Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Thomas Mütze, Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11.07.2016 Finanzielle Rahmenbedingungen für Funktionsbauverträge im Straßenbau Die Ortsumfahrung Sommerau im Zuge der Staatsstraße 2308 ist ein sogenanntes Funktionsbauvertragsprojekt. Dabei wird einem privaten Bauunternehmen nicht nur der Bau der Straße, sondern auch der Erhalt für einen Zeitraum von 25 Jahren übertragen. Wir fragen die Staatsregierung: 1. Wie definiert die Staatsregierung den Begriff „Funktionsbauvertrag “? 2. a) Welche – insbesondere finanziellen – Vor- und Nachteile hat das Modell eines Funktionsbauvertrags aus Sicht der Staatsregierung gegenüber einer üblichen direkten Finanzierung aus dem Staatshaushalt? b) Welche – insbesondere finanziellen – Vor- und Nachteile hat das Modell eines Funktionsbauvertrags aus Sicht der Staatsregierung gegenüber einer privaten Vorfinanzierung als Public-Private-Partnership(PPP)- Modell? 3. a) Welche Bauleistungen enthält der Vertragsteil A – konventionelle Leistungen – im Einzelnen? b) Welche Bauleistungen des Vertragsteils A werden privat vorfinanziert, welche direkt aus dem Staatshaushalt ? 4. a) Welche Bauleistungen enthält der Vertragsteil B – funktionale Leistungen – im Einzelnen? b) Welche Bauleistungen des Vertragsteils B werden privat vorfinanziert, welche direkt aus dem Staatshaushalt ? 5. a) Welche Leistungen enthält der Vertragsteil C? b) Wie werden die Erhaltungsleistungen des Vertragspartners finanziert, jährlich pauschal oder einzeln nach Erhaltungsaufwand? 6. a) Ist eine Evaluation des Bauprojekts vorgesehen? b) Wenn ja, wann und nach welchen Kriterien? c) Wenn nein, weshalb nicht? 7. a) Sind weitere Straßenbauprojekte, die vom Landtag als PPP-Modell genehmigt sind, zur Durchführung mittels Funktionsbauvertrag vorgesehen? b) Wenn ja, welche? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 15.08.2016 1. Wie definiert die Staatsregierung den Begriff „Funktionsbauvertrag“? Der Begriff des Funktionsbauvertrages ist gesetzlich nicht definiert. Bei einem Funktionsbauvertrag werden Bauleistungen und die Erhaltung dieser Leistungen über einen längeren Zeitraum gemeinsam vergeben (Lebenszyklusbetrachtung ). Dabei schließt die funktionale Ausschreibung der zu erbringenden Bauleistungen deren Konzeption, Dimensionierung und Planung durch den Auftragnehmer mit ein. 2. a) Welche – insbesondere finanziellen – Vor- und Nachteile hat das Modell eines Funktionsbauvertrags aus Sicht der Staatsregierung gegenüber einer üblichen direkten Finanzierung aus dem Staatshaushalt? Bei Funktionsbauverträgen erfolgt die Finanzierung ähnlich einer konventionellen Vergabe aus dem Staatshaushalt. Aus haushaltsrechtlicher Sicht bestehen daher keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Modellen. Die dem Funktionsbauvertrag zugrunde liegende Lebenszyklusbetrachtung lässt eine höhere Bauqualität erwarten und bietet dem Auftragnehmer größere Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl technischer Varianten. Einen weiteren Vorteil bietet der Funktionsbauvertrag durch eine Optimierung der Risikoverteilung nach dem Grundsatz, dass derjenige Vertragspartner das Risiko tragen soll, der es am besten beeinflussen kann. Dementsprechend wird beispielsweise das Erhaltungsrisiko über die gesamte Vertragslaufzeit vertraglich auf den Auftragnehmer übertragen. Dies ermöglicht im Vergleich zur konventionellen Vergabe eine größere Kostensicherheit für den Auftraggeber, vereinfacht die Abrechnung wesentlich und verringert die Ansatzpunkte für Vertragsstreitigkeiten. Nachteile haben Funktionsbauverträge durch die aufwendigere Ausschreibung und Vergabe sowie dann, wenn der Straßenbaulastträger bauliche Änderungen des an den Auftragnehmer vergebenen Streckenabschnitts während der Vertragslaufzeit veranlasst, da dadurch neue vertragliche Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erforderlich werden. b) Welche – insbesondere finanziellen – Vor- und Nachteile hat das Modell eines Funktionsbauvertrags aus Sicht der Staatsregierung gegenüber einer privaten Vorfinanzierung als Public-Private- Partnership(PPP)-Modell? Im Vergleich zu PPP-Modellen mit Vorfinanzierungskomponente ergeben sich bei Funktionsbauverträgen Vorteile im Hinblick auf die Finanzierungskosten, da Zwischenfinanzierungen der Maßnahme durch Banken weitestgehend entfallen. Im Vergleich mit PPP-Modellen sind Ausschrei- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.10.2016 17/12813 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12813 bung und Vergabe bei Funktionsbauverträgen weniger aufwendig . Demgegenüber bestehen bei PPP-Modellen mit Vorfinanzierungskomponente Vorteile im Hinblick auf wahrgenommene Kontrollfunktionen der finanzierenden Banken gegenüber der bauausführenden Firma, die bei Funktionsbauverträgen vollständig vom Auftraggeber übernommen werden müssen. 