Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein, Harald Güller, Reinhold Strobl, Susann Biedefeld, Günther Knoblauch SPD vom 12.07.2016 Kein Missbrauch mit der steuerlichen Gemeinnützigkeitserklärung Wir fragen die Staatsregierung: 1. Wie viele Stiftungen wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform ) als gemeinnützig anerkannt? 2. Wie viele Vereine, wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform ) als gemeinnützig anerkannt? 3. Wie viele Aktiengesellschaften wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform) als gemeinnützig anerkannt? 4. Wie viele Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform) als gemeinnützig anerkannt? 5. Gibt es für die bayerischen Finanzbehörden detaillierte Auslegungsrichtlinien- und/oder -kriterien, wann der Gesellschaftszweck als Gemeinnützigkeit anerkannt wird? 6. Werden Gesellschaften, welche einmal als gemeinnützig anerkannt wurden, regelmäßig überprüft, ob die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit und den damit verbundenen steuerlichen Folgen weiterhin vorliegen? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 02.08.2016 1. Wie viele Stiftungen wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform) als gemeinnützig anerkannt ? 2. Wie viele Vereine, wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform) als gemeinnützig anerkannt ? 3. Wie viele Aktiengesellschaften wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform) als gemeinnützig anerkannt? 4. Wie viele Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurden von den bayerischen Finanzbehörden (bitte aufgeschlüsselt für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, und bitte aufgeschlüsselt nach Gesellschaftsform) als gemeinnützig anerkannt? Nach der Schriftlichen Anfrage soll die Anzahl der für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 als gemeinnützig anerkannten Körperschaften mit der jeweiligen Rechtsform Stiftung , Verein, AG und GmbH angegeben werden. Die Fragen 1 bis 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Bei den bayerischen Finanzämtern sind derzeit (Stand Juli 2016) rund 78.000 Körperschaften erfasst, von denen erwartet wird, dass sie wegen der satzungsmäßigen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer ganz oder teilweise zu befreien sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG). Der Bestand kann wie folgt aufgeschlüsselt werden: a) nach Rechtsformen (Stand Juli 2016, gerundet): Vereine und Stiftungen des privaten Rechts 76.100 Kapitalgesellschaften 1.400 Sonstige (u. a. Betriebe der öffentlichen Hand) 500 b) nach Rechtsform und Jahren: Eine Angabe hierüber ist nicht möglich, weil keine entsprechend detaillierte Statistik geführt wird. 5. Gibt es für die bayerischen Finanzbehörden detaillierte Auslegungsrichtlinien- und/oder -kriterien, wann der Gesellschaftszweck als Gemeinnützigkeit anerkannt wird? Das Gemeinnützigkeitsrecht ist Bundesrecht. Die gesetzliche Grundlage des Gemeinnützigkeitsrechts ist der Dritte Abschnitt – Steuerbegünstigte Zwecke – der Abgabenordnung (§§ 51 bis 68 AO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl I Satz 3866, ber. BGBl 2003 I Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.10.2016 17/12771 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12771 Satz 61), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 3. Dezember 2015 (BGBl I S. 2178). Ergänzend hierzu enthält der Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen zur Abgabenordnung (AEAO) vom 31. Januar 2014 (BStBl I Satz 290), zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben vom 26. Januar 2016 (BStBl I Satz 155), detaillierte bundeseinheitliche Anweisungen für die gemeinnützigkeitsrechtliche Praxis der Finanzbehörden. Zusätzlich werden die Finanzämter durch einfache BMF-Schreiben zu aktuellen gemeinnützigkeitsrechtlichen Einzelfragen unterstützt. Weitere Auslegungshilfen ergeben sich aus der im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Gemeinnützigkeitsrecht. 6. Werden Gesellschaften, welche einmal als gemeinnützig anerkannt wurden, regelmäßig überprüft, ob die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit und den damit verbundenen steuerlichen Folgen weiterhin vorliegen? Den sog. Gemeinnützigkeitsstatus kann nach § 59 AO eine Körperschaft erlangen, deren Satzung die gesetzlichen Vorgaben in den §§ 51 ff. AO einhält und deren tatsächliche Geschäftsführung ihren Satzungsbestimmungen entspricht. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft erfolgt dabei in einem zweistufigen Verfahren: a) Die Körperschaft erhält als Erstes auf Antrag oder von Amts wegen einen Dauerbescheid, in dem das örtlich zuständige Finanzamt feststellt, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllt sind. Dieser durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz 2013 eingeführte Feststellungsbescheid nach § 60 a AO gilt bis zur nächsten Satzungsänderung, auf deren Grundlage ein neuer Bescheid erteilt wird, oder bis zur Auflösung der Körperschaft. Allein aufgrund dieses Bescheids nach § 60 a AO, der die formelle Satzungsmäßigkeit bindend feststellt, ist die Körperschaft aber noch nicht endgültig als gemeinnützig anerkannt. b) Die Körperschaft erhält zusätzlich für jeden vergangenen Veranlagungszeitraum einen Veranlagungsbescheid vom Finanzamt. Grundlage hierfür ist die Steuerklärung der Körperschaft. Der Bescheid kann über ein Jahr lauten, es können aber auch – vor allem bei kleineren Vereinen – drei Jahre zusammengefasst werden (z. B. 2014 bis 2016). Dieser Bescheid enthält die Entscheidung des örtlich zuständigen Finanzamts, ob die Körperschaft in dem genannten Zeitraum gemeinnützige Zwecke verfolgt hat und deshalb für diesen Zeitraum ganz (sog. Freistellungsbescheid ) oder teilweise (Steuerbescheid) von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit ist. Der Freistellungsbescheid ist kein Dauerbescheid. Die Überprüfung und Entscheidung, ob die Körperschaft im Prüfungszeitraum auch tatsächlich gemeinnützige Zwecke verfolgt und dabei nicht gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben in den §§ 51 ff. der Abgabenordnung verstoßen hat, wiederholt sich ständig in dem genannten Jahresturnus (d. h. jährlich bzw. alle drei Jahre).