Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 09.08.2016 Ambulant betreute Wohngemeinschaften in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Zielsetzungen verfolgen ambulante Wohngemeinschaften ? b) Für welche Personengruppen kommen sie in Betracht (z. B. Demenzkranke)? 2. Inwieweit fördern ambulante Wohngemeinschaften den Wunsch vieler älterer Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben? 3. Welche Vorteile haben ambulante Wohngemeinschaften gegenüber anderen Wohnformen? 4. Wie viele ambulante Wohngemeinschaften gibt es in Bayern (Stand: 31.07.2016, bitte einzeln aufschlüsseln nach Gemeinde/Stadt und Regierungsbezirk)? 5. a) Gibt es Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern, die weniger als 3 ambulante Wohngemeinschaften aufweisen ? b) Wenn ja, welche? c) Wie hoch ist dort die entsprechende Anzahl? 6. a) Welche Förderrichtlinien gibt es für ambulant betreute Wohngemeinschaften? b) Warum beträgt die Höchstsumme für die Anschubfinanzierung nur 40.000 € und nicht mehr (z. B. 50.000 € oder 100.000 €)? c) Plant die Staatsregierung eine Erhöhung der Anschubfinanzierung ? 7. Was versteht Staatsministerin Melanie Huml unter einer flächendeckenden (z. B. Mindestzahl pro Landkreis und kreisfreier Stadt) Versorgung in Bayern mit ambulant betreuten Wohngemeinschaften, die sie laut einem Pressegespräch in Aschaffenburg (Anfang März 2016) in der Bodelschwinghstraße anstrebt? 8. a) In welchem Zeitraum soll dies dann (siehe Frage 7) umgesetzt werden und gibt es hierzu allgemein auch ein entsprechendes Konzept des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (wenn ja, bitte entsprechende Infos mitteilen)? b) Wenn nein, wann ist dies geplant? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 12.09.2016 1. a) Welche Zielsetzungen verfolgen ambulante Wohngemeinschaften ? Ambulant betreute Wohngemeinschaften gemäß Art. 2 Abs. 3 Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) sind Wohnformen , die dem Zweck dienen, pflegebedürftigen Menschen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt und die Inanspruchnahme externer Pflege- und Betreuungsleistungen gegen Entgelt zu ermöglichen. Das Ziel einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist es, pflegebedürftigen Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu gewährleisten. Ambulant betreute Wohngemeinschaften bieten die Möglichkeit , in Gemeinschaft selbstbestimmt alt zu werden und gemeinsam den Herausforderungen eines zunehmenden Betreuungs- und Pflegebedarfs zu begegnen. Damit kommt die Staatsregierung dem Wunsch von pflegebedürftigen Menschen nach, möglichst lange ein individuelles und unabhängiges Leben in einer ambulanten Wohn- und Lebensform zu führen. Ambulant betreute Wohngemeinschaften greifen diese Bedürfnisse auf. Dabei wird selbstbestimmtes Wohnen gesichert und durch gemeinsame Organisation und Nutzung von Pflege- und/oder Betreuungsleistungen Versorgungssicherheit gewährleistet. Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind eine eigenständige innovative Wohn- und Versorgungsform, in der Menschen mit unterschiedlichem und auch intensivem Hilfs- und Pflegebedarf bis zum Lebensende versorgt werden können. b) Für welche Personengruppen kommen sie in Betracht (z. B. Demenzkranke)? Die alternative Wohnform ambulant betreuter Wohngemeinschaften kommt für volljährige Pflegebedürftige, unabhängig von Krankheitsbild und Pflegebedarf, in Betracht. 