft, ob alternativ eine Erreichbarkeit im ÖPNV innerhalb von 90 Min. gegeben ist, die mitunter wesentlich besser sein kann. ‐ Verwaltungskongruenz: Die Mittelbereiche liegen vollständig (Regel) oder überwiegend (Ausnahme als Ergebnis der Mittelbereichsabgrenzung) in derselben Planungsregion wie die Zielgemeinde als potenzielles Oberzentrum. ‐ Zentralörtliche Tragfähigkeit: Die Gravitationskraft der Zielgemeinde (oberzentrale Versorgungsfunktion) ist überdurchschnittlich hoch (größer als 0) oder die Zielgemeinde liegt im Raum mit besonderem Handlungsbedarf (Flexibilisierung der Tragfähigkeit). ‐ Zentralörtliche Entwicklungsfähigkeit: Die Entwicklungsfähigkeit der Zielgemeinde ist überdurchschnittlich hoch (größer als 0). ‐ Dominierende zentralörtliche Gravitationswirkung: Zielgemeinde hat die höchste Gravitationswirkung (Kombination aus oberzentraler Tragfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit) innerhalb der Planungsregion (Regel). ‐ Zentralörtliche Orientierung: Die zentralörtliche Orientierung wird nur dann für die Abgrenzung der Oberbereiche berücksichtigt (Ausnahme), sofern o A) Mittelbereiche zur Gewährleistung der Erreichbarkeit einem potenziellen Oberzentrum in einer benachbarten Planungsregion zugeordnet werden (Schritt 2) o B) innerhalb einer Planungsregion mehrere Oberbereiche mangels Erreichbarkeit erforderlich sind (Schritt 3). Andernfalls findet sie keine Berücksichtigung (Regel). Schritt 2: Zuordnung der Mittelbereiche zu erreichbarer Zielgemeinde (ggf. als Mehrfachort) in einer anderen Planungsregion (Ausnahme) (Aufheben der Verwaltungskongruenz) ‐ Gewährleistet die stärkste Zielgemeinde keine vollständige Erreichbarkeit für die Planungsregion, kann bei gegebener Erreichbarkeit eines potenziellen Oberzentrums in einer benachbarten Planungsregion die Verwaltungskongruenz aufgehoben werden (Ausnahme), falls dieses über eine stärkere Gravitationskraft als das zweistärkste potenzielle Oberzentrum in der eigenen Planungsregion verfügt. Schritt 3: Zuordnung der Mittelbereiche zu zweit- bzw. drittstärkster erreichbarer Zielgemeinde (ggf. als Mehrfachort) in derselben Planungsregion (Ausnahme) (Aufheben der dominierenden zentralörtlichen Gravitationswirkung) ‐ Gewährleistet weder die stärkste Zielgemeinde in derselben Planungsregion noch ein stärkeres potenzielles Oberzentrum einer benachbarten Planungsregion eine vollständige Erreichbarkeit für 44 einen Mittelbereich, kann bei gegebener Erreichbarkeit einer Zielgemeinde mit der zweit- bzw. drittstärksten Gravitationswirkung zur Gewährleistung der Erreichbarkeit diese Gemeinde als Oberzentrum berücksichtigt werden (Ausnahme). Zwischenergebnis: Erreichbarkeit vollständig gegeben, Verwaltungskongruenz – wo raumordnerisch erforderlich – nicht zwangsläufig vollständig gegeben, Gemeinden mit zweit- bzw. drittstärkster Gravitationswirkung – wo raumordnerisch erforderlich – zusätzlich berücksichtigt. Schritt 4: Identifizierung zusätzlicher, raumordnerisch erforderlicher Oberzentren (ggf. als Mehrfachort), die keine zentralörtliche Tragfähigkeit und/oder zentralörtliche Entwicklungsfähigkeit (Einzelfall) aufweisen, aber zur Gewährleistung der flächendeckenden Erreichbarkeit erforderlich werden oder Empfehlung zur Verbesserung der Erreichbarkeit (Einzelfall). ‐ Sofern einzelne Mittelbereiche mit Stand Zwischenergebnis keinem potenziellen Oberzentrum zugeordnet werden konnten, ist unter Berücksichtigung o der Möglichkeiten zur verbesserten Anbindung an ein dominierendes Oberzentrum, o der Lage im Raum unter besonderer Berücksichtigung möglicher grenzüberschreitender Erreichbarkeiten und Verflechtungen, o der Möglichkeit einer Ausweisung einer Mehrfachortes unter besonderer Berücksichtigung der Ausstattung mit oberzentralen Einrichtungen und der Entwicklungsfähigkeit sowie o der Ergebnisse der Mittelbereichsabgrenzung ‐ im Einzelfall zu entschieden, ob o A) die Darstellung der Mittelbereichs als Teil eines grenzüberschreitenden Oberbereichs o B) die Ausweisung eines zusätzlichen Oberzentrums (ggf. als Mehrfachort) oder o C) die