Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 28.09.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. a) Wie groß sind nach Auffassung der Staatsregierung die Barrieren in den Köpfen der Menschen gegenüber Menschen mit Handicap? Die Staatsregierung arbeitet kontinuierlich an dem Ziel einer offenen, toleranten Gesellschaft und misst der Inklusion große Bedeutung bei. Als eines der ersten Bundesländer hat Bayern bereits im Jahr 2003 ein Behindertengleichstellungsgesetz erlassen. Im März 2013 hat der Ministerrat seinen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen, in dem er die Schwerpunkte seiner Politik für Menschen mit Behinderung im Lichte der Inklusion benennt und damit auch einen wichtigen Beitrag zum Abbau von „Barrieren in den Köpfen“ leistet. Seit 2014 führt das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) eine Kampagne zur Inklusion durch, mit der die Bewusstseinsbildung in der breiten Bevölkerung für die Inklusion von Menschen mit Behinderung gefördert werden soll. Die Kampagne besteht aus einer eigenen Website www.Inklusion.Bayern.de und einem Flyer zur Inklusion. Zudem wurde im Jahr 2014 erstmals der „Miteinander-Preis“ verliehen, mit dem beispielhafte inklusive Projekte in jedem Regierungsbezirk ausgezeichnet wurden. Der nächste Miteinander -Preis wird am 21. Oktober 2016 verliehen. Eine sehr wichtige Etappe war auch 2013 die Regierungserklärung zu „Bayern Barrierefrei“ und der Start des gleichnamigen Programms mit dem Ziel Bayern bis 2023 im gesamten öffentlichen Raum und im gesamten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) barrierefrei zu machen. In vielen Bereichen ist damit ein Bewusstseinswandel bei den Menschen und eine zunehmende Sensibilität für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung eingetreten. Barrierefreiheit wird von Anfang an mitgedacht, mitgeplant und mit umgesetzt. Dieser Informationskampagne dient auch die Anschubfinanzierung für das Projekt „Reisen für alle“ in Bayern. b) Wie lassen sich diese Barrieren abbauen (bitte konkrete Beispiele nennen und erläutern)? Für eine barrierefreie Gesellschaft sind alle verantwortlich: der Staat genauso wie Unternehmen, Institutionen, Verbände , aber auch die Gesellschaft insgesamt, vom Gastwirt, Hotelier bis hin zum Ladenbesitzer. Denn Barrierefreiheit gelingt nur mit starken Partnern, die sich vor Ort engagieren und nachhaltig für Barrierefreiheit einsetzen. Dabei sind nicht allein finanzielle Mittel gefragt, sondern vor allem Informationen , Verlässlichkeit und eine umfassende Sensibilisierung . 17. Wahlperiode 24.11.2016 17/13106 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 16.08.2016 Barrierefreier Tourismus 2 Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie groß sind nach Auffassung der Staatsregierung die Barrieren in den Köpfen der Menschen gegenüber Menschen mit Handicap? b) Wie lassen sich diese Barrieren abbauen (bitte konkrete Beispiele nennen und erläutern)? 2. a) Welche Sensibilisierungsschulungen wurden dazu (siehe Frage 1) durchgeführt? b) Was war der entsprechende Inhalt? c) Wie viele Teilnehmer werden jeweils geschult bzw. haben teilgenommen (bitte aufzählen nach Landkreisen und kreisfreien Städten)? 3. Kann das Staatsministerium für Wirtschaft und Medien , Energie und Technologie konkrete Beispiele nennen , wie es touristischen Betrieben gelingt, mit sogen. „Kleinigkeiten“ und ohne hohe Investitionskosten ihren Gästen mit Handicap das Reisen bzw. den Aufenthalt in den Hotels/Gasthäusern/Pensionen zu erleichtern? 