Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Alexandra Hiersemann SPD vom 13.06.2016 Aktuelle Handhabung des Abzugs der Kommunikationspauschale für Geflüchtete durch die Staatsregierung – rechtliche Vorgaben an die untergeordneten Behörden Bezug nehmend auf die Schriftliche Anfrage vom 11.04.2016, Drs. 17/11533, frage ich die Staatsregierung: 1. a) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellt der Freistaat Bayern einen Internetzugang zur Verfügung? b) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellt der Freistaat Bayern keinen Internetzugang zur Verfügung? 2. a) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellen private Anbieter einen Internetzugang zur Verfügung? b) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellten private Anbieter die Bereitstellung eines Internetzugangs wieder ein, nachdem den Bewohnern , auf Weisung der Staatsregierung, die gesamte Kommunikationspauschale für die Nutzung dieses Zugangs abgezogen wurde bzw. werden sollte? 3. a) Welche staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete verfügen über ein Internetcafé in fußläufiger Entfernung (bis zu drei Kilometern)? b) Welche staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete verfügen über kein Internetcafé in fußläufiger Entfernung (bis zu drei Kilometern)? 4. Wie begründet die Staatsregierung die Tatsache, dass Kleiderspenden durch private Gruppen nicht zu einer Streichung der Abteilung 03 „Bekleidung und Schuhe“ für Geflüchtete führen, die kostenfreie Bereitstellung von Internet durch private Gruppen (auch eine Spende ) jedoch die Streichung der Abteilung 08 „Nachrichtenübermittlung “ zur Folge hat? 5. Wie begründet die Staatsregierung den Abzug der gesamten Kommunikationspauschale von 35,79 Euro (Regelbedarfsstufe 1) durch die Bereitstellung von Internet , sei es durch den Staat oder private Anbieter, in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen, wenn a) das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch eindeutig festlegt, dass die Abteilung 08 „Nachrichtenübermittlung“ für den Posten „Telefon, Fax, Telegramme“ 28,05 Euro vorsieht und für den Posten „Internet/Onlinedienste“ lediglich 2,55 Euro, b) das Argument der Staatsregierung (Drs.17/11533), dass Internettelefonie den Bedarf nach „normaler“ Telefonie abdecke, nicht greift, da die Telefonate der Geflüchteten sehr häufig in Regionen ohne Internetzugang (bedingt durch Bürgerkrieg und/oder sehr ärmliche Verhältnisse) erfolgen oder c) das Argument der Staatsregierung (Drs.17/11533), dass Internettelefonie den Bedarf nach „normaler“ Telefonie abdecke, nicht greift, da Internettelefonie (z. B. Skype) mit dem Festnetz ebenfalls kostenpflichtig ist? 6. Bezogen auf die Antwort der Staatsregierung auf Frage 2 a (Drs. 17/11533), wer entscheidet auf welcher Grundlage, wann der Schwerpunkt der Bedarfe einer Abteilung als ausreichend anzusehen ist? 7. Wenn Geflüchtete über keine technischen Geräte zur Internetnutzung verfügen (die Sachleistung, die sie erhalten sollen, also nicht entgegennehmen können), wie kann die Staatsregierung dann die in diesem Fall nur theoretische Erbringung einer Sachleistung (Bereitstellung eines Internetzugangs) als „ausreichend“ (Drs. 17/11533, Frage 4) für den Abzug der Kommunikationspauschale bezeichnen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.10.2016 17/12828 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12828 Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 19.08.2016 Vorbemerkung: Bei der Beantwortung wird davon ausgegangen , dass unter „staatlichen Aufnahmeeinrichtungen“ Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes zu verstehen sind. Dieses sind in Bayern folgende: – Zentrale Aufnahmeeinrichtung (ZAE) Bayern in Zirndorf, – Aufnahmeeinrichtung Oberbayern, – Aufnahmeeinrichtung Niederbayern, – Aufnahmeeinrichtung Oberpfalz, – Aufnahmeeinrichtung Oberfranken, – Aufnahmeeinrichtung Unterfranken und – Aufnahmeeinrichtung Schwaben. 