2. Inwieweit fördern ambulante Wohngemeinschaften den Wunsch vieler älterer Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben? Kern und zentrales Kriterium einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist die Selbstbestimmung der Mieterinnen und Mieter gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 22 PfleWoqG. Um die Selbstbestimmung der Mieterinnen und Mieter zu gewährleisten, ist in ambulant betreuten Wohngemeinschaften ein sogenanntes Gremium der Selbstbestimmung einzurichten. Das Gremium hat die Aufgabe, die Angelegenheiten des täglichen Lebens zu regeln und nimmt die Funktion einer internen Qualitätssicherung wahr. In diesem Gremium sind alle Mieterinnen und Mieter vertreten. Für den Fall, dass sie die Aufgabe nicht mehr wahrnehmen und selbstständig regeln können, nehmen die Angehörigen bzw. die gesetzlichen Vertreter die Aufgabe wahr. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.11.2016 17/12947 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/12947 3. Welche Vorteile haben ambulante Wohngemeinschaften gegenüber anderen Wohnformen? Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal der ambulant betreuten Wohngemeinschaften zum Wohnen in stationären Einrichtungen ist die selbstbestimmte Gestaltung der Versorgung. Entsprechend Art. 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 PfleWoqG müssen Pflege- und Betreuungsdienste sowie Art und Umfang der Pflege- und Betreuungsleistungen frei wählbar sein. Damit ist eine flexible und individuell gestaltete Pflege und Betreuung gewährleistet, der hilfs- und pflegebedürftige ältere Mensch bzw. seine Angehörigen werden dadurch zu Auftraggebern und damit „Frau bzw. Herr des Verfahrens“. Weiter können Synergieeffekte zur Finanzierung von Pflege - und Betreuungsleistungen in Form einer gemeinsamen Beauftragung von Dienstleistungen genutzt werden. Darüber hinaus bieten ambulant betreute Wohngemeinschaften gemeinschaftliches Leben in einer kleinen familiären Gruppe. Dadurch kann individuell auf die Pflege- und Hilfsbedürftigkeit, aber auch auf die Lebensgewohnheiten und Neigungen der einzelnen Mieterin und des einzelnen Mieters eingegangen werden. Im sogenannten Gremium der Selbstbestimmung, dem Kern der ambulant betreuten Wohngemeinschaft, entscheiden die Mieterinnen und Mieter eigenverantwortlich und entsprechend ihrer Interessenlage über die Aufnahme neuer Mieterinnen und Mieter, sowie über die Dinge des täglichen Lebens und damit auch über die Verpflegung und Gestaltung des Alltags in ihrer ambulant betreuten Wohngemeinschaft . Auch für Kommunen, insbesondere im ländlichen Raum, kann eine ambulant betreute Wohngemeinschaft mit maximal 12 Mieterinnen und Mietern eine interessante Wohnform sein. Die Kommunen ermöglichen dadurch ihren Einwohnern, dass sie trotz Pflegebedürftigkeit in der Dorfgemeinschaft und im nahen und gewohnten sozialen Umfeld verbleiben können. 4. Wie viele ambulante Wohngemeinschaften gibt es in Bayern (Stand: 31.07.2016, bitte einzeln aufschlüsseln nach Gemeinde/Stadt und Regierungsbezirk )? Entsprechend dem Bericht des Bayerischen Landesamts für Statistik gab es zum Stichtag 31.12.2015 in Bayern 268 ambulant betreute Wohngemeinschaften. Die Verteilung auf die Regierungsbezirke, die Landkreise und kreisfreien Städte sowie die dort entsprechende Anzahl sind der Anlage, Tabelle 1 zu entnehmen. Das Bayerische Landesamt für Statistik erhebt jeweils zum Stichtag 31.12. jeden Jahres die Daten zu den ambulant betreuten Wohngemeinschaften in den Regierungsbezirken , Landkreisen und kreisfreien Städten. Der Staatsregierung liegen daher weder Daten zum Stichtag 31.07.2016, noch Daten über ambulant betreute Wohngemeinschaften in Städten und Gemeinden vor. 5. a) Gibt es Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern, die weniger als 3 ambulante Wohngemeinschaften aufweisen? b) Wenn ja, welche? c) Wie hoch ist dort die entsprechende Anzahl? In Bayern gibt es insgesamt 56 Landkreise und kreisfreie Städte, die weniger als 3 ambulant betreute Wohngemeinschaften aufweisen. Die Verteilung auf die Regierungsbezirke , die kreisfreien Städte und Landkreise sowie die dort entsprechende Anzahl sind der beigefügten Anlage, Tabelle 2, zu entnehmen. 