4. Wie erfolgt in Bayern die Vergabe des Qualitätssiegels (Konzeption durch die DEHOGA) „Barrierefreier Hotelund Gastronomiebetrieb“? 5. Wie häufig wurde dieses Siegel bisher vergeben? 6. Warum wurden die Zertifizierungskosten für „Reisen für alle“ nur für die Regionen Nationalpark Bayer. Wald, Arberland, Freyung-Grafenau, Tegernseer Land, Alpenregion , Tegernsee, Schliersee, Kurort Oberstdorf, Fränkisches Seenland, Bischofsgrün, Haßberge und München vergeben? 7. a) Ist geplant, diese Regionen auszuweiten? b) Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um diese Regionen auszuweiten, um dann zum Beispiel auch die Regionen Rhön und Spessart bzw. Bayer. Untermain einzubeziehen, da auch hier der Tourismus eine große Rolle spielt? 8. a) Welche konkreten länderübergreifenden (z. B. Bayern – Österreich, Bayern – Tschechien), tourismusrelevante barrierefreie Projekte unterstützt der Freistaat (bitte diese einzeln erläutern und auch die jeweilige Fördersumme nennen)? b) Plant der Freistaat eine Ausweitung dieser Projekte? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/13106 Die Staatsregierung hat zur Bewusstseinsbildung eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne gestartet, die sensibilisieren und vor allem alle nichtstaatlichen Akteure aktivieren soll. Hierzu wurden umfangreiche Kommunikationsmittel erarbeitet. Unter www.barrierefrei.bayern.de wurde ein zentrales Informationsportal der Staatsregierung eingerichtet, das übersichtlich, anschaulich und kompakt das Thema „Barrierefreiheit“ in vielen Facetten aufgreift. Der Webauftritt www.barrierefrei.bayern.de ist „responsiv“ (also für Desktop- und Mobilgeräte optimiert) und „barrierefrei “ (also entwickelt und umgesetzt in Zusammenarbeit mit einer Prüferin für barrierefreie Websites) und geprüft nach BITV 2.0 (deutscher Standard) sowie WCAG 2.0 auf Konformitätsstufe AA (internationaler Standard). Herzstück des Portals ist das MAGAZIN, in dem viele interessante Menschen aus Bayern vorgestellt werden. Menschen , die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, und solche, die sich in besonderer Weise für den Abbau von Barrieren engagieren. Hier dokumentieren betroffene Menschen typische Barrieren und gute barrierefreie Angebote. Die persönlich kommentierten Bilder vermitteln Fakten und Impulse authentisch und eindrücklich. Das Portal nimmt seine Besucherinnen und Besucher an Orte mit, an denen Barrierefreiheit umgesetzt wird und vertieft in Gesprächen mit betroffenen Menschen und Fachleuten wichtige aktuelle und/oder gern übersehene Themen. Über das MAGAZIN hinaus, das laufend um neue Beiträge und Reportagen erweitert wird, bietet das Portal umfassend FAKTEN und BEISPIELE rund um das Thema Barrierefreiheit. Unter SERVICE finden Nutzer wichtige Anlaufstellen für unterschiedlichste Anliegen und Fragen im Zusammenhang mit Barrierefreiheit. Außerdem wird zu einschlägigen Gesetzen und Verordnungen verlinkt. Bei unklaren Begriffen hilft das Barrierefrei-Lexikon weiter. Neben dem Informationsportal ist das Signet „Bayern barrierefrei – Wir sind dabei!