Verbesserung der Erreichbarkeit zu einem dominierenden Oberzentrum erfolgen soll. 45 8 Weitere Handlungsempfehlungen für die Fortschreibung des LEP Bayern 8.1 Umgang/Einführung einer Ebene „Metropole“ Es ist vom Auftraggeber die Prüfung der Einführung einer metropolitanen Ebene innerhalb des Zentrale- Orte-Konzepts geäußert worden. Um der metropolitanen Ebene eine Funktion zuzuordnen, sollte in erster Linie der großräumige Entwicklungsauftrag in den Vordergrund gestellt werden, der Metropolen zugeschrieben wird. Dazu werden die folgenden Plansätze vorgeschlagen: (Z) Hauptstadt- und andere metropolitane Funktionen sind in den Metropolen zu sichern, zu entwickeln und für die Entwicklung des Gesamtraumes zu nutzen. (G) In den Metropolen sollen über ihre oberzentralen Funktionen hinaus die Infrastruktur und die Standorte von metropolitanen Funktionen wie Entscheidungs- und Kontrollfunktionen, Innovations- und Wettbewerbsfunktionen, Zugänglichkeit und Symbolfunktionen gesichert und entwickelt werden. Die Metropolen sollen als überregionale Wirtschafts-, Wissenschafts-, Kultur-, Bildungs-, Sport-, Handels-, Messe- und politische Entwicklungsschwerpunkte gestärkt werden. 8.2 Auswirkungen auf die grundzentrale Ebene Gegenstand des Gutachtens ist die Analyse der mittel- und oberzentrale Ebene, wobei gemäß Auftrag auch Rückwirkungen auf das Gesamtsystem bestehend aus Ober-, Mittel-, und Grundzentren samt ihrer Versorgungsbereiche sowie nicht-zentrale Orte geprüft werden sollen. Demgemäß werden im Folgenden die Auswirkungen auf die Ausweisung von Grundzentren sowie die Abgrenzung von Nahbereichen aufgezeigt. Gravierend wirkt sich eine Abgrenzung der Mittelbereiche (und damit der Oberbereiche) auf die grundzentrale Ebene aus, da die bestehenden Nahbereichsgrenzen bei der Abgrenzung der Mittelbereiche keine Rolle spielen können. Die Nicht-Berücksichtigung erfolgt einerseits aus der Aufgabenbeschreibung des Gutachtens (Analyse der mittel- und oberzentralen Ebene und lediglich Diskussion der Auswirkungen auf die grundzentrale Ebene), andererseits aber auch aus methodisch-normativen Erwägungen heraus: Die Nahbereiche sind zunächst kein relevantes Einstufungskriterium für Mittelzentren im LEP 2013. Es ist aber auch methodisch nicht darstellbar, diese bei der Abgrenzung von Mittelbereichen direkt zu berücksichtigen, da nicht sichergestellt wäre, dass so dem Kriterium der zumutbaren Erreichbarkeit (auf mittelzentraler Ebene) Rechnung getragen werden könnte. Hinzu kommt, dass gemäß LEP (Begründung zu Ziel 2.1.6) ein Bevölkerungsschwellenwert von 7.500 Einwohnern als verbindlicher Richtwert für Nahbereiche angenommen wird, der jedoch nicht empirisch begründet wird. Insofern sollte bei der Überprüfung der grundzentralen Ebene vom bestehenden Einwohnerschwellenwert zugunsten einer funktionalen Betrachtung abgesehen und somit dafür Sorge getragen werden, dass Grundzentren über ein vollständigen Funktionsprofil im Sinne der in der Begründung zu Ziel 2.1.2 benannten Einrichtungen verfügen. Im Rahmen der angesprochenen Überprüfung der grundzentralen Ebene wären aber auch die Grenzen der bestehenden Verwaltungsgemeinschaften als zusätzliches Kriterium besonders zu berücksichtigen, um der Verwaltungskongruenz Rechnung tragen zu können (vgl. dazu auch Kap. 8.6). Inkongruenzen zwischen 46 Nahbereichen und Mittelbereichen sollten nach Möglichkeit nicht bestehen. 8.3 Auswirkungen auf Förderprogramme In der „Vision Bayern 2025“ im LEP 2013 heißt es: „Wir wollen die Nachteile strukturschwächerer Räume ausgleichen. Dazu wollen wir diese Räume vorrangig fördern.“ In Ziel 1.2.5 (Vorhalteprinzip) wird diese Förderung konkret auf zentralörtlichen Einrichtungen bezogen: „Der Gewährleistung einer dauerhaften Versorgung der Bevölkerung mit zentralörtlichen Einrichtungen in zumutbarer Erreichbarkeit ist insbesondere in Teilräumen, die besonders vom demographischen Wandel betroffen sind, der Vorzug gegenüber Auslastungserfordernissen einzuräumen.