Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 18.07.2016 Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) bei Unwetter katastrophen Ich frage die Staatsregierung: 1. Bei welchen Vorkommnissen in Bayern haben in den Jahren 2010–2016 Hilfsorganisationen im Rahmen der psychosozialen Notfallversorgung geholfen (bitte aufgelistet nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? 2. Über welchen Zeitraum haben sich die Einsätze der psychosozialen Notfallversorgung erstreckt (bitte aufgelistet nach Einsatzfällen mit Angabe des Zeitraums in Wochen)? 3. a) Welche Finanzmittel wurden den für die unter Frage 1 genannten Fälle für die psychosoziale Notfallversorgung erstattet? b) Wie hoch war der Eigenanteil der Hilfsorganisationen (bitte aufgelistet nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? 4. Im Rahmen welcher vorgegebenen Standards werden derzeit in Bayern Hilfsorganisationen in die psychosoziale Notfallversorgung einbezogen? 5. Wie ist in Bayern die Finanzierung der psychosozialen Notfallversorgung strukturiert? 6. Erachtet es die Staatsregierung als sinnvoll, die psychosoziale Notfallversorgung in den Katastrophenschutz zu integrieren (beispielsweise mit Schulungen auf allen Verwaltungsebenen des Zivil- und Katastrophenschutzes einschließlich Konzeptentwicklung bei speziellen Fragestellungen)? 7. Inwieweit existiert derzeit bereits eine strukturelle Einbindung der psychosozialen Notfallversorgung in den Katastrophenschutz etwa über Einsatzpläne und Führungsorganisationen sowie eine regionale und überregionale Vernetzung? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 28.08.2016 1. Bei welchen Vorkommnissen in Bayern haben in den Jahren 2010–2016 Hilfsorganisationen im Rah men der psychosozialen Notfallversorgung gehol fen (bitte aufgelistet nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? Eine solche Statistik wird von uns nicht geführt. Da die Helfer der PSNV in vielen verschiedenen Organisationen beheimatet und in unterschiedlichen Strukturen aufgebaut sind, ist eine Auflistung der Vorkommnisse, in denen die PSNV zum Einsatz kam, mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Beispielhaft genannt werden können: Einsturz Eissporthalle Bad Reichenhall, Hochwasserkatastrophe Deggendorf, Zug unglück Bad Aibling, Unwetterkatastrophe Simbach, Anschlag Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) München! 2. Über welchen Zeitraum haben sich die Einsätze der psychosozialen Notfallversorgung erstreckt (bitte aufgelistet nach Einsatzfällen mit Angabe des Zeitraums in Wochen)? Auch diese Frage können wir mit vertretbarem Aufwand nicht beantworten. 3. a) Welche Finanzmittel wurden den für die unter Fra ge 1 genannten Fälle für die psychosoziale Notfall versorgung erstattet? Einsatzkräfte der PSNV haben, soweit sie bei einem Massenanfall von Verletzten von der Integrierten Leitstelle als Unterstützung alarmiert werden, die gesetzlichen Freistellungs - und Entgeltfortzahlungsansprüche gemäß Art. 33 a des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG) i. V. m. § 44 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG). Die Abrechnung dieser Rettterfreistellung erfolgt zentral durch die Regierung der Oberpfalz. Dieser liegen keine auswertbaren Daten speziell zu Einsätzen der Kräfte der PSNV vor. b) Wie hoch war der Eigenanteil der Hilfsorganisati onen (bitte aufgelistet nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? Über die Aufwendungen der Hilfsorganisationen liegen uns keine Daten vor. 4. Im Rahmen welcher vorgegebenen Standards wer den derzeit in Bayern Hilfsorganisationen in die psychosoziale Notfallversorgung einbezogen? Die Führungsorganisation und die Raumordnung an einer Einsatzstelle können aufgrund der unterschiedlichsten Einsatzszenarien nicht allgemeingültig vorgegeben werden. Diese Strukturen müssen immer im Einzelfall beurteilt und auf den durch die Lage beschriebenen tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden. Dazu bedarf es einer hohen Flexibilität Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.10.2016 17/12875 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12875 und eines Gestaltungsspielraums. Die Organisation einer Einsatzstelle und der Aufbau der Führungsorganisation richtet sich im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr nach der Führungsdienstvorschrift DV/FwDV 100. Hiernach kann der Aufgabenbereich PSNV als aufgabenbezogener Einsatzabschnitt eingerichtet werden. Der dafür eingesetzte Einsatzabschnittsleiter untersteht dem jeweiligen Einsatzleiter , berät diesen, schlägt Maßnahmen für seinen Abschnitt vor und setzt die Entscheidungen des Einsatzleiters/der Einsatzleitung um. Dabei ist auf dieser Führungsebene von einer Auftragstaktik auszugehen, die Ziele definiert, aber die konkrete Umsetzung im fachlichen Ermessen des Einsatzabschnittsleiters PSNV belässt. 