5.1 Wie gelang es dem Täter nach dem Zusammentreffen mit einer Zivilstreife, sich dem Zugriff der Polizei für mehrere Stunden zu entziehen? 5.2 Welche Erkenntnisse und Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Bayerische Polizei im Nachgang des Einsatzes am 22. Juli 2016 für die einzelnen Einsatzabschnitte für zukünftige Einsätze? 6.1 Inwiefern wird bei den Ermittlungen eine politische Motivation (bzw. ein möglicher rechtsextremistischer Hintergrund ) berücksichtigt? 6.2 Ab welchem Vorbereitungszeitraum wäre von einem Attentat zu sprechen, da der Täter laut Medienberichten seine Tat über einen längeren Zeitraum intensiv vorbereitete ? 7.1 Inwieweit findet eine mögliche rassistische Sozialisierung des Täters im persönlichen Umfeld Berücksichtigung bei den Ermittlungen? 7.2 Inwiefern kann die Tat in München als die Tat eines “einsamen Wolf“, eines sich selbst radikalisierenden Rassisten beschrieben werden? 7.3 Wurden im Besitz des Täters (online wie offline) Hinweise darauf gefunden, dass er rechtsextremistisches Gedankengut teilte? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 28.09.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1.1 Trifft es zu, dass der digitale Polizeifunk in München im Rahmen des Einsatzes überlastet war? Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass der Digitalfunk auch bei großen Einsatzlagen den Einsatzkräften voll funktionsfähig zur Verfügung steht und somit eine deutliche Verbesserung gegenüber der analogen Funktechnik darstellt. Gleichwohl wird auch beim Digitalfunk weiteres Optimierungspotenzial gesehen, vor allem im Bereich der Inhouse- Versorgung. Die Dynamik, Komplexität sowie die damit verbundene hohe Polizeipräsenz stellen in Einsatzlagen wie am 22. Juli 2016 für den Digitalfunk in taktischer Hinsicht eine Extremsituation dar. So kam es am 22. Juli 2016 aufgrund der hohen Anzahl der digitalen Funkgeräte teilweise zu einer verzögerten Einbuchung in die entsprechende Digitalfunkzelle beziehungsweise Digitalfunkgruppe sowie während der Hochphase zu vereinzeltem Warteschlangenbetrieb mit einer Dauer von durchschnittlich knapp 2 Sekunden. 17. Wahlperiode 18.11.2016 17/13129 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.08.2016 Einsatz der Münchner Polizei am 22. Juli 2016 Der Polizeieinsatz beim Münchener Amoklauf im Olympia Einkaufszentrum (OEZ) fand in den Medien über Deutschland hinaus Beachtung. Vielfach wurde die Polizei für ihr schnelles und transparentes Eingreifen gelobt. Im Nachgang gab es auch ein paar kritische Stimmen, unter anderem in der TAZ vom 28.07.2016 (http://www.taz.de/Kommentar- Bayerische-Polizeiaufruestung/!5322010/). Demnach habe die Polizei durch den Einsatz nicht gekennzeichneter Zivilbeamt(inn)en in Kauf genommen, dass diese von der Bevölkerung als weitere Täter/-innen wahrgenommen werden . Die Meldung, es seien bis zu drei Attentäter in München unterwegs, hielt die ganze Stadt in Atem. Angeblich drang ein Dementi der Polizist(inn)en vor Ort nicht durch, weil die Funkkanäle überlastet waren. Außerdem wurde der Amokschütze beim Versuch, ihn zu stoppen verfehlt und dann stundenlang aus den Augen verloren. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Trifft es zu, dass der digitale Polizeifunk in München im Rahmen des Einsatzes überlastet war? 1.2 Wenn ja, warum und welche Folgen hatte dies für das Einsatzgeschehen? 1.3 Wenn ja, wie stellt die Staatsregierung sicher, dass sich dies nicht wiederholt? 2.1 Waren die eingesetzten Zivilpolizist(inn)en als Polizeibeamtinnen /-beamte gekennzeichnet? 2.2 Wenn nein, warum nicht? 