Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazolo FREIE WÄHLER vom 24.06.2016 Abwanderung von Schülerinnen und Schülern in angrenzende Bundesländer aus Stadt und Landkreis Lindau Einem der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion vorliegenden Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Lindau zufolge sind zumindest an der Bundeslandgrenze zu Baden-Württemberg sämtliche Schulstandorte von Abwanderungen bayerischer Schülerinnen und Schüler in das benachbarte Bundesland betroffen. Als Hauptursache dafür wird in diesem Schreiben das Bayerische Bildungssystem gesehen. Nachdem die Staatsregierung offenbar nicht willens oder in der Lage ist, Zahlen zu allen bayerischen Schulbezirken mit Außengrenzen vorzulegen, wäre es zumindest exemplarisch für diesen o. g. Bereich von Stadt und Landkreis Lindau wichtig, entsprechende Zahlen und Informationen zu erhalten. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche gab es in den vergangenen 10 Schuljahren – aufgeschlüsselt nach Schuljahren – in der Stadt und im Landkreis Lindau? 1.1 Wie viele davon wurden in diesem Zeitraum – ebenfalls aufgeschlüsselt nach Schuljahren – in der Stadt und im Landkreis Lindau beschult? 2. Wie viele Schülerinnen und Schüler wechselten in den letzten zehn Schuljahren von einer staatlichen bayerischen Schule oder Berufsschule in der Stadt oder dem Landkreis Lindau auf eine staatliche oder private Schule in einem anderen Bundesland? 3. Wie bewertet die Staatsregierung diese Informationen und Zahlen und welche Ursachen wurden ggf. bereits als ausschlaggebend für Abwanderungen von Schülerinnen und Schülern aus der Stadt oder dem Landkreis Lindau in angrenzende Bundesländer identifiziert? 3.1 Welche konkreten Erkenntnisse zu Auswirkungen auf die bayerische Wirtschaft und insbesondere den lokalen Ausbildungsmarkt in der Stadt und dem Landkreis Lindau hat die Staatsregierung aufgrund solcher Abwanderung von Schülerinnen und Schülern? 3.2 Welche schulartspezifischen Erkenntnisse hat die Staatsregierung diesbezüglich im Bereich Stadt und Landkreis Lindau? 4. Welche konkreten Maßnahmen hat die Staatsregierung schon ergriffen bzw. was ist konkret geplant, um dem im Bereich der Stadt und des Landkreises Lindau entgegenzuwirken? 5. Wie viele schul- und berufsschulpflichtige Schülerinnen und Schüler hatte Bayern insgesamt in den vergangenen 10 Jahren, aufgeschlüsselt nach Schuljahren ? 6. Wie viele Schülerinnen und Schüler gingen aufgrund der Schulpflicht insgesamt in den vergangenen 10 Jahren auf Schulen oder Berufsschulen in Bayern, aufgeschlüsselt nach Schuljahren? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 16.08.2016 1. Wie viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche gab es in den vergangenen 10 Schuljahren – aufgeschlüsselt nach Schuljahren – in der Stadt und im Landkreis Lindau? 1.1 Wie viele davon wurden in diesem Zeitraum – ebenfalls aufgeschlüsselt nach Schuljahren – in der Stadt und im Landkreis Lindau beschult? Zunächst ist zu beachten, dass im Rahmen der Amtlichen Schulstatistik zwar Daten zu Schülern an bayerischen Schulen erhoben werden, nicht jedoch zur Wohnbevölkerung Bayerns. Aus diesem Grund liegen dem Staatsministerium keine eigens erhobenen Zahlen zu schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen vor. Ersatzweise werden einerseits in beiliegender Tabelle 1 zu 1 Angaben zur Bevölkerungsstatistik der Kinder und Jugendlichen im Landkreis Lindau ausgewiesen. Dabei wird zwischen zwei Altersgruppen unterschieden: Die Altersgruppe der 6- bis unter 10-Jährigen kann dabei in guter Näherung als Schülerschaft im Primarbereich angesehen werden; die Gruppe der 10- bis unter 16-Jährigen hingegen umfasst in etwa die Schüler im Sekundarbereich I. Des Weiteren wird in Tabelle 2 zu 1 für die Schularten Grundschule, Mittelschule, Realschule und Gymnasium die Anzahl derjenigen Schüler dargestellt, die eine Schule im Landkreis Lindau besuchen und zugleich im Landkreis Lindau wohnhaft sind. Bei der Grund- bzw. Mittelschule ist aufgrund der Sprengelpflicht von einem Wohnort im Landkreis Lindau auszugehen. Für Realschule und Gymnasium liegen Angaben zum Wohnort der Schüler aufgrund einer Umstellung des Erhebungsverfahrens „Amtliche Schuldaten “ erst seit dem Schuljahr 2014/2015 vor. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.10.2016 17/12822 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12822 2. Wie viele Schülerinnen und Schüler wechselten in den letzten zehn Schuljahren von einer staatlichen bayerischen Schule oder Berufsschule in der Stadt oder dem Landkreis Lindau auf eine staatliche oder private Schule in einem anderen Bundesland ? Dem Staatsministerium liegen keine Angaben darüber vor, wie viele Schülerinnen und Schüler in den vergangenen zehn Schuljahren von einer staatlichen bayerischen Schule im Landkreis Lindau an eine Schule eines anderen Bundeslandes wechselten. Die im Rahmen des Verfahrens „Amtliche Schuldaten“ (ASD) erhobenen Schülerdaten beinhalten lediglich Angaben zu Schülerinnen und Schülern, die eine bayerische Schule besuchen. Erhebung und Auswertung von Daten zu Schülerinnen und Schülern, die eine Schule eines anderen Bundeslandes besuchen, obliegen grundsätzlich dem zuständigen Staatsministerium des jeweiligen Bundeslandes. Bei den Daten zu Schulartwechslern wird in ASD hinsichtlich der aufnehmenden Schule nicht unterschieden, ob es sich um eine bayerische oder eine Schule im sonstigen Bundesgebiet handelt. Somit kann insbesondere die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die an eine Schule eines anderen Bundeslandes wechselten, im Rahmen der Amtlichen Schulstatistik nicht ermittelt werden. Eine Befragung der Staatlichen Schulämter in den Landkreisen Lindau, Oberallgäu sowie in der Stadt Kempten hat ergeben, dass seitens der Schulämter keine Daten zur Abwanderung von Schülern in angrenzende Bundesländer erhoben werden. Auch die Schulen sind nach Auskunft der Schulämter nicht verpflichtet, Unterlagen über den Verbleib der Schüler nach Versand der Schülerakten an die aufnehmende Schule zu führen. 3. Wie bewertet die Staatsregierung diese Informationen und Zahlen und welche Ursachen wurden ggf. bereits als ausschlaggebend für Abwanderungen von Schülerinnen und Schülern aus der Stadt oder dem Landkreis Lindau in angrenzende Bundesländer identifiziert? 3.1 Welche konkreten Erkenntnisse zu Auswirkungen auf die bayerische Wirtschaft und insbesondere den lokalen Ausbildungsmarkt in der Stadt und dem Landkreis Lindau hat die Staatsregierung aufgrund solcher Abwanderung von Schülerinnen und Schülern? 3.2 Welche schulartspezifischen Erkenntnisse hat die Staatsregierung diesbezüglich im Bereich Stadt und Landkreis Lindau? 4. Welche konkreten Maßnahmen hat die Staatsregierung schon ergriffen bzw. was ist konkret geplant, um dem im Bereich der Stadt und des Landkreises Lindau entgegenzuwirken? Die Beantwortung der Fragen 3, 3.1, 3.2 und 4 erfolgt unter Berücksichtigung der obigen Antwort auf Frage 2 zusammen . In Art. 36 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs - und Unterrichtswesen (BayEUG) ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Schulpflicht auch an gleichwertigen Schulen außerhalb Bayerns erfüllt werden kann. Eine Genehmigungspflicht besteht hierfür in der Regel nicht. Diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung, wonach bayerische Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, Schulen in anderen Bundesländern oder im Ausland zu besuchen, ist letztlich Ausdruck des grundgesetzlich verankerten Gedankens der Freizügigkeit, vgl. Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes. Insbesondere in den Kommunen und Schulen bayerischer Grenzregionen sind deshalb immer wieder Abwanderungen von bayerischen Schülerinnen und Schülern in andere Länder der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise ins Ausland festzustellen. Umgekehrt kommen aber auch Schülerinnen und Schüler nach Bayern, um eine bayerische Schule zu besuchen. Die Möglichkeit, eine Schule in einem Nachbarland zu besuchen, wird vornehmlich von solchen Schülerinnen und Schülern genutzt, für die eine entsprechende außerbayerische Schule dem Wohnort wesentlich näher liegt als die nächstgelegene Schule der besuchten Schulart in Bayern. Im Bereich der Berufsschulen ist der Besuch einer Schule eines anderen Bundeslandes beispielsweise dann gewählt, wenn für einen speziellen Beruf in Bayern kein Angebot besteht . In diesem Zusammenhang spielt auch die Initiative „Bildungsregionen in Bayern“ eine wichtige Rolle. Ziel ist es, die Zukunft der jungen Menschen in der Region mit einem passgenauen Bildungsangebot zu sichern, das ihnen die Wahrnehmung ihrer Bildungs- und Teilhabechancen ermöglicht. In einer Bildungsregion arbeiten die Schulen, die Kommunen , die Jugendhilfe, die Arbeitsverwaltung, die Wirtschaft und weitere außerschulische Organisationen zusammen, um die Bildungsqualität in ihrer Region zu verbessern. 