Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.02.2014 Polizeieinsatz im Zuge der NPD-Gegendemonstration in Regensburg Im Nachgang zu dem unglücklichen Ende der Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch am 05.09.2013 in Regensburg wird/wurde gegen mehrere Gegendemonstranten ermittelt . Ich frage die Staatsregierung: 1. Welchen Sachstand haben die Ermittlungen wegen Körperverletzung, Nötigung und ggf. anderer Vergehen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz bei der Gegendemonstration zur NDP-Veranstaltung in Regensburg am 05.09.2013? a) Insbesondere gegen wie viele Personen (Polizisten und Gegendemonstranten) wird ermittelt? b) Wegen welcher Vergehen wird jeweils ermittelt? 2. Wie viele dieser Verfahren sind zwischenzeitlich be- reits beendet worden? a) Wie sind diese Verfahren beendet worden? b) Wie viele Verfahren wurden eingestellt (Polizisten und Gegendemonstranten)? c) In wie vielen Fällen wurde Anklage erhoben? 3. Wie viele Personen haben an der Sitzblockade teilge- nommen? a) Gegen wie viele wird ermittelt? b) Wie erklärt sich die Differenz? 4. Welche Unterschiede gibt es in der Einsatzstrategie zwischen dem vergleichbaren Polizeieinsatz in Regensburg am 01.08.2012 und dem Polizeieinsatz vom 05.09.2013? a) Weshalb wurde 2012 nicht gegen Gegendemonstranten ermittelt? 5. Weshalb kam es zu einem Strategiewechsel? 6. Welche Erkenntnisse hat die Nachbereitung des Polizeieinsatzes vom 05.09.2013 in Bezug auf eine auf Deeskalation ausgerichtete Einsatzphilosophie ergeben? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 28.03.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Welchen Sachstand haben die Ermittlungen wegen Körperverletzung, Nötigung und ggf. anderer Vergehen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz bei der Gegendemonstration zur NPD-Veranstaltung in Regensburg am 05.09.2013? a) Insbesondere gegen wie viele Personen (Polizisten und Gegendemonstranten) wird ermittelt? Polizeipräsidium Oberpfalz (Stand: 25.02.2014): Die strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz vom 05.09.2013 werden von der örtlich zuständigen Kriminalpolizeiinspektion Regensburg geführt. Die Durchführung der Ermittlungen in Strafverfahren gegen Polizeibeamte wurde durch das Sachgebiet 132 des Bayerischen Landeskriminalamtes (Interne Ermittlungen Nordbayern ) übernommen. Im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz vom 05.09.2013 wurde insgesamt gegen 24 Personen aus dem Bereich der Gegendemonstrationen ermittelt. Die Ermittlungsvorgänge gegen zehn dieser Personen wurden bereits der Staatsanwaltschaft Regensburg vorgelegt. Weiterhin wurde ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Personen im Zusammenhang mit dem Läuten der Domglocken aufgrund einer Anzeigenerstattung durch einen NPDAnhänger eingeleitet. Bezüglich der Sitzblockaden (Goliathstraße und Domplatz) werden zwei strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen eine Vielzahl von unbekannten Personen geführt, welche daran beteiligt waren. Zudem wurden vier Strafanzeigen gegen Polizeibeamte im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen am 05.09.2013 erstattet. Staatsanwaltschaft Regensburg (Stand 27.02.2014): Im Zusammenhang mit der Demonstration anlässlich der NPD-Kundgebung am 05.09.2013 in Regensburg sind bei der Staatsanwaltschaft Regensburg bisher 16 Anzeigen eingegangen , elf gegen insgesamt 13 namentlich genannte Beschuldigte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG), eine des NPD-Parteivorstandes gegen unbekannt wegen Nötigung (Behinderung in der Goliathstraße) sowie drei Anzeigen gegen bisher namentlich nicht bekannte Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt sowie eine gegen den Einsatzleiter der Polizei wegen Verstoßes gegen das Bayerische Versammlungsgesetz. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.05.2014 17/1357 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1357 b) Wegen welcher Vergehen wird jeweils ermittelt? Im Rahmen der eingeleiteten Strafverfahren wurden wegen folgender Delikte strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet: – Vergehen der gefährlichen Körperverletzung – Vergehen der versuchten gefährlichen Körperverletzung – Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung – Vergehen der versuchten vorsätzlichen Körperverletzung – Vergehen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte – Vergehen der Nötigung – Vergehen der Körperverletzung im Amt – Vergehen nach dem Bayerischen Versammlungsgesetz 2. Wie viele dieser Verfahren sind zwischenzeitlich bereits beendet worden? a) Wie sind diese Verfahren beendet worden? b) Wie viele Verfahren wurden eingestellt (Polizisten und Gegendemonstranten)? c) In wie vielen Fällen wurde Anklage erhoben? Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Regensburg wurden mit Stand 27.02.2014 von den elf Verfahren gegen Teilnehmer der Gegendemonstrationen acht Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) und ein Verfahren wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorläufig gemäß § 153 a StPO eingestellt. Ein Verfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung (Wurf mit einer Glasflasche) ist zwischenzeitlich durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossen . In einem weiteren Verfahren wurde wegen Körperverletzung mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt. Das Verfahren gegen unbekannt wegen Nötigung (Behinderung in der Goliathstraße) ist ebenfalls eingestellt. Gleiches gilt für das Ermittlungsverfahren wegen des Glockengeläuts. Die Anzeigen gegen Polizeibeamte werden in einem gesonderten Verfahren geführt. Die Ermittlungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. 