6. a) Wie wird in MZEB mit medizinischen „Exoten“ (z. B. seltenen und chronischen Erkrankungen und Behinderungen ) umgegangen? b) Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen , Kliniken und (Fach-)Ärztinnen und Ärzten? c) Inwiefern sind die MZEB vernetzt, um im Zweifelsfall an andere Expertinnen und Experten zu verweisen? 7. a) Wie werden die MZEB finanziert? b) Wie sind die MZEB finanziell ausgestattet? c) Welche Förderungen erhalten die MZEB durch den Freistaat? 8. a) Wie schätzt die Staatsregierung die Chancen und Möglichkeiten der MZEB sowie die Verbesserungen durch MZEB für Betroffene ein? b) Wie schätzt die Staatsregierung die Situation hinsichtlich Angebot und Nachfrage bei MZEB ein? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 12.09.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Welche Aufgaben übernehmen die Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) konkret? Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 119 c SGB V ist die Behandlung durch MZEB auf diejenigen Erwachsenen auszurichten, die wegen Art, Schwere oder Komplexität ihrer Behinderung auf die ambulante Behandlung in diesen Einrichtungen angewiesen sind. Hierbei sollen sie mit anderen behandelnden Ärzten, den Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe und mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst eng zusammenarbeiten. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, sollen MZEB eine adäquate gesundheitliche Versorgung für Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen, die das 18. Lebensjahr überschritten haben, gewährleisten. Hierfür müssen sie geeignet sein, die von erwachsenen Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer geistigen oder schweren Mehrfachbehinderungen benötigten Gesundheitsleistungen an einem Ort mit vertretbarem Aufwand „aus einem Guss“ zu erbringen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 17. Wahlperiode 04.11.2016 17/12946 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Doris Rauscher SPD vom 21.07.2016 Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen Im vergangenen Jahr wurde auf Bundesebene das Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) verabschiedet. Mit § 119 c des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) wurde die Grundlage für Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) geschaffen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Aufgaben übernehmen die Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) konkret? 2. a) Ist eine Aufgabe der MZEB auch die Transition (Übergang von der kindzentrierten zu einer erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung)? b) Wenn ja, wie soll die Transition konkret vonseiten der MZEB ausgestaltet sein und begleitet werden? c) Welches Konzept steckt hinter der Transition vonseiten der MZEB? 3. a) Für welche Personengruppen stehen die MZEB offen? b) Können sich generell auch Menschen, die an seltenen und chronischen Erkrankungen leiden, an die MZEB wenden? c) Können sich auch Jugendliche, die an seltenen und chronischen Erkrankungen leiden, an die MZEB wenden zum Zwecke der Transition? 4. a) Welche MZEB gibt es derzeit (insbesondere in Bayern, aber auch deutschlandweit)? b) Wie sieht der Plan aus hinsichtlich eines flächendeckenden Ausbaus von MZEB (insbesondere im Freistaat , nach Kenntnis der Staatsregierung, aber auch deutschlandweit)? c) Gibt es Probleme und Schwierigkeiten beim Auf- und Ausbau von MZEB? 5. a) Wie sind die MZEB personell aufgestellt? b) Handelt es sich bei dem Personal um medizinisches Fachpersonal? c) Gibt es in den MZEB Ärztinnen und Ärzte verschiedenster Fachrichtungen für die Vielzahl an unterschiedlichsten Erkrankungen und Behinderungen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12946 der in den Behandlungszentren zu versorgende Personenkreis neben einer zielgruppenspezifischen Diagnostik und Therapie insbesondere auch einer zielgruppenspezifischen Kommunikation durch geeignete Kommunikationsstrategien (einfache Sprache, Bilder, Kommunikationshilfsmittel, Assistenz , etc.) bedarf. 