“ ein wichtiges Element der Öffentlichkeitskampagne. Es dient der Bewusstseinsbildung für die Bedeutung von Barrierefreiheit und soll alle Verantwortungsträger in der Gesellschaft zum Mitwirken bewegen. Das Signet wird für konkrete, beachtliche Beiträge zur Barrierefreiheit in Bayern vergeben. Derartiges positives Engagement soll durch das Signet gefördert und verstärkt werden. Außerdem soll durch die Verleihung des Signets das gute Beispiel mit seiner Vorbildwirkung andere Akteure ebenfalls zum Mitmachen bewegen. Nähere Informationen zum Signet finden sich ebenfalls unter www.barrierefrei.bayern.de. 2. a) Welche Sensibilisierungsschulungen wurden dazu (siehe Frage 1) durchgeführt? Die Beantwortung der Fragen 2a bis 2c wird auf die Sensibilisierungsschulungen im touristischen Bereich „Reisen für alle“ in Bayern eingegrenzt. Bislang wurden vier Sensibilisierungsveranstaltungen – eine pro Regionalverbandsgebiet – für die interessierten Wirtschaftsbetriebe und Leistungsträger im Projekt „Reisen für alle“ durchgeführt . Zudem ist eine Online-Schulung für jeden Anbieter, der sein Angebot nach „Reisen für alle“ zertifizieren lassen möchte, Pflicht. b) Was war der entsprechende Inhalt? Neben generellen Informationen zu den Anforderungen der verschiedenen Personengruppen, die durch die Signets gekennzeichnet sind, standen bauliche Anforderungen ebenso im Mittelpunkt wie Fragen der Informationsvermittlung, der Mitarbeiterschulung und der Selbsterfahrung durch praktische Übungen, die von Betroffenen angeleitet wurden. c) Wie viele Teilnehmer werden jeweils geschult bzw. haben teilgenommen (bitte aufzählen nach Landkreisen und kreisfreien Städten)? Bislang ist es in vier Vor-Ort-Veranstaltungen gelungen, ca. 70 Unternehmensvertreter zu schulen, die in den Betrieben als Multiplikatoren wirken. Die Sensibilisierungsschulung im Onlineverfahren ist unabhängig davon und Teil jeder Zertifizierung . Die Sensibilisierungsschulungen fanden in folgenden Orten statt: – Allgäu/Bayerisch-Schwaben: Memmingen, – Oberbayern: München, – Ostbayern: Straubing, – Franken: Spalt (Lkr. Roth). 3. Kann das Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie konkrete Beispiele nennen, wie es touristischen Betrieben gelingt , mit sogen. „Kleinigkeiten“ und ohne hohe Investitionskosten ihren Gästen mit Handicap das Reisen bzw. der Aufenthalt in den Hotels/Gasthäusern /Pensionen zu erleichtern? Vor allem der geschulte Umgang des Personals mit behinderten Gästen bietet Hilfe und erste Orientierung am Urlaubsort . Im Rahmen der Schulungen werden Mitarbeiter für mögliche Situationen sensibilisiert und mit der erforderlichen Problemlösungskompetenz ausgestattet. 4. Wie erfolgt in Bayern die Vergabe des Qualitätssiegels (Konzeption durch die DEHOGA) „Barrierefreier Hotel- und Gastronomiebetrieb“? Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern e.V. (BHG), das StMAS sowie der Sozialverband VdK Bayern e.V. (VdK) haben bereits 1995 eine bayerische Zertifizierung ins Leben gerufen, die ab 2005 im Rahmen einer bundesweiten Zielvereinbarung in der Aktion „Tourismus für alle in Bayern“ zur Barrierefreiheit im Hotel- und Gaststättengewerbe aufging. Hotels und Gaststätten konnten auf der Basis dieser bundesweiten Zielvereinbarung in der Qualitätsoffensive den barrierefreien Zugang und die barrierefreie Nutzung ihrer Angebote prüfen und auszeichnen lassen. Die Vergabe des Qualitätssiegels „Barrierefreier Hotel- und Gastronomiebetrieb“ ist seit 2015 (Projektbeginn „Reisen für alle“ in Bayern) eingestellt. Die DEHOGA unterstützt das deutschlandweite Kennzeichnungssystem „Reisen für alle“ seit dem Start in Bayern, da es nicht nur die Hotellerie und Gastronomie umfasst, sondern für alle Betriebe und Leistungsträger entlang der touristischen Servicekette zur Verfügung steht. 