3. a) Welche Bauleistungen enthält der Vertragsteil A – konventionelle Leistungen – im Einzelnen? Der Vertragsteil A enthält alle Leistungen, die von der langjährigen Erhaltung durch den Auftragnehmer ausgenommen werden sollen. Dies betrifft insbesondere die Ausstattung (Schutzplanken, Markierung, Beschilderung) und Anpassungsmaßnahmen am nachgeordneten Wegenetz. b) Welche Bauleistungen des Vertragsteils A werden privat vorfinanziert, welche direkt aus dem Staatshaushalt ? Eine private Vorfinanzierung von Leistungen des Vertragsteils A ist nicht vorgesehen. Die Finanzierung erfolgt vollständig aus dem Staatshaushalt. 4. a) Welche Bauleistungen enthält der Vertragsteil B – funktionale Leistungen – im Einzelnen? Der Vertragsteil B enthält die Leistungen für den Erd- und Deckenbau sowie den Ingenieurbau und ggf. auch für die Entwässerungsanlagen. b) Welche Bauleistungen des Vertragsteils B werden privat vorfinanziert, welche direkt aus dem Staatshaushalt ? Eine private Vorfinanzierung von Leistungen des Vertragsteils B ist nicht vorgesehen. Die Finanzierung erfolgt vollständig aus dem Staatshaushalt. 5. a) Welche Leistungen enthält der Vertragsteil C? Der Vertragsteil C enthält die Erhaltungsmaßnahmen für die Leistungen des Teils B innerhalb der gesamten Vertragslaufzeit (in der Regel 25–30 Jahre). Diese umfassen die jährlichen Zustandskontrollen und die Funktionsinspektionen (inkl. Dokumentation und sonstiger Nachweise der Funktionsanforderungen), Instandhaltungsmaßnahmen einschließlich der Verkehrssicherung sowie bauliche Erhaltungsmaßnahmen (Erneuerungen, Instandsetzungen) einschließlich der Verkehrssicherung, die zur Einhaltung der vertraglichen Funktionsanforderungen erforderlich sind. b) Wie werden die Erhaltungsleistungen des Vertragspartners finanziert, jährlich pauschal oder einzeln nach Erhaltungsaufwand? Die Vergütung erfolgt für die Kontrollen und Inspektionen sowie die Instandhaltung (kleinere Maßnahmen zur Substanzerhaltung ) auf Basis der kalkulierten Aufwendungen auf der Grundlage einer Annuitätenberechnung. Die Auszahlung erfolgt zu vertraglich festgelegten Zeitpunkten in Höhe der aufsummierten Jahresannuitäten eines Auszahlungszeitraums (i. d. R. 6 Jahre). Die Jahresannuitäten werden hierbei jährlich verzinst und zudem mit einem Kostenindex angepasst, um die Kostenrisiken für den Auftragnehmer angemessen zu mindern. Die Vergütung von (größeren) Instandsetzungsbzw . Erneuerungsmaßnahmen (z. B. Erneuerung Asphaltdeckschicht , Fugen von Betondecken etc.) erfolgt bei einer Vertragslaufzeit von 25 Jahren nach dem 12. und dem 25. Jahr. Für diese Auszahlungszeiträume wird die Höhe der Vergütung auf Basis der kalkulierten Aufwendungen analog zu oben ermittelt. Voraussetzung für die Auszahlung der Vergütungen ist stets, dass die vertraglichen Funktionsanforderungen für die jeweils zu vergütende Leistung gemäß den vertraglichen Vorgaben erfüllt sind. 6. a) Ist eine Evaluation des Bauprojekts vorgesehen? Ja. b) Wenn ja, wann und nach welchen Kriterien? Die Evaluation erfolgt begleitend zur Vertragslaufzeit. Zeitpunkte sind die Fertigstellung des Bauwerks, die Funktionsinspektionen zum jeweiligen Auszahlungszeitpunkt und als Gesamtresümee nach Ende der Vertragslaufzeit. Die wesentlichen Evaluierungskriterien sind Bauqualität, Termintreue , Kostensicherheit (geringes Nachtragspotenzial), Verfügbarkeit der Straße in der Erhaltungsphase (Minimierung der Verkehrseinschränkungen aufgrund von Erhaltungsmaßnahmen ). c) Wenn nein, weshalb nicht? Entfällt. 7. a) Sind weitere Straßenbauprojekte, die vom Landtag als PPP-Modell genehmigt sind, zur Durchführung mittels Funktionsbauvertrag vorgesehen? Nein. b) Wenn ja, welche? Entfällt.