Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 13.09.2016 1. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um einer drohenden Behinderung von Kindern, deren Zahl sich laut Sozialbericht Bayern 2014 seit 2006 mehr als verdoppelt hat, entgegenzuwirken? Nicht die Zahl der Kinder mit (drohender) Behinderung hat sich verdoppelt, sondern die Anzahl der Kinder mit (drohender ) Behinderung, die in Kindertageseinrichtungen oder in der Tagespflege inklusiv betreut werden. Konkret ist die Zahl der Kinder mit Behinderung in der Kindertagesbetreuung einer Erhebung des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales , Familie und Integration (StMAS) zufolge von 2010 bis 2014 um 48,6 % gestiegen, von 2010 bis Ende 2015 um 69,5 %. Dies ist insbesondere auch auf den Gewichtungsfaktor 4,5 für Kinder mit (drohender) Behinderung bei der kindbezogenen Förderung des Bayerischen Kinderbildungsund -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) zurückzuführen. Dadurch erhöht sich die Förderung bei Aufnahme eines Kindes mit (drohender) Behinderung in einer Kindertageseinrichtung um 350 %. Diese Entwicklung zeigt, dass der durch das BayKiBiG in Gang gesetzte Ausbau der integrativen Kindertageseinrichtungen erfolgreich ist. Dies schlägt sich insbesondere in einer steigenden Anzahl der in integrativen Einrichtungen betreuten Kinder mit (drohender) Behinderung nieder. Mehr Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung in Kindertageseinrichtungen bedeutet, dass die Inklusion in Bayern gut vorankommt! Neben den Möglichkeiten in der Kindertagesbetreuung gibt es weitere Unterstützungsangebote für Familien mit behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern: Harl.e.kin-Nachsorge für Eltern mit früh- und risikogeborenen Kindern Das Vernetzungsprojekt Harl.e.kin-Nachsorge leistet einen wesentlichen Beitrag für Familien mit früh- und risikogeborenen Kindern. Eine zu frühe Geburt stellt nach wie vor ein Risiko für die kindliche Entwicklung dar und führt bei den Eltern vielfach zu erheblicher Verunsicherung. Im Rahmen der Harl.e.kin-Nachsorge werden Eltern von früh- und risikogeborenen Kindern in der schwierigen Phase des Übergangs aus der Klinik nach Hause nicht alleingelassen. Im Auftrag des StMAS führt die Arbeitsstelle Frühförderung Bayern e.V. gemeinsam mit bayerischen Frühförderstellen und Kinderkliniken sowie gemeinnützigen Vereinen die Harl.e.kin- Nachsorge durch. Das StMAS stellte dafür im vergangenen Jahr staatliche Mittel in Höhe von insgesamt rd. 1,3 Mio. € zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.11.2016 17/12929 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Waldmann SPD vom 21.07.2016 Unterstützungsangebote für Eltern von Kindern mit Behinderung In ihrem Bericht, am 21. April 2016 im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration, zum „Datenreport Soziale Lage Bayern 2014“ hat Staatsministerin Emilia Müller darauf hingewiesen, dass die Zahl der Kinder mit (drohender) Behinderung eine langfristig wachsende Herausforderung darstelle. Seit 2010, also in nur 4 Jahren, sei die Anzahl der Kinder mit drohender Behinderung, die in Kindertageseinrichtungen oder in der Tagespflege betreut werden, um mehr als die Hälfte gestiegen. Die Ministerin betonte, dass die Sozialpolitiker überlegen müssten, was zu tun sei. Um Arbeitslosigkeit zu verhindern, solle, so die Ministerin, der ganzheitliche Ansatz weiterverfolgt werden und nicht nur die Arbeitslosen selbst, sondern die gesamte Familie in den Blick genommen werden. Oft spiele das familiäre Umfeld eine entscheidende Rolle. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um einer drohenden Behinderung von Kindern, deren Zahl sich laut Sozialbericht Bayern 2014 seit 2006 mehr als verdoppelt hat, entgegenzuwirken? 2. Welche Unterstützungsangebote gibt es für Eltern von Kindern mit Behinderung in einer festen Anstellung? 