Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 22.06.2016 Ermittlungsverfahren in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden in Bayern in den vergangenen fünf Jahren im Zusammenhang mit Delikten : unerlaubte Einreise, Einbruch, Diebstahl, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und sexuelle Übergriffe eingeleitet, aufgelistet nach Art des Vergehens und nach den einzelnen Jahren? 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden davon wieder eingestellt , aufgelistet nach Jahren, und was war der Grund für die Einstellung der Verfahren? 3. Welche Kosten sind (wenn nicht zu ermitteln, dann schätzungsweise ) durch die eingeleiteten und wieder eingestellten Ermittlungsverfahren entstanden, aufgelistet nach Jahren? 4. Ist die Erfolgsquote bei der Aufklärung von Einbruchsdelikten und Diebstählen in den letzten fünf Jahren gesunken , und wenn ja, sieht die Staatsregierung einen Zusammenhang mit der erheblichen Mehrbelastung der polizeilichen Kräfte und der Justiz durch die Verfolgung von Delikten nach dem Ausländer- und Asylgesetz? 5. Was plant die Staatsregierung, um den hohen Arbeitsaufwand und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden, die den regelmäßig erfolgenden Einstellungen der Verfahren gegenüberstehen? 6. Trifft es zu, dass Bayern von dieser gesamten Problematik gegenüber anderen Bundesländern besonders stark betroffen ist? 7. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um die Rechtssicherheit und Gleichbehandlung in Bayern wieder herzustellen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 29.07.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden in Bayern in den vergangenen fünf Jahren im Zusammenhang mit Delikten: unerlaubte Einreise, Einbruch, Diebstahl, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und sexuelle Übergriffe eingeleitet, aufgelistet nach Art des Vergehens und nach den einzelnen Jahren? 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden davon wieder eingestellt, aufgelistet nach Jahren, und was war der Grund für die Einstellung der Verfahren? Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde die Justizgeschäftsstatistik der Staatsanwaltschaften einer Auswertung unterzogen (StA-Statistik). Diese ist nach Deliktsarten in Sachgebietsschlüssel gegliedert und lässt eine wie in der Fragestellung angeführte Aufgliederung leider nicht zu. Die Beantwortung erfolgt daher in folgender Aufteilung: • Verfahren wegen unerlaubter Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz werden unter Sachgebietsschlüssel 56 erfasst. Dieser beinhaltet „alle sonstigen Straftaten nach dem Aufenthalts-, dem Asylgesetz und dem Freizügigkeitsgesetz /EU“ und somit auch Verfahren wegen Verstößen gegen die §§ 84, 84a, 85 AsylG und § 9 Freizügigkeits G/EU. • Verfahren wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls werden unter Sachgebietsschlüssel 25 erfasst. Dieser lautet „Diebstahl und Unterschlagung“, so dass dort z. B. auch Verfahren wegen Diebstahls mit Waffen, Unterschlagung oder unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs gezählt werden. • Verfahren wegen Diebstahls werden ebenfalls im Sachgebiet 25 erfasst, es gelten hierfür die obigen Ausführungen . • Bei Verfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz unterscheidet die Statistik der Staatsanwaltschaften nur nach „Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz , für die das Gesetz eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht“ und „sonstigen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz“, Sachgebietsschlüssel 60 und 61. • Verfahren wegen sexueller Übergriffe werden unter Sachgebietsschlüssel 15 gezählt. Dort werden aber alle „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ erfasst. Die sich aus der Justizgeschäftsstatistik der bayerischen Staatsanwaltschaften in den Jahren 2011 bis 2015 ergebenden Neuzugänge unter den Sachgebietsschlüsseln 15, 25, 56, 60 und 61 bitte ich den als Anlage beigefügten Tabellen zu entnehmen. Ebenso sind dort die Anzahl der Verfahrenseinstellungen und die Gründe hierfür vermerkt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.09.2016 17/12753 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12753 3. Welche Kosten sind (wenn nicht zu ermitteln, dann schätzungsweise) durch die eingeleiteten und wieder eingestellten Ermittlungsverfahren entstanden, aufgelistet nach Jahren? Die Frage kann nicht beantwortet werden. Im Staatsministerium der Justiz ist die Kosten- und Leistungsrechnung nicht eingeführt. Das im Staatsministerium der Justiz angewandte analytische System zur Berechnung des Personalbedarfs (PEBB§Y) stellt als Bezugsgrößen nur auf Eingangszahlen, nicht auf Erledigungsarten ab, weshalb kein Personalaufwand für die Einstellung von Ermittlungsverfahren berechnet werden kann. Aus dem Haushaltsplan oder -vollzug können keine Informationen zu Kosten einzelner Verfahren gewonnen werden. Selbst eine Schätzung der Kosten für die Einstellung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren ist daher nicht möglich. 