Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Johann Häusler FREIE WÄHLER vom 12.08.2016 Transparenz hinsichtlich der aktuellen Verfahrensschritte beim Polderbau Die geplante Errichtung von Flutpoldern zum Hochwasserschutz am Donaulauf sorgt in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries seit Monaten für kontroverse Diskussionen. Leider bleibt der von der Staatsregierung initiierte und vom österreichischen Büro Tatwort moderierte „ergebnisoffene Dialog“ mit den betroffenen Menschen in der Region bislang weit hinter den Erwartungen der beteiligten Grundeigentümer , Bürgerinitiativen und der kommunalen Familie zurück. Für zusätzliche Verwirrung und Verunsicherung sorgte in den letzten Tagen das Gerücht, es seien Ausschreibungen und Vergaben von Aufträgen zur weiteren Untersuchung der Planungsräume vorgenommen worden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Wurden tatsächlich Ausschreibungen und Vergaben im Hinblick auf eine weitere Untersuchung der Planungsräume in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries vorgenommen ? 2. Wenn ja: Welches konkrete Aufgabenprofil verfolgen diese Untersuchungen und an wen wurden die betreffenden Aufträge zu welchem Angebotspreis vergeben? 3. Wann und durch wen wurde das österreichische Büro Tatwort mit der Moderation der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Hochwasserdialogs beauftragt? 4. Welche Aufgabendefinition wurde im Zuge dieser Beauftragung durch wen definiert? 5. Von wem wird die Dienstleistung des Büros Tatwort in welcher Höhe bezahlt? 6. Hält die Staatsregierung im Lichte der jüngsten Starkregenereignisse und ihrer Auswirkungen auf die Donau- Nebenflüsse an ihrer grundsätzlichen Linie fest, statt dezentraler Maßnahmen beim Hochwasserschutz insbesondere auf die Errichtung großer Polder zu setzen? 7. Geht die Staatsregierung aus heutiger Sicht davon aus, dass die im bayerischen Hochwasserschutzprogramm 2020+ noch verfügbaren Mittel ausreichen, um einen effektiven Hochwasserschutz im Freistaat und die hierzu notwendigen Projekte zu realisieren? 8. Innerhalb welches Zeitrahmens geht die Staatsregierung derzeit davon aus, welche konkreten Projekte (Polder, spezielle dezentrale Hochwasserschutzmaßnahmen u. a.) tatsächlich umsetzen zu können? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 06.09.2016 1. Wurden tatsächlich Ausschreibungen und Vergaben im Hinblick auf eine weitere Untersuchung der Planungsräume in den Landkreisen Dillingen und Donau -Ries vorgenommen? 2. Wenn ja: Welches konkrete Aufgabenprofil verfolgen diese Untersuchungen und an wen wurden die betreffenden Aufträge zu welchem Angebotspreis vergeben ? Für das großräumige Projektgebiet, das von Neu-Ulm bis Marxheim reicht, wurden in einer Ausschreibung Modellierungen vergeben. Die Ausschreibung erfolgte von Januar bis Juni 2016. In den Vergabeprozess wurden das Bündnis für Hochwasserschutz und die Bürgerinitiative „Hochwasserschutz ja – Flutpolder nein“ eingebunden. Sie nahmen am Präsentationstermin der bewerbenden Büros im Mai 2016 teil. Die modelltechnischen Betrachtungen erfolgen großräumig (Donau von Iller bis Lech). Sie sind eine Grundlage für die weitere Untersuchung von Hochwasserschutzmaßnahmen in diesem Projektgebiet und umfassen hydrologische, hydraulische, grundwasserhydraulische und morphologische Betrachtungen. Dabei werden dieses Jahr im ersten Schritt Daten recherchiert und die vorhandenen Gebietsbedingungen abgebildet . Die Ausgestaltung der weiterzuverfolgenden Lösung mit gesteuerten Rückhalteräumen (Flutpoldern) und ungesteuerten Rückhalteräumen (Deichrückverlegungen) ist mit der Vergabe noch nicht festgelegt. Die Vergabe an die Arbeitsgemeinschaft SKI GmbH + Co. KG; Simultec AG wurde am 24.06.2016 im Supplement zum Amtsblatt der europäischen Union veröffentlicht . Weitere Informationen zu Auftragsgegenstand und Honorar finden sich unter dem Link http://ted.europa.eu/ udl?uri=TED:NOTICE:217416-2016:TEXT:DE:HTML. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.11.2016 17/12905 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12905 3. Wann und durch wen wurde das österreichische Büro Tatwort mit der Moderation der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Hochwasserdialogs beauftragt ? 4. Welche Aufgabendefinition wurde im Zuge dieser Beauftragung durch wen definiert? 