Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabi Schmidt FREIE WÄHLER vom 07.06.2016 Förderungsangebote bezüglich Aus- und Weiterbildung zur Altenpflegerin bzw. zum Altenpfleger Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche staatlichen Förderangebote existieren in Bayern bezüglich der Ausbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin ? a) Wie sieht der jeweilige Zielpersonenkreis aus? b) Welche Voraussetzungen müssen Interessenten erfüllen , um eine staatliche Förderung zu erhalten? 2. Wie viele Ausbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin wurden in Bayern in den vergangenen 10 Jahren abgeschlossen (pro Jahr)? a) Wie viele der Auszubildenden kamen jeweils in den Genuss einer staatlichen Förderung? b) Wie hoch waren jeweils die Kosten für den Freistaat Bayern? 3. Welche staatlichen Förderangebote existieren in Bayern bezüglich der Weiterbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin? a) Wie sieht der jeweilige Zielpersonenkreis aus? b) Welche Voraussetzungen müssen Interessenten erfüllen , um eine staatliche Förderung zu erhalten? 4. Wie viele Weiterbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin wurden in Bayern in den vergangenen 10 Jahren abgeschlossen (pro Jahr)? a) Wie viele der Auszubildenden kamen jeweils in den Genuss einer staatlichen Förderung? b) Wie hoch waren jeweils die Kosten für den Freistaat Bayern? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung Befunde, wonach es im Bereich der Altenpflege einen Fachkräftemangel gibt? a) Wie groß war die Lücke zwischen neu ausgebildeten Fachkräften und offenen Stellen im Bereich Altenpflege in Bayern in den vergangenen 10 Jahren? b) Wie sind die Prognosen für die nahe und mittlere Zukunft ? 6. Plant die Staatsregierung Maßnahmen, um die Attraktivität der Aus- und Weiterbildung im Bereich Altenpflege zu steigern? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16.08.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales , Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Welche staatlichen Förderangebote existieren in Bayern bezüglich der Ausbildung zum Altenpfleger /zur Altenpflegerin? a) Wie sieht der jeweilige Zielpersonenkreis aus? b) Welche Voraussetzungen müssen Interessenten erfüllen, um eine staatliche Förderung zu erhalten ? In der Förderperiode 2007–2013 wurden mit der Richtlinie „Zusätzliche Ausbildungsstellen Altenpflege“ zusätzliche praktische Ausbildungsverhältnisse aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Verschiedene Verbände meldeten 2013/2014, dass nach sechs Förderjahren die Kapazitäten in ihren Einrichtungen für zusätzliche Ausbildungsstellen in der Altenpflege erschöpft sind. Das Programm wurde unter anderem deshalb nicht weitergeführt. Für eine bestimmte Gruppe von Ausbildungsberufen im pflegerischen, sozialpflegerischen und sozialpädagogischen Bereich (unter anderem Altenpflege, Altenpflegehilfe ) hat der Landtag mit dem Bildungsfinanzierungsgesetz vom 07.05.2013 (Haushaltsänderungsgesetz 2013/2014) zusätzlich zur regulären Schulfinanzierung Sondermittel zur Förderung des schulischen Teils der Ausbildung in den genannten Berufen zur Verfügung gestellt, den sogenannten „Pflegebonus“. Diese unter Haushaltsvorbehalt stehenden Mittel sind auf die genannten Ausbildungsberufe beschränkt, da der Gesetzgeber gerade in diesen Ausbildungen einen besonders großen Bedarf an Nachwuchskräften und damit einen spezifischen Anlass für die Förderung der privaten beruflichen Schulen in diesen Berufen sah. Die Mittel sind von ihrer haushaltsrechtlichen Zweckbestimmung nicht auf andere Ausbildungsberufe übertragbar. Zum Schuljahr 2013/2014 – d. h. mit Wirkung vom 01.08.2013 – traten die Förderrichtlinien auf der Grundlage des Bildungsfinanzierungsgesetzes in Kraft („Pflegebonus, Meisterprämie und Prämie für gleichgestellte Abschlüsse (Prämie), Erstattung der Gebühren für die Gebärdendolmetscherprüfung sowie Meisterpreis“, KMBek v. 16.08.2013, KWMBl S. 278). Der entscheidende Unterschied zur Vorgängerregelung ist, dass ein Teil der Zuschüsse – die Klassenzuschüsse – nur gegen den Schulgeldverzicht des Schulträgers ausgezahlt wird. Die Schulträger sämtlicher privater Berufsfachschulen für Altenpflege bzw. Altenpflegehilfe in Bayern haben diese Verzichtserklärung abgegeben. Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler ist die Altenpflegebzw . Altenpflegehilfeausbildung in Bayern an sämtlichen pri- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.10.2016 17/12841 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12841 vaten (und öffentlichen) Berufsfachschulen für Altenpflege bzw. Altenpflegehilfe jetzt faktisch schulgeldfrei. Der andere Teil – der schulbezogene Sockelbetrag – wurde als Bestandsschutz aus der Vorgängerregelung übernommen und ist nicht an einen Schulgeldverzicht geknüpft. 2. Wie viele Ausbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin wurden in Bayern in den vergangenen 10 Jahren abgeschlossen (pro Jahr)? In den vergangenen zehn Jahren wurden in Bayern insgesamt 15.487 Ausbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin abgeschlossen: Jahr Absolventen 2006 1.096 2007 1.384 2008 1.238 2009 1.267 2010 1.387 2011 1.522 2012 1.843 2013 2.014 2014 1.766 2015 1.970 15.487 Eine deutliche Zunahme der jährlichen Absolventenzahlen zeigt sich ab 2011. Die im Jahr 2015 abgeschlossenen Ausbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin haben sich im Vergleich zum Jahr 2006 annähernd verdoppelt. a) Wie viele der Auszubildenden kamen jeweils in den Genuss einer staatlichen Förderung? Die Förderung aus dem ESF 2007–2013 (s. Antwort zu Frage 1) wurde nicht an die Auszubildenden selbst ausgezahlt, sondern an den Betrieb/das ausbildende Unternehmen. Es wurden 1.297 zusätzliche Ausbildungsstellen in der Altenpflege gefördert. Der „Pflegebonus“ wurde ebenfalls nicht an die Auszubildenden , d. h. die Altenpflegeschüler/Altenpflegeschülerinnen , ausgezahlt. Indirekt kommt er ihnen aber insoweit zugute , als die Altenpflege- und Altenpflegehilfeausbildung in Bayern jetzt faktisch schulgeldfrei ist (s. Antwort zu Frage 1). b) Wie hoch waren jeweils die Kosten für den Freistaat Bayern? Die Förderung von zusätzlichen Ausbildungsstellen in der Altenpflege aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (s. Antwort zu Frage 1) betrug von 2007–2013 insgesamt 3,7 Mio. €. Die Leistungen zum Schulgeldausgleich bei privaten Berufsfachschulen für Altenpflege und Altenpflegehilfe (s. Antwort zu Frage 1) betrugen seit der Einführung des Pflegebonus : 16,652 Mio. € in 2014 und 17,363 Mio. € in 2015. Der Haushaltsansatz für 2016 beträgt 16,95 Mio. €. 3. Welche staatlichen Förderangebote existieren in Bayern bezüglich der Weiterbildung zum Altenpfleger /zur Altenpflegerin? a) Wie sieht der jeweilige Zielpersonenkreis aus? b) Welche Voraussetzungen müssen Interessenten erfüllen, um eine staatliche Förderung zu erhalten ? Eine Förderung der Weiterbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin aus Landesmitteln existiert in Bayern nicht. Jedoch können die Arbeitsagenturen Umschulungen im Rahmen der Weiterbildungsförderung unterstützen: Ein wichtiges Element zur Gewinnung Auszubildender für den Beruf Altenpfleger/-in stellt die Weiterbildungsförderung der Arbeitsagenturen nach §§ 81 ff. i. V. m. 131 b Absatz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) für bereits in der Altenpflege Beschäftigte ohne bzw. ohne verwertbaren Berufsabschluss dar. Die Arbeitsagenturen übernehmen im Rahmen des Programms WeGebAU (Weiterbildung gering qualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen ) Weiterbildungskosten und Zuschüsse zum Arbeitsentgelt an den Arbeitgeber. Derzeit besteht befristet bis zum 31.12.2017 (Ausbildungsbeginn) eine Förderungsmöglichkeit über die gesamte dreijährige Altenpflegeausbildung hinweg. Die Altenpflegeausbildung ist damit der einzige Beruf , der von der Bundesagentur für Arbeit über die gesamte Ausbildungszeit gefördert werden kann (in anderen Berufen nur bis zu zwei Drittel der Ausbildungszeit). Die 91. Arbeitsund Sozialministerkonferenz (26./27.11.2014) hatte durch Beschluss auch auf Antrag Bayerns die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine Beibehaltung der Weiterbildungsförderung über den 31.03.2016 hinaus einzusetzen, da es sich um eine wichtige Maßnahme zur Generierung der benötigten Fachkräfte handelt. Auch für Arbeitslose bzw. von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen besteht die Möglichkeit, dass die Arbeitsagenturen die Kosten für die Altenpflegeausbildung als Weiterbildungskosten im Rahmen von §§ 81 ff. SGB III übernehmen, z. B. über Bildungsgutscheine oder im Rahmen des Programms IFlaS (Initiative zur Flankierung des Strukturwandels ). 