5. Wie ist in Bayern die Finanzierung der psychosozi alen Notfallversorgung strukturiert? Die freiwilligen Hilfsorganisationen oder sonstigen Organisationen sind zur Aufstellung von PSNV-Einsatzgruppen oder gar zur Anschaffung bestimmter Fahrzeuge oder sonstiger Ausrüstung gesetzlich nicht verpflichtet. Die für die Unterhaltung anfallenden Kosten tragen daher die Organisationen , für die die PSNV-Kräfte tätig werden, grundsätzlich selbst. Werden PSNV-Kräfte im Rahmen eines Einsatzes tätig, so hängt die Frage, wer für die erforderlichen Aufwendungen – etwa für mögliche Entgeltfortzahlungserstattungen – aufzukommen hat, von der Art des Einsatzes und der Organisationsform der PSNV-Kräfte ab: • Sind PSNV-Einheiten beispielsweise als Feuerwehrdienstleistende bei einer gemeindlichen Feuerwehr angesiedelt , hat grundsätzlich die jeweilige Gemeinde als Trägerin der gemeindlichen Feuerwehr die Einsatzkosten zu tragen. • Auch wenn PSNV-Kräfte im Katastrophenfall eingesetzt werden, haben grds. ihre jeweiligen Trägerorganisationen ihre Aufwendungen selbst zu tragen, vgl. Art. 11 Abs. 1 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (BayKSG). Sie können ihre Kosten in Teilen aus dem Katastrophenschutzfond ersetzt erhalten. • Sind PSNV-Kräfte nicht bei einer gemeindlichen Feuerwehr angesiedelt und liegt kein Katastrophenfall vor, so stehen ihnen die gesetzlichen Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsansprüche des Art. 33 a BayRDG gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 AVBayRDG dann zu, wenn sie bei einem Massenanfall von Verletzten Unterstützung leisten und von der Integrierten Leitstelle alarmiert werden. In diesen Fällen erstattet der Staat den Trägerorganisationen die notwendigen Aufwendungen, vgl. Art. 33 a Abs. 6 Satz 1 BayRDG. • Derzeit befindet sich ein vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr erarbeitetes Gesetz zur Änderung des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes in der Verbandsanhörung. In dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, Art. 33 a BayRDG für bestimmte Unterstützungsgruppen wie etwa eine Schnell-Einsatz-Gruppe PSNV unter gewissen Voraussetzungen auch unterhalb eines Massenanfalls von Verletzten entsprechend anzuwenden . Wiederum würde der Staat den Trägerorganisationen die notwendigen Aufwendungen i. S. d. Art. 33 a BayRDG erstatten. 6. Erachtet es die Staatsregierung als sinnvoll, die psychosoziale Notfallversorgung in den Katas trophenschutz zu integrieren (beispielsweise mit Schulungen auf allen Verwaltungsebenen des Zi vil und Katastrophenschutzes einschließlich Kon zeptentwicklung bei speziellen Fragestellungen)? Im Bayerischen Katastrophenschutz können die Einheiten der PSNV je nach Bedarf bei den vorgeplanten Strukturen angefordert werden. In verschiedenen Lehrgängen werden Informationen über die Organisationsstruktur und Anforderungswege der PSNV vermittelt, z. B. in den Lehrgängen Führungsgruppe Katastrophenschutz für die Kreisverwaltungsbehörden, Organisatorischer Leiter Rettungsdienst und Zugführer der Feuerwehr . 7. Inwieweit existiert derzeit bereits eine strukturelle Einbindung der psychosozialen Notfallversorgung in den Katastrophenschutz etwa über Einsatzpläne und Führungsorganisationen sowie eine regionale und überregionale Vernetzung? Zur Sicherstellung einer einheitlichen Qualität in der PSNV hat das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr eine Zentralstelle für PSNV an der Staatlichen Feuerwehrschule Geretsried installiert. Die Staatliche Feuerwehrschule Geretsried richtet zusätzlich zur Landeszentralstelle PSNV eine Koordinierungsgruppe im Akutfall ein, die sich auch aus Vertretern der Angebotsträger PSNV in Bayern zusammensetzt. Sie dient der Unterstützung der Landeszentralstelle PSNV in besonderen Schadenlagen und Katastrophen. Die wichtigsten Aufgaben umfassen die Lagefeststellung zur psychosozialen Betreuung in der Akutphase, die Beratung der Einsatzleitung (Fachberater PSNV) und die Organisation und Leitung des Abschnittes PSNV (im Auftrag der Einsatzleitung) sowie die Alarmierung von PSNV-Kräften aus Bayern (im Auftrag der Einsatzleitung), die Koordinierung der eingesetzten Kräfte und die Vorbereitung/Übergabe an die Regelversorgung im Gesundheitswesen.