Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.07.2016 Weitergabe von Fahrzeugdaten Vor Kurzem wurde durch eine Veröffentlichung des ADAC bekannt, dass unter anderem Fahrzeuge der Marken BMW, Mercedes und Renault Daten sammeln, die Rückschlüsse nicht nur auf den Zustand des Fahrzeuges selbst, sondern auch auf den Fahrzeughalter zulassen. Dazu gehören unter anderem auch Positionsdaten, die an die Hersteller gesendet werden. Die nordrhein-westfälische Polizei hat inzwischen reagiert und verlangt explizit die Abschaltung der in den Fahrzeugen verbauten SIM-Karten zur Datenübertragung bei Autos, die von der Landespolizei geordert werden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung in diesem Zusammenhang über die automatische Sammlung und Weitergabe von Fahrzeugdaten an die Fahrzeughersteller bei im Freistaat gefertigten oder vertriebenen Kraftfahrzeugen? 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung insbesondere über die Übermittlung personenbezogener Daten? 2. Werden Daten in solch einer Qualität und so einem Ausmaß übermittelt, dass es möglich ist, Bewegungsprofile der Fahrzeuge zu erstellen? 2.1 Wenn ja, wodurch ist das gerechtfertigt? 2.2 Wenn ja, liegen nach Ansicht der Staatsregierung in diesen Fällen wirksame Einwilligungen der Fahrzeughalter zur Verarbeitung ihrer Daten vor? 3. Sieht die Staatsregierung die Weitergabe solcher fahrzeug - und halterbezogenen Daten generell als einwilligungsfähig an? 3.1 Wenn ja, ist nach Ansicht der Staatsregierung eine aktive Einwilligung der Fahrzeughalter zur Übermittlung und Verarbeitung dieser Daten notwendig? 3.2 Wenn ja, finden diese Einwilligungsmechanismen in den bislang bekannten Fällen der Datenübermittlung an Fahrzeughersteller Anwendung? 4. Wie bewertet die Staatsregierung diese Entwicklungen auf dem Fahrzeugmarkt vor dem Hintergrund der Gebote zu Datenschutz und Datensparsamkeit? 5. Wie detailliert werden Fahrzeughalter im Falle einer Einwilligung in diesen Fällen über die zu erhebenden Daten informiert? 6. Sieht die Staatsregierung Handlungsbedarf bezüglich der Umsetzung des BayDSG, was die Einwilligung zur Übermittlung solcher fahrzeug- und halterbezogenen Daten angeht? 6.1 Wurde die Staatsregierung in den bislang bekannten Fällen, in denen Daten, die Rückschlüsse beispielsweise auf Aufenthaltsort oder Fahrverhalten zulassen, bereits tätig? 7. Existieren im Fuhrpark des Freistaates ebenfalls Fahrzeuge mit automatischer Datenübertragung an die Fahrzeughersteller? 7.1 Plant die Staatsregierung im Bezug auf die auf den Freistaat zugelassenen Fahrzeuge ähnliche Schritte wie die nordrhein-westfälische Polizei? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 28.08.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage bezieht sich auf eine Veröffentlichung des ADAC zu Daten, die in aktuellen Fahrzeugmodellen erzeugt, gespeichert und durch diese gesendet werden . Vom ADAC wurden dazu ein Fahrzeug der Mercedes B-Klasse mit dem System me-connect und ein Renault Zeo untersucht. Bereits im Vorjahr wurde vom ADAC ein BMW 320d und in Auszügen ein BMW i3 überprüft (Quelle: https:// www.adac.de/infotestrat/adac-im-einsatz/motorwelt/daten krake_auto.aspx, Stand 18.07.2016). Der ADAC beanstandet dabei, dass die Fahrzeuge in großer Menge Daten an Hersteller übermitteln, ohne dass der Verbraucher davon wisse. Auch sollten die Autofahrer selbst über die Verwendung ihrer Daten bestimmen können. Von den Herstellern BMW und Daimler werden diese Vorwürfe zurückgewiesen. Sie erklären, dass die Verbraucher detailliert informiert werden, welche Daten übermittelt werden , und entscheiden können, welche Funktionalitäten sie tatsächlich nutzen wollen. (http://www.t-online.de/wirtschaft/unternehmen/id_ 77987044/bmw-und-daimler-weisen-adac-vorwurf-zu-fehlender -datentransparenz-zurueck.html, Stand 18.07.2016) Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.10.2016 17/12879 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12879 Nach Presseberichten hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen bei Neuanschaffung von Dienstwägen der Marke BMW die Datenübermittlung vertraglich ausgeschlossen. (https://netzpolitik.org/2016/neue-streifenwagen-in-nrwuebermitteln -keine-daten-an-bmw/, Stand: 18.07.2016) 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung in diesem Zusammenhang über die automatische Sammlung und Weitergabe von Fahrzeugdaten an die Fahrzeughersteller bei im Freistaat gefertigten oder vertriebenen Kraftfahrzeugen? 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung insbesondere über die Übermittlung personenbezogener Daten? Die Genehmigung von Serienfahrzeugen fällt nicht in den Aufgabenbereich des Freistaates. Die Fahrzeugtypen werden von den Typgenehmigungsbehörden eines Mitgliedstaates der EU geprüft und freigegeben. Aufgrund allgemein verfügbarer Informationsquellen ist gleichwohl davon auszugehen , dass in neueren Fahrzeugmodellen, die in Bayern hergestellt oder vertrieben werden, Technologien verbaut sind, die eine Datenübermittlung an den Fahrzeughersteller ermöglichen. Details der übermittelten Datenstruktur und die zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen der einzelnen Fahrzeughersteller sind der Staatsregierung nicht bekannt. 2. Werden Daten in solch einer Qualität und so einem Ausmaß übermittelt, dass es möglich ist, Bewegungsprofile der Fahrzeuge zu erstellen? 2.1 Wenn ja, wodurch ist das gerechtfertigt? 2.2 Wenn ja, liegen nach Ansicht der Staatsregierung in diesen Fällen wirksame Einwilligungen der Fahrzeughalter zur Verarbeitung ihrer Daten vor? Der Staatsregierung ist nicht bekannt, in welcher Qualität die Daten der einzelnen Fahrzeughersteller übermittelt werden . Daher kann keine Aussage getroffen werden, ob damit Bewegungsprofile der Fahrzeuge erstellt werden können. Die vertraglichen Vereinbarungen, die von den Fahrzeugherstellern mit einzelnen Verbrauchern geschlossen werden , sind nicht bekannt. Ausweislich der Presseerklärungen der Hersteller Daimler und BMW sollen Einwilligungen zu Datenübermittlungen Gegenstand der Verträge sein. Die Beurteilung der Wirksamkeit datenschutzrechtlicher Einwilligungserklärungen obliegt unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden , deren Bewertung die Staatsregierung nicht vorgreifen kann. 3. Sieht die Staatsregierung die Weitergabe solcher fahrzeug- und halterbezogenen Daten generell als einwilligungsfähig an? 3.1 Wenn ja, ist nach Ansicht der Staatsregierung eine aktive Einwilligung der Fahrzeughalter zur Übermittlung und Verarbeitung dieser Daten notwendig ? 3.2 Wenn ja, finden diese Einwilligungsmechanismen in den bislang bekannten Fällen der Datenübermittlung an Fahrzeughersteller Anwendung? Eine generelle Antwort auf diese Fragen ist nicht möglich, weil die Beurteilung von vielen Randbedingungen abhängig ist. Ob die Einwilligung freiwillig und in Kenntnis aller Umstände abgegeben worden ist, kann letztlich nur unter umfassender Würdigung des Einzelfalls geklärt werden (vgl. §§ 4 und 4 a des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)). Im Übrigen gehen die unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder in einem Positionspapier davon aus, dass personenbezogene Fahrzeugdaten datenschutzkonform auf der Grundlage von Vertragsvereinbarungen oder Einwilligungen verarbeitet werden dürfen (vgl. im Einzelnen Gemeinsame Erklärung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder und des Verbandes der Automobilindustrie – VDA, Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge, Ziffer 4, https://www.vda. de/de/themen/innovation-und-technik/vernetzung/gemeinsa me-erklaerung-vda-und-datenschutzbehoerden-2016.html). Ob und in welchem Umfang die oben genannten Anforderungen eingehalten werden, obliegt der Kontrollverantwortung der unabhängigen