“ Neben dem Zurückstellen von Auslastungserfordernissen zugunsten der Erreichbarkeit und der Standortsteuerung durch das Land ergibt sich ein weiterer interessanter Ansatzpunkt aus der Städtebauförderung. Dort bestehen im 5. Abschnitt („Kleinere Städte und Gemeinden“) Bezüge zu Zentrale- Orte-Konzepten. Artikel 9 zur „Förderung kleinerer Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ stellt klar: „Die Finanzhilfen des Bundes zur Förderung von Städten und Gemeinden in dünn besiedelten, ländlichen, von Abwanderung bedrohten oder vom demographischen Wandel betroffenen Räumen sind bestimmt für städtebauliche Gesamtmaßnahmen zur Sicherung und Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge. […]. Förderfähig sind vorrangig überörtlich zusammenarbeitende oder ein Netzwerk bildende Städte oder Gemeinden in funktional verbundenen Gebieten bzw. kleinere Städte in Abstimmung mit ihrem Umland.“ (Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern: Hinweise zum Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ Stand: 25.05.2011). Eine weitere Möglichkeit liegt darin, für nationale Förderprogramme, wie die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Bezugsräume festzulegen und so ggf. die Zuteilung der Fördermittel, wie in Schleswig- Holstein, auf Zentrale Orte zu beschränken. 8.4 Aussagen zur Ausgestaltung der Funktionsergänzung/Kooperation der Gemeinden Es sollte nicht alleine der Tatbestand, dass mehrere Orte innerhalb eines Mittelbereichs einen (sich ergänzenden!) Versorgungsbeitrag leisten, zum Anlass für die Festlegung eines Verbundes genommen werden, sondern zusätzlich ein raumordnerisches Kooperationserfordernis bestehen, weil ein monozentraler Ort alleine nicht tragfähig ist oder aber sich nicht in zumutbarer Erreichbarkeit befindet. Ansonsten wäre nur derjenige Ort, der die größte Gravitationskraft besitzt, innerhalb eines tragfähigen Mittelbereichs als Zentraler Ort festzulegen. Dies bekräftig bereits Grundsatz 2.1.2 LEP 2013: „Zwei oder mehr Gemeinden können als Zentrale Doppel- oder Mehrfachorte den zentralörtlichen Versorgungsauftrag gemeinsam wahrnehmen, wenn dies räumlich oder funktional erforderlich ist.“ Zudem heißt es in der Begründung zu diesem Plansatz: „Im Interesse der räumlichen Bündelungsfunktion (vgl. 2.1.1) kommen Zentrale Doppeloder Mehrfachorte nur in Betracht, wenn ansonsten die flächendeckende Versorgung mit den zentralörtlichen Einrichtungen nicht sichergestellt wäre.“ Die Erfahrungen mit existierenden Mehrfachorten belegen, dass die raumordnerische Ausweisung von den beteiligten Städten häufig nicht oder nur unzureichend durch konkrete Maßnahmen tatsächlich auch umgesetzt wird (Greiving 2006; Greiving, Pietschmann, Winkel 2008). In Anbetracht dieser Erfahrungen ist bei der Ausweisung von Mehrfachorten zu empfehlen, dass seitens des Landes eindeutige inhaltliche und zeitliche Vorgaben für die nachzuweisende Umsetzung getroffen werden. Als Vorgaben für die Umsetzung 47 haben sich vor allem bewährt: Ein raumordnerischer Vertrag, in dem die Ziele für die gemeinsame Funktionswahrnehmung, die geplante Form der Umsetzung mit zeitlichen Bindungen sowie ebenfalls die Organisationsstruktur (Bürgermeisterrunde, Einbeziehung der Fraktionen, Arbeitsgruppen für Aufgabenfelder und Projektgruppen für die konkrete Umsetzung) der Umsetzung verbindlich festgeschrieben werden. Die zentralörtlichen Einrichtungen versorgen in wechselseitiger, abgestimmter Ergänzung die gemeinsame Bevölkerung sowie die des Umlandes. Die Standortbereiche, die den tatsächlichen Infrastrukturcluster abbilden, sind in Abstimmung zwischen Kommune und Regionalplanung festzulegen (s.o., u.a. mit Beurteilung der Erreichbarkeit, vorhandener Ausstattung / Substanz, Bündelungsmöglichkeiten, …) Die Erarbeitung einer gemeinsamen Entwicklungskonzeption/-planung, ggf. in Form eines REK (Regionalen Entwicklungskonzepts) oder vergleichbarem Planwerks. Eine gemeinsame Funktionswahrnehmung lässt sich dabei am ehesten erreichen, wenn sie in einem ausgewogenen Verhältnis steht, d. h. jeder der beteiligten Orte dadurch Vorteile erfährt. Das wird dann der Fall sein, wenn die Funktionen