5. Wie häufig wurde dieses Siegel bisher vergeben? Das frühere Siegel „Barrierefreier Hotel- und Gastronomiebetrieb “ wurde, jeweils für eine Laufzeit von 3 Jahren, mehrere Hundert Male vergeben bzw. verlängert. Da für das frühere Siegel seit 2015 keine Neu- bzw. Rezertifizierungen mehr durchgeführt werden, sind aktuell in Bayern noch 20 Betriebe mit dem früheren Siegel ausgezeichnet, die spätestens Mitte 2018 auslaufen. Ab diesem Zeitpunkt wird das Siegel „Barrierefreier Hotel- und Gastronomiebetrieb“ in Bayern nicht mehr verwendet werden. Drucksache 17/13106 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6. Warum wurden die Zertifizierungskosten für „Reisen für alle“ nur für die Regionen Nationalpark Bayer. Wald, Arberland, Freyung-Grafenau , Tegernseer Land, Alpenregion, Tegernsee, Schliersee, Kurort Oberstdorf, Fränkisches Seenland , Bischofsgrün, Haßberge und München vergeben ? Im Rahmen der Anschubfinanzierung des Projektes wurde die Entscheidung getroffen, die Startphase aufgrund der limitierten Haushaltsmittel auf 10 Pilotdestinationen zu begrenzen und diese durch das Verfahren first come first serve zu ermitteln. Die Bewerbungen der derzeitigen Pilotdestinationen sind mit schlüssigen Konzepten als Erstes bei der Lizenznehmerin by.TM eingegangen. 7. a) Ist geplant diese Regionen auszuweiten? Nach Ansicht der Staatsregierung liegt im barrierefreien Tourismus eines der Zukunftsthemen der touristischen Destinationen . Es ist daher beabsichtigt, weitere Pilotdestinationen für die Teilnahme am deutschlandweiten Kennzeichnungssystem „Reisen für alle“ zu gewinnen. b) Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um diese Regionen auszuweiten, um dann zum Beispiel auch die Regionen Rhön und Spessart bzw. Bayer. Untermain einzubeziehen, da auch hier der Tourismus eine große Rolle spielt? Ziel ist es, Betriebe und Einrichtungen entlang der gesamten touristischen Servicekette nach deutschlandweit einheitlichen Kriterien zu erfassen, zu bewerten und zu zertifizieren, um damit eine verlässliche Orientierung zu bieten. Destinationen , die konkrete Konzepte dafür aufweisen, können sich in der nächsten Ausschreibungsrunde am Wettbewerb beteiligen. Es ist geplant, das Konzept first come first serve beizubehalten. 8. a) Welche konkreten länderübergreifenden (z. B. Bayern – Österreich, Bayern – Tschechien), tourismusrelevanten barrierefreien Projekte unterstützt der Freistaat (bitte diese einzeln erläutern und auch die jeweilige Fördersumme nennen)? In der vergangenen Förderperiode 2007-2013 haben sich die beiden Projekte „Barrierefrei Reisen im Šumava/Bayerischer Wald“ (INTERREG Bayern–Tschechien) und „Allgäu & Außerfern barrierefrei“ (INTERREG Österreich–Bayern) das Thema Barrierefreiheit zu eigen gemacht. Sämtliche Begünstigte/genehmigte Projekte sind auf den Programm- Homepages aufgeführt. b) Plant der Freistaat eine Ausweitung dieser Projekte ? INTERREG ist ein projektbasiertes Förderprogramm, in dem potenzielle Projektträger gemeinsam einen Förderprojektantrag gemäß den in dem jeweiligen Programm spezifizierten Kriterien erarbeiten, über den in der Folge ausschließlich der jeweilige sogenannte Begleitausschuss berät und entscheidet. Eine Einplanung bzw. Erhöhung der Projekte zum Thema barrierefreier Tourismus ist somit allein von den zukünftig eingereichten Projektanträgen abhängig .