3. Wie kann einer drohenden Arbeitslosigkeit von Alleinerziehenden mit einem Kind mit Behinderung begegnet werden? 4. Welche Konzepte und Programme liegen vor bzw. plant die Staatsregierung, um Eltern von Kindern mit Behinderung den (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern? 5. Welche speziellen Betreuungsangebote für Kinder mit Behinderung während der Umschulung und Weiterbildung der Eltern liegen vor bzw. sind geplant? 6. Wie kann die Arbeitsvermittlung Eltern von Kindern mit einer Behinderung unterstützen? 7. Wie beurteilt die Staatsregierung Projekte zur Krisenintervention bei Eltern mit behinderten Kindern, wie beispielsweise SAM in Landsberg und deren staatliche Förderung ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12929 Angebote der Frühförderung für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder Für Kinder mit Behinderung und für von Behinderung bedrohte Kinder stehen spezielle Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung zur Verfügung. Diese umfassen medizinisch-therapeutische, heilpädagogische, sozialpädagogische und psychologische Angebote. In Bayern werden Leistungen der Früherkennung und Frühförderung von Frühförderstellen und Sozialpädiatrischen Zentren erbracht. Neben der Frühdiagnostik und entsprechenden Förderung und Therapie dieser Kinder findet auch eine Beratung, Unterstützung und Begleitung der Eltern statt. Den betroffenen Familien steht in Bayern dafür ein flächendeckendes Netz von über 200 Frühförderstellen zur Verfügung. Ergänzt wird dieses Angebot durch 19 unter ärztlicher Leitung stehenden Sozialpädiatrischen Zentren. Dienste der Offenen Behindertenarbeit (OBA) Auf der Grundlage bayernweit gültiger Förderrichtlinien wurden einheitliche Strukturen mit Diensten der Offenen Behindertenarbeit geschaffen. Im Jahr 2015 gab es 181 Dienste der regionalen und 84 Dienste der überregionalen Offenen Behindertenarbeit, die mit insgesamt 8,9 Mio. € unterstützt wurden. Familienentlastende Dienste unterstützen im Rahmen der OBA auch Familien von Kindern mit Behinderung oder chronischer Erkrankung. Sie stellen ein allgemeines Beratungsangebot bereit, unter anderem über Möglichkeiten der Förderung, zu Fragen der Betreuung und der Pflege, zu Einrichtungen der Behindertenhilfe, zu Selbsthilfegruppen, mit Krisenintervention durch Gespräche und Vermittlung weitergehender Hilfen. Darüber hinaus übernehmen sie auch die - stundenweise - Betreuung und Freizeitgestaltung. Internetplattform INTAKT Ein wichtiges Informationsmedium für Eltern von Kindern mit Behinderung ist das Internetangebot www.intakt.info des Trägers „Familienbund der Katholiken in der Diözese Würzburg “. INTAKT (Information und Kontakt für Eltern von Kindern mit Behinderung) ist ein kostenfreies Internetangebot für Eltern eines Kindes mit Behinderung. Über diese Internetplattform erhalten betroffene Eltern fachliche und rechtliche Hilfe, aber auch praktische Unterstützung durch selbst betroffene Eltern, die sich über die Jahre zu hoch kompetenten Experten für ihre besondere Lebenssituation entwickelt haben. Die internetbasierte Informationsbörse ermöglicht eine unkomplizierte, schnelle und – wenn gewünscht – anonyme Weitergabe von Erfahrungen und Kenntnissen. Seit Beginn des Projekts im Jahr 2001 wurden Zuwendungen in Höhe von insgesamt rund 382.100 € bewilligt. KoKi – Netzwerk frühe Kindheit Die Grundsteine für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit werden bereits in den ersten Lebensjahren eines Menschen gelegt. Dies gilt für Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen. Um sicherzustellen, dass kein Kind den Anschluss verpasst, wird daher in Bayern ein großes Augenmerk auf die frühkindliche Entwicklung gelegt. Diese steht und fällt stets mit der von Eltern wahrgenommenen Erziehungsverantwortung. Eltern müssen