ausgewogenen auf die beteiligten Orte verteilt sind, so dass jeder Ort eine Anzahl Versorgungsfunktionen innehat, die zugleich auch die anderen beteiligten Orte versorgen und umgekehrt die anderen Beteiligten die Versorgungsleistungen erbringen, die selbst nicht vorgehalten werden. Dieses Verhältnis lässt sich erfahrungsgemäß am günstigsten erreichen, wenn die Orte in dichter Nachbarschaft liegen, eine ähnliche Größe aufweisen und ihr Bestand an Versorgungseinrichtungen sich gut komplementär ergänzt. Falls zur Funktionswahrnehmung ein weiterer Ausbau der Angebote erforderlich ist, lässt sich darüber i. d. Regel ebenfalls Einvernehmen erzielen, wenn dieser Ausbau wechselseitig erfolgt, also jeder der Beteiligten Vorteile erzielt. Denkbar sind bei der Funktionsergänzung mithin zwei Modelle: Wechselseitige Infrastrukturvorhaltung: Dies funktioniert nur, falls komplementäre Ausstattungen bereits vorhanden sind, etwa zwei Gymnasien oder Schwimmhallen Wechselseitige Funktionserfüllung: Dies kann ein Weg sei, bei Doppelungen über eine Spezialisierung bzw. Verbesserung des Angebotes die Nachfrage und damit die Tragfähigkeit zu erhöhen. Diversifizierung wird so zur Stärke eines Verbundes. Es betrifft sowohl Infrastruktur als auch die Verwaltungen, die auf diese Weise an Leistungskraft wie an Wirtschaftlichkeit gewinnen und so ihre Eigenständigkeit eher zu sichern in der Lage sind. Auch neue Angebotsformen etwa im ÖPNV und Handel gehören hierzu. Bei gemeinsamer Funktionswahrnehmung können zudem die Leistungen verbessert und ausgeweitet werden. In dem Fall können die durch die Mitversorgung durch Partner eingesparten Ressourcen zum Leistungsausbau mittels Spezialisierung Verwendung finden. Diese Möglichkeiten beginnen bereits bei der personellen Verwaltungsausstattung und sie können bis zum Ausbau des Infrastrukturangebotes reichen. So hat sich z. B. bewährt, dass sich in den Verwaltungen der beteiligten Kommunen Mitarbeiter in bestimmten Sachgebieten spezialisieren, die dann mit ihrem Wissen die Klärung von Sachfragen für alle Städte des Verbundes wahrnehmen. In dem Fall könnte z. B. in einer Stadt der Umweltexperte, in der anderen der Experte für Fördermitteleinwerbung bei der EU und in der dritten der Experte für Verwaltungsrecht sitzen. Durch diese enge Kooperation können die Städte ein Spezialwissen vorhalten, was für die einzelne Stadt alleine nicht machbar wäre. Die gleichen Möglichkeiten bestehen auch für den wechselseitigen, aufeinander abgestimmten Ausbau von Versorgungsinfrastruktur oder auch für kommunale Dienstleitungen in der Daseinsvorsorge wie z. B. Beratungsdienste oder die gemeinsame Wahrnehmung des Antragswesens für 48 bestimmte Aufgaben, z. B. Bauanfragen, Baugenehmigungen durch einen der Städte für den gesamten Mehrfachort. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass Orte, die gemeinsam zentralörtliche Funktionen wahrnehmen, die gemeinsamen Funktionen auch dauerhaft ausfüllen müssen. Von daher handelt es sich bei der Abstimmung und Kooperation keinesfalls um zeitlich begrenzte, sondern um dauerhafte Aktivitäten. Sie gelten solange die zentralörtliche Funktionsteilung besteht. Gleichwohl nimmt jede Kooperation irgendwann ihren Anfang und ihre Entwicklung im Laufe der Zeit. Hier ist nach Greiving et al. (2008) zwischen folgenden fünf Phasen zu unterscheiden: Der Findungsphase: In der durch Vorstellung der Landesplanung oder auch durch ein Zusammenfinden von unten, nämlich durch Aktivitäten benachbarter Städte das Vorhaben eingegrenzt wird. In dieser Phase sind die Potenziale und gemeinsamen Möglichkeiten auszuloten und erste Umsetzungsschritte einzuleiten. Der Euphoriephase: Start zur Funktionsteilung im Nachgang der Ausweisung durch die Landesplanung. In dieser Phase sind die Ziele und Kooperationsfelder einzugrenzen und vertraglich festzuschreiben sowie die Organisationsstruktur auszubilden. Der Implementierungsphase: Es werden die vertraglich vereinbarten Kooperationsfelder mit konkreten Projekten abgearbeitet. Die Stagnationsphase oder Phase der Stabilisierung: Nach der Abarbeitung der vereinbarten Aktivitäten lassen die Aktivitäten zunehmend nach, stagnieren und verlieren an Leistungskraft oder das Vertrauen verstetigt sich und die Zusammenarbeit und wird auch auf schwierigere Felder ausgedehnt. Auflösung oder Fusion: Bei anhaltender Stagnation kann es zur Auflösung und damit zum Ende des gemeinsamen Zentralen Ortes kommen. Umgekehrt kann sich die Zusammenarbeit zum wechselseitigen Vorteil derart verstetigen, dass eine Fusion der Beteiligten zu einer Kommune in Betracht kommt. Dementsprechend kann die fachlich für erforderlich gehaltene Evaluierung der gemeinsamen Funktionswahrnehmung kein einmaliges Ereignis sein, sondern ist nach möglichst strukturierten bis zu standardisierten Vorgaben seitens der Landesplanung von Zeit zu Zeit zu wiederholen. Zugleich ist bei den Evaluierungsanforderungen die Zeitdauer des Bestands eines Mehrfachortes zu berücksichtigen. An einen neuen Mehrfachort sind eher geringere Anforderungen, an einen älteren, eingespielten Ort hingegen höhere Anforderungen zu stellen. Bislang ist der Abschluss eines raumordnerischen Vertrages für mittel- und oberzentrale Doppel- und Mehrfachorte im Unterschied zur grundzentralen Ebene (vgl. Ziel 2.1.6 LEP 2013) lediglich optional (Begründung zu Grundsatz 2.1.2 LEP 2013: „Um die Kooperation zwischen den Zentralen Doppel- und Mehrfachorten zu bekräftigen und umzusetzen, kann ein landesplanerischer Vertrag nach Art. 29 BayLplG geschlossen werden.“). Es wird empfohlen, dies zur Verpflichtung für alle Doppel- und Mehrfachorte zu machen und auch in das fortgeschriebene LEP aufzunehmen. Ein entsprechender Plansatz könnte lauten: (Z) Die gemeinsame Funktionswahrnehmung neu festgelegter Doppel- oder Mehrfachorte ist mit einem landesplanerischen Vertrag nach Art. 29 BayLplG zu sichern. 49 8.5 Ausstattungskataloge für die mittel- und oberzentrale Ebene In Kap. 3.2 ist dargelegt worden, wie die räumliche Verteilung von zentralörtlich relevanten Einrichtungen bzw. Funktionen in Bayern ermittelt werden kann. Hierfür sind die Einrichtungen zunächst zwischen mittelund oberzentraler Ebene differenziert worden, wobei insbesondere staatliche Museen und Staatstheater eher als metropolitane Einrichtungen zu sehen sind. Die Ausstattung von Orten mit mittel- bzw. oberzentralen Einrichtungen allein ist jedoch kein hinreichendes Kriterium für die Einstufung als Mittel- bzw. Oberzentrum; auf mittelzentraler Ebene greifen etwa v. a. das Erreichbarkeitskriterium und das Bereichsbildungserfordernis. Dies führt dazu, dass auch vergleichsweise ausstattungsschwache Orte insbesondere auf der mittelzentralen Ebene als Zentraler Ort erforderlich werden können, während umgekehrt andere Orte in der Nähe eines starken Zentrums trotz vorhandener Ausstattung raumordnerisch nicht erforderlich sein müssen. Grundsätzlich wird daher angeraten, zwischen verbindlichen Einrichtungen (im Sinne der Einstufungskriterien) und empfohlenen Einrichtungen zu unterscheiden. Will man an Funktionszuweisungen Rechtsfolgen knüpfen, ist sicherzustellen, dass dem Gebot der Systemgerechtigkeit gefolgt wird. Insofern sind Regel-Ausnahme-Verhältnisse zu definieren und es wird vorgeschlagen, verbindlich vorzuhaltende Kerneinrichtungen zu bestimmen sowie weitere zu benennen, die als Orientierung für die Entwicklung Zentraler Orte dienen können. Auf der mittel- und oberzentralen Ebene können die jeweiligen Funktionen unter Wahrung von Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitsaspekten auch außerhalb eines Standortclusters liegen. Die Relevanz der räumlichen Bündelung nimmt tendenziell mit steigender Hierarchiestufe ab. Im Sinne einer flächendeckenden Versorgung mit mittel- und oberzentralen Funktionen sind vielmehr die zentralörtlichen Bereiche als Gestaltungsansatz einzubeziehen (Greiving, Flex, Terfrüchte, Winkel 2015, S. 104). Insofern sollte sich ein Ausstattungskatalog nicht auf die Zentralen Orte selber, sondern auf die Ober- und Mittelbereiche beziehen. 