4. Wie viele Weiterbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin wurden in Bayern in den vergangenen 10 Jahren abgeschlossen (pro Jahr)? Wir legen die Frage dahingehend aus, dass eine Ausbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin mit verkürzter Ausbildungsdauer gemeint ist. Nach § 7 Altenpflegegesetz (AltPflG) kann auf Antrag die Ausbildungsdauer verkürzt werden für Personen mit einschlägiger beruflicher Vorerfahrung , zum Beispiel für Krankenschwestern/Krankenpfleger um bis zu zwei Jahre und für Altenpflegehelfer/Altenpflegehelferinnen um bis zu ein Jahr oder bei einer anderen Ausbildung mit teilweise fachlicher Gleichwertigkeit um bis zu zwei Jahre. Für Personen, die z. B. im Rahmen einer Umschulung eine Ausbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin ohne Verkürzungsmöglichkeit vornehmen (die im Rahmen der Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsagenturen auch über die komplette Dauer gefördert werden kann, s. Antwort zu Frage 3), liegen uns keine Zahlen vor. In den vergangenen zehn Jahren wurden in Bayern insgesamt 1.792 verkürzte Ausbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin abgeschlossen. Jahr Absolventen einer verkürzten Ausbildung 2006 44 2007 84 2008 116 2009 118 2010 130 2011 128 Drucksache 17/12841 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Jahr Absolventen einer verkürzten Ausbildung 2012 171 2013 273 2014 297 2015 431 1.792 Ab dem Jahr 2012 zeigt sich eine deutliche Zunahme der jährlichen Absolventenzahlen einer verkürzten Ausbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin. Im Jahr 2015 wurden annähernd zehnmal so viele verkürzte Ausbildungen abgeschlossen wie im Jahre 2006. a) Wie viele der Auszubildenden kamen jeweils in den Genuss einer staatlichen Förderung? Für Weiterbildungen zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin gibt es keine Förderung aus Landesmitteln (s. Antwort zu Frage 3). Von 2009 bis 2015 wurden in Bayern jeweils folgende Anzahlen an Personen, die eine Altenpflegeausbildung absolviert haben (sei es mit oder ohne Verkürzung nach § 7 AltPflG), im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsagenturen gefördert: Jahr Weiterbildungsförderung 2009 327 2010 445 2011 322 2012 454 2013 822 2014 880 2015 876 4.126 b) Wie hoch waren jeweils die Kosten für den Freistaat Bayern? Landesmittel wurden nicht eingesetzt. Zu den Kosten der Weiterbildungsförderung durch die Arbeitsagenturen liegen uns keine Erkenntnisse vor. 5. Wie beurteilt die Staatsregierung Befunde, wonach es im Bereich der Altenpflege einen Fachkräftemangel gibt? a) Wie groß war die Lücke zwischen neu ausgebildeten Fachkräften und offenen Stellen im Bereich Altenpflege in Bayern in den vergangenen 10 Jahren ? b) Wie sind die Prognosen für die nahe und mittlere Zukunft? 6. Plant die Staatsregierung Maßnahmen, um die Attraktivität der Aus- und Weiterbildung im Bereich Altenpflege zu steigern? Laut Information der Bundesagentur für Arbeit übersteigt die hohe Nachfrage nach examinierten Altenpflegefachkräften das vorhandene Fachkräfteangebot in Bayern bei Weitem. So waren im März 2016 1.663 offene Stellen für Altenpflegefachkräfte gemeldet, während 267 Altenpflegefachkräfte als arbeitslos gemeldet waren. Bei den Altenpflegehilfskräften stellt sich das Verhältnis umgekehrt dar (981 gemeldete Stelen und 2.098 Arbeitslose). Für die letzten zehn Jahre liegen uns keine Zahlen vor. Laut einer im Auftrag des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) 2014 erstellten Angebots- und Bedarfsprognose werden bis 