Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze, Ulrike Gote BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 03.08.2016 Umgang mit rechtsextremistisch motivierten Straf- und Gewalttaten II: Schulungsangebote im Bereich der Justiz In einer aktuellen Studie („Leben in Unsicherheit. Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt“) stellt Amnesty International im Bereich der Justiz große Defizite bei der Strafverfolgung von rassistisch motivierten Straf- und Gewalttaten fest: „Trotz vorhandener Gesetze und Richtlinien, nach denen Staatsanwaltschaft und Gericht in Deutschland alle mutmaßlich diskriminierenden Tatmotive bei den Ermittlungen und der Strafzumessung berücksichtigen müssen, zeigen die Justizbehörden nach wie vor wenig Bereitschaft, dieser Verpflichtung nachzukommen, obwohl es in letzter Zeit eine Reihe positiver Reformen gab.“ (https://www.amnesty.de/files/Amnesty-Bericht-Rassisti sche-Gewalt-in-Deutschland-Juni2016.pdf) Eine der Forderungen von Amnesty International sind daher verstärkte Weiterbildungsangebote für Staatsanwältinnen/Staatsanwälte und Richterinnen/Richter zu vorurteilsmotivierten Straftaten, Rassismus und Diskriminierung. Auch die Justizministerinnen und -minister von Bund und Ländern haben am 17. März 2016 in einer gemeinsamen Erklärung Folgendes festgehalten: „Wir wollen die Richterinnen und Richter sowie die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dabei unterstützen, dass auch die Justiz auf den starken Anstieg fremdenfeindlicher und hassmotivierter Straftaten angemessen reagieren kann. Die Länder begrüßen die Anstrengungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, mithilfe eines externen Projektträgers und in enger Kooperation mit den Ländern spezifische Fortbildungsmodule zu entwickeln “ (http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Artikel/03172016_Abschlusserkl%C3%A4rung_Justizgipfel. pdf?__blob=publicationFile&v=1). Vor diesem Hintergrund fragen wir die Staatsregierung: 1.1 Welche Weiterbildungsmaßnahmen für bayerische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte werden speziell im Bereich vorurteilsmotivierter Straftaten, Rassismus und Diskriminierung angeboten? 1.2 Wie viele konkrete Schulungsmaßnahmen wurden in den vergangenen drei Jahren durchgeführt und wie viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wurden davon erreicht? 1.3 Welche dieser Maßnahmen haben obligatorischen und welche haben freiwilligen Charakter? 2. Wie steht die Staatsregierung zu der Forderung nach obligatorischen Weiterbildungsmaßnahmen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu vorurteilsmotivierten Straftaten, Rassismus und Diskriminierung? 3.1 Welche Weiterbildungsangebote gibt es für bayerische Richterinnen und Richter speziell im Bereich vorurteilsmotivierter Straftaten, Rassismus und Diskriminierung ? 3.2 Wie viele konkrete Schulungsmaßnahmen wurden in den vergangenen drei Jahren durchgeführt und wie viele Richterinnen und Richter wurden davon erreicht? 4. Ab wann und in welchem Umfang sollen die von den Justizministerinnen und -ministern von Bund und Ländern angestrebten Fortbildungsmodule (siehe Vorbemerkung ) in Bayern angeboten werden? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 11.08.2016 1.1 Welche Weiterbildungsmaßnahmen für bayerische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte werden speziell im Bereich vorurteilsmotivierter Straftaten, Rassismus und Diskriminierung angeboten? Drei- bis fünfmal im Jahr veranstaltet das Staatsministerium der Justiz Einführungslehrgänge für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Der erste Beitrag auf diesen Tagungen mit dem Titel „Ausgewählte Probleme aus der staatsanwaltlichen Praxis“ beinhaltet die Problematik des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. Dabei werden insbesondere die Prüfung eines möglichen rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrundes bei Gewaltdelikten gegen Opfer mit Migrationshintergrund, die Überprüfung des sozialen und familiären Hintergrunds des Opfers sowie die Einbeziehung des Landesamtes für Verfassungsschutz, der Staatsschutzdienststellen sowie der politischen Abteilungen der Staatsanwaltschaften behandelt. Am 7. Februar 2017 wird vom Staatsministerium der Justiz eine eintägige Fortbildungsveranstaltung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter zum Thema „Strafverfolgung im Bereich des politischen Extremismus und Terrorismus“ angeboten werden. Die Referenten, Herr Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Beck und Frau Staatsanwältin als Gruppenleiterin Henkel, werden insbesondere auf die verschiedenen Bereiche des politischen Extremismus und auf die damit einhergehenden typischen Delikte eingehen. Zudem werden die Referenten auf Besonderheiten bei Gerichtsverhandlungen hinweisen und Hinweise zur Sachbearbeitung geben. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.10.2016 17/12854 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12854 Darüber hinaus stehen für bayerische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter in begrenzter Zahl Plätze an verschiedenen bundesweit angebotenen mehrtägigen Fortbildungen der Deutschen Richterakademie (DRA) zu dem Thema Rechtsextremismus zur Verfügung. 