8.6 Vorschläge für weitere Plansätze Oberzentren Wie bereits in Kap. 7.2 ausgeführt wurde, kommt der Entwicklungsfunktion bzw. der Entwicklungsfähigkeit von Oberzentren eine herausgehobene Bedeutung zu. Daher wird empfohlen, über Grundsatz 2.1.1 LEP 2013 hinaus („Sie [die zentralen Orte] sollen zur polyzentrischen Entwicklung Bayerns beitragen“) diese mit der Versorgungsfunktion gleichrangige Aufgabe deutlicher im Zielsystem zum Ausdruck zu bringen. Bisher wird der besondere Entwicklungsauftrag der Oberzentren im LEP 2013 nämlich nicht gesondert angesprochen, sondern lediglich auf ihre Versorgungsfunktionen abgestellt (Ziel 2.1.2 i. V. m. Grundsatz 2.1.8). Ein entsprechender Plansatz könnte lauten: (Z) „Als Oberzentren sind solche Gemeinden zu bestimmen, die aufgrund ihrer räumlichen Lage, ihrer funktionalen Ausstattung und ihrer Entwicklungspotenziale erforderlich und in der Lage sind, die großräumigen Aufgaben der Entwicklungsfähigkeit des Landes für ihre Oberbereiche langfristig zu erfüllen.“ Aus diesen Plansätzen würde deutlich werden, dass auf oberzentraler Ebene neben den erforderlichen Ausstattungsmerkmalen 50 ihre Lage im Raum (Raumstrukturen) relevant ist, d. h. ein raumordnerisches Erfordernis für ihre Festlegung bestehen muss, ein abgrenzbarer Versorgungsbereich (Oberbereich) erforderlich ist, Oberzentren ihre Aufgaben flächendeckend, d. h. aus dem gesamten Versorgungsbereich in zumutbarer Erreichbarkeit erfüllen können müssen, sie eine Entwicklungsfähigkeit aufweisen und einen besonderen Entwicklungsauftrag für ihren Oberbereich besitzen und dies aufgrund ihrer demographischen Entwicklung mindestens für die Laufzeit des LEP weiterhingegeben ist. Mittel- und Oberbereiche Im Gegensatz zur grundzentralen Ebene, für die Ziel 2.1.6 LEP 2013 Nachbereiche vorsieht („Eine Gemeinde ist in der Regel dann als Grundzentrum festzulegen, wenn sie zentralörtliche Versorgungsfunktionen für mindestens eine andere Gemeinde wahrnimmt und einen tragfähigen Nahbereich aufweist.“), fehlen bislang entsprechende Regelungen für die mittel- und oberzentralen Ebenen. Die grundsätzliche Festlegung zentralörtlicher Versorgungsbereiche ist – theorie- und systemimmanent – für Zentrale-Orte-Konzepte erforderlich: Erstens resultiert die Zentralität eines Ortes meist aus seiner Umlandbedeutung („Mitversorgung“). Davon ausgenommen sind lediglich so genannte „Selbstversorgerorte “, wobei diese streng genommen ebenfalls per Definition mit ihrem Gemeindeterritorium einen Versorgungsbereich aufweisen. Zweitens ist allein die Festlegung einer Abgrenzungsmethodik nicht ausreichend, da damit ausschließlich das zentralörtliche System (deskriptive Verflechtungsbereiche) beschrieben werden kann, ohne dass damit politisch-planerische Aussagen verknüpft wären. Zwar ist die Bestimmbarkeit eines Ziels der Raumordnung (etwa durch Angabe von Kriterien, Ermittlungsmethoden usw.) grundsätzlich gleichwertig zur (räumlichen) Bestimmung. Die Festlegung Zentraler Orte begründet sich primär über ihre Versorgungsaufgaben für Dritte im Rahmen eines raumordnerischen Gesamtkonzepts: in der Regel sollen nur bereichsbildende Gemeinden als Zentrale Orte festgelegt werden. Folglich ist die Einstufung Zentraler Orte im Einzelfall nur nachvollziehbar und damit begründbar, wenn ihnen entsprechende Versorgungsbereiche zugeordnet werden – entweder zeichnerisch in einer Festlegungskarte oder aber zumindest über Gemeindelisten und ihre Zuordnung zu einem höherrangigen Zentralen Orte. Damit ist dann auch die Ungleichbehandlung ausstattungsgleicher Gemeinden begründbar, etwa weil ihre Festlegung aus Gründen der Erreichbarkeit im Einzelfall erforderlich ist (vgl. Greiving, Flex, Terfrüchte, Winkel 2015, S. 98f). Und das Erreichbarkeitskriterium spielt bekanntlich im Zielsystem des LEP 2013 und somit auch in der in diesem Gutachten verwendeten Methodik eine zentrale Rolle. Verwaltungskongruenz Im LEP 2013 wird im Zusammenhang mit den Festlegungskriterien für Zentrale Orte und ihre Versorgungsbereiche weder in den Plansätzen selber noch in den Begründungen dazu Bezug auf die Bedeutung der Kongruenz zwischen dem Gebietsbestand