Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Eva Gottstein FREIE WÄHLER vom 15.06.2016 Kompetenzzentrum für Deradikalisierung Im Ministerratsbeschluss vom 28.07.2015 heißt es: „Neben verstärkter Präventionsarbeit soll vor allem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die Angehörige radikalisierungsgefährdeter Personen und Radikalisierte im Frühstadium berät. Die Beratungsstelle, die von einem zivilgesellschaftlichen Träger betrieben werden soll, wird nach dem Konzept der Arbeitsgruppe auch Ausstiegshilfen für bereits radikalisierte Personen anbieten.“ Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Handelt es sich bei der „Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network“ um den zivilgesellschaftlichen Träger im Sinne des Ministerratsbeschlusses vom 28.07.2015? b) Gibt es Pläne, noch weitere zivilgesellschaftliche Träger miteinzubeziehen? 2. Wie gestaltet sich konkret die Zusammenarbeit zwischen dem Kompetenzzentrum für Deradikalisierung beim Bayerischen Landeskriminalamt und dem Violence Prevention Network? 3. a) Wie ist das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung personell ausgestattet? b) Wie ist das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung finanziell ausgestattet? 4. Wie arbeitet das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung mit den weiteren Sicherheits- und Polizeibehörden zusammen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 15.08.2016 1. a) Handelt es sich bei der „Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network“ um den zivilgesellschaftlichen Träger im Sinne des Ministerratsbeschlusses vom 28.07.2015? Bei Violence Prevention Network e.V. (VPN) handelt es sich um den zivilgesellschaftlichen Träger entsprechend dem Ministerratsbeschluss vom 28.07.2015. b) Gibt es Pläne, noch weitere zivilgesellschaftliche Träger miteinzubeziehen? Grundsätzlich wird seitens des Kompetenzzentrums für Deradikalisierung (KomZ) im BLKA auf vertraglich geregelter Grundlage mit der Beratungsstelle von VPN zusammengearbeitet . Da es sich bei Deradikalisierung um individuelle Prozesse handelt, kann aber auch eine Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Stellen und anderen Einrichtungen für zielführend erachtet werden. Darüber hinaus besteht für Betroffene und Angehörige grundsätzlich die Möglichkeit, sich auch an andere zivilgesellschaftliche Träger als VPN zu wenden. Seitens des KomZ wird stets darauf hingewirkt, die für den jeweiligen Betroffenen optimale Beratungs- und Betreuungsmaßnahme zu initiieren. Etwaige Pläne, über die bestehende Zusammenarbeit mit VPN hinaus mit weiteren Trägern auf vertraglich geregelter Grundlage zusammenzuarbeiten, bestehen derzeit nicht. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass mit Ufug e.V. bereits ein weiterer zivilgesellschaftlicher Träger in das Bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus miteinbezogen ist. 2. Wie gestaltet sich konkret die Zusammenarbeit zwischen dem Kompetenzzentrum für Deradikalisierung beim Bayerischen Landeskriminalamt und dem Violence Prevention Network? Neben dem Bayerischen Landeskriminalamt übernimmt VPN als Beratungsstelle die Beratung und Betreuung von radikalisierungsgefährdeten, in einem Radikalisierungsprozess befindlichen oder bereits radikalisierten Personen und deren Angehörigen. Zudem bietet sie Ausstiegshilfen, etwa für sog. Syrienrückkehrer, an. Das KomZ konzentriert sich dabei auf die Klärung sicherheitsrelevanter Aspekte. Hierzu finden turnusmäßig Besprechungen zwischen VPN und dem KomZ statt. Im Rahmen dieser Besprechungen werden Fälle und Sachverhalte durch VPN anonymisiert vorgestellt und auf sicherheitsrelevante Aspekte hin geprüft. Ziel dieser Besprechungen ist das Erkennen möglicher konkreter Gefahren, um diese ggf. durch die Einleitung entsprechender Maßnahmen abwehren zu können. Bei der anonymisierten Sachverhaltsschilderung durch VPN werden keine personenbezogenen Daten wie z. B. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.10.2016 17/12808 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12808 Namen, Geburtsdaten oder Wohnorte übermittelt. VPN übermittelt ausschließlich den Landkreis, aus welchem der Betroffene stammt, sowie eine Allgemeinbeschreibung der übermittelnden Stelle (z. B. Schule, Sozialbehörde). Die Wahrung der Anonymität des Betroffenen sowie des Mitteilers wird durch die gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet . Die Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Mitarbeiter von VPN und den Betroffenen sowie dessen Angehörigen ist zudem die Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Ergeben sich im Rahmen von Sachverhaltsschilderungen durch VPN Hinweise auf eine konkrete Gefahr für geschützte Rechtsgüter, so erfolgt seitens des KomZ in jedem Einzelfall eine genaue Bewertung. Geprüft wird, ob im Einzelfall der Schutz der konkret gefährdeten Rechtsgüter gegenüber dem persönlichen Interesse am Schutz der personenbezogenen Daten wesentlich stärker wiegt, sodass eine entsprechende Übermittlung personenbezogener Daten gerechtfertigt ist. Bei Vorliegen konkreter Planungen für erhebliche Straftaten oder einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für wesentliche Rechtsgüter (insbesondere Leib, Leben, Freiheit), deren Schutz in der Abwägung mit den o. g. Interessen überwiegt, übermittelt VPN demnach die personenbezogenen Daten an die Polizei. Aufgabe der Sicherheitsbehörden ist es dann, den Betroffenen (Eigengefährdung ) sowie Dritte (Fremdgefährdung) vor den von ihm ausgehenden Gefahren zu schützen. Zudem fungiert das KomZ auch als zentrale Koordinierungs - und Clearingstelle für den zivilgesellschaftlichen Träger . 3. a) Wie ist das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung personell ausgestattet? Derzeit arbeiten beim KomZ acht Mitarbeiter. Darunter befinden sich sowohl Kriminalbeamte als auch Experten aus den Bereichen Psychologie und Islamwissenschaften. b) Wie ist das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung finanziell ausgestattet? Das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung erhielt keinen zusätzlichen finanziellen Titel. Für die Deradikalisierung wird in Bayern ein jährlicher Finanzbedarf von ca. 400.000 Euro veranschlagt, welcher aus verfügbaren Mitteln des Polizeihaushalts finanziert wird. 4. Wie arbeitet das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung mit den weiteren Sicherheits- und Polizeibehörden zusammen? Das KomZ fungiert als zentrale Koordinierungsstelle im Bereich Deradikalisierung. So wenden sich die Sicherheitsund Polizeibehörden an diese Stelle zur Übermittlung von Beratungsfällen an die zentrale Beratungsstelle von VPN. Die Zusammenarbeit mit anderen Polizeidienststellen, und insbesondere der Datenaustausch mit diesen, richtet sich nach den Vorgaben des Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Die Zusammenarbeit und der Datenaustausch mit dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz richtet sich ebenfalls nach den Vorgaben des PAG sowie des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG). Dem KomZ obliegt ebenfalls die eigenständige und im Einzelfall notwendige Einbindung der beteiligten Stellen unter strikter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die Sicherheitsbehörden bewerten gemeinsam im Rahmen von anlassbezogenen Arbeitsbesprechungen die sicherheitsrelevante Einschätzung von Sachverhalten mit dem Ziel, gemeinsam den Betroffenen (Eigengefährdung ) sowie Dritte (Fremdgefährdung) vor den von ihm ausgehenden Gefahren zu schützen.