Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer SPD vom 06.07.2016 Mückenbekämpfung mit Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zur Bekämpfung von Stechmücken? 2. Welche Erfahrungen gibt es mit Bacillus thuringiensis israelensis-Einsatz (Bti) an Gewässern? 3. Wird das ökologische Gleichgewicht durch diese Spritzungen beeinträchtigt? 4. Gibt es untersuchte Auswirkungen, welche? 5. Gibt es eine interkommunale Zusammenarbeit zur Mückenbekämpfung (analog Chiemsee) an einem Fließgewässer (z. B. Donau)? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 09.08.2016 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zur Bekämpfung von Stechmücken? Die Bekämpfung von Stechmücken in Bayern erfolgt – abgesehen von Insektenfallen für den Hausgebrauch – ausschließlich durch die Anwendung von Bti (siehe Antwort zu Frage 2). 2. Welche Erfahrungen gibt es mit Bacillus thuringiensis israelensis-Einsatz (Bti) an Gewässern? Die Ausbringung von Bti dient der selektiven Bekämpfung von Stechmücken und kommt in Bayern bei hochgradiger Belastung von Wohn- und Erholungsgebieten durch naheliegende Brutgewässer zum Einsatz. Im Rahmen der Genehmigungsverfahren werden die Anträge von den höheren Naturschutzbehörden bei den Bezirksregierungen sorgfältig geprüft und eine Reihe von Auflagen formuliert, die sich an den folgenden Kriterien orientieren: – naturschutzfachliche Bedeutung des Anwendungsgebiets – Struktur und Lage des Ausbringungsgebiets – Ausbringungsmethoden – notwendige Larvendichte im Gewässer – Stadium der Larvenentwicklung – Hochwasser- und Niederschlagsverlauf Die vom StMUV nach dem Juni-Hochwasser 2013 herausgegebenen und für ganz Bayern geltenden Empfehlungen sollten ein rasches, aber auch verantwortungsvolles Handeln sicherstellen. Diese Empfehlungen wurden zuständigkeitshalber an die höheren Naturschutzbehörden herausgegeben und enthielten im Wesentlichen folgende Auflagen: – Es sollte darauf geachtet werden, dass die Bti-Applikation sach- und fachgerecht erfolgt. – Eine sorgfältige Organisation des Bekämpfungseinsatzes umfasst die Prüfung, ob der Bti-Einsatz Erfolg versprechend ist oder ob die Larvenentwicklung bereits zu weit fortgeschritten ist, und, soweit möglich, eine sorgfältige Erfassung der Brutgebiete der Stechmücken. – In der Regel ist eine Ausbringung insbesondere in stark betroffenen siedlungsnahen Offenlandbereichen und temporär wassergefüllten Mulden zielführend. – Der Einsatz von Bti außerhalb von Schutzgebieten ist naturschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftig; bei gesetzlich geschützten Biotopen und Habitaten von störungsempfindlichen Arten kann eine Beeinträchtigung in der Regel durch eine angepasste Vorgehensweise minimiert werden. – Für Schutzgebiete sind entsprechende Befreiungen erforderlich . Soweit erhebliche Beeinträchtigungen von Erhaltungszielen in FFH-Gebieten nicht ausgeschlossen werden können, ist eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.10.2016 17/12783 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12783 – In offenen Still- und Fließgewässerbereichen einschließlich Gräben, in Schilfgebieten mit Verbindung zu offenen Wasserflächen sowie einschließlich eines ca. 10 m breiten Pufferstreifens ist auf den Einsatz von Bti zu verzichten . – Die Ausbringung erfolgt je nach Größe der Ausbringungsfläche i. d. R. mit Helikopter oder per Handapplikation . In sensiblen Gebieten (z. B. Wiesenbrüter- oder Vogelschutzgebiete) sollte bei Helikoptereinsatz eine Mindestflughöhe von 80 m eingehalten werden. Eine ggf. erforderliche punktuelle Nachbehandlung der Brutstätten sollte von Hand erfolgen. – In Auwaldbereichen ist in aller Regel eine Ausbringung mit dem Helikopter nicht Erfolg versprechend. Die Ausbringung von Bti muss dort in den wassergefüllten Pfützen von Hand erfolgen. – Sollte in Zusammenhang mit Hochwasserereignissen an eine längerfristige, vorausschauende Bekämpfung gedacht werden, wird empfohlen, diese auf der Grundlage genauer räumlicher und zeitlicher Konzepte, Kriterien wie bestimmte Larvendichte, gestaffelt nach ökologischer Wertigkeit der