1.2 Wie viele konkrete Schulungsmaßnahmen wurden in den vergangenen drei Jahren durchgeführt und wie viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wurden davon erreicht? Im Jahr 2013 wurden 3 Einführungsveranstaltungen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mit insgesamt 110 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt, im Jahr 2014 insgesamt 4 Einführungsveranstaltungen mit insgesamt 143 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und im Jahr 2015 ebenfalls 4 Einführungsveranstaltungen mit insgesamt 143 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Im Jahr 2016 haben bereits 4 Einführungsveranstaltungen mit insgesamt 119 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattgefunden; eine weitere Veranstaltung ist für Oktober geplant. An der Deutschen Richterakademie (DRA) wird einmal im Jahr die Tagung „Politischer Extremismus – Herausforderung für Gesellschaft und Justiz“ angeboten, die in den Jahren 2013 bis 2016 von insgesamt 5 bayerischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten besucht wurde. Die Tagung „Rechtsradikalismus und Neonazismus – neue Tendenzen“ fand in den Jahren 2013 bis 2016 insgesamt dreimal unter Teilnahme von 2 bayerischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten statt. 1.3 Welche dieser Maßnahmen haben obligatorischen und welche haben freiwilligen Charakter? Die Teilnahme an den Einführungstagungen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist verbindlich, die Teilnahme an den genannten übrigen Tagungen ist freiwillig. 2. Wie steht die Staatsregierung zu der Forderung nach obligatorischen Weiterbildungsmaßnahmen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu vorurteilsmotivierten Straftaten, Rassismus und Diskriminierung ? Siehe Antworten zu den Fragen 1.1 und 1.3. Für bayerische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist die Teilnahme an den Einführungstagungen verpflichtend, auf denen die Problematik des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus behandelt wird. 3.1 Welche Weiterbildungsangebote gibt es für bayerische Richterinnen und Richter speziell im Bereich vorurteilsmotivierter Straftaten, Rassismus und Diskriminierung? Siehe Antwort zu der Frage 1.1. Die Veranstaltung des Staatsministeriums der Justiz am 7. Februar 2017 zum Thema „Strafverfolgung im Bereich des politischen Extremismus und Terrorismus“ ist auch für Richterinnen und Richter ausgeschrieben. Die Deutsche Richterakademie (DRA) sieht für ihre genannten Tagungen ebenfalls die Teilnahme von Richterinnen und Richtern vor. Daneben stehen bayerischen Richterinnen und Richtern auf europäischer Ebene in begrenzter Anzahl Plätze an Tagungen zur Verfügung, die vom European Judicial Training Network (EJTN) veranstaltet werden. Im Jahr 2015 organisierte das vom European Judicial Training Network (EJTN) eine Tagung zum Thema „Training zur Bekämpfung des Terrorismus und Radikalisierung zu gewalttätigem Extremismus “. 3.2 Wie viele konkrete Schulungsmaßnahmen wurden in den vergangenen drei Jahren durchgeführt und wie viele Richterinnen und Richter wurden davon erreicht? An der Tagung „Politischer Extremismus – Herausforderung für Gesellschaft und Justiz“ der Deutschen Richterakademie (DRA) nahmen in den Jahren 2013 bis 2016 insgesamt 16 bayerische Richterinnen und Richter teil, an der Tagung „Rechtsradikalismus und Neonazismus – neue Tendenzen“ in den Jahren 2013 bis 2016 insgesamt 10 bayerische Richterinnen und Richter und an der im Jahr 2014 veranstalteten Tagung „Rechtsextremismus“ 4 bayerische Richterinnen und Richter. An der Tagung des European Judicial Training Network (EJTN) zum Thema „Training zur Bekämpfung des Terrorismus und Radikalisierung zu gewalttätigem Extremismus“ im Jahr 2015 nahm ein bayerischer Richter teil. Im Übrigen ist anzumerken, dass sämtliche bayerischen Richterinnen und Richter am Amtsgericht, am Landgericht und am Oberlandesgericht vor ihrer richterlichen Tätigkeit als Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gearbeitet haben. Dementsprechend werden durch Schulungsmaßnahmen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Richterinnen und Richter ebenfalls erreicht. 4. Ab wann und in welchem Umfang sollen die von den Justizministerinnen und -ministern von Bund und Ländern angestrebten Fortbildungsmodule (siehe Vorbemerkung) in Bayern angeboten werden ? Als Folge des vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 17. März 2016 veranstalteten „Justizgipfels gegen extremistische Gewalt“ wurde das Projekt „Entwicklung von Fortbildungsmodulen für Strafjustiz und Staatsanwaltschaft im Themenfeld Rassismus des BMJV in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte “ ins Leben gerufen. Für die Entwicklung von Fortbildungsmodulen werden zunächst zwei „Modellländer“ ausgewählt werden. Für Bayern wurde hierzu bereits Interesse bekundet, was bei einem Treffen der Fortbildungsreferentinnen und Fortbildungsreferenten der Landesjustizverwaltungen am 4. Juli 2016 im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seitens der Vertreter des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wie des Deutschen Instituts für Menschenrechte auf sehr positive Resonanz traf. Von den übrigen vertretenen Ländern wurde allein durch Sachsen-Anhalt Interesse an einer Mitwirkung als „Modellland“ geäußert. Es besteht daher große Zuversicht, dass Bayern eines der ersten Bundesländer sein wird, das die angestrebten Fortbildungsmodule anbieten wird.