2021 in Bayern ambulant oder stationär insgesamt 235.000 bis 250.000 Pflegebedürftige, davon 200.000 bis 210.000 im Alter ab 75 Jahre zu versorgen sein. Das Gutachten kommt auf einen Ausbildungsbedarf von 4.500 bis 5.100 Pflegefachkräften pro Schuljahr zwischen 2015/2016 und 2018/2019. Bei einer Befragung des Leitungspersonals bayerischer Altenpflegeeinrichtungen im Rahmen der Studie ergab sich als vorherrschende Auffassung, dass es in den letzten Jahren schwieriger geworden sei, geeignetes Personal zu finden. Zwei Drittel der Einrichtungen bilden derzeit aus. Auf alle Einrichtungen hochgerechnet stehen jährlich 5.300 neue Ausbildungsplätze zur Verfügung, sodass für die Schuljahre 2015/2016 bis 2018/2019 theoretisch ein ausreichendes Angebot zur Verfügung steht. Allerdings geht die Studie von einem wesentlich höheren Bedarf in 2014/2015 aus, der das vorhandene Angebot um 8.800 überstieg. Die Studie kam auch zu dem Ergebnis, dass Ausbildungsstellen aufgrund des Negativimages der Pflege oft unbesetzt bleiben. Die Bekämpfung des Fachkräftemangels ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Neben den Maßnahmen der Politik müssen Einrichtungsträger, Kostenträger, Einrichtungen und alle übrigen Beteiligten zur Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen zusammenwirken, um ihrer individuellen Verantwortung gerecht zu werden. Die Staatsregierung arbeitet auf mehreren Ebenen, um dem Mangel an Pflegekräften zu begegnen. Seit Anfang 2010 wird erfolgreich die HERZWERKER- Kampagne durchgeführt, um Auszubildende für den Altenpflegeberuf zu gewinnen. Die Kampagne wurde zunehmend erweitert und z. T. auf besondere Zielgruppen zugeschnitten, so z. B. männliche Auszubildende und solche mit Migrationshintergrund . Die Schülerzahlen in der Altenpflege in Bayern sind seit dem Schuljahr 2009/2010 um fast 40 % gestiegen. 2015 haben wir eine Lehrerinformationskampagne gestartet ; über den Verlag Zeitbild Wissen stellen wir Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe über den Altenpflegeberuf zur Verfügung. Das vorhandene Infomaterial der Kampagne wurde um einen Flyer zu den Karrieremöglichkeiten in der Altenpflege ergänzt. Darüber hinaus nimmt das StMGP mit den HERZWERKER-Materialien regelmäßig an Messen teil, z. B. an der Altenpflegemesse, an der ConSozial und an der Berufsbildungsmesse. Bereits im März 2010 wurde das bayerische „Bündnis für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in der Altenpflege“ geschlossen. Bündnispartner sind neben dem StMGP die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in Bayern, die Verbände der freigewerblichen Anbieter sozialer Dienste, der Bayerische Landkreistag, der Bayerische Städtetag, die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern und der Verband der bayerischen Bezirke. Die Sitzungen werden ein- bis zweimal jährlich vom StMGP organisiert. Zusammen mit dem Bund und den anderen Bundesländern wurde im Jahr 2012 die Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive gestartet. Zu den zehn Handlungsfeldern, in deren Bereich Bund und Länder sich verpflichtet haben, besonders aktiv zu sein, gehören u. a. auch die Imagesteigerung des Altenpflegeberufs, Aufstiegswege optimieren, Ausbildungsanstrengungen stärken und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege. Die Bilanz zur „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ legt offen, dass viele Projekte zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen und zu einer Steigerung der Schülerzahlen geführt haben. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12841 Ein weiteres wichtiges Element zur Gewinnung Auszubildender ist auch die Weiterbildungsförderung der Arbeitsagenturen nach § 131 b Absatz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) (s. Antwort zu Frage 3). Insbesondere zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und zur Steigerung der Auszubildendenzahlen hat das StMGP Ende 2014 einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt. Dieser enthält folgende Kernbereiche: • Ausbau der HERZWERKER-Kampagne • bessere Anleitung in der praktischen Ausbildung • Einführung einer Ausbildungsumlage • Projekt zur Verringerung der Zahl von Ausbildungsabbrüchen • Entbürokratisierung des Dokumentationsaufwands Der Initiative folgend hat der Bayerische Landespflegeausschuss in seiner 39. Sitzung im November 2014 eine Unterarbeitsgruppe Ausbildung eingesetzt. Diese hat im Jahr 2015 Eckpunkte für die Einführung einer Ausbildungsumlage erarbeitet. Parallel dazu begleitet das StMGP die Arbeiten des Bundes zum Pflegeberufsgesetz eng. Abhängig von der weiteren Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens zum Pflegeberufsgesetz einschließlich der Übergangsfristen sind die weiteren Entscheidungen zur Ausbildungsumlage zu treffen. Das Pflegeberufsgesetz soll die bisher getrennten Ausbildungswege Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einem einheitlichen Ausbildungsweg zusammenfassen. Das soll dafür sorgen, dass Pflegekräfte breiter aufgestellt sind, in ihrem jeweiligen Beruf vor dem Hintergrund umfassenderen Wissens arbeiten können und flexibler in der Gestaltung ihres individuellen Berufsweges sind. Auch eine weitere Imagesteigerung und Erhöhung der Attraktivität der Ausbildung soll mit der dann kommenden generalistischen Ausbildung einhergehen. Im Rahmen des Pflegeberufsgesetzes ist auch eine Refinanzierung der Kosten der Praxisanleitung sowie ein verpflichtender Mindestumfang von 10 % der praktischen Ausbildungszeit vorgesehen. Daneben ist die Reduzierung der Zahl von Ausbildungsabbrüchen von großer Bedeutung. Um eine solche zu erreichen , müssen die Auszubildenden nicht nur auf die fachlichen, sondern auch auf die psychischen Herausforderungen des Berufes vorbereitet und insbesondere während ihrer Ausbildung entsprechend unterstützt und begleitet werden. Ausweislich des im Auftrag der Bundesministerien für Gesundheit und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellten Gutachtens zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufsgesetzes brechen in Bayern 10,1 % der Altenpflegeschüler die Ausbildung ab. Hier setzt unser ESF-Projekt „Sozialpädagogische Begleitung der Auszubildenden in der Altenpflege“ an. Das Projekt hat im Rahmen der sozialen Innovation gem. Art. 9 ESF-Verordnung ab dem Schuljahr 2015/16 begonnen und wird an neun Berufsfachschulen für Altenpflege durchgeführt . Als vorläufiger Förderzeitraum sind zwei Schuljahre vorgesehen, gefördert wird die sozialpädagogische Begleitung der Auszubildenden in der Altenpflege. Das Fördervolumen alleine aus Landesmitteln liegt bei ca. 200.000 €. Zusätzlich zu den Landesmitteln werden 50 % der Kosten durch den ESF gefördert; 10 % beträgt der Eigenanteil der Träger. Auch die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte kann zur Bewältigung des Fachkräftemangels beitragen. Diese kann unseres Erachtens aber nur ein ergänzender Baustein sein. Die Zentrale Auslandsvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Projekt Triple-Win ins Leben gerufen. Hier werden ausländische Pflegekräfte aus Serbien, Bosnien und Herzegowina, Philippinen, zukünftig auch Tunesien nach Deutschland vermittelt. Es wird bewusst auf die Anwerbung von Fachkräften aus Ländern verzichtet, die selbst eine Mangelsituation im Bereich Pflege aufweisen. Der Schwerpunkt der Altenpflegekraftgewinnung muss auf der Ausbildung und dem Erhalt der Pflegekräfte im Beruf liegen. Zu einer Imagesteigerung kann auch eine Akademisierung der Pflegeausbildung beitragen. Das Rückgrat der Pflege ist und bleibt zwar die beruflich ausgebildete Pflegekraft . Aufstiegsmöglichkeiten und hoch qualifiziertes Leitungspersonal mit zusätzlichem akademischen Hintergrund sind jedoch ergänzend erforderlich und bieten eine größere Spannweite beruflicher Möglichkeiten. Ähnliches gilt für regelmäßige Fort- und Weiterbildungen. Die Möglichkeit, hieran teilzunehmen, sorgt für eine höhere Zufriedenheit im Beruf und erhöht die Chancen, diesen lange erfolgreich auszuüben. Vor dem Hintergrund, dass wir in unserer Gesellschaft immer mehr Demenzkranke haben, wird für Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen vor allem ein fundiertes gerontopsychiatrisches