Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Alexandra Hiersemann SPD vom 28.06.2016 Unterbringung „psychisch kranker und psychisch gestörter Kinder und Jugendlicher“ Das „Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung“ (Unterbringungsgesetz – UnterbrG) legt in Artikel 1 Absatz 1 fest: „Wer psychisch krank oder infolge Geistesschwäche oder Sucht psychisch gestört ist und dadurch in erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet, kann gegen oder ohne seinen Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder sonst in geeigneter Weise untergebracht werden.“ Artikel 10 Absatz 2 (UnterbrG) besagt ferner: „In unaufschiebbaren Fällen des Absatzes 1 kann die Polizei den Betroffenen ohne Anordnung der Kreisverwaltungsbehörde in eine Einrichtung im Sinn des Artikel 1 Absatz 1 einliefern.“ Von Artikel 10 Absatz 2 (UnterbrG) betroffene Kinder und Jugendliche sind „entsprechend dem Ausmaß ihrer Störung und ihrem Entwicklungsstand gesondert unterzubringen und zu betreuen“ (Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG). Die Aufnahmekapazitäten geeigneter Einrichtungen für betroffene Kinder und Jugendliche stoßen allerdings in manchen Regionen regelmäßig an ihre Grenzen. Die örtliche Polizei ist dann mit der Problematik konfrontiert, eine geeignete Unterkunft für Kinder und Jugendliche mit „psychischer Krankheit oder psychischer Störung“ zu finden. Ich frage die Staatsregierung; 1. a) Welche Einrichtungen in Bayern können Kinder und Jugendliche im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG aufnehmen (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? b) Über wie viele Betreuungsplätze verfügen diese Einrichtungen jeweils (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken )? c) Wie hoch ist der Betreuungsschlüssel dieser Einrichtungen jeweils (verfügbare Betten pro Einwohner des Zuständigkeitsbereichs und bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? 2. a) Wie viele Fälle von Kindern und Jugendlichen im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 Unterbr G gab es in 2013, 2014 und 2015 (bitte aufgeschlüsselt nach zuständigen Einrichtungen)? b) Wie viele der unter 2 a aufgeführten Kinder und Jugendlichen konnten im fraglichen Zeitraum nicht von den dafür vorgesehenen Einrichtungen aufgenommen werden (bitte aufgeschlüsselt nach zuständigen Einrichtungen )? 3. Was geschieht auf welcher rechtlichen Grundlage mit Kindern und Jugendlichen im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG, wenn sie nicht durch die laut Gesetz vorgesehene Einrichtung aufgenommen werden können? 4. In welchem Maße finanziert die Staatsregierung die Betreuungsplätze von Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG aufnehmen? 5. a) Plant die Staatsregierung die Betreuungsplätze für Kinder und Jugendliche im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG zu erhöhen? b) Falls ja, wie und in welchem Ausmaß? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 08.08.2016 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Alexandra Hiersemann wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. a) Welche Einrichtungen in Bayern können Kinder und Jugendliche im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG aufnehmen (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? b) Über wie viele Betreuungsplätze verfügen diese Einrichtungen jeweils (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? In der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie werden von einigen Einrichtungen auch Kapazitäten zur geschlossenen Behandlung vorgehalten, in denen grundsätzlich Kinder und Jugendliche im Sinne der Art. 10 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 2 UnterbrG aufgenommen werden können. Krankenhausplanerisch werden diese Kapazitäten jedoch nicht erfasst. Die Krankenhausplanung erfolgt als Rahmenplanung und beschränkt sich auf die Festlegung von Standort, Fachrichtungen, Gesamtkapazitäten und Versorgungsstufe. Die einzelnen Subspezialitäten innerhalb von Fachrichtungen werden nicht gesondert