frühzeitig in ihren Erziehungskompetenzen gestärkt und Ressourcen von Familien zur bestmöglichen Förderung ihrer Kinder nachhaltig aktiviert werden. Um Familien mit besonderen Belastungen frühzeitig zu erkennen und zu unterstützen, hat das StMAS 2009 ein neues Regelförderprogramm zur Etablierung sozialer Frühwarn- und Fördersysteme aufgelegt, das die Kommunen beim Aufbau und der Pflege von Koordinierenden Kinderschutzstellen (KoKi-Netzwerk frühe Kindheit) unterstützt . Die Kommunen in Bayern werden im Bereich der Frühen Hilfen seit 2009 mit dem Förderprogramm Koordinierende Kinderschutzstellen (KoKi-Netzwerk frühe Kindheit ) beim Aufbau und der Pflege regionaler interdisziplinärer KoKi-Netzwerke fachlich und finanziell unterstützt (Haushaltsansatz jährlich rund 4,58 Mio. € inkl. Kinderschutzambulanz ). 2. Welche Unterstützungsangebote gibt es für Eltern von Kindern mit Behinderung in einer festen Anstellung ? Der Ausbau inklusiver Kindertageseinrichtungen (Antwort zu Frage 1) unterstützt vor allem die Eltern von Kindern mit Behinderung, Beruf und Familie zu vereinbaren und eine Tätigkeit in Festanstellung auszuüben. Berufliche Qualifizierung und Weiterbildung leisten generell einen wichtigen Beitrag, wenn es darum geht, die Erwerbsfähigkeit zu verbessern und hierdurch Arbeitslosigkeit und ggf. auch Hilfebedürftigkeit zu vermeiden. Mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) werden daher beispielsweise bei Erfüllen der Zielvoraussetzungen Projekte gefördert, die Arbeitskräfte, Unternehmen und Unternehmer bei der Anpassung an den technischen, wirtschaftlichen , sozialen und demografischen Wandel unterstützen . Es handelt sich dabei z. B. um einen IHK-zertifizierten berufsbegleitenden Lehrgang zum Energiemanager (IHK). Ziel ist die Vermittlung energiewirtschaftlicher Kompetenzen und fachspezifischer Zusatzqualifikationen, die alle notwendigen Voraussetzungen liefern sollen, um Energienutzung bewusster, effizienter und nachhaltiger gestalten zu können. Die Voraussetzungen zur entsprechenden ESF-Förderaktion , die auch Eltern von Kindern mit Behinderung bei Vorliegen der Voraussetzungen offenstehen, wie auch allen weiteren Förderaktionen sind unter folgendem Link zu finden: http://www.stmas.bayern.de/esf/zeitraum1/aktionen.php Aus dem Arbeitsmarktfonds (AMF) beispielsweise, der sich an Personen in einer festen Anstellung richtet, sofern diese – aus welchen Gründen auch immer – von Arbeitslosigkeit bedroht sind, oder auch die Arbeitslosen [vgl. Frage 3] im Blick hat, werden Maßnahmen zur Arbeitsförderung und Qualifizierung gefördert, sofern diese nicht durch die Arbeitsverwaltung , Programme des Bundes, aus dem Eingliederungsbudget der Jobcenter oder ESF-Mitteln finanziert werden können. Die Maßnahmen richten sich insbesondere an Geringqualifizierte , Langzeitarbeitslose, Ältere, Jugendliche mit Vermittlungshemmnissen und Frauen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, aber durch die Schwerpunktausrichtung im Jahr 2016 auch an anerkannte Asylbewerber sowie Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und Geduldete. Eltern von Kindern mit Behinderung können selbstverständlich auch an diesen Maßnahmen teilnehmen. Das Fördervolumen der seit 1997 für die Arbeitsmarktfondsförderung insgesamt 573 ausgewählten Projekte beläuft sich auf rund 114 Mio. €. 