Einsatzgebiete, begleitendem Monitoring, etc. durchzuführen. Das Konzept sollte dabei in enger Abstimmung zwischen den Bürgern und verantwortlichen Politikern vor Ort, den zuständigen Naturschutzbehörden , Wasserrechtsbehörden und externen Gutachtern erarbeitet werden. Auf dieser Grundlage wurden in Bayern verschiedene Genehmigungen erteilt. Zum Beispiel hat die Regierung von Oberbayern für den Chiemsee am 10.05.2016 einen Verlängerungsbescheid zum vorangegangenen Bescheid zum Bti-Einsatz erlassen, der die Stechmückenbekämpfung bis zum Jahr 2020 regelt. Begleitend wird im Auftrag des Abwasserzweckverbandes Chiemsee zumindest seit 2010 jährlich ein Monitoring der Stechmückenpopulation durchgeführt . Für die Maßnahmen bis 2010 wird auf die Antwort der Staatsregierung zur Anfrage vom 06.07.2010, veröffentlicht als LT-Drs. Nr.16/5678 vom 27.09.2010, verwiesen. 3. Wird das ökologische Gleichgewicht durch diese Spritzungen beeinträchtigt? Die Auswirkungen auf den Naturhaushalt werden in der Fachliteratur kontrovers diskutiert. Hierbei wird der Begriff ökologisches Gleichgewicht zunehmend durch Begriffe wie Räuber-Beute-Beziehung oder Nahrungsnetz ersetzt. Um Beeinträchtigungen schutzwürdiger Ökosysteme weitestmöglich auszuschließen, werden von den Naturschutzbehörden die unter 2. genannten Auflagen formuliert. 4. Gibt es untersuchte Auswirkungen, welche? Direkt betroffen von Bti sind Lebensformen in Abhängigkeit von ihrem Verwandschaftsgrad bezogen auf die Unterordnung der Mücken (Nematocera). So sind z. B. Zuckmücken durch erhöhte Mortalität betroffen, Eintagsfliegen (Ephemeroptera ) durch verstärkte Drift in Fließgewässern auffällig , Libellen (Odonata) dagegen nur in einzelnen Fällen mit abnehmender Dichte belegt (Zitate siehe unten). Zu den indirekten Effekten durch Nahrungsmangel auf Nicht-Zielorganismen (hier: Wirbeltiere, Vögel) liegt eine relativ aktuelle über sechs Jahre durchgeführte Studie aus der Camargue, Frankreich, vor (Zitate siehe unten). Festgestellt wurde eine signifikant veränderte Nestlingsnahrung und ein um bis zu 30 % verringerter Bruterfolg bei Mehlschwalbenkolonien . Folgende Untersuchungen wurden für die Stellungnahme der Staatsregierung zur Wirkung von Bti ausgewertet: – Becker, N. & Arnold, A. (2015): Darstellung der Umweltverträglichkeit der biologischen Stechmückenbekämpfung (Teil 1) sowie eine Auflistung der Forschungsberichte (Teil 2) im Fundus der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Stechmückenplage (KABS). Speyer 27.11.2015, 224 S. – Iglthaler, D. (1999): Die Auswirkungen von Bacillus thuringiensis israelensis auf Nicht-Ziel-Organismen – Eine Zusammenfassung und Auswertung bisher durchgeführter Untersuchungen. Zulassungsarbeit LMU München, 91 S. – Jakob, C. & Poulin, B. (2016): Indirect effects of mosquito control using Bti on dragonflies and damselflies (Odonata ) in the Camargue.-Insect Conservation and Diversity, S. 1–9 – Lajmanovich, R. C. et al. (2015): Toxicity of Bacillus thuringiensis var. israelensis in aqueous suspension on the South American common frog Leptodactylus latrans (Anura : Leptodactylidae) tadpoles.-Environmental Research 136: S. 205–212. – Land, M., & Miljand, M., (2014): Biological control of mosquitoes using Bacillus thuringiensis israelensis: a pilot study of effects on target organisms, nontarget organisms and humans. Mistra EviEM Pilot Study PS4 (www.eviem. se) – Poulin, B. (2012): Indirect effects of bioinsecticides on the nontarget fauna: The Camargue experiment calls for future research. Acta Oecologica 44: 28-32. – Poulin, B., Lefebvre, G. & Paz, L. (2010): Red flag for green spray: adverse trophic effects of Bti on breeding birds. Journal of Applied Ecology 47: 884–889. 5. Gibt es eine interkommunale Zusammenarbeit zur Mückenbekämpfung (analog Chiemsee) an einem Fließgewässer (z. B. Donau)? Nein. Für die genehmigungsfreie Mückenbekämpfung an der Donau in den Bezirken Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz und die Beantwortung diesbezüglicher Fragen ist die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes, Außenstelle Süd in Würzburg zuständig.