Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Thomas Gehring, Ulrich Leiner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.08.2016 Alpenplan und weiteres Verfahren am Riedberger Horn Mit Schreiben vom 02.01.2015 haben die Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein im Ldkrs. Oberallgäu, die der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Hörnergruppe angehören , den Antrag auf Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens des Landesentwicklungsprogramms (LEP) gestellt, mit dem Ziel, in der Alpenschutzzone C am Riedbergerhorn durch die Aufstellung eines Teilflächennutzungsplans eine Verbindung und zugleich eine Erweiterung der Skigebiete Grasgehren und Balderschwang mittels Errichtung und Betrieb einer Verbindungsbahn zu ermöglichen. Um diese Zielabweichung seitens der Staatsregierung auszusprechen , sieht das Verfahren im Bayerischen Landesplanungsgesetz (BayLPlG) vor, dass die Zulassung einer Zielabweichung durch das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat als oberste Landesplanungsbehörde „im Einvernehmen mit den fachlich berührten Staatsministerien“ erfolgen muss. Die beantragte Zielabweichung hat nach einer Stellungnahme des Landesamts für Umwelt (LfU) erhebliche Auswirkungen auf den Naturhaushalt , das Landschaftsbild und den Bodenschutz. Das hierfür zuständige Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat sich bereits ablehnend zu dem Antrag auf Zielabweichung geäußert und fachliche und rechtliche Gründe gegen eine Bergbahn mit Skipiste in der Alpenschutzzone C vorgebracht. In der Kabinettssitzung vom 19.07.2016 wurde eine Änderung des Landesentwicklungsprogramms als neuer Vorschlag zur Ermöglichung des Baus einer Bergbahn in der bestehenden Alpenschutzzone C vorgestellt, sowie die Durchführung einer Befragung der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden Obermaiselstein und Balderschwang angeregt . Der Ministerrat hat das Staatsministerium der Finanzen , für Landesentwicklung und Heimat beauftragt, für den Fall eines positiven Ausgangs der Bürgerbeteiligung die notwendigen Schritte zur Änderung der Zonenabgrenzungen am Riedberger Horn sowie am Wannenkopf einzuleiten . Alternativ soll das Staatsministerium eine Änderung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) mit dem Ziel prüfen, im Alpenplan C Seilbahnen, Lifte und Skiabfahrten landesplanerisch unter bestimmten naturschonenden Voraussetzungen zu ermöglichen. Bei einem Besuch am Riedberger Horn hat der für Landesentwicklung zuständige Finanzminister zudem einen weiteren Vorschlag gemacht, nämlich die bestehende Alpenplanzone C in diesem Bereich in die Zone B abzustufen. Wir fragen die Staatsregierung: 1. Impliziert der Kabinettsbeschluss vom 19.07.2016, in dem neue Verfahrensvorschläge erwogen werden, dass die oberste Landesplanungsbehörde das Zielabweichungsverfahren negativ bescheiden wird, und ist der VG Hörnergruppe die Ablehnung ihres Antrags schon mitgeteilt worden? 2. a) Welche Legitimation ergibt sich aus Sicht der Staatsregierung aus einem Votum zweier Gemeinden im Landkreis Oberallgäu, im gesamten bayerischen Alpenraum eine generelle „Änderung des LEP mit dem Ziel vorzunehmen, im Alpenplan C Seilbahnen, Lifte und Skiabfahrten landesplanerisch unter bestimmten naturschonenden Voraussetzungen zu ermöglichen“ (vgl. vorgestellte Variante 2 laut Kabinettsbeschluss vom 19.07.16)? b) Beabsichtigt die Staatsregierung im Falle eines solchen Vorgehens, ein Votum sämtlicher Gemeinden mit entsprechenden Planungen im bayerischen Alpenraum anzuregen? c) Wie wäre eine Entscheidung zu werten, in der in den beiden Gemeinden (die unterschiedlich groß sind) abweichende Ergebnisse zustande kommen? 3. a) Wie lässt sich eine generelle Öffnung der Alpenplanzone C für „sanfte“ Erschließungsmaßnahmen aus Sicht des Alpen- und Naturschutzes begründen? b) Wie definiert die Staatsregierung dann „Ruhezonen“, die gemäß Art. 11 (3) des Naturschutzprotokolls ausgewiesen sind und für die bisher die Gebiete des Alpenplans Zone C angemeldet wurden? c) Wie lässt sich eine generelle Verkleinerung der Ruhezonen im Alpenplan C durch Erschließungsmaßnahmen mit dem Art. 11 (1) in Einklang bringen, der von den Vertragsparteien fordert, „bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden.“? 