4. Ist die Erfolgsquote bei der Aufklärung von Einbruchsdelikten und Diebstählen in den letzten fünf Jahren gesunken, und wenn ja, sieht die Staatsregierung einen Zusammenhang mit der erheblichen Mehrbelastung der polizeilichen Kräfte und der Justiz durch die Verfolgung von Delikten nach dem Ausländer - und Asylgesetz? Sowohl für den Bereich des Wohnungseinbruchsdiebstahls als auch der Diebstahlsdelikte allgemein ist laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) für die Jahre 2011 bis 2014 ein konstanter Rückgang der Aufklärungsquoten zu verzeichnen. Mit dem Jahr 2015 ist für beide Deliktsbereiche wieder eine ansteigende Aufklärungsquote festzustellen. Wohnungseinbruchsdiebstahl: Jahr Aufklärungsquote (AQ) (in Prozent) 2011 21,7 2012 18,8 2013 17,1 2014 15,1 2015 15,9 Diebstahl insgesamt: Jahr Aufklärungsquote (AQ) (in Prozent) 2011 38,3 2012 36,8 2013 36,4 2014 35,3 2015 35,8 Nachdem der Höhepunkt der polizeilichen Aufgriffe von Migranten zwischen Juli und Dezember 2015 zu verzeichnen ist, lässt sich kein Zusammenhang zwischen sinkenden Aufklärungsquoten und einer potenziellen Mehrbelastung durch ansteigende Fallzahlen für den Deliktsbereich des Aufenthalts - und Asylgesetzes herstellen. 5. Was plant die Staatsregierung, um den hohen Arbeitsaufwand und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden, die den regelmäßig erfolgenden Einstellungen der Verfahren gegenüberstehen? Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass die Strafverfolgungsbehörden aufgrund des in § 152 Absatz 2 Strafprozessordnung bundesgesetzlich normierten Legalitätsprinzips verpflichtet sind, von Amts wegen Ermittlungsverfahren einzuleiten, sobald sich ein Anfangsverdacht für eine verfolgbare Straftat ergibt. Mit diesem Verfolgungszwang sollen die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz, der Verpflichtung des Staates zu effektiver Strafverfolgung und der materiellen Gerechtigkeit im Rahmen des Möglichen durchgesetzt werden. Umgekehrt sind die Staatsanwaltschaften (ebenfalls bundesgesetzlich) verpflichtet, Ermittlungsverfahren nach § 170 Absatz 2 Satz 1 Strafprozessordnung einzustellen, wenn die Ergebnisse der Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht zur Anklageerhebung ergeben. Das ist letztlich Ausprägung der verfassungsrechtlich geschützten Unschuldsvermutung und schützt Betroffene – wie auch staatliche Ressourcen – vor Hauptverfahren, die aller Voraussicht nach zu keinem Tatnachweis führen würden. Die Staatsregierung sieht keinen Anlass, sich auf Bundesebene für Änderungen an diesem seit Jahrzehnten bewährten System einzusetzen. Der entstehende Aufwand ist, wie zahlreiche andere öffentliche Aufgaben auch, unvermeidbarer Preis des Rechtsstaats . Soweit sich die Fragestellung speziell auf die in der Frage 1 angesprochenen aufenthaltsrechtlichen Verstöße beziehen sollte, die infolge der Migrationsströme in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen sind, ist ergänzend auszuführen, dass sich die Bemühungen der Staatsregierung darauf fokussieren, den Aufwand innerhalb des gesteckten gesetzlichen Rahmens sachgerecht zu reduzieren . Bestrebungen, die Strafbarkeit ausländerrechtlicher Verstöße, insbesondere in Gestalt der unerlaubten Einreise, abzuschaffen oder einzuschränken, werden von der Staatsregierung entschieden abgelehnt. Die einschlägigen Strafvorschriften dienen der Durchsetzung des grundlegenden staatlichen Interesses, die Zuwanderung nach Deutschland zu steuern und zu begrenzen. Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat die Strafverfolgung illegaler Grenzübertritte durch die Staatsanwaltschaften im Jahr 2016 nicht zuletzt mit Blick auf die diesbezügliche mediale Berichterstattung einer Prüfung unterzogen und kam dabei zu folgendem Ergebnis: „Der ORH verkennt nicht die der Staatsanwaltschaft gesetzlich zugewiesene Aufgabe, diese Sachverhalte juristisch zu überprüfen und bei Bedarf angemessen zu verfolgen (§ 152 Abs. 2 StPO). Er unterschätzt auch nicht den präventiven Charakter durch die Verfolgung der illegalen Grenzübertritte. Zwischenzeitlich würden nach Aussage einzelner geprüfter Stellen bereits vermehrt Personen aufgegriffen, die schon bei Polizei und Justiz wegen Grenzverstößen registriert waren. Es handelte sich beispielsweise um abgeschobene oder zurückgewiesene Personen, die eine wiederholte Einreise unter Umgehung der Vorschriften wagten. In den Staatsanwaltschaften ist die Arbeitsbelastung gestiegen. Die Behörden haben jedoch sachgerecht auf die Zunahme der Massenverfahren reagiert. Der Sach- und Verwaltungsaufwand für die Bearbeitung dieser Verfahren wurde auf ein Mindestmaß reduziert und entspricht nach Ansicht des ORH einer rechtlich und wirtschaftlich vertretbaren Verfahrensweise.“ Dem ist aus Sicht der Staatsregierung nichts hinzuzufügen. 6. Trifft es zu, dass Bayern von dieser gesamten Problematik gegenüber anderen Bundesländern besonders stark betroffen ist? Soweit mit der angesprochenen „Problematik“ die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren gemeint ist, ist Bayern gegenüber anderen Ländern lediglich mit Blick auf aufent- Drucksache 17/12753 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 haltsrechtliche Verstöße besonders stark betroffen, was auf die geografische Lage zurückzuführen ist. 7. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um die Rechtssicherheit und Gleichbehandlung in Bayern wiederherzustellen? Die Prämisse der Fragestellung ist unzutreffend. In Bayern herrschen Rechtssicherheit und Gleichbehandlung. Eine Beantwortung der Frage erübrigt sich daher.