der Verwaltungsgemeinschaften (grundzentrale Ebene), der Landkreise (mittelzentrale Ebene) und der regionalen Planungsverbände (oberzentrale Ebene) Bezug genommen. Dennoch liegt deren Bedeutung auf der Hand: 51 Die Verwaltungsgemeinschaften übernehmen gemäß Art. 4 Abs. 1 Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern (VGemO) alle Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises ihrer Mitgliedsgemeinden. Zudem führen sie die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden als Behörde der jeweiligen Mitgliedsgemeinde nach deren Weisung aus. Dies betrifft eine Reihe typisch grundzentraler Funktionsbereiche, die in der Begründung zu LEP Ziel 2.1.2 benannt werden: ‐ Bildung: Grundschulen, Mittelschulen, Angebote der Erwachsenenbildung. ‐ Soziales und Kultur: Bibliotheken, Einrichtungen für den Breitensport, Kinder, Jugend, Familien und Senioren. Sollte unter diesen Umständen das Gebiet einer Verwaltungsgemeinschaft mehreren Nahbereichen bzw. Grundzentren zugeordnet werden, dürfte sich der Abstimmungsbedarf deutlich erhöhen. Die Landkreise sind gemäß Art. 4 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (LkrO) für die Erfüllung der auf das Kreisgebiet beschränkten öffentlichen Aufgaben zuständig, die über die Zuständigkeit oder das Leistungsvermögen der kreisangehörigen Gemeinden hinausgehen, soweit es sich nicht um Staatsaufgaben handelt. Zudem übernehmen sie nach Art. 6 Abs. 1 LkrO ihnen übertragende staatliche Aufgaben als untere staatliche Verwaltungsbehörde. Würde ein Mittelbereich mehreren Landkreisen zugeordnet, sind zusätzliche Abstimmungen erforderlich. Zahlreiche typisch mittelzentrale Aufgaben (vgl. Begründung zu Ziel 2.1.2 LEP) wie ‐ weiterführende berufsbildende Schulen, ‐ Einrichtungen der stationären medizinischen Versorgung (wie etwa Krankenhäuser) befinden sich in Trägerschaft der Landkreise oder es sind zumindest die Zuständigkeitsbereiche staatlicher Einrichtungen der Rechtspflege und der Verwaltung (wie etwa Amtsgerichte, Polizeidienststellen, Behörden, Arbeitsagenturen, Finanzämter) an dem Gebietsbestand der Landkreise ausgerichtet. Die Regionalen Planungsverbände sind gemäß Art. 8 Abs. 1 BayLplG Träger der Regionalplanung und stellen gemäß Art. 22 Abs. 1 den Regionalplan als übertragene Aufgabe auf. Nach herrschender Meinung sollte jeder Teilraum im Sinne einer Planungsregion über ein Oberzentrum verfügen, das über den spezialisierten höheren Bedarf an zentralörtlichen Einrichtungen verfügt. Erstreckt sich der Oberbereich eines Oberzentrums auf mehrere Planungsregionen, ist ein erhöhter Abstimmungsbedarf zu erwarten, da dessen Funktionserfüllung mehrere Regionen betrifft und insofern zwischen diesen abzustimmen ist. In der Schlussfolgerung wird angeregt, ein Ziel zu zentralörtlichen Bereichen in das Zielsystem des LEP aufzunehmen, das auch die Bedeutung der Verwaltungskongruenz würdigt. Ein entsprechender Plansatz, der für alle Hierarchiestufen gelten sollte, könnte lauten: (Z) „Als Versorgungsbereiche der Zentralen Orte sind diejenigen Räume festzulegen, für die der jeweilige Zentrale Ort überörtliche Versorgungsaufgaben zu erfüllen hat. Bei der Abgrenzung der Versorgungsbereiche sind die bestehenden Verwaltungsgliederungen zu beachten. Abweichungen - etwa zur Gewährleistung einer zumutbaren Erreichbarkeit - sind besonders begründungsbedürftig.“ Zumutbare Erreichbarkeit Das LEP 2013 enthält im Gegensatz zur Fassung von 2006 keine Erreichbarkeitsstandards zur Operationalisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Zumutbare Erreichbarkeit“ mehr, so dass das Ziel 1.2.5 gegenwärtig nicht abschließend bestimmbar ist. In der Begründung zu Ziel 1.2.5 heißt es zwar: „Die 52 Schwellenwerte in Bezug auf die Tragfähigkeit (Auslastungsschwelle) und die zumutbare Erreichbarkeit sind einrichtungsspezifisch von den für die jeweiligen Einrichtungen zuständigen Ressorts zu bestimmen.