beplant. Die Ausgestaltung der Therapieangebote, wie beispielsweise auch das Führen von offenen bzw. geschlossenen Abteilungen, obliegt den Trägern und bietet so eine flexible Anpassung an die konkreten Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.10.2016 17/12776 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12776 Versorgungsbedürfnisse. Daher liegen der Staatsregierung hierzu keine Zahlen vor. Die Anzahl der Betten der Fachrichtung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJP) verteilt sich auf die Bezirke und Einrichtungen wie folgt: Oberbayern 243 kbo-Heckscher-Klinikum Kinder- und Jugendpsychiatrie 75 Klinikum der LMU München 30 kbo-Heckscher-Klinikum Rosenheim 30 Klinik Hochried – Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Murnau 16 Kliniken St. Elisabeth, Neuburg a. d. Donau 30 kbo-Heckscher-Klinikum Rottmannshöhe, Berg 42 kbo-Heckscher-Klinikum Wasserburg am Inn 20 Niederbayern 36 BKH Landshut – Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie 36 Oberpfalz 28 BKL Regensburg 28 Oberfranken 28 BKH Bayreuth 28 Mittelfranken 123 BKL Ansbach 30 Klinikum der FAU Erlangen-Nürnberg 40 Klinikum Nürnberg – Betriebsstätte Nord 42 Klinikum Nürnberg – Betriebsstätte Süd 11 Unterfranken 88 Klinikum Aschaffenburg 18 Leopoldina-Krankenhaus der Stadt Schweinfurt GmbH 9 Intensiveinheit für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Würzburg 14 Klinik am Greinberg – Spezialklinik für Kinder - und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Würzburg 15 Klinkum an der JMU Würzburg 32 Schwaben 93 Josefinum Kinderkrankenhaus – Entbindungsklinik Augsburg 73 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Josefinums Augsburg, Kempten 20 c) Wie hoch ist der Betreuungsschlüssel dieser Einrichtungen jeweils (verfügbare Betten pro Einwohner des Zuständigkeitsbereichs und bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? Im Freistaat Bayern existiert keine krankenhausplanerische Regelung, die bestimmte Pflichtversorgungsregionen für die jeweiligen Einrichtungen vorsehen. Vielmehr sind diese im Rahmen ihres Versorgungsauftrages grundsätzlich verpflichtet , Patienten unabhängig vom Wohnort zu behandeln. Vor diesem Hintergrund ergibt sich nach Regierungsbezirken unterteilt folgendes Verhältnis zwischen den zur Verfügung stehenden Betten und der Anzahl von Einwohnern: Regierungsbezirke Betten je 100.000 Einwohner Oberbayern 5,38 Niederbayern 3,01 Oberpfalz 2,59 Oberfranken 2,65 Regierungsbezirke Betten je 100.000 Einwohner Mittelfranken 7,17 Unterfranken 6,78 Schwaben 5,11 2. a) Wie viele Fälle von Kindern und Jugendlichen im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG gab es in 2013, 2014 und 2015 (bitte aufgeschlüsselt nach zuständigen Einrichtungen)? Der Staatsregierung liegen hierzu keine umfassenden Daten vor. Entsprechende Daten werden statistisch nicht erhoben . b) Wie viele der unter 2 a aufgeführten Kinder und Jugendlichen konnten im fraglichen Zeitraum nicht von den dafür vorgesehenen Einrichtungen aufgenommen werden (bitte aufgeschlüsselt nach zuständigen Einrichtungen)? Der Staatsregierung liegen hierzu keine umfassenden Daten vor. Entsprechende Daten werden statistisch nicht erhoben . 3. Was geschieht auf welcher rechtlichen Grundlage mit Kindern und Jugendlichen im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG, wenn sie nicht durch die laut Gesetz vorgesehene Einrichtung aufgenommen werden können? Im UnterbrG ist keine Aufnahmeverpflichtung einer bestimmten Einrichtung vorgesehen. Eine Ablehnung der Aufnahme von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen, die nach Art. 10 Abs. 2, Art. 12 Abs. 2 UnterbrG aufnehmen, stellt einen absoluten Ausnahmefall dar. In solchen Ausnahmefällen, in denen die Aufnahme beispielsweise aus Kapazitätsgründen abgelehnt wird, erfolgt durch die Polizei in Absprache mit den beteiligten Kliniken eine Unterbringung in einer anderen Einrichtung, die für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen vorgesehen ist. Die Polizei führt hierzu grundsätzlich die Begleitung des Krankentransports durch. 