Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm, Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 03.06.2016 Flüchtlinge, Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit Behinderung Zu den besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden zählen u. a. geflüchtete Menschen mit Behinderung. Solche Schutzsuchenden befinden sich häufig in einer schwierigen Situation. Diese erfordert eine angemessene medizinische und soziale Betreuung, die Versorgung mit notwendigen Hilfsmitteln, Therapien oder Rehabilitationsmaßnahmen sowie die behindertengerechte und barrierefreie Einrichtung von Aufnahmeeinrichtungen und Unterkünften. Wir fragen die Staatsregierung: 1.1 Wie viele Asylsuchende mit Behinderung haben in Bayern einen Antrag auf Asyl gestellt (bitte aufschlüsseln für die Jahre 2004 bis 2014 und nach Behinderungsarten )? 1.2 Im Rahmen welcher Untersuchung werden o. g. besonders Schutzbedürftige bei der Erstaufnahme in Bayern identifiziert? 1.3 Auf welche Weise bzw. an welchen Orten können sich Flüchtlinge mit Behinderungen oder behinderte Menschen , die schlecht oder nicht Deutsch sprechen, über sozialrechtliche Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen informieren? 2.1 Wirkt die Staatsregierung aktiv auf die zügige Verbesserung der aktuellen Situation von Flüchtlingen und vor allem derer betroffener Flüchtlingskinder und jugendlichen Geflüchteten mit Behinderung hin? 2.2 Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen/Programme und in welchem Zeitrahmen? 3.1 Sieht die Staatsregierung Verbesserungsbedarf bei der Regelung der Mindestnormen für die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge nach der EU- Richtlinie 2013/33/EU-Mindestnorm? 3.2 Wenn ja, welche Verbesserungsmaßnahmen strebt die Staatsregierung in Absprache mit den Fachstellen an? 3.3 Wie sieht die Staatsregierung die Forderung nach einem bayernweiten gültigen Feststellungsverfahren für die Leistungsstellen? 4.1 Sieht es die Staatsregierung als hilfreich an, dass an die Sozialdienste und bayerischen Bezirke entsprechende Handreichungen zum Thema ausgegeben werden? 4.2 Wenn ja, praktiziert die Staatsregierung dies bereits in ihrem tätigen Handeln? 5.1 Sind Personal der Erstaufnahmestellen und der zentralen und dezentralen Unterkünfte ausreichend zur Thematik geschult? 5.2 Erfolgt aus Sicht der Staatsregierung, von diesen Stellen aus, eine ausreichende Kontaktaufnahme und Vermittlung der besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge an entsprechende Anlauf- und Beratungsstellen oder die Sozialämter? 6. Beabsichtigt die Staatsregierung auf eine Änderung der Richtlinien zur Unterbringung für Flüchtlinge und Asylbewerber/-innen hinzuwirken, sodass im Rahmen von Neubau von Flüchtlingsunterkünften die Barrierefreiheit als Zulassungskriterium der Bauämter zwingend ist? 7.1 Hat die Staatsregierung ein einfaches zügiges Verfahren zur Bescheinigung der Behinderung, das die Diskriminierung bei der Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung verhindert, nachdem die Bescheinigung über eine Behinderung durch eine Fachstelle insoweit nicht bindend ist, als dass Kassenleistungen von einer ärztlichen Verordnung abhängig gemacht werden? 7.2 Wie sieht die Staatsregierung in diesem Zusammenhang den Vorschlag des Bremer Modells für Bayern? 8.1 Werden in den von Freistaat und Bund (sowohl die Integrationskurse als auch die Sprachkurse zu Integration in Arbeit sind zu berücksichtigen) finanzierten Sprachkursen Hilfsmittel und Unterrichtsmaterialien für sehbehinderte und gehörlose Menschen zur Verfügung gestellt? 8.2 Sollten hier Mängel herrschen, welche Maßnahmen werden von der Staatsregierung angestrebt, um diese zu beheben? 8.3 Sind die Unterrichtsräume und Gebäude, in denen die Sprachkurse stattfinden, barrierefrei gestaltet? Wenn nein, warum nicht? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.10.2016 17/12831 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12831 Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 19.08.2016 1.1 Wie viele Asylsuchende mit Behinderung haben in Bayern einen Antrag auf Asyl gestellt (bitte aufschlüsseln für die Jahre 2004 bis 2014 und nach Behinderungsarten)? Asylanträge werden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellt. Das BAMF ist dann auch für die Bearbeitung der Asylanträge im Rahmen des Asylverfahrens zuständig. Da hier keine Zuständigkeit der Staatsregierung vorliegt, können keine Zahlen genannt werden. Die Zahlen müssten beim BAMF angefragt werden. 1.2 Im Rahmen welcher Untersuchung werden o. g. besonders Schutzbedürftige bei der Erstaufnahme in Bayern identifiziert? In Bayern gibt es ein dreigliedriges Gesundheitssystem für Asylbewerber, bestehend aus medizinischem Kurzscreening , Gesundheitsuntersuchung nach § 62 Asylgesetz (AsylG) und der medizinisch kurativen Versorgung. Je nachdem , welche Behinderung vorliegt, kann diese in allen drei Stufen festgestellt werden. 1.3 Auf welche Weise bzw. an welchen Orten können sich Flüchtlinge mit Behinderungen oder behinderte Menschen, die schlecht oder nicht Deutsch sprechen, über sozialrechtliche Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen informieren ? Informationen erhalten diese Personen bei der Asylsozialberatung bzw. bei den sie behandelnden Ärzten. 2.1 Wirkt die Staatsregierung aktiv auf die zügige Verbesserung der aktuellen Situation von Flüchtlingen und vor allem derer betroffener Flüchtlingskinder und jugendlichen Geflüchteten mit Behinderung hin? In Bayern haben die Asylbewerber im Rahmen von §§ 4, 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Zugang zu dem allgemeinen Gesundheitssystem der Bundesrepublik. Eingliederungshilfeleistungen für Menschen mit Behinderung sind für Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes bundesgesetzlich ausgeschlossen (§ 23 Abs. 2 SGB XII). Eingliederungshilfe können jedoch diejenigen Ausländer beanspruchen, die sich mit befristetem oder unbefristetem Aufenthaltstitel absehbar auf Dauer in Deutschland aufhalten, § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB XII. Ausländer ohne Daueraufenthaltsrecht erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe nur als Ermessensleistung, § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (ggf. i. V. m. § 2 AsylbLG). 2.2 Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen/ Programme und in welchem Zeitrahmen? Siehe Antwort zu Frage 2.1. 3.1 Sieht die Staatsregierung Verbesserungsbedarf bei der Regelung der Mindestnormen für die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge nach der EU-Richtlinie 2013/33/EU-Mindestnorm? Die Staatsregierung sieht hier keinen Verbesserungsbedarf. 3.2 Wenn ja, welche Verbesserungsmaßnahmen strebt die Staatsregierung in Absprache mit den Fachstellen an? Siehe Antwort zu Frage 3.1. 3.3 Wie sieht die Staatsregierung die Forderung nach einem bayernweiten gültigen Feststellungsverfahren für die Leistungsstellen? Unklar ist, was mit der „Forderung nach einem bayernweiten gültigen Feststellungsverfahren für die Leistungsstellen“ gemeint ist. Das Feststellungsverfahren richtet sich nach einem Bundesgesetz. Asylbewerber werden im Feststellungsverfahren weder begünstigt noch benachteiligt. 4.1 Sieht es die Staatsregierung als hilfreich an, dass an die Sozialdienste und bayerischen Bezirke entsprechende Handreichungen zum Thema ausgegeben werden? Auch geflüchtete Menschen mit Behinderung können sich in allen Fragen, die in Zusammenhang mit einer Behinderung stehen, an einen Dienst der Offenen Behindertenarbeit wenden . Es handelt sich hierbei um ein sozialraumorientiertes und niedrigschwelliges Angebot für Menschen mit wesentlichen geistigen und/oder körperlichen Behinderungen sowie für sinnesbehinderte oder chronisch kranke Menschen nach §§ 53 ff. SGB XII und deren Angehörige. Der Freistaat Bayern und die bayerischen Bezirke fördern regionale und überregionale Dienste der Offenen Behindertenarbeit (OBA) entsprechend der geltenden Richtlinien. Die regionalen Dienste werden im Einzelfall vor Ort und in Kooperation mit den entsprechenden Stellen tätig. Auch das Angebot der überregionalen OBA-Dienste wird niedrigschwellig vorgehalten. Es richtet sich an Menschen, die durch eine spezifische Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, sowie an deren Angehörige. 