“ Dies hilft aber bei der landesplanerisch erforderlichen Abgrenzung von zentralörtlichen Versorgungsbereichen und Bestimmung bereichsbildender Zentraler Orte nicht weiter, da die zentralörtlichen Versorgungsbereiche nicht mit den Einzugsbereichen einzelner Einrichtungen identisch sein können, die einrichtungs-spezifisch sind. Daher sind Schwellenwerte für die zumutbare Erreichbarkeit Zentraler Orte der einzelnen Hierarchiestufen zwingend erforderlich, die direkt im LEP festzulegen sind. Zur empirischen Überprüfung der Gewährleistung der Erreichbarkeit wird vorgeschlagen, die Angaben aus der Richtlinie für integrierte Netzgestaltung (RIN) (FGSV 2008) zu übernehmen, die auch in der Mehrzahl der anderen Bundesländern in der Landesplanung Verwendung finden. Diese nennt für Mittelzentren 30 min mit dem MIV und 45 min mit dem ÖPNV und für Oberzentren 60 bzw. 90 min Fahrzeit. Nicht verzichtet werden sollte auf die ÖPNV-Erreichbarkeit, da diese im LEP 2013 explizit angestrebt wird. Grundsatz 4.1.3 lautet: „Die Verkehrsverhältnisse in den Verdichtungsräumen und in stark frequentierten Tourismusgebieten sollen insbesondere durch die Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs verbessert werden. Im ländlichen Raum soll die Verkehrserschließung weiterentwickelt und die Flächenbedienung durch den öffentlichen Personennahverkehr verbessert werden.“ Daher sollte der Plangeber eine Auswahlentscheidung treffen, ob die Erreichbarkeitsnormen für die beiden genannten Verkehrsträger sich gegenseitig substituieren können oder in jedem Fall die Norm beider Verkehrsträger einzuhalten ist. Hier wird dafür plädiert, der Erreichbarkeit mit dem MIV als Einstufungskriterium für Zentrale Orte und ihre Versorgungsbereiche Vorrang einzuräumen und die ÖPNV-Erreichbarkeit nur zu prüfen, falls keine MIV- Erreichbarkeit gegeben ist, weil dies der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung im ländlichen Raum entspricht. Entsprechende modifizierte Plansätze könnten lauten: G 2.1.7: Die als Mittelzentrum eingestuften Gemeinden, die Fachplanungsträger und die Regionalen Planungsverbände sollen darauf hinwirken, dass die Bevölkerung in allen Teilräumen mit Gütern und Dienstleistungen des gehobenen Bedarfs in zumutbarer Erreichbarkeit (30 min mit dem PKW oder 45 min mit dem öffentlichen Personenverkehr) versorgt wird. G 2.1.8: Die als Oberzentren eingestuften Gemeinden, die Fachplanungsträger und die Regionalen Planungsverbände sollen darauf hinwirken, dass die Bevölkerung in allen Teilräumen mit Gütern und Dienstleistungen des spezialisierten höheren Bedarfs in zumutbarer Erreichbarkeit (60 min mit dem PKW oder 90 min mit dem öffentlichen Verkehr) versorgt wird. 53 Literaturverzeichnis Bartram, G. (2010): Die Ziele der Raumordnung. Ein Planungsinstrument im Spannungsfeld zwischen gewachsenem Steuerungsanspruch und verfassungsrechtlichen Anforderungen (= Studien zu Staat, Recht und Verwaltung, Bd. 20). Beck, W.; Roschmann, C. (2002): Vom Nutzen der Mediation in der Kommunalreform – Zugleich ein Beitrag zur Rechtsmediation in der öffentlichen Verwaltung. LKV 2002: 62 (64). Blotevogel, Hans Heinrich (2002): Fortentwicklung des Zentrale-Orte-Konzepts. Hannover: Akad. für Raumforschung und Landesplanung (Forschungs- und Sitzungsberichte / ARL, Bd. 217). BMVBS (Hrsg. 2008): Kooperation zentraler Orte in schrumpfenden Regionen. Werkstatt:Praxis Reihe des BBR. Nr. 53. Bonn. Christaller, Walter (1933): Die zentralen Orte in Süddeutschland. Eine ökonomisch-geographische Untersuchung über die Gesetzmässigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen. Jena: Fischer FGSV (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen) (2008): Richtlinien für integrierte Netzgestaltung, RIN, Ausgabe 2008, Köln. Forschungsgruppe Regionalökonomie (2013): Das Zentrale-Orte-System in Bayern. München. Greiving, S.; Flex, F., Terfrüchte, T., Winkel, R. (2015): Reform der Zentrale-Orte-Konzepte in den Ländern und Folgen für Siedlungsstruktur und Daseinsvorsorge. Gutachten erstellt im Auftrag des BMVI/BBSR. Endbericht. Bonn. Terfrüchte, T. (2015): Regionale Handlungsräume. Gliederung und Einflussfaktoren am Beispiel Nordrhein- Westfalens. Lemgo = Metropolis und Region, Bd. 14.