4. a) Teilt die Staatsregierung die Auffassung des Landesamtes für Umwelt, dass der Hang aufgrund der geologischen Situation nur mäßig stabil bis instabil ist und somit im Sinn von Art. 14 des Bodenschutzprokolls der Alpenkonvention in größeren Teilen als labiles Gebiet zu bezeichnen ist? b) Falls Frage 4 a mit „nein“ beantwortet wird, was versteht die Staatsregierung unter einem „labilen Gebiet“ im Sinne des Bodenschutzprotokolls der Alpenkonvention ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.12.2016 17/13176 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/13176 5. a) Falls eine Verschiebung der Zone C in Richtung Weiherkopf geplant ist, welches Verfahren und welche Stellungnahmen wären dafür erforderlich? b) Werden Bürgerinnen und Bürger der davon betroffenen Gemeinden bzw. die Gemeinderatsgremien ebenfalls um ihre Zustimmung gefragt werden? c) Welchen Stellenwert hat eine solche Zustimmung bzw. Ablehnung? 6. a) Falls eine Abwertung der Alpenschutzzone C am Riedberger Horn in die Zone B erwogen wird, wie ist eine solche Abwertung naturschutzfachlich und vor dem Hintergrund der Alpenkonvention begründet? b) Wie ist das Verfahren der Abwertung von C nach B? c) Wer gibt Stellungnahmen dazu ab? 7. a) Stimmt die Staatsregierung der Aussage des Landesbundes für Vogelschutz zu, dass es sich beim Riedberger Horn aufgrund der bedeutenden Population des Birkhuhns (5 % des deutschen Bestandes) um ein faktisches europäisches Vogelschutzgebiet handelt? b) Wenn nein, wie groß müsste die Birkhuhnpopulation sein, um eine solche Einstufung zu rechtfertigen? c) Wenn ja, welche Konsequenzen sieht die Staatsregierung für das geplante Projekt? 8. Wie bewertet die Staatsregierung die Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs zum Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention (Entscheidung Mutterer Alm 2004), in der festgestellt wurde, dass das Genehmigungsverbot für Skipisten in labilen Gebieten nicht durch Auflagen außer Kraft gesetzt werden kann, dass die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen für labile Gebiete nicht vorgesehen ist und dass als „labil“ nicht nur ein Rutschhang im Sinne einer Massenbewegung gilt, sondern Wortlaut und Zweck der Bestimmung auch das langsame Hangkriechen , Gleitungen, Muren und Steinschlag erfassen? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 04.10.2016 die Schriftliche Anfrage der Herren Abgeordneten Thomas Gehring und Ulrich Leiner vom 18. August 2016 betreffend Alpenplan und weiteres Verfahren am Riedberger Horn wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wie folgt beantwortet: 1. Impliziert der Kabinettsbeschluss vom 19.07.2016, in dem neue Verfahrensvorschläge erwogen werden , dass die oberste Landesplanungsbehörde das Zielabweichungsverfahren negativ bescheiden wird, und ist der VG Hörnergruppe die Ablehnung ihres Antrags schon mitgeteilt worden? Derzeit ruht das Zielabweichungsverfahren. 2. a) Welche Legitimation ergibt sich aus Sicht der Staatsregierung aus einem Votum zweier Gemeinden im Landkreis Oberallgäu, im gesamten bayerischen Alpenraum eine generelle „Änderung des LEP mit dem Ziel vorzunehmen, im Alpenplan C Seilbahnen, Lifte und Skiabfahrten landesplanerisch unter bestimmten naturschonenden Voraussetzungen zu ermöglichen“ (vgl. vorgestellte Variante 2 laut Kabinettsbeschluss vom 19.07.16)? Die Bürgerbefragungen in den Gemeinden Obermaiselstein und Balderschwang dienen dazu, ein Meinungsbild vor Ort über das Skiprojekt am Riedberger Horn zu erhalten. b) Beabsichtigt die Staatsregierung im Falle eines solchen Vorgehens, ein Votum sämtlicher Gemeinden mit entsprechenden Planungen im bayerischen Alpenraum anzuregen? Aktuelle Planungen von Gemeinden in der Zone C sind nicht bekannt. c) Wie wäre eine Entscheidung zu werten, in der in den beiden Gemeinden (die unterschiedlich groß sind) abweichende Ergebnisse zustande kommen ? In den Bürgerbefragungen am 18. September 2016 haben sich die Bürger in beiden Gemeinden mehrheitlich für das Vorhaben ausgesprochen. 3. a) Wie lässt sich eine generelle Öffnung der Alpenplanzone C für „sanfte“ Erschließungsmaßnahmen aus Sicht des Alpen- und Naturschutzes begründen ? b) Wie definiert die Staatsregierung dann „Ruhezonen “, die gemäß Art. 11 (3) des Naturschutzprotokolls ausgewiesen sind und für die bisher die Gebiete des Alpenplans Zone C angemeldet wurden? Die erforderliche Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb kann zu beiden Fragestellungen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage getroffen werden. c) Wie lässt sich eine generelle Verkleinerung der Ruhezonen im Alpenplan C durch Erschließungsmaßnahmen mit dem Art. 11 (1) in Einklang bringen, der von den Vertragsparteien fordert, „bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten , zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen , um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden.“? Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (Entscheidung vom 13. September 2012 – Az. Vf. 16-VII-11) sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 1. Juni 2015 – Az. 2 N 13.2220) kann Art. 11 Abs. 1 des Naturschutzprotokolls kein zwingendes Verbot, Schutzgebiete zu verkleinern, entnommen werden. 4. a) Teilt die Staatsregierung die Auffassung des Landesamtes für Umwelt, dass der Hang aufgrund der geologischen Situation nur mäßig stabil bis instabil ist und somit im Sinn von Art. 14 des Bodenschutzprokolls der Alpenkonvention in größeren Teilen als labiles Gebiet zu bezeichnen ist? Drucksache 17/13176 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) Falls Frage 4 a mit „nein“ beantwortet wird, was versteht die Staatsregierung unter einem „labilen Gebiet“ im Sinne des Bodenschutzprotokolls der Alpenkonvention? Art. 14 Abs. 1 des Bodenschutzprotokolls der Alpenkonvention bezieht sich nach seinem klaren Wortlaut auf die Pistengenehmigung ; die Prüfung erfolgt durch die zuständigen Behörden in dem entsprechenden Genehmigungsverfahren. 5. a) Falls eine Verschiebung der Zone C in Richtung Weiherkopf geplant ist, welches Verfahren und welche Stellungnahmen wären dafür erforderlich? b) Werden Bürgerinnen und Bürger der davon betroffenen Gemeinden bzw. die Gemeinderatsgremien ebenfalls um ihre Zustimmung gefragt werden? c) Welchen Stellenwert hat eine solche Zustimmung bzw. Ablehnung? Eine Verschiebung der Zone C in Richtung Weiherkopf (nördlich vom Wannenkopf) steht nicht zur Diskussion. 6. a) Falls eine Abwertung der Alpenschutzzone C am Riedberger Horn in die Zone B erwogen wird, wie ist eine solche Abwertung naturschutzfachlich und vor dem Hintergrund der Alpenkonvention begründet ? Bei der Ausweisung der Zonen im Alpenplan sind im Rahmen einer Gesamtkonzeption die Erholungsbedürfnisse der Bevölkerung, die naturschutzfachlichen Belange, die Abwehr von Naturgefahren sowie touristische und wirtschaftliche Ansprüche in einer Gesamtabwägung zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. b) Wie ist das Verfahren der Abwertung von C nach B? c) Wer gibt Stellungnahmen dazu ab? Zunächst ist von der obersten Landesplanungsbehörde im Benehmen mit den übrigen Ressorts ein Entwurf zur Änderung der Zonenabgrenzungen im Alpenplan des LEP auszuarbeiten . Nach der Billigung des Entwurfs im Ministerrat wird das nach dem Bayerischen Landesplanungsgesetz vorgeschriebene Beteiligungsverfahren durchgeführt. Nach Auswertung des Beteiligungsverfahrens werden eine weitere Behandlung im Ministerrat sowie die abschließende Behandlung im Landtag erfolgen. 7. a) Stimmt die Staatsregierung der Aussage des Landesbundes für Vogelschutz zu, dass es sich beim Riedberger Horn aufgrund der bedeutenden Population des Birkhuhns (5 % des deutschen Bestandes ) um ein faktisches europäisches Vogelschutzgebiet handelt? b) Wenn nein, wie groß müsste die Birkhuhnpopulation sein, um eine solche Einstufung zu rechtfertigen ? c) Wenn ja, welche Konsequenzen sieht die Staatsregierung für das geplante Projekt? Eine Aussage darüber, ob es sich beim Gebiet „Riedberger Horn“ um ein sog. faktisches Vogelschutzgebiet nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs handelt, setzt eine aktuelle und detaillierte vorhabenbezogene Erhebung der erforderlichen Daten voraus. Diese Frage ist daher im Laufe der weiteren notwendigen Genehmigungsverfahren zu klären. 8. Wie bewertet die Staatsregierung die Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs zum Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention (Entscheidung Mutterer Alm 2004), in der festgestellt wurde, dass das Genehmigungsverbot für Skipisten in labilen Gebieten nicht durch Auflagen außer Kraft gesetzt werden kann, dass die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen für labile Gebiete nicht vorgesehen ist und dass als „labil“ nicht nur ein Rutschhang im Sinne einer Massenbewegung gilt, sondern Wortlaut und Zweck der Bestimmung auch das langsame Hangkriechen , Gleitungen, Muren und Steinschlag erfassen ? Gegenstand der Entscheidung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juni 2005 ist ein Genehmigungsbescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Februar 2003 nach § 17 des österreichischen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 für eine Verbindung der Skigebiete Mutterer Alm und Axamer Lizum. Diese Entscheidung, die ein unabhängiges Gericht eines anderen Staates getroffen hat, wird von bayerischer Seite nicht bewertet.