4. In welchem Maße finanziert die Staatsregierung die Betreuungsplätze von Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG aufnehmen? Sofern es sich bei der Einrichtung um ein psychiatrisches Krankenhaus handelt, das in den bayerischen Krankenhausplan aufgenommen ist, fördert der Freistaat Bayern die Kosten für notwendige Investitionen im Rahmen der staatlichen Krankenhausförderung nach dem Bayerischen Krankenhausgesetz. Der jeweilige Krankenhausträger hat danach einen Vollförderanspruch, soweit die geltend gemachten Aufwendungen für diese stationären Bereiche bedarfsnotwendig sind und den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen. In aller Regel werden Einheiten zur Behandlung schwer kranker Patienten im geschlossenen Setting nicht separat, sondern im Rahmen größerer Erweiterungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen an kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken geschaffen. Die Angabe von exakt auf geschlossene Bereiche entfallenden Fördervolumen ist daher nicht möglich. Bei Einrichtungen einer Universitätsklinik erfolgt die Finanzierung der Krankenversorgung durch Entgelte und sonstige Erträge. Die staatlichen Aufgaben der Medizini- Drucksache 17/12776 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 schen Fakultät in Forschung und Lehre finanziert der Freistaat Bayern nach Maßgabe des Staatshaushalts und stellt Mittel für sonstige nicht voll vergütete betriebsnotwendige Aufwendungen (sonstige Trägeraufgaben) und Investitionen nach Maßgabe des Staatshaushalts zur Verfügung. Große Baumaßnahmen werden durch den Staat nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Bestimmungen durchgeführt, soweit nicht das Klinikum Bauherr ist. 5. a) Plant die Staatsregierung die Betreuungsplätze für Kinder und Jugendliche im Sinn der Artikel 10 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 UnterbrG zu erhöhen ? b) Falls ja, wie und in welchem Ausmaß? Wie in der Antwort zur Frage 1 b ausgeführt, werden einzelne Subspezialitäten innerhalb von Fachrichtungen grundsätzlich nicht gesondert beplant. Die vollstationären Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurden in den letzten Jahren in allen Landesteilen kontinuierlich ausgebaut . Aktuell sind insgesamt zusätzliche Kapazitäten von 149 Betten bedarfsplanerisch bereits genehmigt, aber noch nicht in Betrieb. Etwaiger weiterer Bedarf muss jedoch vom Krankenhausträger an das StMGP herangetragen werden, damit dieses überhaupt tätig werden kann. Die Notwendigkeit geschlossener Behandlungsangebote stand bei den bereits beschlossenen Erweiterungen der kinder- und jugendpsychiatrischen Kapazitäten in den letzten Jahren stärker im Vordergrund, insbesondere bei den genehmigten Erweiterungen am Bezirkskrankenhaus Bayreuth (2013), am Bezirkskrankenhaus Ansbach (2014) und an der Intensiveinheit für KJP Würzburg (2014), bei der genehmigten Errichtung einer vollstationären Einheit für Kinder - und Jugendpsychiatrie in Anbindung an das Klinikum Weiden (2014) sowie bei der beschlossenen Erweiterung der Kapazitäten beim Klinikum Aschaffenburg (2015). Durch den konsequenten Ausbau der teil- und vollstationären kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungsangebote konnte die Versorgungssituation flächendeckend verbessert werden, sodass inzwischen in jedem Regierungsbezirk mindestens eine vollstationäre und mehrere teilstationäre Einrichtungen der KJP zur Verfügung stehen. Der Ausbau der stationären Einrichtungen wird auch zukünftig unter Berücksichtigung regionaler Versorgungsbedürfnisse und Versorgungsstrukturen weiter vorangetrieben. Krankenhausbauvorhaben zur Umsetzung als bedarfsnotwendig anerkannter Behandlungskapazitäten werden im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zeitgerecht finanziert. Hiervon profitieren auch die Bezirke als hauptverantwortliche Träger in der stationären Kinderund Jugendpsychiatrie. Die bisherige konsequente Förderung dringlicher Krankenhausbaumaßnahmen wird auch in Zukunft fortgesetzt.