4.2 Wenn ja, praktiziert die Staatsregierung dies bereits in ihrem tätigen Handeln? Siehe Antwort zu Frage 4.1. 5.1 Sind Personal der Erstaufnahmestellen und der zentralen und dezentralen Unterkünfte ausreichend zur Thematik geschult? Bei dieser Fragestellung ist unklar, über was geschult werden soll. In Bayern herrscht ein sensibler und respektvoller Umgang mit allen Asylbewerbern. Darüber hinaus ist die Asylsozialberatung entsprechend sensibilisiert. 5.2 Erfolgt aus Sicht der Staatsregierung, von diesen Stellen aus, eine ausreichende Kontaktaufnahme und Vermittlung der besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge an entsprechende Anlauf- und Beratungsstellen oder die Sozialämter? Ja. 6. Beabsichtigt die Staatsregierung auf eine Änderung der Richtlinien zur Unterbringung für Flüchtlinge und Asylbewerber/-innen hinzuwirken, sodass im Rahmen von Neubau von Flüchtlingsunterkünften die Barrierefreiheit als Zulassungskriterium der Bauämter zwingend ist? Entscheidend sind schnelle Asylverfahren. Sollte für den einzelnen Asylbewerber eine barrierefreie Unterbringung er- Drucksache 17/12831 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 forderlich sein, so wird nach Möglichkeit bei der Verteilung darauf geachtet. 7.1 Hat die Staatsregierung ein einfaches zügiges Verfahren zur Bescheinigung der Behinderung, das die Diskriminierung bei der Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung verhindert, nachdem die Bescheinigung über eine Behinderung durch eine Fachstelle insoweit nicht bindend ist, als dass Kassenleistungen von einer ärztlichen Verordnung abhängig gemacht werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 3.3 verwiesen. 7.2 Wie sieht die Staatsregierung in diesem Zusammenhang den Vorschlag des Bremer Modells für Bayern? Dieser Vorschlag wird abgelehnt, da die Asylbewerber im Rahmen von §§ 4, 6 AsylbLG Zugang zu dem allgemeinen Gesundheitssystem der Bundesrepublik haben. 8.1 Werden in den von Freistaat und Bund (sowohl die Integrationskurse als auch die Sprachkurse zu Integration in Arbeit sind zu berücksichtigen) finanzierten Sprachkursen Hilfsmittel und Unterrichtsmaterialien für sehbehinderte und gehörlose Menschen zur Verfügung gestellt? Der Freistaat Bayern bietet keine Sprachkurse speziell für sehbehinderte und gehörlose Asylbewerber und Flüchtlinge an. Hintergrund ist, dass es ausschließliche Aufgabe des Bundes ist, das Sprachkursangebot für Asylbewerber und Flüchtlinge sicherzustellen. Der Freistaat Bayern hat diesen Zweck zwar seit 2013 nach Kräften und mit bundesweit einzigartigem Einsatz freiwilliger finanzieller Mittel (im Jahr 2016 allein 17,0 Mio. Euro) unterstützt; eine Organisation spezieller Kurse für sehbehinderte und gehörlose Asylbewerber und Flüchtlinge war und ist mit den Mitteln des Freistaats Bayern nicht zielführend und im Hinblick auf bestehende Angebote des Bundes auch obsolet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fördert Integrationskurse für spezielle Zielgruppen, wie sehbehinderte Flüchtlinge . Bei Bedarf können qualifizierte Träger auch in Bayern einen Zulassungsantrag an das BAMF richten. Für nähere Informationen zu Hilfsmitteln und speziellen Unterrichtsmaterialien muss an das BAMF verwiesen werden . 8.2 Sollten hier Mängel herrschen, welche Maßnahmen werden von der Staatsregierung angestrebt, um diese zu beheben? Siehe Antwort zu Frage 8.1. 8.3 Sind die Unterrichtsräume und Gebäude, in denen die Sprachkurse stattfinden, barrierefrei gestaltet? Wenn nein, warum nicht? Unterrichtsräume z. B. in der vhs sind meist barrierefrei. Unterricht , der von Ehrenamtlichen organisiert wird, findet oft in den Wohnungen der Ehrenamtlichen statt. Hier kann Barrierefreiheit nicht garantiert werden. Hier würde die Forderung nach Barrierefreiheit kontraproduktiv auf deren herausragendes freiwilliges Engagement wirken.