1. a) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellt der Freistaat Bayern einen Internetzugang zur Verfügung? b) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellt der Freistaat Bayern keinen Internetzugang zur Verfügung? 2. a) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellen private Anbieter einen Internetzugang zur Verfügung? b) In welchen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete stellten private Anbieter die Bereitstellung eines Internetzugangs wieder ein, nachdem den Bewohnern, auf Weisung der Staatsregierung, die gesamte Kommunikationspauschale für die Nutzung dieses Zugangs abgezogen wurde bzw. werden sollte? In folgenden Aufnahmeeinrichtungen steht ein Internetzugang zur Verfügung: – Zentrale Aufnahmeeinrichtung Bayern in Zirndorf – Aufnahmeeinrichtung Oberbayern – Aufnahmeeinrichtung Niederbayern – Aufnahmeeinrichtung Oberpfalz – Aufnahmeeinrichtung Unterfranken – Aufnahmeeinrichtung Schwaben Dieser wird im Bereich der Aufnahmeeinrichtungen Niederbayern und Oberpfalz auch staatlicherseits zur Verfügung gestellt. Das staatliche Angebot wird derzeit über die Initiative „Bayern WLAN“ des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat ausgebaut. Entsprechende Anträge beim Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung wurden von nahezu sämtlichen Regierungsbezirken bereits gestellt. In der Aufnahmeeinrichtung Schwaben wird dem Freistaat über die Initiative der Deutschen Telekom WLAN zur Verfügung gestellt. Im Übrigen stellen private Anbieter das Angebot zur Verfügung. In der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken steht derzeit noch kein Internetzugang zur Verfügung. Auch hier ist jedoch eine staatliche Zurverfügungstellung geplant. Der entsprechende Antrag beim Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung wurde bereits gestellt. Lediglich im Bereich der ZAE Zirndorf hat die Initiative „Freifunker“ von der Zurverfügungstellung eines WLAN-Anschlusses abgesehen, nachdem die Verrechnung mit dem Kommunikationsbedarf angekündigt wurde, da der Bedarf als Sachleistung erbracht wird und es andernfalls zu einer Doppelleistung käme, für die keine Rechtsgrundlage besteht . 3. a) Welche staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete verfügen über ein Internetcafé in fußläufiger Entfernung (bis zu drei Kilometern)? b) Welche staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete verfügen über kein Internetcafé in fußläufiger Entfernung (bis zu drei Kilometern)? Im Bereich folgender Aufnahmeeinrichtungen existiert ein Internetcafé in einem Umkreis von bis zu drei Kilometern: – Zentrale Aufnahmeeinrichtung Bayern in Zirndorf – Aufnahmeeinrichtung Oberpfalz – Aufnahmeeinrichtung Oberfranken – Aufnahmeeinrichtung Unterfranken – Aufnahmeeinrichtung Oberbayern – Aufnahmeeinrichtung Schwaben Allein von der Aufnahmeeinrichtung Niederbayern beträgt die Entfernung mehr als drei Kilometer. 