3. Wie kann einer drohenden Arbeitslosigkeit von Alleinerziehenden mit einem Kind mit Behinderung begegnet werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Drucksache 17/12929 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. Welche Konzepte und Programme liegen vor bzw. plant die Staatsregierung, um Eltern von Kindern mit Behinderung den (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern? Ein Weg zum Einstieg in das Berufsleben gerade auch für Eltern von Kindern mit Behinderung ist die Teilzeitausbildung . Das StMAS fördert an drei Standorten das Projekt „Meine Chance, Teilzeitberufsausbildung“ des Sozialdienstes katholischer Frauen in Bayern aus Landesmitteln. Die Zielgruppen sind Mütter und Väter, die aufgrund der Sorgeverantwortung für Kinder eine Ausbildung in Teilzeit anstreben . Eine Behinderung des Kindes ist nicht Voraussetzung, am Projekt teilzunehmen. In der ESF-Förderung, die auch beim Einstieg ins Berufsleben Eltern von Kindern mit Behinderung unter den gleichen Bedingungen zur Verfügung steht wie allen anderen Personen , werden in der Förderperiode 2014–2020 bei Erfüllen der Zielvoraussetzungen z. B. bedarfsgerechte Methoden und Ansätze zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt angewandt. 148 Mio. € (Gesamtkosten) stehen in der aktuellen Förderperiode 2014–2020 zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zur Verfügung. Erfolgreich sind Qualifizierung, Betreuung und ggf. ein ganzheitlicher Ansatz wie beim Bedarfsgemeinschaftscoaching. Bei den Qualifizierungsmaßnahmen liegt der Schwerpunkt auf der beruflichen Qualifizierung und Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit mit Unterstützung durch sozialpädagogische Betreuungsmaßnahmen. Die Betreuung soll eventuelle multiple Vermittlungshemmnisse abbauen und zur individuellen und persönlichen Stabilisierung beitragen. Die Voraussetzungen zu dieser Aktion 10 wie auch allen weiteren Förderaktivitäten sind unter folgendem Link zu finden: http://www.stmas.bayern.de/esf/zeitraum1/aktionen.php Aus dem Arbeitsmarktfonds (AMF), der neben den von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen auch die Arbeitslosen im Blick hat, werden beispielsweise Maßnahmen zur Arbeitsförderung und Qualifizierung gefördert, sofern diese nicht durch die Arbeitsverwaltung, Programme des Bundes, aus dem Eingliederungsbudget der Jobcenter oder ESF-Mitteln finanziert werden können. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 5. Welche speziellen Betreuungsangebote für Kinder mit Behinderung während der Umschulung und Weiterbildung der Eltern liegen vor bzw. sind geplant? Kosten für die Betreuung von Kindern zählen gem. § 83 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgesetzbuches (SGB) Drittes Buch (III) zu den Weiterbildungskosten. Sie können grundsätzlich entsprechend den Maßgaben des § 87 SGB III durch die Bundesagentur für Arbeit übernommen werden, sofern eine Förderung der beruflichen Weiterbildung im Rahmen des SGB III erfolgt. 6. Wie kann die Arbeitsvermittlung Eltern von Kindern mit einer Behinderung unterstützen? Die Frage betrifft den Zuständigkeitsbereich der Bundesagentur für Arbeit bzw. der regional zuständigen Agenturen für Arbeit. 7. Wie beurteilt die Staatsregierung Projekte zur Krisenintervention bei Eltern mit behinderten Kindern wie beispielsweise SAM in Landsberg und deren staatliche Förderung? Familien mit Kindern mit Behinderung steht in Bayern grundsätzlich ein flächendeckendes Netz unterschiedlicher Unterstützungsangebote zur Verfügung. Es wird in diesem Zusammenhang auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Das konkret benannte Projekt SAM in Landsberg ist dem StMAS nicht bekannt. Nach telefonischer Auskunft von einer Mitarbeiterin der Lebenshilfe Landsberg handelt es sich dabei um ein im Aufbau begriffenes, von Ehrenamtlichen zu besetzendes und auch nachts erreichbares Krisentelefon für derzeit 5 Eltern/Familien mit schwerstmehrfachbehinderten Kindern im Raum Landsberg am Lech. Das Projekt wird von einer regionalen Stiftung unterstützt. Eine abschließende fachliche Bewertung ist nach den vorliegenden Informationen nicht möglich. Daneben unterhält die Lebenshilfe Landsberg einen staatlich geförderten Dienst der Offenen Behindertenarbeit, zu dessen Aufgabe auch die Gewinnung, Schulung und Koordination von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehört.