Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Alexandra Hiersemann SPD vom 23.06.2016 Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Unterbringung und Zwangsbehandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie viele stationäre oder teilstationäre Einrichtungen zur Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB bzw. nach dem Unterbringungsgesetz – UnterbrG) gibt es in Bayern (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk , Landkreis bzw. kreisfreier Stadt)? b) Wie viele Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) sind in Bayern untergebracht, (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreier Stadt)? c) Wie viele davon sind geschlossen, (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreier Stadt)? 2. a) Welche dieser Einrichtungen führen freiheitsentziehende Maßnahmen welcher Art durch (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Maßnahmen)? b) An wie vielen Patienten dieser Einrichtungen werden freiheitsentziehende Maßnahmen vorgenommen? 3. a) Nach welchen Kriterien entscheiden die jeweiligen Beschäftigten der Einrichtungen, ob die Voraussetzungen für eine freiheitsentziehende Maßnahme vorliegen? b) Was sind die Richtlinien hierfür? c) Wie wird die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen dokumentiert? 4. a) Wie werden die Qualitätsstandards der Betreuung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) in Bayern überprüft? b) Wie oft werden diese Qualitätsstandards angepasst? 5. a) Wie häufig werden die Einrichtungen zur Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) von den Aufsichtsbehörden kontrolliert ? b) Gibt es hier Vorgaben, falls ja, wie gestalten sich diese? 6. Wird die Indikation für die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen überprüft, wenn ja, wie oft und mit welchen Ergebnissen? 7. a) Besteht nach Auffassung der Staatsregierung rechtspolitischer Handlungsbedarf mit dem Ziel, den Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen in bayerischen Einrichtungen für Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) zu reduzieren? b) Wie plant die Staatsregierung, dies umzusetzen? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 27.10.2016 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Alexandra Hiersemann wird abgestimmt mit dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und dem Staatsministerium für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst wie folgt beantwortet: 1. a) Wie viele stationäre oder teilstationäre Einrichtungen zur Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB bzw. nach dem Unterbringungsgesetz – UnterbrG) gibt es in Bayern (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreier Stadt)? Erwachsene Menschen mit psychischer Erkrankung können in nach § 108 des Sozialgesetzbuches (SBG) Fünftes Buch (V) zugelassenen Krankenhäusern zivilrechtlich und öffentlich -rechtlich untergebracht werden. Erwachsene Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung können ferner auch in Einrichtungen der Pflege oder in Einrichtungen der Behindertenhilfe zivilrechtlich und öffentlich-rechtlich untergebracht werden. Die Staatsregierung hat keine Kenntnis, welche einzelnen Krankenhäuser, Kliniken und Einrichtungen grundsätzlich oder im Einzelfall bereit und in der Lage sind, unterzubringende Personen aufzunehmen. b) Wie viele Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) sind in Bayern untergebracht (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk , Landkreis bzw. kreisfreier Stadt)? Eine Übersicht, wie viele Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG in Bayern aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreier Stadt untergebracht sind, liegt der Staatsregierung nicht vor. Nach Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 26.01.2017 17/13888 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/13888 Auskunft des Staatsministeriums der Justiz liegen lediglich Angaben zur Anzahl der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB vor. Danach wurden im Jahr 2015 durch die Betreuungsgerichte 18.722 Anträge von Betreuern und Bevollmächtigten auf Unterbringung genehmigt. c) Wie viele davon sind geschlossen (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreier Stadt)? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Zahlen vor. Die Einteilung nach offenen oder geschlossenen Einrichtungen, Stationen, Abteilungen und Gruppen wird im Rahmen der Krankenhausplanung nicht erfasst. Gleiches gilt für die Bedarfsplanung für Einrichtungen der Pflege und für Menschen mit Behinderung, die für Einrichtungsträger nicht verbindlich ist und für die die Landkreise bzw. kreisfreien Städte sowie die Bezirke als überörtlicher Träger der Sozialhilfe verantwortlich sind. 2. a) Welche dieser Einrichtungen führen freiheitsentziehende Maßnahmen welcher Art durch (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Maßnahmen)? Eine Übersicht, welche Einrichtungen freiheitsentziehende Maßnahmen welcher Art aufgeschlüsselt nach der Art der Maßnahme durchführen, liegt der Staatsregierung nicht vor. b) An wie vielen Patienten dieser Einrichtungen werden freiheitsentziehende Maßnahmen vorgenommen ? Vgl. Antwort zu Frage 2 a. 3. a) Nach welchen Kriterien entscheiden die jeweiligen Beschäftigten der Einrichtungen, ob die Voraussetzungen für eine freiheitsentziehende Maßnahme vorliegen? Bei erwachsenen Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung ergeben sich für den Bereich der zivilrechtlichen Unterbringung die Voraussetzungen , unter denen eine freiheitsentziehende Unterbringung , eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder eine unterbringungsähnliche Maßnahme zulässig sind, aus § 1906 BGB. Die Entscheidung des Betreuers oder des Bevollmächtigten bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Dabei kommen Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen nur dann in Betracht, wenn sie zur Abwendung eines drohenden erheblichen Gesundheitsschadens erforderlich sind. Sie sind immer Ultima Ratio. Nur wenn sich die erhebliche Gesundheitsgefahr, die auf der psychischen Krankheit oder der geistigen oder seelischen Behinderung beruht, durch kein milderes Mittel vermeiden lässt, können Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahmen genehmigt werden. Freiheitsentziehende Maßnahmen wie Bettgitter etc., die regelmäßig oder über einen längeren Zeitraum verwendet werden, können daher nicht genehmigt werden, wenn nicht alle Möglichkeiten zur Reduzierung von Fixierungsmaßnahmen ausgeschöpft sind (vgl. hierzu auch Antwort zu Frage 7 a). Bei psychisch kranken oder infolge Geistesschwäche oder Sucht psychisch gestörten Menschen ergeben sich für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung die Voraussetzungen , unter denen eine freiheitsentziehende Unterbringung zulässig ist, aus Art. 1 UnterbrG. Danach muss aufgrund der psychischen Krankheit oder psychischen Störung die öffentliche Sicherheit und Ordnung in erheblichem Maße gefährdet sein und die Gefährdung darf nicht durch weniger einschneidende Mittel abgewendet werden können. Auch hier ist die Unterbringung Ultima Ratio. Für die Entscheidung über die Unterbringung nach Art. 1 UnterbrG sind ebenfalls die Betreuungsgerichte zuständig. b) Was sind die Richtlinien hierfür? Vgl. dazu Antwort zu Frage 3 a. c) Wie wird die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen dokumentiert? Freiheitsentziehende Maßnahmen werden unter Angabe von Anordnung, Anzahl, Grund sowie Notwendigkeit, Dauer und der äußeren Umstände schriftlich für jede betroffene Person in der Patienten- bzw. Bewohnerakte dokumentiert . 4. a) Wie werden die Qualitätsstandards der Betreuung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) in Bayern überprüft? In den psychiatrischen Kliniken werden die Qualitätsstandards kontinuierlich durch die behandelnden Ärzte basierend auf den Leitlinien der Fachgesellschaften überprüft. Dabei sind Achtung und Stärkung der Patientenautonomie sowie die weitgehende Vermeidung von Zwangsmaßnahmen Grundprinzipien der klinischen Tätigkeit, Bestandteil der Qualitätspolitik und Grundlage des Qualitätsmanagements . Die Leitlinien unterliegen einem kontinuierlichen Überprüfungsprozess , der in den Leitlinien selbst beschrieben ist (z. B. Gültigkeitsdauer und Fortschreibung). Zudem erfolgen Überprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) hinsichtlich fachlicher Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen auch in den psychiatrischen Kliniken, wie in allen anderen Kliniken. Für psychiatrische Kliniken wie für alle anderen Kliniken gibt es zudem weitere gesetzliche Vorschriften und Qualitätsstandards , die für die Betriebserlaubnis der Klinik eingehalten werden müssen. So sind die Kliniken insbesondere auch gesetzlich zu einem systematischen Qualitätsmanagementsystem (QM-System) verpflichtet (§ 135 a und § 137 SGB V). Die kontinuierliche Überprüfung, Evaluation und Verbesserung der Abläufe in den Kliniken ist bei den zertifizierten Kliniken sowohl internen als auch externen Überprüfungszyklen unterworfen. Ferner gibt es in den meisten Kliniken ein spezielles Beschwerdemanagement für Patienten und Angehörige sowie ein Fehler- und Risikomanagement. In allen psychiatrischen Kliniken sind darüber hinaus unabhängige Patientenfürsprecher tätig. Im Rahmen von unabhängigen Beschwerdestellen können Patienten und Angehörige ebenfalls ihre Anliegen vorbringen. Ferner besuchen und überprüfen Kommissionen auf Länderebene sowie deutsche und europäische Menschenrechtskommissionen die Kliniken unangemeldet . Stationäre Einrichtungen für pflegebedürftige Volljährige und volljährige Menschen mit Behinderung werden von den Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht – (FQA) durch wiederkehrende oder anlassbezogene Prüfungen überwacht. Gegenstand der Überprüfung ist die Einhaltung der in Art. 3 des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) formulierten Sicherstellungsverpflichtungen. Demnach haben die Drucksache 17/13888 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Träger und die Leitung der Einrichtungen z. B. sicherzustellen , dass • die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen geschützt werden, • die Leistungen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse erbracht werden und • eine angemessene Qualität der pflegerischen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner nach dem allgemein anerkannten Stand der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse gesichert ist. Hierzu gehört insbesondere, dass freiheitseinschränkende Maßnahmen nur angewendet werden, wenn sie zum Schutz gegen eine dringende Gefahr für Leib und Leben unerlässlich sind. Die FQA soll sich aus einem multiprofessionellen Team bestehend aus einer Ärztin bzw. einem Arzt, einer Sozialpädagogin bzw. einem Sozialpädagogen, einer Pflegekraft und einer Verwaltungskraft zusammensetzen. In diesem Zusammenhang führen die FQA z. B. Begutachtungen des Pflegezustandes und teilnehmende Begutachtungen, Gespräche mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Beschäftigten sowie mit der Bewohnervertretung durch. Werden Mängel festgestellt, erfolgt eine Mängelberatung. Darüber hinaus können Anordnungen erlassen, Beschäftigungsverbote ausgesprochen und als letztes Mittel Betriebsuntersagungen erteilt werden. b) Wie oft werden diese Qualitätsstandards angepasst ? Die Qualitätsstandards in den psychiatrischen Kliniken werden regelmäßig evaluiert und fortentwickelt. Da in den Kliniken vielfältigste Arten von Qualitätsstandards für die unterschiedlichsten Krankenhausbereiche existieren (z. B. Diagnostik u. a. mit Labor und Röntgen, Hygiene, Speisenversorgung, Infektionsschutz, Medizinprodukte , Arzneimittelversorgung), gelten für jeden Bereich unterschiedliche Überprüfungs- und Aktualisierungszyklen. Expertenstandards in stationären Einrichtungen für pflegebedürftige Volljährige und volljährige Menschen mit Behinderung unterliegen entsprechend dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess einer standardisierten, regelmäßigen und individuell festgelegten Überarbeitung. 5. a) Wie häufig werden die Einrichtungen zur Behandlung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) von den Aufsichtsbehörden kontrolliert? Psychiatrische Kliniken, in denen Personen öffentlich-rechtlich untergebracht sind, werden mindestens alle zwei Jahre von einer Besuchskommission der zuständigen Bezirksregierung angemeldet oder unangemeldet überprüft. Daneben erfolgen laufend Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, die primär die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung überprüfen. Einrichtungen für pflegebedürftige Volljährige und volljährige Menschen mit Behinderung nach dem PfleWoqG werden von der FQA grundsätzlich mindestens einmal im Jahr überprüft. b) Gibt es hier Vorgaben, falls ja, wie gestalten sich diese? Die Bezirksregierungen besetzen die Besuchskommissionen mit Fachleuten und psychiatrischen Laien, z. B. Juristen . Sie organisieren die Klinikbesuche und die jeweiligen Überprüfungsschwerpunkte eigenständig. Die Besuchskommissionen überprüfen, ob die Rechte der untergebrachten Personen gewahrt werden. Sie haben Wünsche und Beschwerden der untergebrachten Personen zu behandeln und zweckdienliche Abhilfevorschläge zu machen. Sie erhalten auf Wunsch uneingeschränkten Zugang zu allen Bereichen der Kliniken und sprechen ohne Beisein von Klinikpersonal mit den Patienten. Die Besuchskommissionen verfassen Besuchsberichte und geben den Kliniken Gelegenheit zur Stellungnahme und bei Mängeln den Auftrag, diese zu beseitigen. Die Überprüfung von Einrichtungen für pflegebedürftige Volljährige und volljährige Menschen mit Behinderung richtet sich nach dem PfleWoqG sowie der zum PfleWoqG erlassenen Rechtsverordnung zur Ausführung des PleWoqG (AVPfleWoqG). Darüber hinaus wurde für den Vollzug des PfleWoqG ein Prüfleitfaden entwickelt, der den Prüferinnen und Prüfern Leitgedanken zur Prüfung, Vorgehensweisen sowie die Prüfung von Schlüsselsituationen empfiehlt. Die im Prüfleitfaden enthaltenen Schlüsselsituationen enthalten z. B. Situationen, die für die Bewohnerinnen und Bewohner besonders gefährdend (z. B. freiheitsentziehende Maßnahmen , Medikamentengabe) und für die FQA besonders informativ sind (z. B. teilnehmende Beobachtungen bei Pflegehandlungen oder Angeboten der Teilhabe). 