2.3 Wenn nein, wo und wann waren Zivilpolizist(inn)en ohne Kennzeichnung als Polizeibeamtinnen/-beamte im Einsatz und wie lässt sich vor diesem Hintergrund erklären, dass an mehreren Orten Panik in der Stadtgesellschaft ausgebrochen ist? 3.1 Wie ist der Einsatz von Zivilpolizist(inn)en im Rahmen von potenziellen terroristischen Angriffen und Amokläufen (zum Beispiel in konkreten Amtsanweisungen) geregelt ? 3.2 Wenn es keine Regelung gibt, warum nicht, und wird ein Handlungskonzept für die Zukunft erstellt? 4.1 Gibt es Überlegungen oder Konzepte, wie die Polizei derartige Szenarien zukünftig verhindern bzw. einschränken kann? 4.2 Gibt es Überlegungen oder Konzepte, wie die Polizei die vielen Falschmeldungen zukünftig verhindern bzw. einschränken kann? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/13129 Die Verfügbarkeit des Digitalfunks für alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) war jedoch während der in Rede stehenden Einsatzlage trotz der hohen Auslastung zu jeder Zeit gegeben. Ein Eingreifen war aus technisch-betrieblicher Sicht nicht erforderlich. Das Netz des Digitalfunks BOS war während der Einsatzlage in Spitzenzeiten stark ausgelastet, aber zu keiner Zeit überlastet. Nutzerbeschwerden wurden der Autorisierten Stelle Bayern (AS BY) beim Bayerischen Landeskriminalamt nicht gemeldet. Der Digitalfunkeinsatz verlief aus Sicht der AS BY vor dem Hintergrund der mit 4 Sende- und Empfangseinheiten mit mittlerer Kapazität ausgestatteten am stärksten betroffenen TETRA Basisstation (TBS) München–Moosach während der Amoklage ohne besondere Auffälligkeiten. Der punktuell aufgetretene kurzzeitige technische Warteschlangenbetrieb war mit Blick auf die große Anzahl der eingesetzten Kräfte , den extrem hohen Kommunikationsbedarf und die mit 4 Sende- und Empfangseinheiten ausgestattete TBS nicht zu vermeiden. Es erscheint aus hiesiger Sicht fraglich, ob das bisherige Analognetz dieser Ad-hoc-Belastung Stand gehalten hätte. 1.2 Wenn ja, warum und welche Folgen hatte dies für das Einsatzgeschehen? Die bekannten Einschränkungen des Digitalfunks, vor allem im Bereich der Inhouse-Versorgung, zeigten sich auch während der Einsatzlage anlässlich der Amoktat in München, jedoch hatten sie keinen negativen Einfluss auf den Einsatzverlauf bzw. das weitere Einsatzgeschehen. 1.3 Wenn ja, wie stellt die Staatsregierung sicher, dass sich dies nicht wiederholt? Das Netz des Digitalfunks BOS wird durch die AS BY rund um die Uhr überwacht. Grundsätzlich wird ab Bekanntwerden einer Einsatzlage das Monitoring im betroffenen Bereich insbesondere in Bezug auf die Auslastung intensiviert. Die während der gegenständlichen Amoklage festgestellten Defizite werden im Hinblick auf die im Nachgang zum erfolgten Netzaufbau ohnehin geplanten Optimierungsmaßnahmen analysiert. Die identifizierten Schwerpunktthemen werden für die Bewältigung künftiger Großlagen dieser Dimension weiter vertieft (u. a. weitere Forcierung der Objektversorgungen , weiterer Ausbau der Kapazitäten) und z. B. auch Eingang in Schulungen finden. 2.1 Waren die eingesetzten Zivilpolizist(inn)en als Polizeibeamtinnen /-beamte gekennzeichnet? 2.2 Wenn nein, warum nicht? 2.3 Wenn nein, wo und wann waren Zivilpolizist(inn)en ohne Kennzeichnung als Polizeibeamtinnen/-beamte im Einsatz und wie lässt sich vor diesem Hintergrund erklären, dass an mehreren Orten Panik in der Stadtgesellschaft ausgebrochen ist? Zusammenfassend kann für den vorstehenden Fragenkomplex festgestellt werden, dass die eingesetzten zivilen Polizeibeamten grundsätzlich entsprechend gekennzeichnet waren. Aufgrund der Dynamik sowie Komplexität dieser Einsatzlage ist insbesondere in der Erstphase des Einsatzes, in der es vor allem um die Rettung von Menschenleben geht, eine unterbliebene Kennzeichnung der Zivilbeamten nicht auszuschließen. 