Fachwissen immer wichtiger. Aber auch auf Führungs - und Leitungsebene sind fachliches Wissen und soziale Kompetenzen unverzichtbar. Das StMGP fördert daher Fort- und Weiterbildungen in der Pflege mit etwa 500.000 € pro Jahr. Mit der Verordnung zur Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (AVPfleWoqG) hat die Staatsregierung für zentrale Funktionen in der Altenpflege qualitativ hochwertige staatlich anerkannte Weiterbildungen zur Einrichtungsleitung , Pflegedienstleitung, Praxisanleitung und zur gerontopsychiatrischen Pflege und Betreuung geschaffen . Hier können Fördermöglichkeiten über den ESF, über das Bundesprogramm Bildungsprämie, über das Programm WeGebAU der Bundesagentur für Arbeit sowie über das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz infrage kommen. Im Rahmen des ESF werden bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen anerkannte Fortbildungen in den Bereichen Pflege, Altenhilfe und Gesundheit als ein möglicher Themenbereich im Rahmen der Förderaktion 4 „Qualifizierungen von Erwerbstätigen“ gefördert. Die Schwerpunkte der geförderten Maßnahmen liegen bei der beruflichen Fortbildung oder Vermittlung beruflicher Fähigkeiten und Kenntnisse sowie bei der Einführung oder dem Ausbau von Systemen zur Fortbildung, zur Anpassungsqualifizierung oder von Bildungssystemen im Betrieb. Berufliche Weiterbildungsmaßnahmen werden mit bis zu 50 % der zuschussfähigen Gesamtkosten gefördert. Weiter können aus dem ESF im Rahmen der Förderaktion 9 „Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose und Arbeitslose“ berufliche Maßnahmen im Bereich der Pflege und Altenpflege gefördert werden. Bei den Qualifizierungsmaßnahmen liegt der Schwerpunkt auf der beruflichen Qualifizierung und Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit. Aus dem Bayerischen Arbeitsmarktfonds (AMF) werden Maßnahmen zur Qualifizierung und Arbeitsförderung unterstützt . Seit 2014 wird beispielsweise das AMF-Projekt „Gesund und kompetent älter werden in der Altenpflege“ in Nürnberg gefördert. Ziel des Projektes ist es, auf betrieblicher Ebene die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Drucksache 17/12841 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 alterskritische Arbeitsbedingungen vermieden werden und die Potenziale älter werdender Mitarbeiter/-innen optimal genutzt werden. Des Weiteren können zu hohe und zeitraubende Dokumentationsanforderungen die Zufriedenheit im Beruf beeinträchtigen . Wiederholt hat sich das StMGP deshalb gegen eine überbordende Pflegedokumentation ausgesprochen. Gesetzlich ist lediglich vorgegeben, Pflegeleistungen in der Altenpflege in Bayern nach dem anerkannten Stand des Wissens zu erbringen (§§ 112 ff. Sozialgesetzbuch XI, Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG)). Hierzu gehört zwar auch die nachvollziehbare Dokumentation der Leistungen, in erster Linie als ein Qualitätssicherungsinstrument (Kommunikation, Information). Dabei geht es aber um die Planung eines Pflegeprozesses und nicht um die Dokumentation einzelner Leistungen. Die Verantwortung liegt hier grundsätzlich bei den Einrichtungen. Im Rahmen des für die Politik Möglichen, unterstützt das StMGP die Entbürokratisierungsanstrengungen nachdrücklich. So beinhaltet die seit 01.07.2013 geltende Fassung des PfleWoqG in Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 eine Neuformulierung der Qualitätsanforderung zur Pflegedokumentation. Anstatt der „Pflegeplanung“ soll stärker der an „der Person des Pflegebedürftigen orientierte Pflegeprozess“ in den Vordergrund rücken. Dies eröffnet den Einrichtungen die Möglichkeit, die Anforderungen an die „klassische“ Pflegeplanung zu entbürokratisieren und Erleichterungen in der praktischen Handhabung der Dokumentationspflicht herbeizuführen. Zudem hat das StMGP eine Studie in Auftrag gegeben, den Dokumentationsbedarf aus pflegewissenschaftlicher, juristischer und pflegepraktischer Sicht zu ermitteln. Die bisherigen Erhebungen durch das Statistische Bundesamt (Gutachten „Bürokratie-Abbau“ vom März 2013) fokussierten sich auf den Zeitaufwand für die