3. Wie viele Personen haben an der Sitzblockade teilgenommen ? An der Sitzblockade, welche die Abfahrt der NPD-Fahrzeuge am Domplatz verhindern sollte, nahmen nach polizeilichen Feststellungen ca. 200 Personen teil. a) Gegen wie viele wird ermittelt? Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen, insbesondere nach Auswertung des Film- und Videomaterials, steht mit Stand 25.02.2014 die Identität von 14 Personen fest, welche an der Sitzblockade am Domplatz teilnahmen. Gegen diese Personen wurde ein Strafverfahren wegen Nötigung eingeleitet. Die weiteren an dieser Blockadeaktion teilnehmenden Personen konnten bislang nicht identifiziert werden. Die Durchführung der Identitätsfeststellung bei den Blockadeteilnehmern war aufgrund der Situation vor Ort nicht möglich . Gegen diese Personen wird in Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Regensburg ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt geführt. b) Wie erklärt sich die Differenz? Gegen alle an der Sitzblockade am Domplatz teilnehmenden Personen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung eingeleitet. Es konnten bislang lediglich 14 Personen identifiziert werden. Die anderen teilnehmenden Personen sind bislang unbekannt. 4. Welche Unterschiede gibt es in der Einsatzstrategie zwischen dem vergleichbaren Polizeieinsatz in Regensburg am 01.08.2012 und dem Polizeieinsatz am 05.09.2013? a) Weshalb wurde 2012 nicht gegen Gegendemonstranten ermittelt? Die Aufgabenstellung der Polizei besteht bei Einsatzlagen im Zusammenhang mit Versammlungen in erster Linie im Schutz von ordnungsgemäß angezeigten nicht verbotenen Versammlungen sowie in der Gewährleistung der Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Grundgesetz. Die polizeiliche Strategie ist hierbei stets auf Deeskalation und Kommunikation ausgerichtet. Diese Zielrichtung sowie die vom polizeilichen Einsatzleiter festgelegten Leitlinien wurden sowohl bei der Versammlung am 01.08.2012 als am 05.09.2013 verfolgt. Die polizeiliche Strategie war bei den Versammlungen darauf ausgerichtet, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen zu verhindern. Im Gegensatz zur Versammlungslage am 01.08.2012 – hier hatte die NPD im Rahmen ihrer Sommertour nach der Versammlung in Regensburg eine Anschlussveranstaltung in Nürnberg angezeigt – hatte die NPD am 05.09.2013 auf ihrer Deutschlandtour 2013 ihre letzte Station in Regensburg. Nach der polizeilichen Lagebeurteilung und den Erfahrungen aus ähnlichen Einsatzanlässen war bei beiden Einsätzen daher mit Blockadeaktionen im Vorfeld oder während der Versammlung der NPD zu rechnen. Bei der Versammlungslage am 05.09.2013 wurde im Gegensatz zur Versammlungslage 2012 jedoch nicht mit einer Blockade nach Versammlungsende der NPD gerechnet. Unabhängig davon wurden auch beim Polizeieinsatz am 01.08.2012 im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen in Regensburg mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Unter anderem wurden insgesamt drei Ermittlungsverfahren gegen die an den Blockadeaktionen z. N. des NPD-Trosses (Krauterermarkt, Neupfarrplatz und Bismarckplatz ) beteiligten 60 – 80 Personen geführt. Aufgrund der Situation vor Ort konnte keine Identitätsfeststellung bei den Blockadeteilnehmern durchgeführt werden. Die an den Blockaden beteiligten Personen waren nachträglich nicht mehr zu identifizieren. 5. Weshalb kam es zu einem Strategiewechsel? Ein Wechsel der polizeilichen Strategie bei beiden Versammlungen liegt nicht vor. Das polizeiliche Vorgehen war in beiden Fällen stets auf Deeskalation und eine kommunikative Konfliktlösung ausgerichtet. Alle möglichen Handlungsalternativen wurden angedacht. Erst nach Ausschöpfung aller kommunikativen Möglichkeiten und mehrfacher Androhung im Vorfeld erfolgte die Anwendung von Zwangsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. 6. Welche Erkenntnisse hat die Nachbereitung des Polizeieinsatzes vom 05.09.2013 in Bezug auf eine auf Deeskalation ausgerichtete Einsatzphilosophie ergeben? Der Polizeieinsatz anlässlich des Versammlungsgeschehens am 05.09.2013 wurde nach Auswertung aller Einsatzunterlagen von der Bayerischen Polizei umfassend nachbereitet . Für das einsatzführende Polizeipräsidium Oberpfalz ergaben sich auch nach der Einsatznachbereitung keinerlei Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges bzw. überzoge- Drucksache 17/1357 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 nes Vorgehen durch die an dem Polizeieinsatz beteiligten Einsatzkräfte. Als Ergebnis der Nachbereitung des Polizeieinsatzes ist festzustellen, dass sich die primär auf Deeskalation ausge- richtete Einsatzphilosophie der Bayerischen Polizei grundsätzlich bewährt hat, jedoch bei fehlender Kooperationsbereitschaft von Teilnehmern an ihre Grenzen stößt.