5. Wie viele schul- und berufsschulpflichtige Schülerinnen und Schüler hatte Bayern insgesamt in den vergangenen 10 Jahren, aufgeschlüsselt nach Schuljahren? 6. Wie viele Schülerinnen und Schüler gingen aufgrund der Schulpflicht insgesamt in den vergangenen 10 Jahren auf Schulen oder Berufsschulen in Bayern, aufgeschlüsselt nach Schuljahren? Analog zur Beantwortung der Frage 1 wird darauf hingewiesen , dass im Rahmen der Amtlichen Schulstatistik keine Daten zu Kindern und Jugendlichen im vollzeitschulischen bzw. berufsschulpflichtigen Alter erhoben werden. Ersatzweise wird in beiliegender Tabelle zu 5 die Anzahl der Kinder und Jugendlichen in Bayern im Alter von 6 bis unter 10, 10 bis unter 16 sowie 16 bis unter 19 Jahren (Altersgruppe von Schülern aus dem Sekundarbereich II) ausgewiesen. In der Tabelle zu 6 ist die Anzahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen (ohne Schulen des zweiten Bildungswegs , d. h. ohne Abendrealschule, Abendgymnasium und Kolleg) sowie die Anzahl der Schüler an Berufsschulen in Bayern seit dem Schuljahr 2006/2007 dargestellt. Drucksache 17/12822 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6 bis unter 10 10 bis unter 16 2006  3 500  5 600 2007  3 400  5 500 2008  3 300  5 400 2009  3 200  5 500 2010  3 100  5 400 2011  3 000  5 400 2012  2 900  5 300 2013  2 800  5 100 2014  2 800  5 000 2015  2 700  4 900 an der Grundschule  (Sprengelpflicht) an der Mittelschule  (Sprengelpflicht) an der Realschule 1 am Gymnasium1 2006/2007  3 535  1 564 2007/2008  3 410  1 440 2008/2009  3 303  1 342 2009/2010  3 222  1 223 2010/2011  2 995  1 133 2011/2012  2 900  1 078 2012/2013  2 771  1 061 2013/2014  2 672  1 027 2014/2015  2 630   913  1 584  1 829 2015/2016  2 612   915  1 524  1 768 Tabelle 1 zu 1. Kinder und Jugendliche im Landkreis Lindau1 nach  ausgewählten Altersgruppen seit dem Jahr 2006 Bevölkerungsstand  am 31.12. Kinder und Jugendliche im Landkreis Lindau1 im  Alter von … Jahren 1 Aufgrund einer Änderung des Erhebungsverfahrens "Amtliche Schuldaten" liegen für die Schularten Realschule und Gymnasium  erstmals seit dem Schuljahr 2014/2015 Angaben zum Wohnort der Schüler vor. Schuljahr Schüler im Landkreis Lindau  mit Wohnsitz im Landkreis Lindau Tabelle 2 zu 1. Schüler an der Grundschule, Mittelschule, Realschule bzw. am Gymnasium im Landkreis Lindau mit Wohnort  im Landkreis Lindau seit dem Schuljahr 2006/2007 1 Quelle: "Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für Bayern bis 2034",  herausgegeben vom Bayerischen Landesamt für Statistik im November 2015. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12822 6 bis unter 10 10 bis unter 16 16 bis unter 19 2006  508 800  811 000  436 000 2007  493 800  801 100  434 200 2008  479 700  789 900  431 200 2009  467 900  776 000  421 900 2010  456 800  768 600  411 800 2011  448 000  761 200  399 500 2012  441 500  747 400  395 400 2013  439 600  731 600  399 500 2014  440 300  719 200  403 600 2015  440 300  707 200  402 600 2006/2007 1 462 188  278 637 2007/2008 1 448 298  283 745 2008/2009 1 428 035  286 349 2009/2010 1 409 717  279 700 2010/2011 1 386 821  270 350 2011/2012 1 333 879  263 828 2012/2013 1 313 595  261 048 2013/2014 1 295 706  257 218 2014/2015 1 283 063  254 107 2015/2016 1 273 907  257 442 Tabelle zu 5. Kinder und Jugendliche in Bayern nach ausgewählten Altersgruppen seit dem Jahr 2006 1 Quelle: "Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für Bayern bis 2034", herausgegeben vom  Bayerischen Landesamt für Statistik im November 2015. Schüler an allgemein  bildenden Schulen  (ohne Schulen des  zweiten Bildungswegs) Schüler an  Berufsschulen Tabelle zu 6. Schüler an allgemein bildenden Schulen (ohne Schulen des zweiten Bildungswegs)  und Schüler an Berufsschulen in Bayern seit dem Schuljahr 2006/2007 Bevölkerungsstand  am 31.12. Schuljahr Kinder und Jugendliche in Bayern  im Alter von … Jahren