4. Wie begründet die Staatsregierung die Tatsache, dass Kleiderspenden durch private Gruppen nicht zu einer Streichung der Abteilung 03 „Bekleidung und Schuhe“ für Geflüchtete führen, die kostenfreie Bereitstellung von Internet durch private Gruppen (auch eine Spende) jedoch die Streichung der Abteilung 08 „Nachrichtenübermittlung“ zur Folge hat? Die Grundsätze zur Bedarfsdeckung und Leistungserbringung gelten unabhängig davon, welche Abteilung betroffen ist. Insbesondere gilt der Sachleistungsvorrang bundesrechtlich für alle Bereiche. Für die Bedarfe, die im Wege der Sachleistung gedeckt werden, werden grundsätzlich keine zusätzlichen Geldleistungen erbracht, da es andernfalls zu einer ungerechtfertigten Doppelleistung käme. 5. Wie begründet die Staatsregierung den Abzug der gesamten Kommunikationspauschale von 35,79 Euro (Regelbedarfsstufe 1) durch die Bereitstellung von Internet, sei es durch den Staat oder private Anbieter, in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen , wenn a) das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch eindeutig festlegt, dass die Abteilung 08 „Nachrichtenübermittlung“ für den Posten „Telefon, Fax, Telegramme“ 28,05 Euro vorsieht und für den Posten „Internet/Onlinedienste“ lediglich 2,55 Euro, b) das Argument der Staatsregierung (Drs. 17/11533), dass Internettelefonie den Bedarf nach „normaler“ Telefonie abdecke, nicht greift, da die Telefonate der Geflüchteten sehr häufig in Regionen ohne Internetzugang (bedingt durch Bürgerkrieg und/oder sehr ärmliche Verhältnisse) erfolgen oder c) das Argument der Staatsregierung (Drs. 17/11533), dass Internettelefonie den Bedarf nach „normaler“ Telefonie abdecke, nicht greift, da Internettelefonie (z. B. Skype) mit dem Festnetz ebenfalls kostenpflichtig ist? Bei der Leistungsgewährung in Form von Sachleistungen ist maßgeblich der Gegenwert, den der Leistungsbezieher nach der Verkehrsanschauung in Form von Sachleistung Drucksache 17/12828 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 erhält. Nicht relevant sind die tatsächlichen Kosten, die für die Beschaffung der Sachleistung anfallen, unerheblich, ob diese höher oder niedriger ausfallen. Bei den Einzelposten innerhalb einer Abteilung handelt es sich um bloße Rechenpositionen. Denn kein Leistungsberechtigter hat tatsächlich alle Bedarfe gleichzeitig. Die jeweilige Abteilung kann grundsätzlich als abgedeckt angesehen werden, wenn der Schwerpunkt der Bedarfe nach der Verkehrsanschauung als ausreichend erfüllt anzusehen ist. Dies kann bei der Bereitstellung eines Internetzugangs der Fall sein, da per Internetzugang nahezu alle Formen der Kommunikation (Internettelefonie, PC-Fax, Nachrichtenübermittlung etc.) möglich sind. Hinzu kommt, dass via Internet auch wesentliche Bestandteile des Informationsbedarfs (Zeitung, Radio, TV-Streaming, etc.) abgedeckt werden können. Ob eine Anrechnung der Sachleistung auf den Leistungsanspruch erfolgt, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab und wird durch die zuständige Leistungsbehörde vor Ort entschieden. Ergänzend ist auszuführen, dass die Kommunikation von Asylsuchenden in der Praxis wohl überwiegend via Internettelefonie (z. B. Skype) mit Familienangehörigen in anderen Ländern erfolgen dürfte und nicht, wie die Fragestellung intendiert , mit Festnetzanschlüssen. 6. Bezogen auf die Antwort der Staatsregierung auf Frage 2 a (Drs. 17/11533), wer entscheidet auf welcher Grundlage, wann der Schwerpunkt der Bedarfe einer Abteilung als ausreichend anzusehen ist? Der zuständige örtliche Leistungsträger entscheidet für den Einzelfall, ob der Schwerpunkt der Bedarfe einer Abteilung als ausreichend abgedeckt anzusehen ist. 7. Wenn Geflüchtete über keine technischen Geräte zur Internetnutzung verfügen (die Sachleistung, die sie erhalten sollen, also nicht entgegennehmen können), wie kann die Staatsregierung dann die in diesem Fall nur theoretische Erbringung einer Sachleistung (Bereitstellung eines Internetzugangs ) als „ausreichend“ (Drs. 17/11533, Frage 4) für den Abzug der Kommunikationspauschale bezeichnen? Voraussetzung ist die Zugangsmöglichkeit. Das bloße Vorhandensein von WLAN ist nicht ausreichend, vgl. LT-Drs. 17/11533, Frage 4.