2. a) Ist eine Aufgabe der MZEB auch die Transition (Übergang von der kindzentrierten zu einer erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung)? Medizinische Behandlungszentren können für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen , die als Kinder und Jugendliche durch ein sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) versorgt wurden, ein Anschlussversorgungsangebot sein. In diesem Fall soll eine systematische Transition vom kinder- und jugendmedizinischen Versorgungskontext zum erwachsenenmedizinischen Versorgungskontext erfolgen. b) Wenn ja, wie soll die Transition konkret vonseiten der MZEB ausgestaltet sein und begleitet werden? Die Ermächtigung für die Teilnahme eines MZEB an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung erfolgt durch den jeweils zuständigen Zulassungsausschuss. Beim Zulassungsausschuss handelt es sich um ein selbstständiges Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen , der über Zulassungsfragen in eigener Verantwortung und Unabhängigkeit befindet und dessen Mitglieder an Weisungen nicht gebunden sind. Die Vertragspartner der Selbstverwaltung haben sich im Vorfeld auf gemeinsame Regularien zur Erteilung einer Ermächtigung nach § 119 c SGB V geeinigt. Wie die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ausführt , liegt zur Frage nach der Ausgestaltung eines möglichen Transitionsprozesses die Vorstellung der Fachverbände für Menschen mit Behinderung vor: Sofern es von dem jeweiligen Patienten bereits Vorbefunde, Diagnosen und therapeutische Erfahrungen aus einer vorangegangenen Behandlung in einem SPZ gibt, ist der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin zuständig, einen systematischen Transitionsprozess zu organisieren, falls dieser noch nicht vom SPZ angebahnt wurde. c) Welches Konzept steckt hinter der Transition vonseiten der MZEB? Das Medizinische Behandlungszentrum muss dem Zulassungsausschuss ein geeignetes Konzept vorlegen, aus welchem sich die Ausgestaltung der Transition entsprechend der jeweiligen fachlichen Ausrichtung sowie der Philosophie des Hauses ergibt. Da je nach Behandlungsschwerpunkt unterschiedliche Ausgestaltungen eines solchen Konzepts denkbar sind, kann die Frage nicht abschließend beantwortet werden. Dies gilt umso mehr, da es sich beim § 119 c SGB V um eine relativ neue Vorschrift handelt und bislang nur wenig Umsetzungserfahrungen vorliegen. 3. a) Für welche Personengruppen stehen die MZEB offen ? Die Behandlung ist auf diejenigen Erwachsenen auszurichten , die wegen der Art, Schwere oder Komplexität ihrer Behinderung durch zugelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte nicht ausreichend behandelt werden können. Zudem ist die fachliche Ausrichtung des Medizinischen Behandlungszentrums zu beachten. b) Können sich generell auch Menschen, die an seltenen und chronischen Erkrankungen leiden, an die MZEB wenden? Da die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung , die im Regelversorgungssystem erfolgen kann, nicht auf die MZEB verlagert werden soll, ist der Zugang zu den Medizinischen Behandlungszentren nur über eine Überweisung durch Vertragsärzte eröffnet. Die Patientenklientel orientiert sich an der fachlichen Ausrichtung des MZEB. In der Regel verlangen die Zulassungsausschüsse ein detailliertes Konzept, aus welchem sich die fachliche Ausrichtung sowie der Grad der Behinderung und die Krankheitsbilder nach ICD-10-Codes (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) der zu behandelnden Patienten ergeben. c) Können sich auch Jugendliche, die an seltenen und chronischen Erkrankungen leiden, an die MZEB wenden zum Zwecke der Transition? Jugendliche mit seltenen und chronischen Erkrankungen werden bis zu ihrem 18. Lebensjahr in den SPZ versorgt. Nach Erreichen des 18. Lebensjahres kann die Behandlung in einem MZEB ein Anschlussangebot sein. 4. a) Welche MZEB gibt es derzeit (insbesondere in Bayern , aber auch deutschlandweit)? In Bayern wurde in der Zulassungsausschusssitzung vom 16.06.2016 die Ermächtigung für ein Medizinisches Behandlungszentrum in München erteilt. Derzeit liegen den Zulassungsausschüssen noch acht offene Anträge zur Verhandlung in den nächsten Sitzungen vor. Die Versorgungssituation im übrigen Bundesgebiet ist der Staatsregierung nicht bekannt. b) Wie sieht der Plan aus hinsichtlich eines flächendeckenden Ausbaus von MZEB (insbesondere im Freistaat, nach Kenntnis der Staatsregierung, aber auch deutschlandweit)? Ziel ist eine bedarfsgerechte und dementsprechend flächendeckende medizinische Versorgung in Form eines interdisziplinär und multiprofessionell ausgestatteten Angebotes für Erwachsene mit Behinderung. Um dies zu erreichen, wurde von der Bundesarbeitsgemeinschaft MZEB e.V. eine Versorgungsdichte von ca. 70 Einrichtungen bundesweit für bedarfsgerecht erachtet; das entspricht etwa einem MZEB pro einer Million Einwohner. Da die fachliche Ausrichtung des jeweiligen Behandlungszentrums zu berücksichtigen ist, kann die Anzahl der Behandlungszentren auch höher liegen. Letztendlich bedarf es einer Einzelfallentscheidung durch den jeweils zuständigen Zulassungsausschuss. Da die Versorgung durch MZEB Teil der vertragsärztlichen Versorgung ist, obliegt auch deren Sicherstellung in Bayern grundsätzlich der KVB. c) Gibt es Probleme und Schwierigkeiten beim Aufund Ausbau von MZEB? Probleme beim