5. Von wem wird die Dienstleistung des Büros Tatwort in welcher Höhe bezahlt? Die Bietergemeinschaft Tatwort – nachhaltige Projekte GmbH/PlanSinn GmbH wurde im März 2015 mit der Vorbereitung und Durchführung von Terminen und Veranstaltungen im Rahmen des Hochwasserdialoges, Phase 2 beauftragt . Auftraggeber und Kostentragender ist der Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth . Die Höhe des Auftrages richtet sich nach der Zahl der Termine/Veranstaltungen. 6. Hält die Staatsregierung im Lichte der jüngsten Starkregenereignisse und ihrer Auswirkungen auf die Donau-Nebenflüsse an ihrer grundsätzlichen Linie fest, statt dezentraler Maßnahmen beim Hochwasserschutz insbesondere auf die Errichtung großer Polder zu setzen? Es geht nicht um ein Entweder-oder. Hochwasserschutz ist ein komplexes Thema, das auf verschiedene Szenarien zugeschnitten sein muss und sich dementsprechend je nach Lage vieler einzelner Bausteine, z. B. Renaturierung, technischer Hochwasserschutz mit Deichen und Mauern, kleiner wie großer Rückhaltebecken oder auch gesteuerter Flutpolder bedienen muss. Jeder dieser Bausteine ist für sich notwendig und wird eingesetzt. Verschiedene Maßnahmen wirken nämlich unterschiedlich . So ist z. B. die Wirkung natürlicher Rückhalteräume bei kleineren und häufigen Hochwasserereignissen am größten . Gesteuerte Flutpolder sind dagegen als hoch effektive Maßnahmen des Hochwasserschutzes bei extremen Hochwassern am wirksamsten. Durch den gezielten Einsatz der Rückhalteräume kann man optimal die Hochwasserspitze kappen und die Unterlieger schützen. Im Zuge der jüngsten Starkregenereignisse hat die Staatsregierung allerdings beschlossen, das Hochwasserschutz -Aktionsprogramm 2020plus (AP2020plus) um eine Komponente Starkregen zu erweitern. So sind u. a. verbesserte Förderungsmöglichkeiten an Gewässern dritter Ordnung (Gew. III) oder eine Verbesserung der Vorhersage vorgesehen. Ein effektiver Hochwasserschutz muss daher konsequent alle Möglichkeiten des Hochwasserschutzes nutzen, d. h. „und“ statt „Entweder-oder“. Das AP2020plus verbindet alle Elemente zu einem Gesamtkonzept, das von der Staatsregierung bayernweit an allen Gewässerordnungen weiter konsequent umgesetzt wird. 7. Geht die Staatsregierung aus heutiger Sicht davon aus, dass die im bayerischen Hochwasserschutzprogramm 2020+ noch verfügbaren Mittel ausreichen, um einen effektiven Hochwasserschutz im Freistaat und die hierzu notwendigen Projekte zu realisieren? Die Staatsregierung hat mit dem AP2020plus ein umfangreiches Programm zum Hochwasserschutz aufgestellt, das mit jährlich 150 Mio. € ausgestattet ist. Darüber hinaus stehen für den Hochwasserschutz an der niederbayerischen Donau Sondermittel zur Verfügung. Rückhaltemaßnahmen von überregionaler Bedeutung wie gesteuerte Flutpolder oder große Deichrückverlegungen, die Bestandteil des Nationalen Hochwasserschutzprogramms des Bundes sind, werden vom Bund zu 60 % finanziert. Damit sind Vorhaben des Hochwasserschutzes in Bayern insgesamt finanziell gut ausgestattet. Fördervorhaben von Kommunen an Gew. III werden zeitnah ohne Wartezeiten bedient. 8. Innerhalb welches Zeitrahmens geht die Staatsregierung derzeit davon aus, welche konkreten Projekte (Polder, spezielle dezentrale Hochwasserschutzmaßnahmen u. a.) tatsächlich umsetzen zu können? Bayernweit stehen umfangreiche Hochwasserschutzprojekte an. Die Verbesserung des Hochwasserschutzes in Bayern ist eine Generationenaufgabe. Die Realisierung der einzelnen Maßnahmen ist von vielen Aspekten abhängig wie z. B. Planung, Beteiligung der Bürger im Planungsprozess, Verfahrensdauer der Genehmigungsverfahren oder der Dauer evtl. anhängiger Klagen. So werden z. B. gesteuerte Flutpolder seit dem Hochwasser 1999 schrittweise umgesetzt. Während das Seifener Becken (Iller) bereits in Betrieb ist, befindet sich derzeit der Flutpolder Riedensheim (Donau) im Bau. Für den Standort Feldolling (Mangfall) liegt ein Planfeststellungsbeschluss vor. Für den Standort Öberauer Schleife (Donau) soll das Genehmigungsverfahren im kommenden Jahr eingeleitet werden. Weitere Standorte sollen Schritt für Schritt umgesetzt werden. Auch weitere Rückhaltekonzepte wie z. B. an Mindel und Günz werden konsequent geplant und umgesetzt . Die Fertigstellung ist wesentlich von Verfahrensdauern sowie evtl. Klagen abhängig. Gleiches gilt – wenn auch in insgesamt geringerem Umfang – für kleinere Hochwasserschutzvorhaben oder kleine Rückhaltebecken, die von Kommunen gebaut werden.