6. Wird die Indikation für die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen überprüft, wenn ja, wie oft und mit welchen Ergebnissen? Der Betreuer oder der Bevollmächtigte, der die Unterbringung oder die freiheitsentziehende Maßnahme anordnet, hat zu jedem Zeitpunkt zu prüfen, ob ihre Voraussetzungen noch vorliegen und sie noch erforderlich und verhältnismäßig ist. Betreuer und Bevollmächtigte müssen die Freiheitsentziehung sofort beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Für das Betreuungsgericht, das eine Unterbringung oder eine freiheitsentziehende Maßnahme genehmigt hat, gilt ebenso, dass es von Amts wegen die Genehmigung jederzeit aufheben muss, wenn die Voraussetzungen der Maßnahme entfallen. Zudem kann die Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme nur für ein Jahr (ausnahmsweise zwei Jahre) befristet genehmigt werden. Nach einem Jahr (ausnahmsweise zwei Jahre) endet die Unterbringung daher automatisch, wenn sie nicht verlängert wird. Für die Verlängerung gelten dieselben Vorschriften wie für die erstmalige Anordnung, d. h. es bedarf insbesondere eines neuen psychiatrischen Gutachtens bzw. ärztlichen Zeugnisses. Dauert die Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme schon mehr als vier Jahre, sieht das Gesetz als zusätzliche Vorkehrung vor, dass das Gericht keinen Sachverständigen bestellen darf, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist, vgl. § 329 des Familienverfahrensgesetzes (FamFG). 7. a) Besteht nach Auffassung der Staatsregierung rechtspolitischer Handlungsbedarf mit dem Ziel, den Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen in bayerischen Einrichtungen für Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger oder seelischer Behinderung (gemäß § 1906 BGB bzw. UnterbrG) zu reduzieren? Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/13888 b) Wie plant die Staatsregierung, dies umzusetzen? Die Fragen 7 a und 7 b werden gemeinsam beantwortet. Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen sind stets ultima ratio und kommen nur dann in Betracht, wenn sie tatsächlich erforderlich sind (vgl. Antwort zu Frage 3 a). Im Rahmen der zivilrechtlichen Unterbringung setzt die Staatsregierung hierzu seit 2007 insbesondere auf das Modell des Werdenfelser Weges, das mittlerweile im ganzen Freistaat Bayern praktiziert wird. Der Werdenfelser Weg ist ein durch das Amtsgericht Garmisch -Partenkirchen und die Betreuungsstelle des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen entwickeltes Konzept, um im Rahmen der geltenden rechtlichen Bestimmungen darauf hinzuwirken, die Zahl der Anträge auf Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen im Pflegebereich auf ein unumgängliches Minimum zu reduzieren. In erster Linie geht es darum, durch Professionalisierung und optimale Kommunikation sicherzustellen, dass pflegerische Alternativen zum Einsatz von Fixierungseinrichtungen wie Bauchgurt und Bettgitter im gerichtlichen Verfahren eingehend geprüft und mit allen Beteiligten erörtert werden. Zu diesem Zweck wird für den Betroffenen nicht wie früher üblich ein Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger bestellt, sondern eine Person mit besonderer pflegerischer Erfahrung. Der Verfahrenspfleger erörtert den Einzelfall mit dem Pflegeheim, dem Betroffenen und den Angehörigen und zeigt vielfach pflegerische Alternativen auf. Häufig führt dies dazu, dass sich der Antrag auf Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen erledigt. Andernfalls trifft das Gericht eine Entscheidung. Dabei werden freiheitsentziehende Maßnahmen nur genehmigt, wenn eine ausreichende Alternative nach Auffassung des Gerichts nicht besteht. Die Staatsregierung begleitet die Verbreitung des Werdenfelser Wegs durch intensive Werbung und Öffentlichkeitsarbeit , die sich an die mit Betreuungssachen befassten Richter, aber auch an die Pflegekräfte und Leiter von Pflegeeinrichtungen wendet. Sie hat sich auch dafür eingesetzt, dass das Modell deutschlandweit bekannt und eingesetzt wird. In Bayern konnte die Anzahl der Genehmigungen unterbringungsähnlicher freiheitsentziehender Maßnahmen im Rahmen der zivilrechtlichen Unterbringung auf diese Weise signifikant gesenkt werden. Während sich die Anzahl der Genehmigungen freiheitsentziehender Maßnahmen im Jahr 2010 noch auf 24.662 belief, wurden im Jahr 2015 lediglich 16.975 freiheitsentziehende Maßnahmen genehmigt. In den letzten 5 Jahren konnte die Anzahl freiheitsentziehender Maßnahmen folglich um mehr als 30 % reduziert werden. Die Staatsregierung wird den oben beschrittenen Weg weiterhin konsequent verfolgen, damit Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen wo immer möglich vermieden werden können. Die bisherigen Regelungen des Unterbringungsgesetzes zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen bedürfen der Fortentwicklung. Die Staatsregierung entwickelt derzeit Eckpunkte für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, in denen dieser Fortentwicklungsbedarf seinen Niederschlag finden soll. In diesem Zusammenhang prüft die Staatsregierung für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung die Einführung gesetzlicher Regelungen zu Zwangsbehandlungen und Fixierungen in Anlehnung an die Regelungen im Bayerischen Maßregelvollzugsgesetz.