3.1 Wie ist der Einsatz von Zivilpolizist(inn)en im Rahmen von potenziellen terroristischen Angriffen und Amokläufen (zum Beispiel in konkreten Amtsanweisungen ) geregelt? Zunächst ist anzumerken, dass in der Erstphase eines derartigen Einsatzes, welche zwangsläufig von einem hohen Kräftebedarf gekennzeichnet ist, sowohl alle zur Verfügung stehenden uniformierten als auch zivilen Polizeibeamten eingesetzt werden. Eine Entscheidung hinsichtlich der Kräftedisposition wird vom jeweiligen Polizeiführer lageangepasst getroffen. Des Weiteren besteht allgemein bei potenziellen terroristischen Angriffen und Amokläufen der taktische Bedarf , insbesondere für verdeckte Maßnahmen, zivile Polizeibeamte einzusetzen, was in konzeptionellen Überlegungen der Präsidien der Bayerischen Polizei Niederschlag findet. 3.2 Wenn es keine Regelungen gibt, warum nicht, und wird ein Handlungskonzept für die Zukunft erstellt? Mit Blick auf die Antwort zur Fragestellung 3.1 entfällt die Beantwortung dieser Frage. 4.1 Gibt es Überlegungen oder Konzepte, wie die Polizei derartige Szenarien zukünftig verhindern bzw. einschränken kann? Die Bayerische Polizei evaluiert ständig die bereits bestehenden Konzeptionen hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfungsstrategien , der Prävention sowie der Vorbereitung auf derartige Szenarien. Zu bedenken ist aber, dass entsprechende Taten ihren Ursprung in individuellen und komplexen Problemstellungen haben, denen gesamtgesellschaftlich zu begegnen ist. Insofern können sie auch in Zukunft nicht gänzlich ausgeschlossen werden. 4.2 Gibt es Überlegungen oder Konzepte, wie die Polizei die vielen Falschmeldungen zukünftig verhindern bzw. einschränken kann? Zur Minimierung der Verbreitung von Falschmeldungen betreibt die Bayerische Polizei grundsätzlich eigene frühzeitige, offensive Öffentlichkeitsarbeit. Dadurch wird die Kommunikation zwischen den Bürgern sowie der Austausch bzw. die Weitergabe von Meldungen unter den Bürgern durch diese polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit positiv beeinflusst. Neben den klassischen Medien, insbesondere Fernsehen, Radio oder Printmedien, wird mittlerweile auch der Bereich der Social Media bedient. Das Polizeipräsidium München ist bereits seit September 2014 im Bereich Social Media aktiv. Zwischenzeitlich wird auch beim Bayerischen Landeskriminalamt und den Präsidien Oberbayern Süd, Niederbayern und Unterfranken Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Medien betrieben. Überdies ist eine zeitnahe Ausweitung auf alle Präsidien der Bayerischen Landespolizei vorgesehen. 5.1 Wie gelang es dem Täter nach dem Zusammentreffen mit einer Zivilstreife, sich dem Zugriff der Polizei für mehrere Stunden zu entziehen? Die Einsatzlage war dynamisch, komplex und die Einsatzörtlichkeit unübersichtlich. Zudem liegt momentan noch kein belastbar rekonstruiertes Bewegungsbild des Täters vor. Der Täter war für eine eingesetzte Zivilstreife aus weiter Entfernung kurzzeitig sichtbar. Unmittelbar danach konnte der Täter jedoch nicht mehr lokalisiert werden. Eine Durchsuchung sowie Absuche war insbesondere hinsichtlich der Einsatzlage sowie der örtlichen Gegebenheiten äußerst aufwendig und zeitintensiv. Daneben mussten zahlreiche Einsätze mit dem Einsatzgrund „Schüsse“ im gesamten Stadtgebiet und eine angebliche Geiselnahme zeitgleich ab- Drucksache 17/13129 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gearbeitet werden. Mit starken Kräften wurde im Nahbereich des Tatortes die Fahndung aufrechterhalten. Dort wurde der Täter im öffentlichen Raum von Polizeibeamten angetroffen und angesprochen, woraufhin er Suizid beging. 5.2 Welche Erkenntnisse und Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Bayerische Polizei im Nachgang des Einsatzes am 22. Juli 2016 für die einzelnen Einsatzabschnitte für zukünftige Einsätze? Die Bayerische Polizei prüft ständig die bereits bestehenden Konzeptionen für Amoklagen sowie große Gefahrenund Schadenslagen und/oder Anschlagsfälle, schreibt diese fort und bereitet sich somit entsprechend vor. Hierbei fließen auch Erkenntnisse aus denkbaren Szenarien im Ausland mit ein. Diese Überprüfungen sind ein stetiger Prozess, die unabhängig von der Einsatzlage am 22. Juli 2016 durchgeführt werden. Dazu gehören auch die Bewertung der aktuellen Ausstattung der Polizei und die Prüfung notwendiger und sinnvoller Neubeschaffungen. Unabhängig davon wird die Einsatzlage vom 22. Juli 2016 durch das Polizeipräsidium München detailliert nachbereitet . Diese Einsatznachbereitung ist ressourcen- sowie zeitintensiv und dauert an. 6.1 Inwiefern wird bei den Ermittlungen eine politische Motivation (bzw. ein möglicher rechtsextremistischer Hintergrund) berücksichtigt? Die umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I und des Bayerischen Landeskriminalamtes zum Münchner Amoklauf konzentrieren sich darauf, die Vorbereitung und den Hergang der Tat so detailliert wie möglich zu rekonstruieren, das Motiv festzustellen und mögliche Mittäter bzw. Mitwisser zu identifizieren. Die Ermittlungen werden in alle Richtungen ergebnisoffen geführt. Da sich der Amokschütze selbst getötet hat, kann sein Motiv im Rahmen der strafprozessualen Möglichkeiten nur indirekt erforscht werden . Die umfangreiche Auswertung von Chatprotokollen, die Überprüfung der diesbezüglichen Urheberschaft des Täters und die Identifizierung bzw. Vernehmung der Chatpartner und Zeugen aus dem persönlichen Umfeld des Täters sind noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grunde ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, abschließende Aussagen über die Motive des Täters zu erteilen. 6.2 Ab welchem Vorbereitungszeitraum wäre von einem Attentat zu sprechen, da der Täter laut Medienberichten seine Tat über einen längeren Zeitraum intensiv vorbereitete? Die Antwort hängt von der Definition des Begriffs Attentat ab. Im Straf- und Strafverfahrensrecht ist dieser Begriff nicht definiert und spielt daher für die Strafverfolgung keine Rolle. Neben der Tatsache, dass Attentate Gewalttaten oftmals politischer, religiöser oder ideologischer Natur sind, ist eine derartige zeitliche Komponente grundsätzlich unerheblich. 7.1 Inwieweit findet eine mögliche rassistische Sozialisierung des Täters im persönlichen Umfeld Berücksichtigung bei den Ermittlungen? Auf die Antwort zu Frage 6.1 wird Bezug genommen. 7.2 Inwiefern kann die Tat in München als die Tat eines „einsamen Wolfs“, eines sich selbst radikalisierenden Rassisten beschrieben werden? Bislang gibt es keine Anhaltspunkte, die für eine Involvierung Dritter in die Tatplanung oder -ausführung sprechen würden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6.1 Bezug genommen . Aus den dort genannten Gründen ist es derzeit nicht möglich, abschließende Aussagen über das Motiv zu treffen. 7.3 Wurden im Besitz des Täters (online wie offline) Hinweise darauf gefunden, dass er rechtsextremistisches Gedankengut teilte? Die Auswertung von aufgefundenem Material und die Ermittlungen zur Motivlage sind noch nicht abgeschlossen. Soweit sich Hinweise auf mögliche Motive oder ein etwaiges Gedankengut aus dem Inhalt elektronischer Dokumente und den umfangreichen Chatverläufen ergeben sollten, muss untersucht werden, welche Einträge tatsächlich vom Täter selbst oder ggf. von Dritten stammen. Weitergehende Informationen zu sichergestellten Beweismitteln können aufgrund des Umstandes, dass die Ermittlungen noch andauern und ggf. nach der Auswertung von schriftlichen oder elektronischen Aufzeichnungen bzw. nach der Chatauswertung weitere Ermittlungsmaßnahmen erforderlich werden könnten, derzeit nicht gemacht werden.