Datenschutzbehörden. Aus diesem Grund liegen der Staatsregierung keine spezifischen Erkenntnisse vor. 4. Wie bewertet die Staatsregierung diese Entwicklungen auf dem Fahrzeugmarkt vor dem Hintergrund der Gebote zu Datenschutz und Datensparsamkeit ? Automatisierte Fahrfunktionen sowie weitere, mithilfe zusätzlich gewonnener Daten mögliche Funktionen vernetzter Fahrzeuge können nachhaltig zur Verbesserung der Verkehrssicherheit , einer Erhöhung der Verkehrseffizienz, einer besseren Umweltverträglichkeit und der Erhöhung des individuellen Fahrkomforts beitragen. Gerade die Erhöhung der Verkehrssicherheit, insbesondere der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs bzw. die Leistungsfähigkeit der Verkehrswege, zählen zu den Kernanliegen der Staatsregierung . Die Staatsregierung geht dabei zugleich davon aus, dass die für automatisierte und vernetzte Fahrzeugfunktionen notwendigen Verfahren zur Verarbeitung personenbezogener Daten die Anforderungen des geltenden europäischen und nationalen Datenschutzrechts einhalten. 5. Wie detailliert werden Fahrzeughalter im Falle einer Einwilligung in diesen Fällen über die zu erhebenden Daten informiert? Allgemeine Anforderungen zur Information von Fahrzeughaltern über die zu erhebenden Daten im Fall einer Einwilligung ergeben sich aus dem Positionspapier der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (vgl. im Einzelnen Gemeinsame Erklärung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder und des Verbandes der Automobilindustrie – VDA, Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge, Ziffern 4 und 5). Die Überwachung obliegt der Kontrollverantwortung der unabhängigen Datenschutzbehörden. 6. Sieht die Staatsregierung Handlungsbedarf bezüglich der Umsetzung des BayDSG, was die Einwilligung zur Übermittlung solcher fahrzeug- und halterbezogenen Daten angeht? 6.1 Wurde die Staatsregierung in den bislang bekannten Fällen, in denen Daten, die Rückschlüsse beispielsweise auf Aufenthaltsort oder Fahrverhalten zulassen, bereits tätig? Die Staatsregierung sieht keinen Handlungsbedarf „bezüglich der Umsetzung des BayDSG“. Das Verhältnis zwischen Drucksache 17/12879 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Fahrzeughersteller und Fahrzeughalter unterliegt grundsätzlich den Anforderungen des BDSG und ab 25. Mai 2018 den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung. 7. Existieren im Fuhrpark des Freistaates ebenfalls Fahrzeuge mit automatischer Datenübertragung an die Fahrzeughersteller? Bei den staatlichen Stellen sind auch Dienstfahrzeuge im Einsatz, die mit einer deaktivierbaren Software zur automatischen Datenübertragung an die Fahrzeughersteller ausgestattet sind. 7.1 Plant die Staatsregierung im Bezug auf die auf den Freistaat zugelassenen Fahrzeuge ähnliche Schritte wie die nordrhein-westfälische Polizei? Im Hinblick darauf, dass nach einer EU-Regelung ab dem 31. März 2018 alle Neuwagen mit einem elektronischen Notfallsystem (u. a. Weitergabe der Fahrzeugdaten an eine zentrale Stelle) ausgestattet sein müssen, sind derzeit keine Maßnahmen für einen vertraglichen Ausschluss der Datenübermittlung geplant. Bei der Bayerischen Polizei werden als Standard-Streifenwagen gegenwärtig vorwiegend Fahrzeuge der BMW AG eingesetzt. Diese Fahrzeuge verfügen serienmäßig über eine SIM-Karte und es werden in den Polizeifahrzeugen nur bestimmte Dienste des BMW ConnectedDrive freigeschaltet und genutzt, wie z. B. der intelligente Notruf und aktuelle Verkehrsinformationen. Aufgrund der Regelungslage in den Geschäftsbedingungen der BMW AG zum Datenschutz der ConnectedDrive- Dienste sehen wir gegenwärtig keine Veranlassung, eine Datenübermittlung wie die Polizei in NRW gänzlich zu deaktivieren . Bei Bedarf können für besondere Einsatzzwecke die ConnectedDrive-Dienste in einzelnen Fahrzeugen jederzeit deaktiviert werden. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12879