Pflegedokumentation und somit die entstehenden Kosten. Mit der Studie sollte der Stand des Wissens zu zwingend erforderlichen Dokumentationen in der Altenpflege hinreichend aufgezeigt werden. Das Ergebnis liegt seit Ende des Jahres 2014 vor und bestätigt die vorherrschende Expertenmeinung: • Hauptelement für die Qualität und Effektivität bzw. Effizienz der Pflegedokumentation sind die Nutzerinnen und Nutzer. • Weitere Faktoren sind mittelbare Unterstützungsfaktoren (Qualitätssicherung, Dokumentationstechnik, Arbeitsorganisation etc.). • Geringster Faktor sind externe Anforderungen. • Berufs-, Haftungs- und Patientenrecht legitimieren die Pflicht zur Pflegedokumentation. • Die haftungsrechtliche Bedeutung der Pflegedokumentation ist undifferenziert, vorfachlich und ohne relevanten Risikobezug konstruiert. • Es besteht keine gesetzliche Vorgabe hinsichtlich Konzeption , Ausgestaltung und Differenzierung der Pflegedokumentation . • Minimal-Bausteine: individueller Bedarfsnachweis, Planungsnachweis (individueller selbstbestimmter Teilhabeplan ), Durchführungsnachweis für Behandlungspflege, Pflegebericht der Pflegeinterventionen und der Zielerreichungsnachweis . Der pflegewissenschaftliche Stand ist zugrunde zu legen. Auch das von der Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) der Landeshauptstadt München an fünf Seniorenheimen in München mit Begleitung des damals für die Pflege noch zuständigen Sozialministeriums und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation durchgeführte Projekt „ReduDok“ zeigt, dass mit wenigen Formblättern eine qualitativ gute Pflege, die dennoch den Anforderungen der Prüfbehörden entspricht, erfolgen kann. Das unter Begleitung von Frau Beikirch als Ombudsfrau durchgeführte Projekt der Bundesregierung zur „Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“ ist ebenfalls geeignet, überzogene Dokumentationen zu vermeiden oder zu reduzieren. Der Bayerische Landespflegeausschuss hat hierzu am 25.11.2014 beschlossen, ein Begleitgremium zur Umsetzung der Erkenntnisse einzusetzen. Frau Staatsministerin a. D. Christa Stewens wurde als Vorsitzende des Begleitgremiums bestellt. Das Begleitgremium hat bisher dreimal getagt. Den Grundsätzen der Selbstverwaltung entsprechend muss jede stationäre Einrichtung der Pflege bzw. deren Leitung selbst entscheiden, welche Methode sie zur Dokumentation oder deren Entbürokratisierung benutzt. Diese zahlreichen Maßnahmen der Politik verfolgen alle dasselbe Ziel, nämlich die Bekämpfung des Fachkräftemangels und die langfristige Verbesserung der Personalsituation vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Es liegt in der Natur einer und auch dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, dass diese Maßnahmen aber nur fruchten können, wenn alle anderen Beteiligten ihrer Verantwortung vor Ort und persönlich ebenso gerecht werden. Das bringt für die Einrichtungen und ihre Träger die Verpflichtung mit sich, die gebotenen Mittel ausschöpfen zu müssen, um die Attraktivität des Pflegeberufs, z. B. hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Vergütung, zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Bezahlung von Pflegepersonal nach Tariflohn. Bereits im Dezember 2013 hatte der Landespflegeausschuss auf Initiative des StMGP beschlossen, dass tatsächlich gezahlte Tariflöhne in den Pflegesatzverhandlungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden können. Auf Initiative Bayerns wurde dieser Grundsatz im Rahmen des Ersten Pflegestärkungsgesetzes in das SGB XI aufgenommen . Auch die Versichertengemeinschaft ist in der Pflicht, den Kostenanstieg infolge von Leistungsverbesserungen, Personalerhöhung oder Ausbildungskostensteigerung zu tragen . Und schließlich muss jeder Einzelne seine persönliche Verantwortung wahrnehmen. Die Pflegeversicherung ist ein wichtiger Teil unseres Sozialversicherungssystems. Sie ist jedoch nur als Teilkostenversicherung konzipiert. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen daher bereit sein, zur individuellen Altersvorsorge beizutragen, zu der auch Investitionen in das Pflegepersonal zählen.