6. a) Welche Förderrichtlinien gibt es für ambulant betreute Wohngemeinschaften? Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) fördert den Aufbau von neuen ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Seniorinnen und Senioren im Rahmen der „Richtlinie zur Förderung neuer ambulant betreuter Wohngemeinschaften für Seniorinnen und Senioren sowie zur Förderung von Vorhaben zur Verbesserung der Lebensqualität und der Rahmenbedingungen in der Pflege (Förderrichtlinie Pflege – WoLeRaF)“. Die Förderrichtlinie Pflege ist mit Wirkung vom 01.01.2016 in Kraft getreten und löste damit die Förderrichtlinie „Neues Seniorenwohnen – SeniWoF“ ab. b) Warum beträgt die Höchstsumme für die Anschubfinanzierung nur 40.000 € und nicht mehr (z.B. 50.000 € oder 100.000 €)? Mit der Anschubfinanzierung in Höhe von 40.000 € unterstützt der Freistaat Bayern die Initiatoren einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft insbesondere in der Gründungsphase . Mit der finanziellen Hilfestellung werden erste mögliche Hindernisse abgebaut und Anreize geschaffen . Im Rahmen der Förderrichtlinie werden insbesondere Personal- und Sachausgaben für eine externe und zeitlich begrenzte Begleitung beim Aufbau der ambulant betreuten Wohngemeinschaft gefördert. Die Unterstützung bei der Anschaffung von Ausstattungsgegenständen für Gemeinschaftsräume unterstreicht das Bestreben, die finanzielle Belastung des Initiators in der Anfangsphase zu reduzieren. Die in der Vergangenheit im Rahmen des Zuwendungsverfahrens eingereichten Förderanträge belegen, dass die in der Förderrichtlinie festgelegte Fördersumme ausreichend ist. c) Plant die Staatsregierung eine Erhöhung der Anschubfinanzierung ? Entsprechend der unter Punkt 6 b genannten Punkte ist eine Erhöhung der Anschubfinanzierung nicht geplant. 7. Was versteht Staatsministerin Melanie Huml unter einer flächendeckenden (z. B. Mindestzahl pro Landkreis und kreisfreier Stadt) Versorgung in Bayern mit ambulant betreuten Wohngemeinschaften , die sie laut einem Pressegespräch in Aschaffenburg (Anfang März 2016) in der Bodelschwinghstraße anstrebt? Die Staatsregierung strebt eine wohnortnahe Versorgung mit alternativen Wohn- und Betreuungsformen an, um sowohl in ländlichen Regionen wie auch in Ballungszentren gleichermaßen die Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen Versorgungsformen zu gewährleisten. 8. a) In welchem Zeitraum soll dies dann (siehe Frage 7) umgesetzt werden und gibt es hierzu allgemein auch ein entsprechendes Konzept des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (wenn ja, bitte entsprechende Infos mitteilen)? b) Wenn nein, wann ist dies geplant? Die Zahlen des Bayerischen Landesamts für Statistik belegen , dass ambulant betreute Wohngemeinschaften als Alternative zu stationären Einrichtungen zunehmend an Be- Drucksache 17/12947 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 deutung gewinnen. Zwischen den Jahren 2014 und 2015 ist die Zahl der ambulant betreuten Wohngemeinschaften im Freistaat um 13 Prozent von 237 auf 268 gestiegen. Darüber hinaus hat das StMGP eine Beratungsstelle eingerichtet. Aufgabe der „Koordinationsstelle ambulant betreute Wohngemeinschaften“ ist es, pflegebedürftigen Menschen, Angehörigen sowie Initiatorinnen und Initiatoren von ambulant betreuten Wohngemeinschaften beratend und unterstützend zur Verfügung zu stehen. Die Koordinationsstelle mit Sitz in München veranstaltet regelmäßig Fachtagungen , Seminare und Fachvorträge auf regionaler Ebene sowie in allen Regierungsbezirken Bayerns. Bei Bedarf bietet die Koordinationsstelle auch persönliche und individuelle Beratungsgespräche vor Ort in den Städten, Märkten und Gemeinden an. Mit der Beauftragung der Koordinationsstelle gewährleistet die Staatsregierung eine flächendeckende und individuelle Beratung. Die Unterstützung in Form einer Anschubfinanzierung schafft zudem einen finanziellen Anreiz und fördert die Eigeninitiative potenzieller Initiatoren. Mit diesen Maßnahmen unterstreicht die Staatsregierung das Bestreben nach einer flächendeckenden Versorgung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften im Freistaat Bayern. Die Staatsregierung sieht über die angebotenen Beratungsleistungen und die Anschubfinanzierung hinaus derzeit keinen weiteren Handlungsbedarf, da es auch auf die Eigeninitiative der Interessenten ankommt. Die aufgezeigten Maßnahmen werden bis auf Weiteres fortgeführt. Die Dauer der Fortführung ist abhängig von der weiteren Entwicklung, die von der Staatsregierung laufend evaluiert wird. Gegebenenfalls werden weitere unterstützende Maßnahmen ergriffen werden. Tabelle l zu Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn betreffend "Ambulant betreute Wohngemeinschaften in Bayern" Ambulant betreute Wohngemeinschaften in Bayern, Stand 31.12.2015 Kreisfreie Stadt Ingolstadt Kreisfreie Stadt München Kreisfreie Stadt Rosenheim Landkreis Altötting Landkreis Berchtesgadener Land Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen Landkreis Dachau Landkreis Ebersberg Landkreis Eichstätt Landkreis Erding Landkreis Freising Kreisfreie Stadt / Landkreis Landkreis Fürstenfetdbruck Landkreis Garmisch-Partenkirchen Landkreis Landsberg a.Lech Landkreis Miesbach Landkreis Mühldorfa.lnn Landkreis München Landkreis Neuburg-Schrobenhausen Landkreis Pfaffenhofen a.d. llm Landkreis Rosenheim Landkreis Starnberg LandkreisTraunstein Landkreis Weilheim-Schongau Oberbayern Gesamt Kreisfreie Stadt Landshut Kreisfreie Stadt Passau Kreisfreie Stadt Straubing Landkreis Deggendorf Landkreis Freyung-Grafenau Landkreis Kelheim Landkreis Landshut Landkreis Passau Landkreis Regen Landkreis Rottal-lnn Landkreis Straubing-Bogen Landkreis Dingolfing-Landau Niederbayern Gesamt Kreisfreie Stadt Amberg Kreisfreie Stadt Regensburg Kreisfreie Stadt Weiden i.d.OPf. Landkreis Amberg-Sulzbach Anzahl Einrichtungen 6 42 5 5 3 0 0 0 l 3 l 3 l 3 l 0 4 l 3 3 2 5 l 93 l 0 l 2 0 4 3 3 2 8 2 7 33 Landkreis Cham Landkreis Neumarkt i.d.OPf. Landkreis Neustadt a.d.Waldnaab Landkreis Regensburg LandkreisSchwandorf Landkreis Tirschenreuth Oberpfalz Gesamt 6| c 4l 8| 38| [Kreisfreie Stadt Bamberg |Kreisfreie Stadt Bayreuth |KreisfreieStadtCoburg IKreisfreieStadtHof |LandkreisBamberg [Landkreis Bayreuth |LandkreisCoburg ILandkreis Forchheim Landkreis Hof Landkreis Kronach Landkreis Kulmbach Landkreis Lichtenfels LandkreisWunsiedel/Fichtelgebirge Oberfranken Gesamt t. 0| z z Il 0| 0| ,1 Il 4l 17| [KreisfreieStadtAnsbach l Kreisfreie Stadt Erlangen [KreisfreieStadt Fürth |Kreisfreie Stadt Nürnberg Kreisfreie Stadt Schwabach LandkreisAnsbach Landkreis Erlangen-Höchstadt Landkreis Fürth Landkreis Nürnberger Land Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim Landkreis Roth LandkreisWeißenburg-Gunzenhausen Mittelfranken Gesamt 0| 2| Il 81 Il Il 4l 5| 2| 2| 3| 3| 32| Il 0| 0| 2| 3| Il 3| 0| 0| 5| Il 3| 19| 81 Il 0| |Kreisfreie Stadt Aschaffenburg IKreisfreie Stadt Schweinfurt [Kreisfreie Stadt Würzburg Landkreis Aschaffenburg Landkreis Bad Kissingen Landkreis Rhön-Grabfeld Landkreis Haßberge Landkreis Kitzingen Landkreis Miltenberg Landkreis Main-Spessart LandkreisSchweinfurt Landkreis Würzburg Unterfranken Gesamt