Auf- und Ausbau der MZEB sind derzeit nicht bekannt. Die Zulassungsausschüsse verlangen ein detailliertes Konzept, aus welchem sich auch die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Behandlung ergeben muss. Diese müssen auch hinreichend tragfähig sein – bloße Rahmenkonzepte oder „Grob-Skizzen“ sind hingegen nicht genehmigungsfähig. Drucksache 17/12946 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5. a) Wie sind die MZEB personell aufgestellt? Grundlage für die Arbeit im MZEB ist die Zusammenarbeit in einem multidisziplinären Team an einem Ort. Die Einrichtung muss unter ärztlicher Leitung stehen. Ebenso müssen, je nach fachlicher Ausrichtung, die entsprechenden Fachärzte tätig sein. Darüber hinaus wird der nichtärztliche therapeutische Bereich von Therapeuten und Therapeutinnen für Heilmittel abgedeckt, gegebenenfalls mit den Zusatzqualifikationen Physiotherapie, Ergotherapie oder Logotherapie sowie von Fachpflegerinnen und Fachpflegern. b) Handelt es sich bei dem Personal um medizinisches Fachpersonal? Außer bei den Fachkräften für die administrativen Tätigkeiten handelt es sich um medizinisches Fachpersonal. c) Gibt es in den MZEB Ärztinnen und Ärzte verschiedenster Fachrichtungen für die Vielzahl an unterschiedlichsten Erkrankungen und Behinderungen ? Regelhaft ist in den MZEB mehr als ein Arzt tätig, je nach fachlicher Ausrichtung. 6. a) Wie wird in MZEB mit medizinischen „Exoten“ (z. B. seltenen und chronischen Erkrankungen und Behinderungen) umgegangen? Hierzu liegen noch keine Erfahrungen vor. b) Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, Kliniken und(Fach-)Ärztinnen und Ärzte? Hierzu liegen noch keine Erfahrungen vor. c) Inwiefern sind die MZEB vernetzt, um im Zweifelsfall an andere Expertinnen und Experten zu verweisen ? Hierzu liegen noch keine Erfahrungen vor. 7. a) Wie werden die MZEB finanziert? Leistungen, die in Einrichtungen nach § 119c SGB V erbracht werden, werden gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB V unmittelbar von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet. b) Wie sind die MZEB finanziell ausgestattet? Dies hängt von den diesbezüglichen Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den die MZEB vertretenden Vereinigungen nach § 120 Abs. 2 SGB V ab. Das Gesetz gibt hierzu lediglich vor, dass diese die Leistungsfähigkeit bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten müsse. Konkrete Erkenntnisse liegen der Staatsregierung aufgrund der bislang relativ kurzen Geltungsdauer des § 119 c SGB V noch nicht vor. c) Welche Förderungen erhalten die MZEB durch den Freistaat? Da MZEB Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung sowie weitere therapeutische Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, ist eine zusätzliche finanzielle Förderung der in den MZEB erbrachten Leistungen nicht möglich. Institutionelle Förderungen oder Förderungen der Infrastruktur sind seitens des Freistaats bislang nicht vorgesehen. 8. a) Wie schätzt die Staatsregierung die Chancen und Möglichkeiten der MZEB sowie die Verbesserungen durch MZEB für Betroffene ein? Die Einrichtung von MZEB stellt aus Sicht der Staatsregierung eine Versorgungsverbesserung dar und wird daher grundsätzlich begrüßt. Die Staatsregierung hatte sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum GKV- Versorgungsstärkungsgesetz auf Bundesebene insoweit nachdrücklich für die Schaffung von MZEB eingesetzt. Für Menschen mit einer schweren oder komplexen Form der Behinderung wird dort eine angemessene medizinische Behandlung angeboten, die häufig andernorts nicht leistbar ist. Gerade junge Erwachsene, die bereits im Kinder- und Jugendalter auf die interdisziplinäre Behandlung von Ärzten und nichtärztlichen Fachkräften der SPZ angewiesen waren , können in derartigen Einrichtungen nun eine adäquate Anschlussversorgung finden. Im Übrigen sollte aber weiterhin auch für Menschen mit Behinderung das Recht der freien Arztwahl gelten. b) Wie schätzt die Staatsregierung die Situation hinsichtlich Angebot und Nachfrage bei MZEB ein? Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geht davon aus, dass insbesondere die bisherige Patientenklientel der SPZ beim Eintritt in das Erwachsenenalter das weiterführende Behandlungsangebot der MZEB nutzen wird. Darüber hinaus eröffnet die Neuregelung nun auch Patienten den Zugang, die bisher aus Altersgründen von vornherein von einem entsprechenden interdisziplinären Behandlungsangebot ausgeschlossen waren. Wie die Anzahl der gestellten Anträge auf Ermächtigung zeigt, besteht auch von Seiten der Leistungsträger Interesse daran, entsprechende Strukturen zeitnah aufzubauen. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich bleibt abzuwarten.